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Hartung, Alexander – Rache des Inquisitors, Die

_Handlung_

Klara Ulner wohnt im kleinen Dorf Reheim im Taunus bei ihrem Onkel Markus. Das Leben dort ist unbeschwert und glücklich. Ihre Freunde sind der liebenswerte Schürzenjäger Peter und die Heilerin und Kräuterfrau Agnes, die auch ihre Lehrerin ist. Doch die Idylle währt nicht lange, denn als Pater Baselius, Prior des Klosters St. Bonifaz in Mainz nach Reheim kommt, weil es dort angeblich einen Fall von Ketzerei gegeben hat, herrscht schnell große Angst und Verunsicherung unter den Einwohnern.

Der Prior, sein Skriptor und einige Soldaten beginnen sofort mit den Ermittlungen und es dauert nicht lange, bis die vermeintliche Hexe Agnes auf dem Scheiterhaufen landet. Schnell schlägt die Stimmung in dem Dörfchen, in dem jeder jeden kennt, um und es breiten sich Misstrauen und Panik in der Bevölkerung aus. Als Nächstes ist Peters Vater an der Reihe, der ebenfalls der Teufelsanbetung bezichtigt wird. In beiden Fällen ist Klara von der Unschuld der Angeklagten überzeugt und so beginnt sie, Nachforschungen anzustellen. Als dann plötzlich auch Peter im Gefängnis der Inquisition landet, scheint ihre ganze kleine Welt in den Feuern der Inquisition zu enden.

_Der Autor_

Alexander Hartung wurde 1970 in Mannheim geboren. Nach dem Studium der Volkswirtschaft in Mannheim und Heidelberg arbeitete er für Unternehmensberatungen in Berlin und Frankfurt, bevor er 2005 zu einer großen Softwarefirma wechselte. Schon während des Studiums begann er, sich für das Mittelalter zu interessieren, speziell für die Kreuzzüge und die Geschichte der Inquisition. Dieses Interesse fließt bei seiner schriftstellerischen Tätigkeit in die Texte ein. 2006 erschienen zwei seiner Kurzgeschichten in Anthologien. Außerdem ist der Autor des Rollenspiels „Spherechild“. Heute lebt Alexander Hartung mit Frau und Hund wieder in Mannheim.

_Mein Eindruck_

„Die Rache des Inquisiors“ spielt im 17. Jahrhundert im heutigen Deutschland, also zu der Zeit in der Geschichte, in der es die mit Abstand meisten Hexenprozesse gab. Oftmals wird ja das Mittelalter als solche angesehen, was aber schlicht falsch ist. Historisch gesehen bewegt sich Alexander Hartung bei seinem Roman aber trotzdem in einer gewissen Grauzone, war die Inquisition in der Zeit, in der der Roman spielt, doch eher auf der Suche nach Häretikern und nicht nach Hexen. Die eigentliche Hexenverfolgung war ein hauptsächlich bevölkerungsbedingtes Problem, das mehr auf Panik und Aberglaube der ungebildeten Massen beruhte, als auf gezielter Verfolgung von kirchlicher Seite. Trotz dieser kleinen Unstimmigkeit bleibt der geschichtliche Kontext im Roman trotzdem schlüssig, denn auch wenn es sich dabei zweifelsfrei um einen Sonderfall handelt, wird dieser doch durch die Auflösung der Handlung erklärt und ist nicht durch Unkenntnis oder schlechte Recherche entstanden.

Insofern ist dem Autor da keine Unachtsamkeit zu unterstellen, zumal er die Panik in der Bevölkerung und die damit verbundenen Denunziationen interessant herausarbeitet. So wird einer der Angeklagten vom örtlichen Geistlichen belastet, obwohl dieser ebenfalls von der Unschuld des Beklagten überzeugt ist. Und so ungeheuerlich so etwas in unseren heutigen Ohren auch klingen mag, lässt uns der Autor so tief in seine Figuren eindringen, dass der Leser den inneren Zwiespalt, und damit den Verrat, dieses Geistlichen sogar verstehen kann. Daher liest es sich sehr erfrischend, dass nicht die altbekannten „Gut und Böse“-Schemata angewandt werden, sondern vieles genau beleuchtet, ohne dabei aber bewertet zu werden. Dies überlässt der Autor dann dem Leser.

Ähnlich angelegt ist auch der Anführer der Inquisition Pater Baselius, mit dem man beinahe Mitleid hat, obwohl der den Tod offensichtlich unschuldiger Menschen befiehlt. Hier spielt Hartung gekonnt mit der Ambivalenz der Figuren, ohne dabei jedoch klischeehaft zu werden.

Das bringt uns auch gleich zum nächsten Thema. Historische Romane stehen, meiner Ansicht nach auch zu Recht, in dem Ruf hauptsächlich Frauenbücher zu sein, sieht man einmal von Bernard Cornwells Bestsellern ab. Daher wird das Genre des historischen Romans von vielen Männern schon grundsätzlich abgelehnt, handelt es sich doch meist um die gleichen wiederkehrenden Liebesgeschichten, die sich lediglich in ein anderes Gewand kleiden. Ob der überaus gutaussehende Mann neben der nicht minder attraktiven und überraschend selbstständigen Frau jetzt ein schottischer Highlander, ein römischer Centurio oder ein Kreuzritter ist, ist meist nur von sekundärem Interesse. Ebenso wie die historische Korrektheit: Hauptsache die „Schmalzdichte“ ist entsprechend hoch. Um eine Liebesgeschichte betrügt auch dieser Roman seine Leser(innen) nicht, doch bleibt sie angenehm im Hintergrund und fügt sich in die Geschichte ein, ohne sie zu sehr für sich zu vereinnahmen. Die Beziehung zwischen Peter und Klara bleibt immer dezent und zu keiner Zeit kitschig, sodass auch der solchen Dingen eher abgeneigte Leser nicht abgeschreckt wird.

Einen kleinen Etikettenschwindel begeht der Autor aber dann doch, und zwar indem er das Buch als historischen Kriminalroman bezeichnet. Es wird also suggeriert, dass sich die Handlung hauptsächlich mit der Aufklärung eines Verbrechens befasst. Dem ist aber nicht so. Vielmehr ist schon relativ früh klar, wer eigentlich hinter den Geschehnissen steckt. Daher geht es in weiten Teilen des Buches vielmehr darum über die Gründe und Motive des Täters zu grübeln bzw. sie zu beleuchten und ihn damit zu überführen, als den Schuldigen zu finden. Wer also mit anderen Erwartungen an dieses Buch herangeht, kann enttäuscht werden. Aber auch hier und ebenfalls in der schlussendlichen Auflösung der Geschehnisse bleibt der Roman jederzeit nachvollziehbar und wirkt zu keiner Zeit an den Haaren herbeigezogen oder unplausibel.

Ein paar Worte möchte ich noch über den Verlag verlieren. „Die Rache des Inquisitors“ erschien beim |Brendow|-Verlag. Dieser ist für sein durchweg christlich geprägtes Verlagsprogramm bekannt und kann daher durchaus auch als „christlicher Verlag“ bezeichnet werden. Dass dann ein Roman dort erscheint, der als Inhalt zu großen Teilen Kirchen- oder viel mehr Inquisitionskritik hat, sehe ich als positives Zeichen. Der Verlag scheint sich zu öffnen und eine sehr reflektierende Sicht auf die Kirche und deren Geschichte zu haben. Das freut mich, hat er doch schon lange sehr spannende und interessante Titel in seinem Sortiment, galt dabei aber auch immer als ein wenig konservativ. Mit dieser Öffnung haben sie bewiesen, dass sich eine Beschreibung wie „christlich“ nicht zwangsläufig mit solchen wie „modern“, „aufgeklärt“ oder „weltoffen“ beißen müssen. Weiter so!

_Fazit:_

Mit „Die Rache des Inquisitors“ ist Alexander Hartungs ein beachtlicher Debütroman gelungen. Er vereinigt gekonnt historische Gegebenheiten mit einer interessanten und spannenden Geschichte, ohne dabei kitschig zu werden oder aufgesetzt zu wirken.

|Taschenbuch: 320 Seiten
ISBN-13: 978-3865062956|
[www.brendow-verlag.de]http://www.brendow-verlag.de

_Alexander Hartung bei |Buchwurm.info|:_
[„Spherechild: Grundregelwerk“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4808

Interview mit Bernd Perplies

_Martin Schneider:_
Hallo Bernd, stell dich den Lesern doch am besten einfach mal kurz vor.

_Bernd Perplies:_
Hallo! Also, ich wurde 1977 in Wiesbaden geboren, studierte Filmwissenschaft, Germanistik, Buchwissenschaft und Psychologie in Mainz und arbeite heute drei Tage die Woche im Deutschen Filminstitut – DIF in Frankfurt am Main. Darüber hinaus bin ich freiberuflich als Übersetzer und Journalist tätig, unter anderem für das Rollenspiel-Portal |Ringbote.de|, das Genre-Magazin |Space View| und für |Pegasus Spiele|. Und im August 2008 ist mein Debütroman [„Tarean – Sohn des Fluchbringers“ 5678 erschienen. Seitdem widme ich mich zunehmend der Schreiberei, denn das ist es, was ich eigentlich immer machen wollte.

_Martin:_
Also ich muss dir zu einem erstaunlich starken Debütroman gratulieren. Hattest du damit gerechnet, dass „Tarean“ bei der Leserschaft so gut ankommt?

_Bernd:_
Gehofft habe ich es natürlich. Man schreibt ein Buch schließlich nicht in der Erwartung, dass alle Welt es in der Luft zerreißt. Aber sicher war ich mir diesbezüglich keineswegs. Was einem selbst oder dem engen Familienkreis gefällt, muss noch lange nicht in den Augen der großen Leserschaft bestehen. Insofern bin ich sehr froh darüber, dass der überwiegende Teil derer, die das Buch gelesen haben, viel Spaß mit Tarean und seinen Abenteuern hatten.

_Martin:_
Für unsere Leser, die „Tarean“ noch nicht gelesen haben: Worum geht es denn genau?

_Bernd:_
Die Geschichte handelt von dem Jungen Tarean, dessen Vater Anreon, ein Ritter des Kristalldrachenordens, vor sechzehn Jahren, während einer Schlacht der westlichen Reiche gegen das Wolflingheer des Hexenmeisters Calvas, unwillentlich dem Bösen zum Sieg verhalf. Seitdem gilt Tareans Vater, der in dieser Nacht sein Ende fand, unter den Menschen als „Fluchbringer“. Mit diesem schweren Erbe muss Tarean aufwachsen. Irgendwann reift in Tarean das Gefühl, dass es nur eine Möglichkeit gibt, den Namen seines Vaters reinzuwaschen: Er muss den Hexer für seine Taten zur Rechenschaft ziehen. Voll naiver Entschlossenheit und ausgerüstet mit dem magischen Schwert Esdurial macht er sich auf den Weg nach At Athanoc, zur Festung des Hexenmeisters. Auf dem Weg erlebt er so einige Abenteuer, und er lernt in dem Irrlicht Moosbeere, der Albin Auril und dem Werbären Bromm neue Freunde kennen, die ihm fortan zur Seite stehen.

_Martin:_
Wie bist du auf die Idee gekommen, deine Hauptfigur zum „Sohn des Fluchbringers“ zu machen?

_Bernd:_
Im Grunde stand schon von Anfang an fest, dass es ein junger Protagonist werden würde, der auszieht, um einen Fehler, den sein Vater begangen hat, wiedergutzumachen. Vielleicht weil mir vor zehn Jahren, als ich die Idee ursprünglich hatte, ein junger, relativ unerfahrener Held noch deutlich näher stand als ein alter Veteran (was nicht heißen soll, dass ich mich heute alt fühle 😉 ). Außerdem sind mir Figuren, die eher von Enthusiasmus als Können angetrieben werden, irgendwie sympathischer als zynische Profis. Eine Alternative dazu gab es auch eigentlich nie, sodass ich nicht sagen würde, dass ich mich bewusst dafür entschieden habe, den „Sohn des Fluchbringers“ zur Hauptfigur der Geschichte zu machen, denn genau genommen |ist| er die Geschichte.

_Martin:_
Du bist ja auch Chefredakteur unseres Partnermagazins [ringbote.de.]http://www.ringbote.de Denkst du, die Arbeit dort hat dir beim Schreiben sehr geholfen? Was wolltest du beim Schreiben vermeiden, was dir vielleicht als Rezensent bei anderen Romanen nicht gefallen hat?

_Bernd:_
Ich weiß nicht, ob ich so weit gehen würde, zu behaupten, meine Arbeit beim |Ringboten| hätte meine Art, Romane zu schreiben, beeinflusst. Ich schreibe schon viel länger selbst Kurzgeschichten, als ich die Werke anderer Autoren rezensiere. Es hat aber mit Sicherheit nicht geschadet, in den letzten Jahren viele Bücher gelesen und mir auch eine Meinung darüber gebildet zu haben. Man erkennt dadurch schon irgendwann, was einem selbst gefällt und was nicht. Ich mag beispielsweise Trilogien nicht, die praktisch mitten im Satz mit den Worten „Fortsetzung folgt“ (in einem Jahr) enden. Daher ist jeder „Tarean“-Band irgendwie in sich abgeschlossen, auch wenn insgesamt eine größere Geschichte erzählt wird.

_Martin:_
Das hat mir auch sehr gut gefallen: dass dein Roman zwar als Mehrteiler angelegt, die Geschichte aber eigentlich abgeschlossen ist. Man hat also kein unbefriedigendes Gefühl am Ende des Buches wie bei so vielen anderen Mehrteilern. Das war also von dir explizit so gewollt?

_Bernd:_
Ja. Es gefällt mir, wie gesagt, selbst nicht, wenn ich ein Buch zuklappen muss, und alle Antworten sind noch offen (weil die Reihe ja weitergeht). Ich habe nichts dagegen, wenn es Handlungsfäden gibt, die interessante Geschichten in Folgebänden ergeben können. Aber einen Teilabschluss sollte ein Roman schon haben. Im Falle von „Tarean“ war Band eins allerdings anfangs gar nicht als Trilogie geplant. Er sollte als Einzelroman bestehen können, denn schließlich wusste ich nicht, ob es jemals eine Fortsetzung geben würde. Erst als der Verlag (|LYX|) meinte, er würde gerne eine Trilogie daraus machen, habe ich eine entsprechende Ausweitung der Handlung vorgenommen, wobei auch Band zwei, der ja demnächst erscheint, eine relativ in sich geschlossene Episode in der Entwicklung von Tarean darstellt.

_Martin:_
Positiv aufgefallen ist mir zudem, dass du einen erfrischenden Fantasy-Mix hinbekommen hast, ohne die ständigen selben Stereotypen zu benutzen. Eben nicht dieselben Elfen, Orks und Zwerge, sondern eben ein Irrlicht, einen Werbären, die Taijirin und als Gegner eben die Grawls.

_Bernd:_
Sagen wir so: Ich habe es versucht. Natürlich werden kritische Stimmen die Alben Elfen nennen, die Grawls Orks und die Setten Zwerge. Aber es war durchaus mein Anliegen, nicht einfach nur die typischen Fantasy-Völker zu bedienen. Vor allem in der Protagonisten-Riege wollte ich ungewöhnliche Charaktere zusammenzuführen. Und auch die sonstigen Figuren sollten zumindest einen gewissen Kniff haben. So sind die Alben nicht alle Bogen schießende, edle Waldbewohner, sondern im Grunde Menschen mit grauer Haut und glühenden Augen, die durchaus auch mal als Tagediebe unterwegs sind. Die Wolflinge ähneln in ihrer Art viel eher Werwölfen als Orks. Und die Setten graben keine Stollen unter der Erde, sondern haben ein Faible für die Alchemie und technische Basteleien (auch wenn manche von ihnen Bärte tragen, gerne Bier trinken und Monstern mit dem Hammer eins überziehen).

_Martin:_
Ich muss sagen, nicht nur das hat mich sehr positiv an Robert Jordans [„Rad der Zeit“-Saga 2470 erinnert. Hat er dich beeinflusst, und welche Autoren schätzt du generell besonders?

_Bernd:_
Der Vergleich ist natürlich eine große Ehre, aber um ehrlich zu sein, habe ich Robert Jordan nie gelesen. Viele Leute denken, „Tarean“ wäre stark von Fantasy-Romanen inspiriert. Tatsächlich lese ich aber kaum Fantasy. Ich mag viel lieber Science-Fiction-Romane, etwa Arthur C. Clarke, Ben Bova, Charles Sheffield und dergleichen. Insgesamt lese ich allerdings (auch bedingt durch meine Arbeit für den |Ringboten|) zu bunt, um eine uneingeschränkte Begeisterung für einzelne Autoren entwickelt zu haben. Ich liebe die Vielfalt innerhalb der Genre-Grenzen der Phantastik. Allerdings mochte und mag ich durchaus bestimmte Aspekte verschiedener Autoren. Tad Williams bewundere ich beispielsweise für seine unglaubliche Fähigkeit zur blumigen Sprache. Terry Pratchetts absurder Humor (in seinem Frühwerk) ist genau mein Ding. Und H. P. Lovecrafts kosmisches Grauen vermag mich immer wieder zu fesseln.

_Martin:_
Magst du einen deiner Charaktere am liebsten? Also ich hab mich ja ein wenig in Moosbere verknallt.

_Bernd:_
Die Kerntruppe (Tarean, Auril, Bromm und Moosbeere) habe ich absichtlich so geschrieben, dass ich mit jedem von ihnen gerne befreundet wäre. Ich mag Tareans naiven Eifer, die Welt retten zu wollen. Auril hat ihren Reiz, weil sie einerseits ihren Mann zu stehen vermag, andererseits aber auch sehr gefühlvoll ist. Einen Kumpel wie Bromm, der zwar ein bisschen mürrisch wirkt, doch wie ein Fels in der Brandung hinter einem steht, wenn man ihn braucht, wünscht sich wohl jeder. Und Moosbeere gewinnt natürlich durch ihre liebenswerte Verrücktheit und ihre völlig arglose Körperlichkeit (wenn sie mit jemandem Kuscheln will, dann tut sie es einfach) alle Herzen.

Oft sind es auch die Nebenfiguren, mit denen ich unglaublich viel Spaß habe und die ich mit regelrechtem Bedauern nach nur wenigen Seiten wieder aus der Geschichte entlasse. In „Erbe der Kristalldrachen“ sind etwa der Sette Gridoman, ein schurkischer kleiner Kerl, und der geradezu forsche Steinerne Tâch’thurt solche Figuren.

_Martin:_
Wie bist du beim Anlegen deiner Charaktere vorgegangen? Hast du sie lange geplant, oder hat sich das meiste beim Schreiben entwickelt?

_Bernd:_
Das meiste entwickelt sich beim Schreiben, wobei das mit jedem Folgeroman etwas weniger der Fall ist. Am Anfang hatte ich nur ein paar Vorstellungen, was für Figuren ich gerne im Ensemble haben würde: den neugierigen Jungen, die Frau, in die er sich verlieben wird, den hünenhaften Beschützer, den liebenswerten Sidekick. In einem frühen Entwurf waren Tarean, Auril, Bromm und Moosbeere auch noch völlig andere Gestalten, und ich habe durchaus eine Weile darüber gebrütet, welche Konstellation am besten funktionieren würde.

Je länger ich allerdings mit den Figuren unterwegs bin, desto mehr über ihren Hintergrund muss ich festlegen und entwickeln, damit die Charakterentwicklung stimmig bleibt. Für Band zwei habe ich Aurils Background praktisch komplett ausgearbeitet. Auch Moosbeeres Hintergrund ist mittlerweile ziemlich weit gediehen. Allein Bromm ist noch ein weitgehend unbeschriebenes Blatt – mal sehen, ob sich das in Band drei ändert.

_Martin:_
Als Rollenspielkenner bist du hierbei sicherlich auch ein wenig inspiriert worden, oder? Gerade auch die Namen Riva und Winhall klingen schon nach einer kleinen Hommage an „Das Schwarze Auge“ …

_Bernd:_
Ich bin vom Rollenspiel insofern inspiriert worden, als ich manchen Figuren und Orten, die ich früher mit Freunden ersonnen habe (wir haben jahrelang unsere eigene Fantasy-Welt bespielt und bewandert), in „Tarean“ kleine Cameos gönne. Diese dürften aber nur eine Handvoll Menschen auf der ganzen Welt wiedererkennen. Was den Fall „DSA“ angeht, so handelt es sich ehrlich gesagt um zufällige Namensgleichheiten, die ich auch vermieden hätte, wären sie mir beim Schreiben bewusst gewesen. Zwar habe ich „Das Schwarze Auge“ eine kurze Weile gespielt, aber ich kenne mich in Aventurien viel zu wenig aus, als dass ich absichtliche Verweise in dieser Richtung gemacht hätte. Zumal ich Hommagen, die sich in tatsächlichen Namen widerspiegeln, eher uninspiriert finde. Riva ist, um einen kleinen Blick hinter die Kulissen zu geben, eine lautmalerische Verballhornung von engl. „river“ (= Fluss). Wînhall soll einfach nur Wiesenhalle bedeuten, wobei der Zirkumflex auf dem i den Ausfall eines nachfolgenden „s“ anzeigt (beim Wechsel vom Alt- zum Neufranzösischen gab es das beispielsweise). Und wo wir schon dabei sind: Albernia hat auch nichts mit der gleichnamigen aventurischen Grafschaft zu tun, sondern ist schlicht das Land der Alben. 🙂

_Martin:_
Du bist ja studierter Filmwissenschaftler. Liege ich arg falsch, wenn mich das Ende des Buches an „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ erinnert?

_Bernd:_
Nein, diesmal nicht. 🙂 Wobei allerdings viele Leute das Gewicht der Hommage überbewerten. Ich gebe zu, dass mich die Gestalt des Imperators in seinem hohen Thronsaal stets fasziniert hat, und ich wollte schon immer einen Bösewicht ähnlicher Güteklasse in einer Geschichte unterbringen. Möglicherweise hat mich diese Begeisterung um ein oder zwei allzu leicht erkennbare Zitate übers Ziel hinausschießen lassen. Es würde allerdings zu weit gehen, zu versuchen, in dem Grimmwolf Darth Vader, in Tarean Luke, in At Arthanoc den Todesstern, in dem Albenheer die Rebellen, in dem Glutlanddrachen einen Supersternenzerstörer und in den Vogelmenschen die Ewoks wiederzuerkennen. Tatsächlich verläuft auch die Situation im Thronsaal völlig anders als das Finale von „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“. Aber dass ich ein großer Fan des „Star Wars“-Universums bin, will ich gar nicht verhehlen. Und wer genau liest, wird auch immer wieder kleine Momente aus den Filmen von George Lucas finden. Und aus „Babylon 5“. Und aus der „Robin Hood“-TV-Serie aus den 80ern. Und aus „Terminator 2“. Und aus „Gremlins“. Ich mache das übrigens nicht, weil ich es nicht anders könnte, sondern weil es mir Spaß macht, unsere modernen Mythen in meist augenzwinkernder Art in meine Geschichten einzuflechten. (Nichts anderes haben Genre-Autoren schon immer gemacht, wenn sie sich am Stoff biblischer, griechischer, römischer oder germanischer Sagen bedient haben.)

_Martin:_
Mitte April erschien ja der zweite Band „Erbe der Kristalldrachen“. Kannst du uns dazu einen kleinen Ausblick geben?

_Bernd:_
Ich sage es mal mit dem Pressetext, der ohnehin bereits auf meiner Website nachzulesen ist (Vorsicht: Spoiler!): Die Geschichte spielt ein halbes Jahr nach dem Sieg über den Hexenmeister Calvas. Tarean weilt als Gast der Vogelmenschen in den Wolkenbergen, als er einen Hilferuf erhält, der ihn gemeinsam mit dem Irrlicht Moosbeere, Prinz Iegi und dessen Nistschwester Raisil zurück zu den Ruinen von At Arthanoc bringt. Dort finden die Gefährten in einer von Magie verborgenen Höhle tief unter den Trümmern der Hexerfeste einen eingekerkerten Kristalldrachen. Um ihn und seinesgleichen zu befreien, muss Tarean in die fernen Glutlande aufbrechen, wo sich der Eingang zu den Dunkelreichen befinden soll, jener sagenumwobenen Unterwelt, von der Tarean bislang glaubte, sie existiere nur in Erzählungen. In dieses Reich nämlich haben der Herr der Tiefe und sein einstiger Schüler, der Hexenmeister Calvas, vor hundert Jahren die Kristalldrachen verbannt. Tarean steht eine weitere Reise voller Gefahren bevor, eine Reise, während der nicht nur unerwartete neue Verbündete seinen Weg kreuzen, sondern auch alte Freundschaften auf die Probe gestellt werden. (Und bevor jemand fragt: Ja, Auril und Bromm sind auch wieder mit von der Partie.)

_Martin:_
Hast du schon weitere Projekte in Aussicht? Welche weiteren Romane sind geplant?

_Bernd:_
Nun zunächst steht natürlich „Tarean 3“ an, der im Herbst erscheinen soll. Dann bin ich mit |Pegasus Spiele| in Gesprächen über ein weiteres Abenteuerspielbuch der „Hexer von Salem“-Reihe. (Wer sich gerade fragt, wovon ich spreche: Ich habe mit Christian Humberg ein Abenteuerspielbuch namens „Das schleichende Grauen“ geschrieben, das auf der Welt von Wolfgang Hohlbeins „Hexer von Salem“ basiert und den Leser/Spieler ins Berlin des Jahres 1922 versetzt.) Das wird aber vermutlich nichts vor 2010. Ansonsten ist eine Menge angedacht, aber noch nichts spruchreif. Ich würde der reinen Fantasy aber gerne für eine Zeit den Rücken kehren und als nächstes ein Genre-Crossover machen, etwa Urban-Fantasy oder eine Geschichte um Magier im viktorianischen England.

_Martin:_
Dann sind meine Fragen hiermit erschöpft. Ich danke dir recht herzlich für das Interview, und jetzt möchte ich dir noch die obligatorische Gelegenheit geben, das Wort an unsere Leser zu richten.

_Bernd:_
Ich habe es zwar schon verschiedentlich gesagt, wiederhole es aber gerne immer wieder: Danke, dass es euch gibt! Gäbe es nicht so viele eifrige Leseratten und Bücherwürmer, die gerne lesen – in den letzten Jahren speziell Fantasy-Romane -, würde es jungen deutschen Autoren wie mir viel schwerer fallen, in der Verlagslandschaft Fuß zu fassen. Oh, und speziell an alle, die [„Tarean – Sohn des Fluchbringers“ 5678 schon gelesen haben: Ihr wolltet mehr Drachen, mehr Seiten, mehr Charakterentwicklung, mehr Moosbeere – kriegt ihr alles in „Erbe der Kristalldrachen“!

http://www.bernd-perplies.de

Perplies, Bernd – Tarean – Sohn des Fluchbringers (Band 1)

_Handlung_

Tarean ist der Sohn des Fluchbringers, jenes Kriegers, der vor sechzehn Jahren dem bösen Hexenmeister Calvas unabsichtlich zum Sieg über die freien Länder verhalf. Dieser Makel lastet schwer auf dem jungen Mann, denn immer wieder lässt man ihn spüren, was sein Vater getan hat; selbst auf Burg Dornhall, einer der letzten freien Bastionen, wo er vom Waffengefährten seines Vaters Wilfert aufgenommen wurde. Doch eben jener Wilfert und der Waffenmeister Ilrod behandeln Tarean gut, und so wird er dort zu einem Krieger ausgebildet.

Als er dann endlich seinen ersten Auftrag erhält, macht sich der junge Krieger freudig auf den Weg. Er soll etwas zu einem Wachturm bringen, doch als er dort ankommt, sind alle Wachen von Wolflingen, den Schergen Calvas‘, getötet worden. Tarean wehrt sich, so gut es geht, doch er droht zu unterliegen. Unerwartet steht ihm in diesem Moment der Vogelmensch Iegi zur Seite, und gemeinsam können sie die Angreifer besiegen. Doch die Gefahr ist noch nicht beseitigt, denn eine weit größere Horde will die Stadt angreifen. Wiederum durch die Hilfe Iegis gelingt es dem Sohn des Fluchbringers, die Soldaten der Burg zu warnen und die Wolflinge zu vernichten. Bei dieser Schlacht erlebt der Junge dann eine Vision: Er muss den Ruf seines Vaters reinwaschen, und das geht nur, wenn er selbst den Despoten Calvas tötet.

Daher macht er sich auf den Weg, um sein Schicksal in die Hand zu nehmen. Doch schon bald merkt er, dass er nicht alleine ist, denn eine muntere Gruppe sammelt sich um Tarean, um ihn zu unterstützen.

_Der Autor_

Bernd Perplies wurde 1977 in Wiesbaden geboren und studierte Filmwissenschaften und Germanistik in Mainz. Heute arbeitet er für das deutsche Filminstitut in Frankfurt. Neben seiner „normalen“ Arbeit ist er als Redakteur der Zeitschrift |Space View| und des Online-Magazins |Ringbote.de| sowie als Übersetzer tätig. „Tarean – Sohn des Fluchbringers“ ist sein erster Roman, doch auch der zweite Teil der Saga ist kürzlich erschienen.

_Mein Eindruck_

Der deutsche Fantasymarkt ist nach den filmischen Erfolgen von „Herr der Ringe“, „Harry Potter“, „Der Goldene Kompass“ und auch „Eragon“ mittlerweile leider völlig übersättigt. Beinahe täglich kommen neue Romane auf den Markt, von denen die meisten als die größten Epen der Geschichte der Fantasyliteratur angepriesen werden – und das generell leider völlig zu Unrecht. Und dann fallen einem ab und an wirkliche Schätze in die Hand, die den Leser wirklich gefangen nehmen und bei denen man fast traurig ist, dass sie in der Masse des Schundes ein wenig untergehen. „Tarean – Sohn des Fluchbringers“ ist ein solches Kleinod.

Bernd Perplies gelingt es mit einem eigentlich altbekannten Konzept, den Leser zu fesseln und zu begeistern. Aber was macht er anders? Zum einen ist sein Protagonist Tarean von Anfang an ein Anti-Held, wenn auch völlig unverschuldet. Dadurch identifiziert man sich sofort mit ihm und leidet mit ihm. Außerdem sprudelt der Roman über vor frischen Ideen und sympathischen Charakteren. Neben dem Vogelmensch Iegi wird Tarean noch von einem Irrlicht namens Moosbeere, einer Albin und einem Werbären begleitet, was eine wirklich ungewöhnliche Mischung ist und so zu einigen lustigen Verwicklungen führt. Besonders Moosbeere dürfte sich mit ihrer naiven und unschuldigen Art in den Herzen der Leser einen Ehrenplatz erkämpfen.

Doch auch Perplies‘ Schreibstil weiß voll zu überzeugen, und so kreiert er eine gelungene Mischung aus Jugend- und anspruchsvoller Fantasyliteratur, die mich an den leider verstorbenen Fantasy-Großmeister Robert Jordan („Das Rad der Zeit“) erinnert, was von meiner als großes Kompliment gewertet werden darf. Positiv ist auch die Abgrenzung zum ständigen Elf-Zwerg-Ork-Schema, dessen sich die meisten Autoren leider allzu oft bedienen, um es ihren Lesern leicht zu machen, sich die Gestalten vorzustellen. Perplies macht sich die Mühe, eigene Rassen zu entwerfen und zu gestalten, und diese funktionieren in ihrer Art keinen Deut schlechter als die „Standardrassen“. Im Gegenteil: Es wirkt alles erfrischend und einfach neu, obwohl es die Grundgeschichte und der eigentliche Plot gar nicht sind. Ähnliche Handlungen und Hintergründe gab es auch schon zuhauf, aber diese Nuancen, die Perplies einfach richtig macht, entscheiden eben zwischen einem tollen Roman und einem laschen Standardaufguss.

Schön zu lesen sind auch die kleinen Hommagen an andere Bücher, die der Autor absichtlich oder unbeabsichtigt eingebaut hat, wie etwa die drei Trolle, die jedem Tolkien-Leser sofort bekannt vorkommen dürften. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Aspekt, dass „Tarean – Sohn des Fluchbringers“, obwohl der Band als Mehrteiler angelegt ist, seine Handlung auch abschließt, den Leser nicht unbefriedigt zurücklässt und ihn so nur durch seine Qualität zum Weiterlesen zwingt, und nicht wie so oft deshalb, weil die Handlung mittendrin abbricht. Ob hier des Autors Selbstbewusstsein oder seine Tätigkeit als Redakteur und Rezensent zum Tragen kommt, ist dann im Endeffekt für den Leser egal, wobei Ersteres durchaus angemessen wäre.

Auch die Aufmachung ist sehr gelungen, wie man das von |Egmont LYX|-Titeln schon gewohnt ist. Das Cover ist schön gestaltet und auch die ausklappbare Karte weiß zu gefallen. Die Schrift ist angemessen groß und augenschonend und das Papier von angemessener Dicke.

_Fazit:_

Ich kann „Tarean – Sohn des Fluchbringers“ nur jedem Freund der Fantasy-Literatur wärmstens ans Herz legen. Einige vergnügliche und spannende Stunden sind auf jeden Fall garantiert. Da bleibt eigentlich nur zu sagen: Holt euch gleich noch den zweiten Teil, der bereits erschienen ist!

|347 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-8025-8180-9|
http://www.egmont-lyx.de
http://www.bernd-perplies.de

_Lest ergänzend dazu auch unser [Interview]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=94 mit dem Autor!_

Schnell, Andreas – Heredium

_Überblick_

„Heredium“ ist eine Mischung aus Dark-Future und postapokalyptischem Setting. Ort der Handlung ist unsere Erde im Jahr 2200. Die Welt hat sich radikal gewandelt. Schuld daran sind zwei besondere Ereignisse: Zum einen die Erfindung eines neuartigen Luftfilters durch einen gewissen Liun Tse Naoh, welcher zwar die Luft der Erde beinahe von sämtlichen Schadstoffen reinigte, dafür allerdings Gase produzierte, die an der Tier und Pflanzenwelt irreparable Genveränderungen hervorrief, die so genannten Naoh-Mutationen. Beispiele hierfür sind riesige und hochgiftige Mammutbäume, die beinahe ganz Südamerika entvölkerten, oder auch Wölfe mit einer Schulterhöhe von 1,50 Metern und der Intelligenz von Walen oder Delphinen.

Die Natur ist dem Mensch also zu einer riesigen Gefahr erwachsen, erst recht, wenn man das zweite wichtige Ereignis bei „Heredium“ beachtet: Das Auseinanderbrechen des Mondes. Bei dem Versuch der Menschen, den Erdtrabanten zu besiedeln, hatte der Bau eines Geothermalkraftwerkes eine verheerende Explosion zur Folge, die das gesamte Leben auf dem Mond auslöschte, den Mond auseinanderbrach und die Erde für einige Jahre aus ihrer Umlaufbahn warf.

Dies hatte natürlich weitere verheerende Umweltkatastrophen zur Folge: Kontinente brachen auseinander, die Meere stiegen an und die Menschheit wurde auf ungefähr 60 Millionen Überlebende reduziert. Nun, nach einigen Jahren, ist die Erde zwar wieder zur Ruhe gekommen, doch die Welt von damals gibt es nicht mehr. Die modernen Kommunikationswege sind völlig zusammengebrochen und auch Flugverkehr gibt es nicht mehr. Die überlebenden Menschen kämpfen sowohl gegeneinander als auch gegen die immer gefährlicher werdende Natur. Fünf Völker haben sich hierbei eine Vormachtstellung gesichert:

|Hezekieliten|

Sie bevölkern die Küsten des ehemaligen Afrikas. In ihrem Blut leben Naniden, winzige Roboter, die ihnen eine große Macht über das ebenfalls nanidenverseuchte Meer ermöglichen. Natürlich wissen die Hezekieliten das nicht und beten ihren Propheten Hezekiel an, welcher ihnen ihrer Meinung nach die Macht über das Wasser verleiht. Sie lehnen die Technik ab, denn Hezekiel verbietet ihnen den Kontakt mit technischen Geräten.

|Debellatoren|

Die Debellatoren halten sich für die Weiterentwicklung der Menschheit, sind sie doch mit einer größeren Gehirnkapazität geboren worden und haben daher erstaunliche Psi-Kräfte entwickelt. Sie beherrschen hautsächlich das, was von Nordamerika noch übrig ist. Manche von ihnen sehen sich als die neuen Herrscher der Menschheit an, andere wünschen eine friedliche Koexistenz.

|Raging Bull|

Seefahrer, Plünderer, Piraten, Mutanten -´das sind alles Stichwörter, die auf die Raging Bull passen. Ihr primärer Lebensraum ist Australien, und so haben sich bei ihnen, auch wegen des großen Ozonlochs, verschiedene Mutationen gebildet. Das macht sie auffällig, ist ihnen in vieler Hinsicht aber auch nützlich. Sie beherrschen die Meere der postapokalyptischen Erde und sind sowohl Händler als auch Piraten und Söldner. Aber niemand außer den Hezekieliten möchte sich mit ihnen schlechtstellen, denn sie SIND der Handel in der Welt von „Heredium“.

|Die Nordallianz|

Die Hegemonialkirche hat die ehemaligen Völker Europas unter sich vereint und strebt nun mit aller Macht die Bekehrung der anderen Völker an. Ihr strikter Glaube an den einen Gott treibt sie voran, und wer nicht bekehrt wird, der wird vernichtet. Doch noch ist die Nordallianz ruhig, gilt es doch zunächst, Europa wieder eine Infrastruktur zu geben, damit der Glaube von der Hauptstadt Eden (das ehemalige Berlin) zu den Schäfchen gebracht werden kann. Dabei helfen ihnen ihre perfekte Organisation und ein technisches Wunderwerk namens Ektoware.

|Temora|

Temora liegt im heutigen Asien und stellt das technisch am weitesten entwickelte Volk der Welt. Mittelpunkt ist die riesige Kuppelstadt Hirohito-City, welche von den verschiedenen Familien regiert wird, die sich aus Mitgliedern der ehemaligen Yakuza und anderen asiatischen Mafiaorganisationen zusammensetzt. Überwacht werden die Bewohner vom Quanteninternet, welches sich „Eye“ nennt und jeden Bewohner per Chip jederzeit finden kann. Neben einer herausragenden Technik stehen den Bewohnern Temoras chemische Stimulanzien zur Verfügung, die ihnen übermenschliche Fähigkeiten verleihen.

_Das System_

Das grundlegende System von „Heredium“ ist erstaunlich einfach. Jeder Charakter besitzt sechs verschiedene Attribute (Kraft, Agilität, Psyche, Konstitution, Intelligenz und Ausstrahlung) mit einem Wert von eins bis vier (höhere Werte sind eine absolute Ausnahme). Die Fertigkeiten sind eingeteilt in Basis- und Spezialfertigkeiten. Diese unterscheiden sich insofern, als man auf ungelernte Basisfertigkeiten Proben ablegen darf, auf Spezialfertigkeiten aber nicht. Gemeinsam haben die beiden, dass sie einen Wert zwischen null und sechzehn aufweisen und jeweils einem Attribut zugeordnet sind. So bezieht sich die Fertigkeit Allgemeinbildung auf das Attribut Intelligenz. Wenn nun ein Wurf auf diese Fertigkeit verlangt wird, zieht man seinen Wert in dem dazugehörigen Attribut heran, würfelt eine entsprechende Anzahl an sechsseitigen Würfeln (bei einer Intelligenz von drei also drei Würfel) und addiert diese zum Grundwert der Fertigkeit.

Zudem verfügt jeder Charakter über eine bestimmte Anzahl an Aspektpunkten, die ihn von anderen Bewohnern der Welt unterscheiden. So kann man damit etwa bei einer Fertigkeitsprobe einen Würfel pro Aspektpunkt auf eine gewünschte Augenzahl drehen. Regeneriert werden sie dann durch gutes Rollenspiel, denn jeder Charakter sucht sich zu Beginn einen archetypischen Aspekt heraus, der die Figur am besten beschreibt. Das Kampfsystem ist ebenso einfach gestrickt, aber optional aufgebaut, das heißt, man kann es je nach Gutdünken komplizierter und damit auch realistischer machen.

_Die Charaktererschaffung_

Die Charaktere werden nach einem Punktekaufsystem erschaffen, so dass sie zu Beginn in etwa gleich stark sind. Von den Punkten werden dann die Attribute, die Fertigkeiten, die Vor- und Nachteile und die besonderen Kräfte gekauft. Neben den Professionen, welche die fünf verschiedenen Kulturen bieten und die dem Spieler gleich bestimmte Fertigkeiten, Kräfte, Vor-und Nachteile bringen, kann man seine Charaktere auch völlig frei gestalten, ohne sich an bestimmte Vorgaben zu halten (mal abgesehen von den Punktekosten natürlich). Dies macht die Charaktererschaffung sehr einfach und trotzdem individuell genug, um keine Spielgruppe aus reinen Stereotypen zu bekommen. Das Salz in der Suppe sind natürlich die verschiedenen Techlevel der fünf Kulturen und ihre individuellen Kräfte. Diese scheinen mir gut ausbalanciert zu sein, so dass wohl wirklich alle Anfangscharaktere ungefähr auf einem ähnlichen Machtniveau beginnen.

_Fazit:_

„Heredium“ überzeugt mit einer sehr gut ausgearbeitet Hintergrundstory und einem sehr einfachen, aber trotzdem funktionellem, Regelsystem. Somit dürfte es sich ganz sicher zusammen mit [„Engel“ 1876 an die Spitze der postapokalyptischen Rollenspielsysteme setzen.

|419 Seiten Hardcover mit Illustrationen
ISBN-13: 978-3-9811718-9-1|
http://www.heredium-rpg.de/
http://13mann.de/

Bellem, Stephan R. – Amulett, Das (Die Chroniken des Paladins 2)

Band 1: [„Tharador“ 4202

_Handlung_

Der böse Mager Xandor ist von Tharador und seinen Freunden vernichtet worden. Doch die Gefahr durch das Buch Karand schwebt immer noch wie ein Damoklesschwert über Kanduras. So bleibt den Freunden wenig Zeit zur Erholung, denn nicht nur das Zauberbuch bedroht die Bewohner des Kontinents, sondern ebenfalls das riesige Heer der Goblins und natürlich auch noch Tharadors Nemesis Dergeron Karolus, der seine Rachepläne gegen Tharador gnadenlos weiterverfolgt.

Alles könnte so einfach sein, doch muss man sich mit anderen Problemen herumschlagen: Ul’goth, der König der Orks und entscheidender Verbündeter im Kampf gegen Xandor, muss die Gruppe verlassen, da seine Herrschaft angezweifelt wird und er eine Heldentat als Beweis seiner Herrschaft erbringen muss. So gerät der Frieden zwischen Menschen und Orks in Gefahr, und auch die verbleibende Truppe mit Tharador, dem Berserkerzwerg Khalldeg, der ehemaligen Diebin Calissa und dem Elf Faeron folgt einem merkwürdigem Ruf, der ihnen von einem Raben überbracht wird. Wird dies die entscheidende Spur sein, um das Buch Karandras endlich zu vernichten?

Zur selben Zeit baut Dergeron seine Macht weiter aus. Als Hauptmann der Garde von Totenfels arbeitet er weiter daran, den Grafen zu beerben. Dabei soll ihm die schöne Magierin Alynéa helfen, die allerdings unter dem Bann eines anderen Magiers namens Shango Tizir steht. Schafft es Dergeron, die Macht in Totenfels endgültig an sich zu reißen und eine ganze Armee gegen Tharador ins Feld zu schicken?

_Der Autor_

Stephan R. Bellem wurde 1981 in Heidelberg geboren, wo er noch bis heute lebt. Nach dem Abitur schloss er eine Lehre als Bankkaufmann ab. Danach entschloss er sich aber, Soziologie in Heidelberg zu studieren, was ihm genug Zeit zum Schreiben eröffnet. „Tharador – Die Chroniken des Paladins“ war sein Debütroman und der Auftakt zu seiner Trilogie um den Paladin Tharador Suldras. Der zweite Teil der Trilogie, die mit dem dritten Band namens „Buch Karand“ ihren Abschluss finden wird, heißt „Das Amulett“.

_Mein Eindruck_

Stephan R. Bellem macht da weiter, wo er im ersten Band aufgehört hat, nämlich mit |Sword & Sorcery| à la R. A. Salvatore. Da stellt sich kaum die Frage, ob das jetzt gut oder schlecht ist, sondern sie muss für den Leser lauten: Mag ich eine solche Art von Heroic Fantasy? Wer diese mit „Ja“ beantwortet, wird an „Das Amulett“ ebenso viel Freude haben wie am Vorgänger. Denn auch dieses Mal versteht es der Autor, seine Leser vergnüglich und kurzweilig durch den Band zu geleiten. Viele Kämpfe, die immer wieder durch interessante Ideen aufgepeppt werden, und amüsante Sprüche prägen auch diesen Band.

Das einzige wirkliche Problem dieses Buches ist das, was man in der Branche immer so schön mit den „typischen Problemen eines Mittelbandes“ beschreibt, nämlich dass der Leser eigentlich die ganze Zeit über weiß, dass die Geschichte keinen Abschluss finden wird und daher gerade gegen Ende nicht die erhoffte Spannung aufkommt, auch wenn sich der Autor da redlich bemüht hat, einen ordentlichen Showdown zu kreieren. Unterhaltsam ist es allerdings trotzdem und liefert – ich hoffe, ich verrate jetzt nicht zu viel – einen sehr interessanten Ansatz für Band Nummer drei, also einen fachgerechten „Cliffhanger“, und so warte zumindest ich schon gespannt auf den nächsten Teil. Zudem gibt es mindestens zwei faustdicke Überraschungen, die ich nicht wirklich erwartet hätte.

Was an Spannung wegen eben erwähnter Probleme nicht aufkommen kann, gleicht Stephan R. Bellem durch die Charakterentwicklung seiner Figuren aus. Tharador wird sich immer mehr der Macht und der damit verbundenen Pflichten seines Erbes bewusst, der Zwergenberserker Khalldeg tritt endlich seinem Schicksal gegenüber, die Diebin Calissa entdeckt endgültig ihre Gefühle für Tharador und der Elf Faeron wandelt sich sogar ziemlich radikal. Ebenso festig sich Dergerons Bindung an sein im letzten Teil erhaltenes Amulett. Überhaupt ist der Titel „Das Amulett“ schlau gewählt, denn neben dem Amulett des Bösewichts kommt auch noch ein anderes dafür infrage, der vermutete Namensgeber des Buches zu sein.

Auch sind die Dialoge im Vergleich zum ersten Teil deutlich menschlicher geworden. Zwar spart der Autor auch weiterhin nicht mit kernigen Sprüchen, denn das gehört ja zum |Sword & Sorcery|-Genre nun mal einfach dazu, doch wo sie zuvor ein wenig aufgesetzt wirkten, sind sie hier deutlich konsistenter angelegt. Auch die Nebenfiguren werden nun deutlich besser ausgeleuchtet. Als Beispiel mag hier besonders die Menschengruppe um Daavir, Kordal und Lantuk herhalten. Wo sie vormals noch mehr oder weniger undefinierte Standardsoldaten waren, werden sie nun als Persönlichkeiten und Menschen in Szene gesetzt und gewinnen so spürbar an Farbe und Profil.

_Fazit_

„Das Amulett“ ist eine gelungene Fortsetzung der „Chroniken des Paladins“ und wird jeden |Sword & Sorcery|-Freund abermals zu überzeugen wissen. Die üblichen Schwächen des Mittelbandes negiert Stephan R. Bellem mit einer deutlichen Steigerung bei der Figurenentwicklung und den Dialogen, so dass es dem Leser zu keiner Zeit langweilig wird. Nun also dürfen wir uns getrost auf den dritten und letzten Teil der Trilogie, „Das Buch Karand“, freuen.

http://www.otherworldverlag.com
http://www.srbellem.de

Siehe ergänzend dazu unser [Interview]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=83 mit dem Autor.

Grashoff, David / Mayer, Daniel / Mauruschat, Fabian – Ratten!

_Allgemein_

„Ratten!“ ist ein Rollenspiel aus der Independent-Rollenspielschmiede |Projekt Kopfkino|, das jetzt im |Prometheus|-Verlag als richtige Print-Ausgabe erschienen ist. Es ist das erste „Pocket-RPG“ des Verlags. Das 72 Seiten umfassende Regelwerk ist in Vollfarbe, eignet sich wegen der Größe (DIN A5) wirklich für die Hosentasche und ist mit elf €uro, zumindest was den Rollenspielsektor angeht, sehr günstig. Besonders positiv fallen die vielen, sehr gelungenen Illustrationen auf, die in einer solchen Qualität nicht unbedingt zu erwarten waren.

Worum es geht, dürfte der plakative Titel des Rollenspiels ja schon verraten: Man spielt Ratten. Natürlich keine gewöhnlichen Ratten, sondern welche mit einer fast menschlichen Intelligenz. Es sind zwar immer noch die uns bekannten Nager, sie haben also keinen Daumen und laufen auf vier Beinen, doch sind sie trotzdem deutlich intelligenter als ihre wirklichen Artgenossen. Sie leben in einer „Rattenburg“ (verlassenes Kaufhaus) und unterteilen sich in verschiedene Rotten. Im Grundregelwerk sind sieben solcher Rotten enthalten, die sich zum Teil schon sehr stark unterscheiden und sich teilweise auch bekämpfen. Natürlich gibt es in der „Rattenburg“ auch einige Feinde der Nagetiere wie „Schleicher“ (Katzen), „Stinker“ (Hunde) und „Krabbler“ (Kakerlaken), so dass genug Action geboten wird, um „Ratten!“ nicht nur als einmalige Angelegenheit zu spielen.

_System und Charaktererschaffung_

Das System sowie die Charaktererschaffung sind sehr einfach. Zuerst einmal besitzt jede Ratte vier verschiedene Attribute, auf die man insgesamt acht Punkte verteilen kann: Clever, Sozial, Stark und Schnell. Die Werte der Attribute gehen immer von eins bis drei. Auf ein normales Fertigkeitensystem wird verzichtet. Man kombiniert einfach immer zwei der Attribute (oder zweimal dasselbe) und würfelt dann diese Anzahl an sechsseitigen Würfeln. Die zwei höchsten Würfel addiert man dann und hat sein Ergebnis. So wäre eine Probe auf Klettern zum Beispiel eine Kombination der Attribute Stark und Schnell. Nehmen wir an, die Ratte habe in beiden einen Wert von zwei, so würde sie also mit vier sechsseitigen Würfeln werfen und die beiden höchsten zählen – fertig. Dazu bekommt jede Ratte von Beginn an noch drei Talente, die meistens bei entsprechenden Würfen Boni auf Proben geben. Zu guter Letzt beherrscht jede Ratte noch einen Trick, der sie ganz besonders macht, und damit ist die Charaktererschaffung der Ratte abgeschlossen. Selbst für Neueinsteiger ist das eine Sachen von vielleicht zehn bis fünfzehn Minuten.

Als Motivation für eine weitere Charakterentwicklung gibt es drei verschiedene Lieder. Mittels dieser Lieder (Punkte in Liedern erhält man durch seine Taten) erhalten die Ratten zusätzliche Namen, die wiederum ihren Stand in der Rattengesellschaft heben.

_Mein Eindruck_

„Ratten!“ gefällt mir ausgesprochen gut. Die unterschiedlichen Rattenrotten sind interessant konzipiert und bieten viel Potenzial für ein lustiges und interessantes Rollenspiel. Außerdem ist das Setting einerseits begrenzt und so auch für Einsteiger leicht zu erfassen, und andererseits gibt es genug weiße Flecken, um erfahrenen Spielleitern Platz für die eigene Entfaltung zu bieten. Warum die „Rattenburg“ verlassen ist, wurde zum Beispiel nicht festgelegt, so dass sich der Spielleiter völlig austoben kann, sollten seine Nager die schützenden Wände einmal verlassen. Auch die Art und Weise, wie man dieses Spiel angeht, ist völlig offen, so dass man „Ratten!“ auf vielerlei Weise spielen kann: Von düsterem Horror bis zur spaßigen Bier-und Bretzelatmosphäre ist jeder Spielstil möglich. Vor allem auch der Umgang mit Artefakten der „Erbauer“ (Menschen) erweist sich als äußerst spaßig, wenn der Spielleiter diese eben entsprechend gut beschreiben kann. Ich habe das Regelwerk bei einem der Autoren auf einer Rollenspielconvention probegespielt und war sehr positiv davon überrascht – das System funktioniert, ist flott und durchaus realistisch genug, um Spaß zu machen. Natürlich bietet es kein ausgereiftes Kampfsystem oder eine ausgeklügelte Charakterentwicklung, aber das ist ja auch gar nicht der Anspruch dieses Produktes.

Das enthaltene Abenteuer „Der Kasten des Lebens“ ist eine sehr schöne Einführung in die Welt der Nagetiere, so dass der Band als rundum gelungen bezeichnet werden kann. Was ich auch besonders positiv finde, ist, dass es dem |Prometheus|-Verlag dabei offensichtlich nicht um reinen Profit geht, denn das Regelwerk wird nach wie vor auf der Homepage des „Projekt Kopfkino“ (www.projekt-kopfkino.de) als kostenloser Download angeboten. Wem das Regelwerk also keine elf €uro wert ist (und das ist es zweifelsfrei) oder wer nicht die Ratte im Sack kaufen möchte, kann sich alles auch kostenlos im Netz ziehen. Ein feiner Zug, zumal der Verlag offenbar wirklich ein Herz für Rollenspieler hat, denn auf der [Verlagshomepage]http://www.prometheusgames.de gibt es beispielsweise auch das Grundregelwerk des „Opus Anima“-Rollenspiels kostenlos zum Runterladen.

_Fazit_

„Ratten!“ ist ein erfrischendes Rollenspiel für zwischendurch, dass mit einfachen Regeln und einem bislang einzigartigen Setting überzeugt. Man darf auf weitere „Pocket-RPGs“ aus dem Hause |Prometheus| gespannt sein. Momentan ist mit „Funky Colts“ ein weiteres lustiges Rollenspiel in der Entstehung.

|72 Seiten Broschur
ISBN-13: 978-3941077010|
http://www.prometheusgames.de
http://www.projekt-kopfkino.de

Interview mit Oliver Plaschka

|Oliver Plaschka gehört zu den Newcomern in der deutschen Literatur-Szene, seit er mit [„Fairwater oder die Spiegel des Herrn Batholomew“ 4864 einen beachtlichen Debütroman veröffentlicht hat. Eigentlich wollte ich schon damals ein Interview mit ihm machen; als ich dann aber gehört habe, dass er Mitautor beim neuen „Narnia-Rollenspiel“ werden würde, haben wir das Ganze terminlich noch ein wenig nach hinten verschoben, damit die Leser gleich das Komplettpaket an Informationen bekommen.

Nun haben wir uns zum Sommeranfang in einer Bar in der Heidelberger Altstadt getroffen und ein sehr ausführliches Interview geführt. Ein wenig dazu beigetragen hat sicher auch, dass sich Oliver aus Versehen einen Kaffee mit „Schuss“ bestellt hat. Gerüchte, die besagen, ich hätte den Barkeeper bestochen, um Olivers Zunge zu lösen, sind allerdings frei erfunden – ganz sicher.|

_Martin Schneider:_
Hi Oliver, zuerst stell dich doch bitte einmal vor.

_Oliver Plaschka:_
Ach, das weißt du doch sicher alles schon …

_Martin:_
Ich schon, aber ich bin mir sicher, dass es den einen oder anderen Leser ebenfalls interessiert.

_Oliver:_
Nun gut: Mein Name ist Oliver Plaschka. Ich schreibe jetzt schon sehr lange und in den letzten ein, zwei Jahren werden die Sachen endlich auch veröffentlicht. Mein Debütroman „Fairwater“ ist letztes Jahr beim |Feder & Schwert|-Verlag erschienen und meine letzte Veröffentlichung war das „Narnia-Rollenspiel“, welches beim |Brendow|-Verlag erschien und das ich zusammen mit Ulrich Drees geschrieben habe.

_Martin:_
Wie bist du zum [„Narnia-Rollenspiel“ 5037 gekommen?

_Oliver:_
Das lief über meine Agentur. |Brendow| hat meine Agentin Natalja Schmidt gefragt, ob es in ihrer Agentur Leute gäbe, die dafür geeignet wären, so etwas zu machen. Ulrich Drees war dann der erste, der „Hier!“ geschrien hat, und ich war der zweite. Dann hab ich mich mit Ulrich darauf verständigt, dass wir das zusammen machen. Wir haben uns dann auch schnell darauf geeinigt, wer was macht, und dann konnte es losgehen.

_Martin:_
Wie bist du zu „Narnia“ selbst als Thema gekommen?

_Oliver:_
Genau so, ehrlich gesagt. Natürlich kannte ich „Narnia“ schon und es lag lange auf meinem Stapel „Noch zu lesender Bücher“. Dann habe ich die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und das endlich getan.

_Martin:_
Dann war das ja genauso wie bei mir. Ich habe „Narnia“ auch erst gelesen, kurz bevor ich das Rollenspiel bekam.

_Oliver:_
Ja, stimmt. Ich habe mich dann hingesetzt und die ganzen Bücher in ungefähr drei Wochen durchgelesen.

_Martin:_
Das ist ja auch nichts Schlechtes. Dann hattest du noch ganz frische Eindrücke und noch keine vorgefertigte Meinung.

_Oliver:_
Man würde natürlich gerne behaupten, man habe das schon in frühester Kindheit gelesen, aber das war bei mir nicht so. Natürlich waren mir der Wandschrank, der Löwe und die Kinder ein Begriff. Daran kommt keiner vorbei, der sich auch nur ein wenig mit Fantasyliteratur auseinandersetzt.

_Martin:_
Wie hat dir denn der erste Film gefallen?

_Oliver:_
Zwiespältig. Im Endeffekt fand ich ihn sehr schön, aber er war mir teilweise ein kleines bisschen zu kitschig – auf so eine moderne Art. Beim Soundtrack haben mich diese poppigen Beats gestört. Außerdem wurde der zauberhafteste Moment der Story, das Treten durch den Wandschrank, endlos lange zu halten versucht. Da läuft Lucy rum und staunt und staunt, aber das wird dann irgendwann langweilig. Das zweite große Problem, das ich mit dem Film hatte, war, dass Narnia so gigantisch dargestellt wurde: Da wurden Heerscharen von Minotauren gezeigt, die durchs Land marschierten, und mir stellte sich die Frage: Was machen die eigentlich in ihrer Freizeit? Wo bekommen die ihr Essen her? Denn so groß ist Narnia nicht. Bei der Menge an Minotauren wäre Narnia leer gefressen. Die Welt, wie C. S. Lewis sie beschreibt, ist deutlich kleiner und Pauline Baynes, die die Originalkarte gezeichnet hat, hat den Maßstab schon mal drei genommen. Wir haben uns dann auch dazu entschieden, diese Karte als Maßstab zu verwenden.

_Martin:_
Da muss ich nochmal kurz nachhaken. In einem Artikel im |Envoyer| (Rollenspielmagazin, Hrsg. André Wiesler, Anm. d. Red.) hast du geschrieben, dass Narnia so etwa die Größe von Irland hat.

_Oliver:_
Der bekannte Teil davon. Ich stelle mir Narnia insgesamt noch etwas größer und eierförmig vor, so tausend Kilometer hoch und etwa halb so breit. Das ist natürlich alles geschätzt. Man könnte sich denken, dass jenseits von Kalormen noch unendlich viel mehr kommt. Aber das halte ich für unwahrscheinlich, weil ja im Süden schon der Flammende Berg steht, der die Welt begrenzt, und oben sind die eisigen Nordlande. Auch wo Telmar liegt, weiß man nicht genau: Ob es jetzt direkt westlich der Gebirge liegt oder ob es eine Insel im Meer ist, wird völlig offengelassen.

_Martin:_
Wie habt ihr denn die Arbeit aufgeteilt?

_Oliver:_
Im Prinzip haben wir einfach geschaut, wer auf was die meiste Lust hat. Ich habe mir schnell das Kapitel über die Magie unter den Nagel gerissen, weil ich auch früher beim Rollenspielen fast immer Zauberer gespielt habe. Und auch auf die Hintergrundkapitel wie „Die Welt“ und die Timeline hatte ich große Lust und hab das dann aus der Sekundärliteratur erarbeitet. Auch |Wikipedia| war mir da eine große Hilfe. Aus diesen ganzen Daten habe ich dann versucht, einen einheitlichen Überblick zu schaffen. Ulrich wollte das Kapitel über den Kampf und die Einleitung machen. Den Rest haben wir dann gerecht aufgeteilt.

_Martin:_
Wart ihr euch gleich darüber einig, dass ihr das ganze Regelwerk eher märchenhaft halten wolltet?

_Oliver:_
Diese grundlegenden Sachen gingen relativ schnell, zumal von vornherein klar war, dass es der Verlag so haben wollte. Und es passt ja auch gut zu „Narnia“. Das „Narnia“-Rollenspiel soll sich auch an ein jüngeres Publikum richten, es soll möglichst gleichermaßen Jungen und Mädchen ansprechen. Dazu soll es auch eine Anbindung an den normalen Buchhandel haben und nicht nur in Rollenspielläden zu bekommen sein. Die Regeln sind einfach gehalten, so dass sie jeder verstehen dürfte, auch wenn die Spieler noch sehr unerfahren sind, und auch die Würfel sind nicht exotisch.

Über Details haben wir natürlich diskutiert, aber das ging eigentlich immer sehr schnell, auch weil Ulrich da einen sehr professionellen Ansatz hatte. Er war da immer super unkompliziert.

Das einzige kleinere Problem trat beim Magiesystem auf. Bei meiner ersten Version des Magiesystems gab es richtige Spruchzauberei. Der Verlag wollte aber Konflikte mit christlichen Stammlesern vermeiden, und man ging davon aus, dass diese ein Problem damit haben würden. Deshalb haben wir uns dann darauf verständigt, das System rein komponentenbasiert zu gestalten. Man benutzt jetzt die Komponenten und der Effekt tritt ein, ohne dass der Zaubernde etwas sagen muss.

_Martin:_
„Narnia“ ist ja bekannt für seinen christlichen Hintergrund. Meinst du, das haftet dem Spiel eher negativ an?

_Oliver:_
Das kommt ganz darauf an, wen du da fragst. Bei den Rollenspielern ist das vielleicht zum überwiegenden Teil richtig, aber bei den christlichen Lewis-Lesern wird das gerade umgekehrt sein.
Kennst du Jack T. Chick?

_Martin:_
Nein, der Herr sagt mir jetzt nichts.

_Oliver:_
Der hat seit den 70er und 80er Jahren eine Reihe unsäglicher Pamphlete gegen Rollenspieler, Fantasyliteratur und Rockmusik verfasst. Von dem ist auch dieses berüchtigte „Dark Dungeons“, wo dargelegt wird, dass das Rollenspiel „AD&D“ zum Satanismus führt. Des Weiteren meinte er, dass das „Necronomicon“ von Howard Phillips Lovecraft echt und daher gefährlich wäre … Und genau dieser Chick hat auch sehr lange gegen Tolkien und Lewis gewettert. Selbst die waren ihm nicht christlich genug.

Lange Rede, kurzer Sinn: Man muss das ein wenig abwägen. Wir haben probiert, die christliche Weltsicht von Lewis zu übernehmen, aber eben nicht auf so eine didaktische Art und Weise. Wir wollen niemanden vergraulen, weder die christlichen Lewis-Fans noch die vielleicht nicht so christlichen Rollenspieler. Wir wollen niemandem vorschreiben, wie er zu spielen hat. Ein Beispiel, das wir da gerne zitieren, ist die „Bundkraft“. Das funktioniert ein wenig wie der „Gruppenkarmapool“ bei [„Shadowrun“: 2097 Wenn die Gruppe gut zusammenhält und kooperiert, bekommt sie zusätzliche Würfel und erhöht damit ihre Chancen, Aktionen gut zu bewältigen. Ein weiteres Beispiel sind die Tugenden, die ein wenig wie die Menschlichkeit bei „Vampire: Die Maskerade“ funktioniert: Sie sollen eine rollenspielerische Hilfe sein. Damit vermeidet man zu sagen: „Du bist gut“, „Du bist böse“, „Du kommst in den Himmel“, „Du kommst in die Hölle“. Ein schlechter Wert darin führt halt bei Menschen dazu, dass man unter Umständen nicht mehr so gut mit Narnia und seinen Geschöpfen interagieren kann. Und sprechende Tiere werden wieder wild.

_Martin:_
Das finde ich auch sehr passend. Was mich ein wenig gewundert hat: Wenn die sprechenden Tiere ihre besonderen Fertigkeiten benutzen, kann es sein, dass sie von ihrer Tugend (Moral) Punkte verlieren. Warum das?

_Oliver:_
Weil die tierischen Kräfte eigentlich immer wilde Kräfte sind. Die Tiere geben sich eine unheimliche Mühe, menschlich zu sein. Das hat ja fast schon lächerliche Ausmaße. Beispielsweise liegt bei den Bibers zu Hause das schöne Tischtuch über dem Essenstisch, dort wird gekocht und Tee getrunken und Frau Biber sitzt an einer Nähmaschine. Und wenn die dann eben in der Wildnis rumrennen, andere Tiere fressen und blutrünstig kämpfen, widerspricht das diesem Menschlichkeitsideal. Insofern sind diese Kräfte nicht nur was Tolles, sondern auch was Gefährliches. Genau eben wie auch bei der Zauberei. Daher soll man auch sparsam damit umgehen. Klar kann man das auch wieder als ein Entgegenkommen an die christliche Seite interpretieren … Ich habe mal vor kurzem einen Artikel gelesen, in dem eine Autorin darlegte, warum sie vom christlichem Standpunkt aus Tolkien gut findet, „Harry Potter“ aber nicht: Bei Tolkien wird Magie ganz dezent eingesetzt. Sie ist in den Händen von eigentlich nicht menschlichen Figuren – solchen Überwesen wie zum Beispiel Gandalf. Und die machen damit immer nur so viel, wie gerade unbedingt nötig ist. Und du hast immer das Gefühl: Magie ist nichts für einen kleinen Hobbit. Und bei „Harry Potter“ ist das halt gerade umgekehrt.

_Martin:_
Wie denkst du denn, wird das System bei erfahrenen Rollenspielern ankommen? Es ist ja schon sehr einfach und einsteigerfreundlich gehalten.

_Oliver:_
Solche Publikumsreaktionen kann man nur ganz schwer vorhersagen. Es wird sicherlich Spieler geben, die vom Regelsystem enttäuscht sein werden, weil es ihnen nicht genug strategische Möglichkeiten bietet. Es kann natürlich auch sein, dass wir irgendwelche Dinge nicht gut genug gewichtet haben. Ich warte heute noch auf den schrecklichen Moment, zu dem ein Spieler ankommt und den unbesiegbaren Charakter gebastelt hat. Ich hoffe zwar, dass das nicht geht, aber eine hundertprozentige Sicherheit gibt es halt leider nicht.

Aber um zur Frage zurückzukommen: Ich kenne auch viele ältere Rollenspieler, die mit den Jahren lieber ein wenig „back to the roots“ gehen. Ich kenne das auch von mir. In meiner Anfangszeit habe ich sehr viel und leidenschaftlich „Shadowrun“ gespielt. Ich erinnere mich noch an den Anfang meines Studiums, als ich noch nicht so schrecklich am Studium interessiert war, da saß ich mal ein dreiviertel Jahr in einem Seminar und habe einen „Shadowrun“-Charakter gebastelt. Heute bin ich eher so drauf, dass ich mir denke: Man muss eigentlich an einem Spielabend gar nicht würfeln. Es reicht, wenn zwei Würfel auf dem Tisch liegen, und wenn einer denkt, er muss würfeln, dann würfelt er halt. Und ich denke, gerade für diese Art von Spielern ist „Narnia“ ein sehr freundliches System. Ich bin sehr stolz darauf, dass man in fünf Minuten einen Charakter bauen kann: Will man es ganz einfach machen, lässt man alle Attribute auf null, das heißt, sie geben keinen Bonus und keinen Malus. Dann verteilt man seine paar Fertigkeitspunkte, und das war es auch schon. Ich denke auch, dass das Spiel besser wird, je näher du an deinen Charakter gehst und je kleiner deine Geschichten sind – je mehr Rollenspiel also betrieben wird.

Ich habe mal in einer Testrunde erlebt, dass ein Spieler einen Erdenmenschen gespielt und sich fast geweigert hat, sich auf das Abenteuer einzulassen – weil er so von diesem Weltenwechsel eingenommen war und die Figur dachte, sie sei tot. Und das hat sehr viel Spaß gemacht. Wenn man die Beziehungen zwischen den Charakteren oder die Eigenheiten von Fabelwesen oder Tieren ausspielt, kann man mit „Narnia“ viel Spaß haben. Man sollte nicht jede Reise gleich überspringen. Eben noch in Cair Paravel, jetzt in Tashbaan, dazu kennt man noch alle wichtigen NSCs (Nicht-Spieler-Charaktere, d. Red.) … Ich glaube, dann erschöpft sich die Welt sehr schnell.

_Martin:_
Der größte Kritikpunkt, der mir bisher im Internet untergekommen ist, war die Kritik an der enthaltenen Karte. Ist das nicht schon ein Kompliment an euch?

_Oliver:_
Eigentlich ja. Zur Karte: Es gibt zwei bekannte Karten. Das eine ist die schon erwähnte von Pauline Baynes und die andere ist die von |Disney|, die für die Filme angefertigt wurde. Beide gefallen mir sehr gut, doch wären bei beiden die Lizenzgebühren viel zu teuer für uns gewesen. Zumal die von |Disney| auch falsch ist. Da sind Flüsse falsch eingetragen und Städte liegen an den falschen Flussmündungen. So was geht einfach nicht. Ich gebe zu, man hätte die Karte noch schöner machen können, unser Zeichner probiert auch gerade noch, eine aufgebesserte Version zu erstellen, die wir dann ins Internet stellen werden (auf |www.laternendickicht.de|). Aber die Karte ist funktional und richtig, und das war mir deutlich wichtiger als das Aussehen.

_Martin:_
Wie sieht es denn aus mit weiteren Publikationen zum „Narnia“-Rollenspiel?

_Oliver:_
Von uns aus gerne, aber es ist noch zu früh, um etwas Genaues zu sagen. Natürlich hängt es auch davon ab, wie erfolgreich das System wird. Wenn |Brendow| sich entschließt, Folgebände zu veröffentlichen, würde ich das sehr gerne machen. Was mich reizen würde, wären ein Abenteuerband und eine eingehendere Weltbeschreibung. Vielleicht ein Erweiterungsband zu verschiedenen Ländern und Regionen, wobei man sich dann die Freiheit nehmen müsste, Dinge dazuzuerfinden. Wir waren da bisher sehr, sehr sparsam, denn es gibt nur wenige Sachen im Regelwerk, die wir dazuerfunden haben. Und da gibt es jetzt schon manche Fans, bei denen die Alarmglocken schrillen.

_Martin:_
Was habt ihr denn so erfunden?

_Oliver:_
Bei den sieben Inseln sind fünf Namen von mir. Der Name von Prinz Kaspians Ehefrau ist auch von mir. In einem Internetforum habe ich darüber eine Diskussion gefunden, ob die Dame überhaupt einen Namen haben sollte – die Fans waren sich nicht einig. Ansonsten noch ein, zwei kleine Dinge – wie eine Prinzessin in der Historie, zu der es bei Lewis widersprüchliche Angaben gab. Auch die Frage, wer denn König von Narnia war, als die Pevensies weggingen, blieb bei Lewis offen. Da habe ich dann verfügt, dass die Nachfahren des Königs von Archenland als Truchsesse eingesprungen sind. Aber im Großen und Ganzen haben wir versucht, alles in das Regelwerk zu packen, was Lewis je über Narnia geschrieben hat. Und ich denke, das haben wir geschafft.

_Martin:_
Im Band habt ihr relativ wenige sprechende Tiere aufgeführt. Nach welchen Gesichtspunkten habt ihr die ausgewählt?

_Oliver:_
Wir mussten auf die Gewichtung achten. Ich wollte kein Spiel machen mit fünfzehn Tieren, drei menschlichen Kulturen und ein paar Fabelwesen. Daher haben wir uns auf eine überschaubare Anzahl an Beispielcharakteren beschränkt. Dann haben wir uns für die Tiere entschieden, bei denen wir uns am ehesten vorstellen konnten, dass sie aufrecht gehen und ihre Hände benutzen können, und natürlich jene, die in den Büchern eine prominente Rolle spielen. Ich wollte die Bären drin haben, wegen der Sache mit dem Honig, dann natürlich Dachse wegen der Trüffeljäger und weil ich persönlich Dachse toll finde. Mäuse mussten selbstverständlich auch sein, alleine wegen Riepischiep, denn es hätte uns sicher kein Fan verziehen, wenn die Mäuse nicht dabei gewesen wären. Ein paar haben wir auch als Hommage an andere Werke reingenommen. Ich hab zum Beispiel die halbe Belegschaft aus „Der Wind unter den Weiden“ im Abenteuer auftreten lassen: Maulwurf, Otter und Ratte. Wir wollten uns eigentlich noch mehr beschränken, aber das hat nicht geklappt.

Du hast also schon Recht: Die Versuchung war sehr groß, viele Tiere mit reinzunehmen. Aber das ist ja für die Spieler kein Problem: Das System ist sehr einfach, so dass sich jeder seine Lieblingstiere basteln kann. Wenn du die Tiere durchrechnest, wirst du auch feststellen, dass sie nicht alle die gleiche Punktezahl haben. Ist ja auch kein Wunder, denn man kann halt einen Bären schlecht mit einer Maus vergleichen. Das macht die Spieler aber auch freier, sich eigene Tiere zu erschaffen: Da sagt man dann einfach „Ich gebe meinem Fuchs ein Plus auf Charisma und Intelligenz und ein Minus auf Stärke“, und das war’s. Wichtiger ist auch hier wieder, es rollenspielerisch darzustellen.

Also nochmal an alle Fans: Spielt alle Tiere, die ihr wollt! Ich finde Eulen ganz toll, damit kann man jede Gruppe in den Wahnsinn treiben! (lacht)

_Martin:_
Wo wir gerade dabei sind, gefallen mir die Vor- und Nachteile besonders gut.

_Oliver:_
Dass es Vorteile und Nachteile geben würde, war die Idee von Ulrich Drees. Ausgearbeitet haben wir sie dann zusammen. Ich mag so was auch ganz besonders, weil es eine schöne Methode ist, seinem Charakter Tiefe zu verleihen. Zumal man sich bei uns ja nur durch Nachteile auch Vorteile erkaufen kann. Nachteile sind interessanter. Charaktere, die keine Schwächen haben, finde ich uninteressant. Es müssen keine furchtbaren Benachteiligungen sein, aber kleine Charakterschwächen machen das Ganze viel interessanter.

_Martin:_
Welches Zeitalter in Narnia empfiehlst du denn zum Spielen?

_Oliver:_
Ich würde sagen 2310, das ist die Zeit von Prinz Kaspian, weil das Zeitalter der Pevensies für meinen Geschmack noch zu unentwickelt ist. Das ist auch ein typisches Problem bei Lewis. Ihm fiel zum Beispiel erst beim siebten Band auf, dass Cair Paravel von einer Stadt umgeben sein könnte. Bis dahin ist das eigentlich nur ein Schloss auf der grünen Wiese. Und da wir uns dachten, dass uns das kein Rollenspieler durchgehen lässt, ist bei uns schon immer Stadt außenherum, auch schon zu Zeiten von „Aslan gegen Jadis“. Aber trotz dieser Korrektur bietet das frühere Zeitalter einfach zu wenig. Bei Kaspian gibt es dann noch die Telmarer als Machtblock, und es ist es auch einfach stimmungsvoller, denn wer möchte schon von einem fünfzehnjährigen Jungen regiert werden?

_Martin:_
Mir ist bei Lewis aufgefallen, dass Dunkel oder Schwarz sehr negativ belegt sind. Die dunkelhäutigen Telmarer sind fast alle verschlagen und die Helden sind alle blond. Siehst du Lewis da einfach als Kind seiner Zeit?

_Oliver:_
Das ist mir offengestanden noch gar nicht so arg bei ihm aufgefallen. Auffälliger finde ich es zum Beispiel bei Tolkien. Aber natürlich würde ich ihn als Kind seiner Zeit sehen. Dabei würde ich dann auch Tolkien und Lewis in einen Topf werfen, weil die beiden sich ja wöchentlich getroffen und alles ausdiskutiert haben. Das sind halt auch die alten Klischees, die auch heute noch drin sind. Die Orks etwa haben noch immer diesen Untermenschen-Touch, und den werden sie auch nie loswerden – so dieses affige Degenerierte. Und das sind halt Vorstellungen, die sicherlich auch noch aus der Viktorianischen Zeit stammen. Ganz deutlich wird das bei Oscar Wildes „Das Bildnis des Dorian Grey“: Körperlicher und moralischer Verfall wird einfach gleichgesetzt. Wenn jemand böse ist, siehst du ihm das an. Und dieser Gedanke pflanzt sich immer weiter fort. Wo Lewis damit bricht, ist bei Jadis, denn sie ist ja schön und furchtbar, eine ähnliche Mischung wie Galadriel beim [„Herr der Ringe“, 1330 als sie darüber nachdenkt, wie das so wäre, den Einen Ring zu besitzen.

Aber ganz klar: Wenn solche Klischees auftauchen, bin ich bereit, sie Lewis zu verzeihen. Ein bisschen kritischer wird es, wenn man auf seine Islamklischees schaut, denn Kalormen ist schon ein sehr klischeebehaftetes Land und Tash eine eher böse Gottheit. Wir haben probiert, das ein bisschen zu relativieren, denn wir wollten natürlich nicht, dass der Eindruck erweckt wird, es gäbe in unserem Spiel Menschen, die alle das Böse anbeten. Andererseits wollten wir schon eine Tausendundeine-Nacht-Kultur, in der es so ein paar Wesenheiten gibt, die auch etwas unheimlich sind. Da war es schwierig, die richtige Balance zu finden. Auf der anderen Seite gab Lewis dann Aslan einen türkischen Namen, denn „Aslan“ ist türkisch und heißt „Löwe“. Da ist Lewis auch irgendwie eigenartig gewesen.

Ich würde vorschlagen, darüber einfach nicht so viel nachzudenken und hineinzuinterpretieren, sondern es einfach als klischeehafte Märchenwelt anzunehmen.

_Martin:_
Das ist doch ein schönes Schlusswort zu „Narnia“. Kommen wir zu deinem ersten Roman „Fairwater“. Erzähl uns doch mal ein bisschen was darüber.

_Oliver:_
„Fairwater“ liegt mir sehr am Herzen, weil es ja mein erster Roman war und weil ich ihn so geschrieben habe, wie man ihn eigentlich nicht schreiben sollte: Einfach mal drauflos, und dann hinterher versuchen, einen Verleger dafür zu finden. Welche Probleme ich damit hatte, sieht man auch gut daran, dass beim „Narnia“-Rollenspiel zwischen Idee und Drucklegung ein Jahr lag und bei „Fairwater“ waren es sieben! Das ist natürlich was ganz anderes. Dieser Roman entstand aus einer Mischung verschiedener Umstände. Einerseits habe ich viel gelesen, sowohl privat als auch an der Uni, und ich glaubte auch, ich hätte unheimlich viel zu sagen. Dazu kam, dass ich gerade ein Auslandssemester in England hatte und mutterseelenallein war. So habe ich also angefangen, diese Geschichten zu schreiben. Dabei ist das Ganze komplett ausgeufert und ich habe über ein Jahr daran geschrieben.

_Martin:_
Worum geht es denn grundsätzlich bei „Fairwater“?

_Oliver:_
Fairwater ist eine kleine Stadt, die so ein bisschen in der Tradition der seltsamen amerikanischen Stadt steht, wie man es aus „Twin Peaks“ oder aus manchen Stephen King-Romanen kennt. Diese Stadt ist bevölkert von merkwürdigen Leuten, die alle keine realistischen Sorgen und Leben zu haben scheinen. Die beschäftigen sich alle mit so komischen Dingen wie Magie oder Kunst … Die Leute führen eine Art Doppelleben. Auf der einen Seite sind es Künstler, Studenten, Bohèmiens, Aussteiger oder Stadtstreicher. Auf der anderen Seite scheinen sie Außerirdische, Weltenreisende, Zauberer oder Wahnsinnige zu sein. Und diese intrigieren gegeneinander und erleben dabei furchteinflößende, aber auch schöne Erfahrungen. Und genau diese Mischung wollte ich auch damals so haben.

_Martin:_
Neben meiner eigenen Rezension habe ich auch sonst fast nur positive Stimmen zu „Fairwater“ gehört, und auch der Vergleich zu Neil Gaiman ist mir oft aufgefallen: Ist das positiv, oder …

_Oliver:_
(Antwortet wie aus der Pistole geschossen) Auf jeden Fall! Ich freue mich sehr, dass der Roman so positiv aufgenommen wird. Das bedeutet mir sehr viel, weil es mit diesem Buch sehr schwer ist, ein größeres Publikum zu erreichen, und ich daher auf Mundpropaganda angewiesen bin. Solange das so funktioniert, bin ich sehr zufrieden damit, eine Art Geheimtipp zu sein. Der Vergleich mit Gaiman ist sehr schmeichelhaft. Ich muss gestehen, dass ich zu ihm damals gar nicht so viele Bezüge hatte. Mein Hauptkontakt waren die „Books of Magic“, die ich inbrünstig geliebt habe, aber ich muss gestehen, dass ich bis heute keinen seiner Romane gelesen habe. Ein Vergleich, der auch häufig angeführt wurde, war „Fool on the Hill“ von Matt Ruff. Allerdings ist das auch ungerechtfertigt, denn den kannte ich damals auch noch nicht. Ich muss aber gestehen, als ich das Buch dann gelesen hatte, war ich froh, es erst jetzt getan zu haben, denn ich hätte garantiert versucht, ihn zu imitieren.

_Martin:_
Du machst es deinem Leser in diesem Roman mit deinen vielen popkulturellen Andeutungen ziemlich schwer, da er sich diese selbst herleiten muss. War das so gewollt?

_Oliver:_
Das gebe ich zu und würde es heute auch nicht mehr ganz so extrem machen. Ein guter Freund von mir sagte mal, man merkt dem Roman an, dass es ein Erstlingswerk ist. Da stimme ich ihm auch zu. Ich war einfach manchmal zu bemüht, alles darin unterzubringen, was ich jemals irgendwie toll fand. Ich muss allerdings auch sagen, dass ich nicht vom Leser erwarte, alles zu verstehen. Es ist auch in keinem der Liedtexte ein Rätsel drin, das man unbedingt verstehen müsste – es hat eigentlich mehr dekorativen Charakter. Wenn sich ein Leser dabei denkt „Ich könnte mal wieder Pink Floyd hören“, hat sich das Ganze schon gelohnt.

_Martin:_
Wie würdest du jemandem „Fairwater“ ans Herz legen?

_Oliver:_
Darin bin ich ganz schlecht. Ich würde das nicht tun, weil ich Autoren total ätzend finde, die zu jedem gehen und sagen: „Lies mal mein Buch!“

_Martin:_
Gut, anders gefragt: Wie würdest du deinen Roman einordnen?

_Oliver:_
Damit haben sich alle schwergetan. Das war auch einer der Gründe, warum es sieben Jahre gedauert hat, das Buch zu verlegen. Ich würde es als moderne Phantastik beschreiben. Es ist eine Geschichte, in der nicht immer klar ist, was real und was nicht real ist. Und das ist ein Genre, das so ein bisschen aus der Mode geraten ist. Das florierte zu Zeiten Poes und Lovecrafts und ist heute im Horror aufgegangen. Und es gibt nur ganz wenige Autoren, die Geschichten schreiben, in denen etwas Phantastisches passiert, und die Leute laufen nicht schreiend weg, sondern finden es interessant. Dafür sind Matt Ruff und Peter Beagle („Das letzte Einhorn“, d. Red.) gute Beispiele. Und so was wollte ich auch schreiben. Meine Figuren sollten Leute sein, die es toll finden, wenn die Realität nicht das ist, was sie zu sein scheint.

_Martin:_
Wie sieht es aus mit weiteren Projekten?

_Oliver:_
Die gibt es natürlich. Ein Konzept nimmt gerade Gestalt an, aber da ich abergläubisch bin, möchte ich darüber momentan noch nicht reden. Außerdem gibt es noch zwei Romane, die ich auf jeden Fall schreiben möchte: Das eine ist ein Science-Fantasy-Szenario, in das ich mich seit Jahren reingedacht habe, und das andere wäre ein klassischer High-Fantasy-Roman.

_Martin:_
In welche Richtung geht dein Projekt, über das du nicht sprechen möchtest?

_Oliver:_
(lacht) Urban Fantasy. Wobei da ja die Meinungen schon sehr auseinandergehen, was denn Urban Fantasy eigentlich ist. Ich habe den Begriff das erste Mal vor ungefähr einem Jahr gehört, und ich würde damit am ehesten Neil Gaiman oder [„Wächter der Nacht“ 3028 von Lukianenko in Verbindung bringen. Die meisten Verlage scheinen momentan darunter so was wie die unsäglichen „Paranormal Romance“-Geschichten zu verstehen, in denen es hauptsächlich darum geht, dass Vampire Sex mit Werwölfen haben … Es ist teilweise sehr erschreckend. Ich lese so was ab und an für Gutachten und bin mir sicher, dass ich so was nicht schreiben möchte.

_Martin:_
So, dann bedanke ich mich herzlich für das ausführliche Interview. Nun hast du noch die Gelegenheit, das Wort direkt an unsere Leser zu richten:

_Oliver:_
Auch ich bedanke mich für das Interview! Und wem [„Fairwater“ 4864 gefallen hat – der Roman ist beim Deutschen Phantastikpreis als „Bestes Debüt 2007“ nominiert. Auf http://www.deutscher-phantastik-preis.de kann man noch bis zum 31. August dafür abstimmen.

http://gazette.rainlights.net
http://www.narnia-welt.de

|Fairwater oder Die Spiegel des Herrn Bartholomew|
Feder & Schwert, Oktober 2007
ISBN-10: 3867620113
ISBN-13: 978-3867620116

|Narnia – Das Rollenspiel|
Brendow, Mai 2008
ISBN-10: 3865062148
ISBN-13: 978-3865062147

Drees, Ulrich / Plaschka, Oliver – Narnia. Das Rollenspiel

_Allgemeines_

Das „Narnia-Rollenspiel“ von Ulrich Drees und Oliver Plaschka ist das erste offizielle Rollenspiel zur Fantasywelt von C. S. Lewis. Es richtet sich vor allem auch an Rollenspielneulinge und Einsteiger, was sich deutlich in dem einfachen Regelsystem wiederspiegelt, aber dazu später mehr. Die Aufmachung ist sehr gelungen, auch wenn das Format (es ist in Buchform erschienen) eher untypisch für ein Rollenspiel ist. Es ist komplett dreifarbig gehalten und mit sehr schönen Illustrationen von Kai Graf versehen.

Ansonsten enthält das Regelwerk alles, was das geneigte „Narnia“-Fanherz begehrt. Neben drei menschlichen Kulturen lassen sich eine Reihe an Fabelwesen und natürlich die sprechenden Tiere spielen. Es empfiehlt sich zwar, gerade für Spielleiter, die „Narnia“-Bücher gelesen zu haben, allerdings wird in dem Band so detailliert auf die Welt eingegangen, dass das nicht zwingend notwendig scheint. Das Buch ist in vierzehn Kapitel gegliedert, wobei die Kapitel über die Charaktererschaffung und das Kapitel mit Tipps für den Spielleiter (der hier sehr passend Erzähler genannt wird) erwartungsgemäß die mit Abstand längsten sind. Sehr hilfreich für Neulinge sind auch die ausführliche Einleitung und die Weltenbeschreibung.

_Regelsystem_

Die Regeln sind einfach gehalten. Gewürfelt wird mit handelsüblichen sechsseitigen Würfeln. Jede Figur besitzt die Attribute Stärke, Konstitution, Gewandtheit, Geschick, Sinnesschärfe, Charisma, Intelligenz, Willenskraft und Tugend. Diese haben jeweils einen Wert von -3 bis +3, wobei die extremen Werte eher selten sind. So hat ein normaler Mensch einfach in jedem Attribut eine null und nur in Ausnahmefällen Werte von -2 bis+2. Ansonsten gibt es noch Fertigkeiten, die jeweils einem oder mehreren Attributen zugeordnet werden. So kann man der Fertigkeit „Nahkampf“ entweder Stärke oder Gewandtheit zuordnen, je nachdem, ob mit einem Zweihänder oder einem Degen gekämpft wird. Nun kommt es darauf an, wie gut oder schlecht die Attribute sind: Bei positiven Attributen gibt es einen Bonus, bei negativen einen Malus, und bei einem Wert von null gibt es gar keine Modifikation.

Wird nun eine Probe verlangt, gibt es zwei Arten von Würfeln: Basiswürfel und Bonus- bzw. Maluswürfel. Bei Proben auf ein Attribut hat man immer zwei Basiswürfel, und dazu kommt dann der Wert des Attributs als Bonus-oder Maluswürfel. Beispiel: Hat ein Bär einen Stärkewert von +2 und muss auf dieses Attribut eine Probe ablegen, würfelt er zwei Basiswürfel (hat man immer) und zwei Bonuswürfel (wegen des Wertes von +2). Hätte der Bär einen -2-Wert bei der Stärke, würde er zwei Basiswürfel und zwei Maluswürfel (Attributswert -2) würfeln. Bei den Fertigkeiten ist es ähnlich: Der Fertigkeitswert gibt die Anzahl der Basiswürfel und das dazugehörige Attribut die Anzahl der Bonus-oder Maluswürfel an. Zur Unterscheidung der zwei Würfelarten empfiehlt es sich, zwei verschiedenfarbige Würfelpools zu benutzen, wobei helle und dunkle Würfel auch vollkommen reichen.

Nachdem ich die Würfel dann geworfen habe, schaue ich nach: Bei Basiswürfeln ist eine vier oder höher ein Erfolg und bei den Bonuswürfeln eine fünf und eine sechs. Habe ich Maluswürfel, wird mir bei einer eins oder zwei jeweils ein Erfolg abgezogen. Ebenso einfach wurden das Magie- und das Kampfsystem gehalten, wobei es hier für die interessierten und erfahrenen Spieler auch noch Expertenregeln gibt, die sinnvoll, aber gerade für Anfänger nicht nötig sind.

Zwei Besonderheiten hat das System: Zum einen ist das die Bundkraft und zum zweiten das Attribut Tugend. Die Bundkraft wird vom Spielleiter bestimmt und ist ein Maß dafür, wie gut oder schlecht die Gruppe zusammenarbeitet und sich versteht. Arbeitet eine Gruppe gut zusammen und steht in gefährlichen Situationen Seite an Seite, erhält sie zusätzliche Würfel, die den Zusammenhalt symbolisieren sollen und so die Chancen der Charaktere erhöhen, erfolgreiche Aktionen zu tätigen.

Den Wert im Attribut Tugend sucht sich jeder Spieler selbst heraus. Die drei Arten von Geschöpfen, die spielbar sind, haben jeweils eine andere Tugend. Die Menschen haben Vertrauen, die Fabelwesen Gesinnung und die sprechenden Tiere Moral. Dieser Wert gibt an, wie gut oder schlecht die Figur mit Narnia interagieren kann. Ein Mensch mit einem negativen Wert in Vertrauen wird nur sehr schwer mit der Welt interagieren können, ja sogar deren Existenz leugnen, wie zum Beispiel Onkel Andrew in „Das Wunder von Narnia“. Fabelwesen mit einem negativen Wert in Gesinnung tendieren eher zur „bösen“ Seite, und sprechende Tiere riskieren es, ihre Sprache zu verlieren und wieder wild zu werden. Charakteren mit positiven Werten hingegen fällt das Ganze normalerweise leichter, allerdings muss beides auch rollenspielerisch dargestellt werden.

_Die Autoren_

Ulrich Drees, geboren 1967, lebt in Göttingen, wo er nach seinem Studium der Mittleren und Neuen Geschichte, Europäischen Ethnologie und Volkswirtschaftslehre seinen Lebensunterhalt als Journalist und Chefredakteur eines Stadtmagazins bestreitet. Bisher erschien von ihm die „Nordmark“-Romantrilogie im |Heyne|-Verlag. Daneben war er als Entwickler und Autor für die Kulturbeschreibungen verschiedener „Demonworld Tabletop“-Armeebücher mitverantwortlich. Neben dem „Narnia“-Rollenspiel beschäftigt er sich momentan mit seinem Mantel-&-Degen-Projekt „Fayne Cornish und der Dolch des Todes“.

Oliver Plaschka, Jahrgang 1975, studierte Anglistik und Ethnologie in Heidelberg und lebt in Speyer. Er ist Verfasser, Herausgeber und Übersetzer einer Handvoll Kurzgeschichten. Sein Debütroman [„Fairwater oder Die Spiegel des Herrn Batholomew“ 4864 ist beim |Feder & Schwert|-Verlag erschien.

_Mein Eindruck_

Ich muss sagen, ich bin sehr positiv von der Rollenspiel-Umsetzung angetan. Das „Narnia-Rollenspiel“ kommt meinem Ideal dessen, was ich mir von einem Rollenspiel, das in Narnia spielt, erhofft habe, schon sehr nahe. Die Regeln sind einfach und bieten daher sowohl für Anfänger als auch für erfahrene Spieler eine gute Basis, um schnell ins Spiel einzusteigen. Dennoch sind der Band und die Regeln so aufgebaut, dass sie das Märchenhafte, das die „Narnia“-Romane so auszeichnet, perfekt ins Spiel transportieren. Sicher werden Leute, die actionlastiges und spielwerteorientiertes Rollenspiel bevorzugen, wohl nur wenig Freude an dem Regelwerk haben, allerdings stellt sich dann eher die Frage, ob deren Spielstil überhaupt nach Narnia passen würde. Die Idee, eine Bundkraft einzuführen und den verschiedenen Wesen Tugenden zu geben, unterstützt zusätzlich den Reiz von Lewis‘ Welt, in der Werte und Moral eine sehr große Rolle spielen.

Obwohl oder gerade weil das System so einfach ist, ermöglicht es den Spielern auch unheimlich viele Freiheiten. Ein Tier, das du spielen möchtest, steht nicht in der Grundbeschreibung dabei? Kein Problem, das ist in fünf Minuten selber gebastelt. Ebenso sieht es auch mit den Fabelwesen aus. Hier bieten sich Spielern und Spielleitern fast unendliche Möglichkeiten, was auch darauf zurückzuführen ist, dass Lewis, im Gegensatz zu Tolkien, seine Welt und die darin lebenden Wesen nur relativ wenig beschrieben hat. Wer hingegen nicht so kreativ ist, bekommt im Regelwerk genügend Fakten geliefert, um viele schöne Abende in Narnia verbringen zu können.

Der Schreibstil ist sehr ansprechend und unterhaltsam, im Gegensatz zu manch anderem Rollenspielregelwerk, in denen häufig endlose Tabellen von Spielwerten das Bild prägen. Das Einzige, was mir negativ aufgefallen ist, ist der doch recht kleine und sehr kopiererunfreundliche Charakterbogen am Ende des Buches. Doch da das auch den Autoren aufgefallen ist, kann man diesen auch einfach unter http://www.laternendickicht.de kostenlos in DIN-A4 runterladen.

_Fazit_

„Narnia“ ist ein tolles neues Rollenspielsystem, das sehr einsteigerfreundlich ist, aber auch für erfahrenere Rollenspieler genügend Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Das Regelsystem ist einfach, aber funktional und passt perfekt in das märchenhafte Narnia. Zudem überzeugt das Regelwerk mit einer fabelhaften Aufmachung. Also: Daumen hoch!

[Unser Interview mit Oliver Plaschka]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=92

|ISBN-10: 3865062148
ISBN-13: 978-3865062147|
http://gazette.rainlights.net
http://www.narnia-welt.de
http://www.brendow.de

_|Narnia| auf |Buchwurm.info|:_

[„Der Reiseführer durch Narnia“ 1664
[„C. S. Lewis – Der Mann, der Narnia schuf“ 1980
[„Das Wunder von Narnia“ 1858
[„Das Wunder von Narnia – Hörbuch“ 1991
[„Der König von Narnia“ 1758
[„Der König von Narnia – Hörbuch“ 356
[„Der Ritt nach Narnia“ 1933
[„Der Ritt nach Narnia – Hörbuch“ 1984
[„Prinz Kaspian von Narnia“ 2081
[„Prinz Kaspian von Narnia – Hörbuch“ 2725
[„Die Reise auf der Morgenröte“ 2543
[„Der silberne Sessel“ 2810

Oliver Plaschka – Fairwater oder die Spiegel des Herrn Bartholomew

Handlung

„Fairwater oder Die Spiegel des Herrn Batholomew“ besitzt keine gewöhnliche Handlung, denn jedes Kapitel ist eine eigene Kurzgeschichte aus der Sicht einer jeweils anderen Person, die sich allerdings alle um Fairwater, das Venedig Marylands, drehen. Und dieses Fairwater ist keine normale Stadt, denn zum einen ist es auf keiner Landkarte verzeichnet und zum anderen geschehen dort sehr merkwürdige Dinge und nichts ist so wie es scheint …

_Der Autor_

Oliver Plaschka – Fairwater oder die Spiegel des Herrn Bartholomew weiterlesen

Hartung, Alexander – Spherechild: Grundregelwerk

_Allgemein_

„Spherechild“ ist weder ein klassisches Fantasy- noch ein Science-Fiction-Rollenspiel, denn beide Varianten sind hier möglich. Zur Story: Einst waren alle Sphären eins, doch durch die Sembaren wurde diese Einheit zerstört und die Sphären wurden getrennt. So entstanden unendlich viele Sphären (oder auch Galaxien), die nur durch ein dünnes Band verbunden sind. Auch dies versuchen die Sembaren nun zu zerstören.

Und da kommen die Charaktere ins Spiel, denn sie spielen ein „Sphärenkind“, das mit besonderen Kräften ausgestattet ist, um die Feinde der Sphären aufzuhalten. Hierbei gibt es theoretisch unendlich viele Welten und Galaxien, in denen gespielt werden kann. Bisher gibt es zwei offizielle Sphären, aber weitere sind in Arbeit, und den Spielleitern ist es natürlich vorbehalten, nach Belieben eigene Sphären zu kreieren.

Das Besondere an „Spherechild“ ist aber, dass man in mehreren Sphären gleichzeitig spielen kann. Jedes Sphärenkind hat in jeder anderen Sphäre einen Sphärenbruder, mit dem es kommunizieren kann. Das ist daher nötig, da das schändliche Treiben der Sembaren in einer Sphäre auch Auswirkungen auf die anderen Sphären hat. So ist es möglich, wechselweise in einer Fantasywelt und zugleich in einer hochtechnisierten Welt zu spielen. Das ist allerdings ein „Kann“ und kein „Muss“. Wer nur in einer Welt spielen möchte, kann das selbstverständlich auch tun.

_Die Sphären_

Bisher gibt es zwei offizielle Sphären: Valcreon und Icros. Eine weitere noch unbenannte Sphäre ist in Planung. Widmen wir uns einmal den einzelnen Sphären:

|Valcreon|

Valcreon ist eine Fantasy-Welt von geringer technischer Entwicklungsstufe mit hoher magischer Potenz. Allerdings wird diese nicht wie gewöhnlich von Zwergen, Elfen oder Orks bevölkert, sondern von eigens entwickelten Rassen. Da wären einmal die Qwe, eine aufrecht gehende Echsenrasse, die meist in ausgedehnten Höhlensystemen lebt. Die T‘ Chk sind eine zwergenwüchsige, hochzivilisierte Rasse von religiösen Fanatikern, die Tham sind ein Volk von Gestaltwandlern, die Vendal große, ehrenhafte und starke, aber flugunfähige Vogelmenschen, und natürlich gibt es auch noch normale Menschen, die Siniten. Neben diesen Rassen gibt es überdies natürlich auch eine Reihe von bisher noch nicht spielbaren Völkern.

|Icros|

Icros ist ungefähr auf dem technischen Stand unserer Welt, mit sehr wenig magisch aktiven Wesen. Allerdings sind dort vor langer Zeit Außerirdische gelandet und haben die Menschen versklavt. Durch genetische Experimente erschufen die Außerirdischen mittels einer Kreuzung ihrer DNS und derjenigen der Menschen verschiedene Dienerrassen, um die Massen zu kontrollieren. Um es kurz zu machen: Die Menschen verscheuchten die Außerirdischen wieder, und die Dienerrassen blieben auf der Erde, weil sie äußerlich nicht von normalen Menschen zu unterscheiden waren, da es sich um Gestaltwandler handelt. Diese wurden jahrelang verfolgt und getötet, so dass sie sich als normale Menschen tarnten. Und genau solche Gestaltwandler sind hier die Spielercharaktere.

_Das System_

Die Charaktererschaffung ist flexibel gestaltet, so dass der Spielleiter und die Spieler beim Ermitteln der Attribute zwischen Würfelwurf und Punktesystem wählen können. Die Attribute sind die klassischen Stärke, Konstitution, Geschicklichkeit, Schnelligkeit, Charisma, Intelligenz und Geistige Kraft. Die Auswahl der Rasse modifiziert dann noch diese Werte. Die Profession bestimmt anschließend die Fertigkeiten.

Sobald die Charaktere erschaffen sind, ist das System äußerst simpel und schnell, denn jedes Ergebnis kann mit einem Würfelwurf ermittelt werden: Man nimmt seinen Wert in einem Attribut oder einer passenden Fertigkeit und addiert den Würfelwurf (es wird mit einem W20 gewürfelt) hinzu. Dann wird der Wurf mit der Schwierigkeit verglichen und das Ergebnis steht fest.

Das Kampfsystem ist ebenfalls simpel gehalten, bietet aber eine schöne taktische Variante: Man hat neben einem Attacke- und einem Paradewert eine Anzahl an freien Punkten, die von der Höhe der passenden Waffenfertigkeit abhängt. Diese Punkte können in jeder Runde beliebig auf Attacke und Parade verteilt werden. Dies erlaubt dem Spieler je nach Situation zwischen einem offensiven Kampfstil und einem defensiven Kampfstil zu variieren.

Besonders interessant ist das Magiesystem von „Spherechild“, denn man erlernt nicht einzelne Sprüche, sondern ganze Magiegebiete wie etwa Illusion, Lebensmagie oder das Element Feuer. In diesem Bereich beherrscht der Charakter dann theoretisch alles, was er sich vorstellen kann, er muss nur den entsprechend schweren Würfelwurf schaffen, der vorher anhand der Tabelle festgelegt wird. Dies erscheint zwar zu Beginn ein wenig kompliziert, ermöglicht dem Spieler aber riesige kreative Möglichkeiten.

_Aufmachung_

Dafür, dass das Grundregelwerk von Autor Alexander Hartung in Eigenvertrieb hergestellt wird, ist die Aufmachung wirklich hervorragend. Der Hardcovereinband ist von guter Qualität und das Papier dick und robust. Die Bilder und Grafiken sind durchgehend in Schwarzweiß gehalten. Sicherlich können diese und das Layout nicht mit großen Rollenspielverlagen wie |Pegasus| oder |Feder & Schwert| mithalten, trotzdem ist die Aufmachung dem „Spherechild“-Team gut gelungen, denn man bemerkt jederzeit die Mühe, die in diesem Regelwerk steckt.

_Mein Eindruck_

Ich bin sehr angetan von diesem Regelwerk. Die Welten sind innovativ und nicht der zehnte Standard-Fantasy-Abklatsch, denn davon gibt es schon sehr und genug. Die Regeln sind einfach aber funktional, und das Wechseln zwischen den Welten/Sphären und den verschiedenen Charakteren macht wirklich Spaß. Herausragend ist das Magiesystem, welches die magisch begabten Charaktere nicht übermächtig macht, ihnen aber trotzdem alle Freiheiten lässt. Zudem kann sich jeder eigene Sphären ausdenken, und so können kreative Spielleiter von sich aus viel Abwechslung schaffen. Die Wechselwirkungen zwischen den Sphären sind regeltechnisch einfach gestaltet und dürften niemandem große Schwierigkeiten bereiten. Die Rassen sind ebenfalls interessant konzipiert und bieten dem Spieler viel Raum zur Ausgestaltung der Charaktere.

Zudem ist das Projekt noch lange nicht am Ende angelangt, denn auf der [Homepage]http://www.spherechild.de werden regelmäßig neue Rassen, Professionen, Abenteuer und Spielhilfen kostenlos veröffentlicht. Hier gibt es auch ein Intro-Heft zum Antesten. Was mir an dem Regelwerk nicht so gefallen hat, ist, dass man erst ganz am Ende wirklich etwas über die Sphärenkinder erfährt, nachdem man sich durch die Regeln und zwei Weltenbeschreibungen gearbeitet hat. Mein Vorschlag: Das letzte Kapitel einfach zuerst lesen …

_Fazit_

„Spherechild“ ist ein interessantes Indie-Rollenspiel mit einem einzigartigen Konzept und einem starken Magiesystem. Es würde mich freuen, wenn mehr Rollenspieler diesem Produkt eine Chance gäben.

http://www.spherechild.de

Gill, Heiko (Hrsg.) – Niemandsland: Grabenkrieg & Heimatfront (Cthulhu-RPG)

_Allgemein_

„Niemandsland: Grabenkrieg & Heimatfront“ ist das neue Quellenbuch, um das „Cthulhu-Rollenspiel“ in der Zeit des Ersten Weltkrieges 1914-1918 zu spielen. Enthalten sind neben einem historischen Teil auch ein langer Abschnitt zur Charaktererschaffung sowie drei Szenarien/Abenteuer in dieser Epoche.

Der Umfang ist mit über 250 Seiten sehr ausführlich und die Aufmachung präsentiert sich in gewohnt exzellenter Qualität.

_Mein Eindruck_

Mein erster Eindruck ist wieder mal durchweg positiv. Die historischen Fakten sind sehr gut recherchiert und informieren recht ausführlich über die Zeit des Ersten Weltkrieges. Besonders interessant sind hierbei die Portraits bekannter Persönlichkeiten wie Manfred Freiherr von Richthofen („Der Rote Baron“), Paul von Hindenburg oder Mata Hari. Aber auch die verschiedenen Artikeleinschübe wie der „Der Mythos von Langemarck“ (der ausnahmsweise nichts mit dem Cthulhu-Mythos zu tun hat) oder über die Entstehung der für den Ersten Weltkrieg so prägenden Schützengräben sind sehr kurzweilig und informativ geschrieben, so dass man durch den potenziell langweiligen Geschichtsunterricht geradezu durchfliegt.

Auch der zweite Teil „Charaktere im Krieg“ ist sehr brauchbar, selbst wenn man nicht im Krieg spielen möchte, sondern etwa im klassischen 1920er Setting. Schließlich werden dort die meisten männlichen Charaktere auch erst seit kurzer Zeit aus dem Krieg zurück sein. Daher enthält dieser Teil perfekte Hintergrundinfos zur Charaktererschaffung zum Spiel in der 1920ern. Zudem sind hier auch einige fiktive Beispielcharaktere enthalten, an denen sich der geneigte Spieler/Spielleiter orientieren kann.

Was meiner Meinung nach relativ überflüssig erscheint, sind die Regeln zu Schlachten und deren Verlauf. Erstens sind diese ja schon Geschichte und theoretisch nicht mehr beeinflussbar und zweitens ist |Cthulhu| doch eher ein Rollenspiel, das auf das Spielen der Charaktere Wert legt und nicht auf das genaue Ausführen von Gefechtsordnungen und dergleichen. Wer auf so was wirklich Wert legt, hat sich mit |Cthulhu| das falsche Rollenspiel ausgesucht. Grundsätzlich hätte ich mir stattdessen lieber noch einige konkrete Hinweise auf das Mythoswirken in der Zeit des Ersten Weltkrieges gewünscht, um Anregung für eigene Abenteuer zu erhalten.

Die drei Szenarien „Schwarzer Sand“ von Sebastian Weitkamp, „Ein Sommenachtsalptraum“ von Oliver Adam & Uwe Weingärtner sowie „Wir fahren gen Engeland“ von Ralf Sandfuchs sind im Grunde alle gut ausgewählt, auch wenn Ersteres nicht zwangsläufig an den Ersten Weltkrieg gebunden scheint, sondern auch einfach in andere Settings übertragen werden kann. Sehr gut an der Auswahl der Abenteuer finde ich, dass sie an sehr verschiedenen Orten spielen – Afrika, Frankreich und Hamburg – und so auch die Bedeutung des Wortes „Weltkrieg“ verdeutlichen. „Ein Sommenachtsalptraum“ ist sicher das klassischste |Cthulhu|-Abenteuer der drei und punktet zudem damit, dass es sich mit dem Grabenkrieg an der französischen Front befasst und somit das unmittelbarste Szenario des Ersten Weltkrieges bildet.

Welche Frage sich mir bei diesem Quellenband gestellt hat, ist Folgende: Ist dieses Szenario nicht per se schon genug Horror, auch ohne den Mythos? Ich meine, im Ersten Weltkrieg sind Millionen von Menschen gestorben, kann da der |Cthulhu|-Mythos überhaupt mithalten? Nun, sicherlich ist dieses Szenario nicht einfach zu spielen und schon gar nicht für |Cthulhu|-Einsteiger geeignet. Zu leicht können entweder der Krieg oder der Mythos bagatellisiert werden. Allerdings traue ich einer erfahrenen Gruppe (und vor allem einem erfahrenen Spielleiter) durchaus zu, eine sehr intensive Atmosphäre aufzubauen und so eine richtige rollenspielerische Herausforderung zu finden.

Und wie bereits gesagt, man muss in diesem Setting nicht spielen, damit sich die Anschaffung des Bandes lohnt, denn auch als Hintergrund zum 1920er Setting erweist er sich definitiv als ausgesprochen wertvoll.

_Fazit_

Mal wieder tolle Arbeit vom |Pegasus|-Verlag und dem |Cthulhu|-Autorenteam. „Niemandsland: Grabenkrieg und Heimatfront“ ist äußerst gut recherchiert, spannend und auf mehrere Weisen einsetzbar. Die Aufmachung ist wie immer sehr gelungen und mit viel Liebe zum Detail umgesetzt. So machen Quellenbänder Spaß, auch wenn sie sich um ein bedrückendes Thema drehen.

http://www.pegasus.de

_Das Cthulhu-RPG auf |Buchwurm.info|:_

[CTHULHU Spieler-Handbuch 3512 (zweite Edition)
[CTHULHU Spielleiter-Handbuch 2016
[Expeditionen – Ins Herz der Finsternis 2857
[Chaugnar Faugns Fluch 3010
[Cthulhu Now 3508
[Geheimnisvolles Marokko 3883

Hines, Jim C. – Goblins, Die

_Handlung_

Der Goblin Jig hat kein wirklich spannendes Leben. Da er kein guter Kämpfer ist, muss er immer den Schnodderdienst verrichten, bei dem er die Lampen der Goblinhöhle mit einer merkwürdigen Masse füllt. Das ändert sich aber, als er als Einziger den Angriff einer Heldengruppe überlebt. Diese sucht ein mächtiges magisches Artefakt, nimmt Jig gefangen und zwingt ihn, sie durch das Höhlenlabyrinth zu führen. Dort lauern neben Hobgoblins auch noch schlimmere Dinge, wie etwa ein Nekromant und ein Drache.

_Der Autor_

Jim C. Hines wurde im Jahre 1974 geboren. Während seines Studiums der Psychologie an der Michigan State University begann er mit dem Schreiben. Seine erste Kurzgeschichte „Blade Of The Bunny“ wurde mit dem |L. Ron Hubbard Writers of the Future Award| ausgezeichnet. Mit „Die Goblins“ begann er jetzt seinen ersten Fantasyzyklus, der sich über drei Bände erstrecken soll. Jim C. Hines lebt heute mit seiner Frau und seinen Kindern in Michigan.

1) „Die Goblins“ (November 2006, dt. September 2007)
2) „Die Rückkehr der Goblins“ (Mai 2007, dt. Dezember 2007)
3) „Der Krieg der Goblins“ (März 2008, dt. Mai 2008)

_Mein Eindruck_

In den letzten paar Jahren erlebte die Fantasyliteratur einen richtigen Boom. Momentan werden so viele Fantasyromane wie nie zuvor auf den Markt geworfen. Dadurch sind auch jede Menge hoffnungsvolle und gute Autoren zu Ehren gekommen, die wunderbare Arbeit abliefern. Man denke nur mal an die Romane von Markus Heitz, Bernhard Hennen oder Christoph Hardebusch, welche alle qualitativ sehr hochwertig sind. Leider schwimmen auf dieser Welle auch einige weniger hochwertige Titel mit. Einer davon ist zweifelsfrei „Die Goblins“.

Grundsätzlich ist die Idee, einen Goblin als Hauptfigur zu wählen, durchaus sehr positiv und interessant. Wenn es Jim C. Hines nur mit den Klischees nicht so schamlos übertrieben oder die Geschichte wenigstens selber ein wenig ernster genommen hätte.

Zur Story: Die Goblins haben nur eine Daseinsberechtigung, nämlich ihren Höhlenabschnitt gegen Abenteurer zu verteidigen und dabei zu sterben. In anderen Abschnitten des Höhlensystems leben etwa Hobgoblins und in den unteren Etagen ein Nekromant und ein Drache. Spätestens hier dürfte jedem auffallen, dass hier gewaltig im Rollenspielsektor und im Speziellen bei „Dungeons & Dragons“ (D&D) gewildert wurde. Vor 25 Jahren wäre diese Thematik vielleicht lustig gewesen, aber mittlerweile ist sie einfach ausgelutscht durch etwaige Internetcomics oder durch etwa John Kovalics „Die Welt der Dummheit“ ausreichend und vor allem lustiger dargestellt. Da leben dann verschiede Rassen in einem Höhlensystem, in Rollenspielerkreisen auch Dungeon genannt, nur um darauf zu warten, irgendwelche Abenteurer daran zu hindern, nach Schätzen zu suchen, was ja de facto schon einmal sehr gewöhnungsbedürftig ist.

Doch Hines treibt das Ganze mit der Heldengruppe noch auf die Spitze: Ein adeliger Krieger, der dauernd nur hochtrabend redet, ein stereotyper Zwerg, ein verrückter Magier und eine diebische Elfe (Ausnahmen bestätigen hier die Regel) nehmen Jig gefangen. Der völlig unfähige Goblin entpuppt sich dann natürlich als der einzige kompetente Gefährte im Team. Grundsätzlich habe ich ja nichts gegen Klischees, wenn sie in einen guten und interessanten Plot eingebettet sind. Doch bei „Die Goblins“ fehlt dieser leider völlig. Die Gruppe rennt durch den Dungeon und metzelt einfach alles nieder, was sich ihr in den Weg stellt. Natürlich gibt es noch ein paar Fallen und böse Magie dazu – das war’s dann aber leider auch schon.

Sicherlich sind in diesem Roman auch einige gute Ideen enthalten und bisweilen ist er wirklich lustig, aber die meiste Zeit ist die Geschichte so vorhersehbar und simpel aufgebaut, dass man sich als Leser einfach nur langweilt. Das ganze Gerüst des Romans baut darauf auf, dass Rollenspielklischees der 80er Jahre bis zum „geht nicht mehr“ satirisch dargestellt werden. Doch so ist dieses Gerüst leider nicht tragfähig. Die Charaktere sind bis auf Jig völlig eindimensional, so dass eine Identifikation oder ein Mitfiebern unmöglich gemacht werden. Das völlig unmotivierte Ende setzt dem Ganzen dann leider die Krone auf. Wie hier eine sinnvolle Fortsetzung möglich sein soll, entzieht sich mir völlig. Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Sprache. Wenn ich Sätze wie: „Der Geruch nach Vogelmist war so stark, dass er ihn riechen konnte …“, lesen muss, vergeht mir einfach die Lust, mich weiter mit einem Buch zu befassen. Ob das jetzt eine schlechte Übersetzung ist oder ob es am Autor liegt, ist dabei auch völlig unerheblich.

Worüber sich nicht meckern lässt, das ist die Aufmachung: Das Cover ist gelungen, die Broschur von ordentlicher Qualität und die Schriftgröße sehr angenehm.

_Fazit_

„Die Goblins“ ist zwar teilweise ein ganz lustiger Roman, doch fehlt ihm leider jeglicher Tiefgang, so dass er schnell langweilig wird. Für junge Leser mag er vielleicht geeignet sein, aber erfahrenen Fantasylesern dürfte er nur wenig Spaß bieten können.

http://www.sff.net/people/jchines/
http://jimhines.livejournal.com/
http://www.bastei-luebbe.de

|Sie ergänzend dazu unsere [Rezension 4487 zur Lesung bei Wellenreiter/Lübbe Audio.|

Interview mit Thomas Finn

_Martin Schneider:_
Hi Tom, unser [letztes Interview]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=59 haben wir zu „Der Funke des Chronos“ gemacht, das war vor fast zwei Jahren. Wie ist es dir seitdem ergangen?

_Thomas Finn:_
Danke, ich kann nicht klagen. Die letzten Jahre waren zwar sehr arbeitsreich, woran sich wohl auch in Zukunft nichts ändern wird, aber dafür übe ich einen Job aus, der mich wirklich zutiefst erfüllt. Es gibt für mich wirklich kaum etwas Schöneres als möglichst spannende Geschichten zu verfassen.

_Martin Schneider:_
Nun ist mit [„Die Letzte Flamme“ 4382 der Abschlussband der „Chroniken der Nebelkriege“ erschienen, die mein Kollege und ich nicht grundlos als eine der „besten Fantasy-Veröffentlichungen der letzten Jahre“ bezeichnen. Wie würdest du die Trilogie beschreiben?

_Thomas Finn:_
Vielen Dank für die Lorbeeren. Tja, um es auf eine sehr kurze Formel zu bringen, möchte ich hier einen Leser zitieren, der meinte, dass ihn die Romane ein wenig an eine Mischung aus „Harry Potter meets Herr der Ringe“ erinnern würden. Vielleicht trifft es das? Auch der Hauptprotagonist in den Chroniken ist ein Zauberlehrling, der sich zuweilen in einer recht skurrilen Welt bewegt. Auf der anderen Seite habe ich mich darum bemüht, in der Trilogie eine große Epik spürbar werden zu lassen. Das alles vermischt mit märchenhaften Motiven und angesiedelt in einem magischen Spiegelbild Nordeuropas ergibt die „Chroniken der Nebelkriege“.

_Martin Schneider:_
Wie würdest du die einzelnen Bände voneinander getrennt beschreiben, und welche Rolle spielen sie für die Trilogie?

_Thomas Finn:_
Nun, der erste Band [„Das unendliche Licht“ 2646 ist natürlich als grundsätzliche Einführung in die Handlung zu verstehen. Das alles aber noch konzentriert auf – im Wesentlichen – einen großen Handlungsschauplatz: Hammaburg, die Stadt der Windmacher und Seeschlangenjäger. Im zweiten Band, „Der eisige Schatten“, erkunde ich gemeinsam mit dem Leser die übrige Welt, die es vor dem Zugriff der Nebelkönigin Morgoya zu retten gilt. Die Handlung kreist aber auch ganz zentral um einen wichtigen Entwicklungsschritt meines Hauptprotagonisten. Und im Finale, in „Die letzte Flamme“, winkt dann der Vorstoß bis in das von Morgoyas Schattenheer besetzte Albion, wo ich die Gelegenheit hatte, den schrecklichen Gegenentwurf der märchenhaften Welt des unendlichen Lichts zu zeichnen. Und hier ist dann auch der Zeitpunkt für den finalen Showdown gekommen.

_Martin Schneider:_
Ich finde die Bände sind deutlich düsterer geworden. „Das unendliche Licht“ war noch kindlich, wohingegen jetzt „Die Letzte Flamme“ sehr düster und gruselig ausgefallen ist. War diese Entwicklung von dir beabsichtigt?

_Thomas Finn:_
Ja, im Wesentlichen schon – auch wenn ich dir in Bezug auf „kindlich“ natürlich nicht zustimmen mag (lacht). Der Rest ergab sich dann durch die fortschreitende Handlung. Die Figuren werden erwachsener und reifer. Und dementsprechend darf dann auch die Handlung anziehen.

_Martin Schneider:_
Würdest du die Romane als „Kinder- und Jugendliteratur“ oder als „Fantasy“ einordnen?

_Thomas Finn:_
„Die Chroniken der Nebelkriege“ sind eindeutig dem Bereich der „All-Age-Literatur“ zuzuordnen, sind also für Leser jeden Alters verfasst. Und ganz sicher handelt es sich dabei um Fantasy. „Eragon“, „Bartimäus“ oder der „His Dark Materials“-Trilogie würde man das Attribut Fantasy ja ebenfalls nicht absprechen. Der Eindruck deckt sich auch mit den Leserbriefen, die ich erhalte. Der bislang jüngste Absender war elf Jahre alt, der älteste nach eigenen Angaben 53 Jahre. Beim Schreiben denke ich auch nur sehr selten daran, dass die Romane in der sogenannten ‚Jungen Reihe‘ erscheinen. Kampfszenen können auch bei einer weniger blutigeren Darstellung dramatisch ausfallen. Der Protagonist ist natürlich ein Jugendlicher, was erfreulicherweise tolle Entwicklungsmöglichkeiten erlaubt.

_Martin Schneider:_
Du hättest die Trilogie auch durchaus noch verlängern können. So werden zum Beispiel einige Nebenhandlungen wie etwa die Aktionen von Magister Eulertin in Halla nur sehr kurz gestreift. Wolltest du unbedingt die Trilogieform beibehalten, oder wolltest du einfach den Handlungsablauf etwas straffen?

_Thomas Finn:_
Die Chroniken waren von vornherein als Trilogie konzipiert. Sicher, die Welt hätte es hergegeben, die Geschichte auch auf mehr Bände zu strecken. Aber da schleicht sich doch schnell der Eindruck einer Suppe auf, in die man Wasser gießt. Und das ist nicht meine Art.

_Martin Schneider:_
Ich fand es zugegeben sehr schade, als ich mit der Trilogie fertig war. Gibt es eine Chance, dass du in diese Welt zurückkehrst?

_Thomas Finn:_
Ich sage niemals nie. Vielleicht gibt es irgendwann einmal eine Rückkehr in die Welt des unendlichen Lichts, bei der ich dann noch viele andere Handlungsschauplätze detaillierter vorstelle, die ich in den Chroniken nur kurz umreißen konnte. Die magische Universität von Halla ist da nur ein Beispiel von mehreren. Denkbar ist natürlich auch, dass ich mich einer anderen Ecke der Welt zuwende; Cameo-Auftritte von einzelnen Figuren aus den Chroniken inbegriffen. Ich sage nur Koggs Windjammer, der raubeinige Klabauterkapitän, der sich bei den Lesern einer Beliebtheit erfreut, wie ich sie damals, als ich ihn erschuf, nicht für möglich gehalten hätte.

_Martin Schneider:_
Was mir in der Trilogie sehr positiv auffiel, ist, dass der Mittelband „Der eisige Schatten“ nicht unter den so oft zitierten Schwächen eines Mittelbandes leidet, sondern ebenfalls durchgehend spannend geworden ist. Hast du die verschiedenen Spannungsbögen und den Gesamtplot vor dem Schreibprozess angelegt, oder hat sich das beim Schreiben so ergeben?

_Thomas Finn:_
Das war sogar ganz explizit so angelegt. Genau das von dir benannte Problem des hängenden Mittelteils stört auch mich als Leser oft ganz gewaltig. Auf diesen Band habe ich daher ganz besondere Sorgfalt gelegt. Etwa, indem er einen sehr wichtigen Entwicklungsschritt der Hauptfigur thematisiert und einige neue, für die Trilogie unabdingbare Handlungselemente einführt. Außerdem hatte ich im „eisigen Schatten“ noch einmal die Möglichkeit, mit der Welt zu spielen, bevor es dann zunehmend dramatischer wurde.

_Martin Schneider:_
Die Welt der Chroniken erinnert stark an unsere Welt. Die Städtenamen klingen vertraut, und auch den Wäldern und Gebirgen kann man ein irdisches Äquivalent zuordnen: Was war deine Intention, diese Welt so zu gestalten?

_Thomas Finn:_
Die grundlegende Überlegung hinter dem Weltentwurf war, dass in der Fantasy üblicherweise (nord)europäische Mythen und Fabelwesen Gestalt annehmen. Doch in der Regel wird von den Kollegen eine gänzlich neue Welt drumherum gezimmert. Ich dachte mir damals, dass es doch reizvoll sein könnte, auch die Welt, die diese Märchen und Mythen hervorgebracht hat, als Bühne ernst zu nehmen und dementsprechend auszugestalten. Der Rest ergab sich dann von selbst. Vertraut klingende Namensschöpfungen wie Alptraumgebirge, Harzene Berge oder Schwarze Wälder begeistern mich als alten Fantasyfan selbst jetzt noch. Und ganz sicher trägt diese Bühne auch zur Originalität der Geschichte bei.

_Martin Schneider:_
Mir sind auch einige Parallelen zum „Das Schwarze Auge“-Rollenspiel aufgefallen (z. B. der Algenteppich oder die Lampenpflicht in Albion), für das du ja auch schon seit Ewigkeiten schreibst. War das beabsichtigt, sozusagen als „kleine Hommage“?

_Thomas Finn:_
Wenn, dann nur unbewusst. Algenteppiche sind nicht wirklich etwas DSA-Spezifisches, sondern sind irdischen Orten wie der Sargasso-See entlehnt. Und die Sache mit den Laternen in Albion entspringt eher meiner Live-Rollenspiel-Erfahrung, in der die Spieler nicht Laternen tragen, um zu sehen, sondern um von der Spielleitung, die auch nachts Szenen vorbereitet, rechtzeitig gesehen zu werden. Wenn man schon Parallelen zu DSA sucht, dann findet man die wohl eher bei der Darstellung der Hexen, die ich in Band zwei einführe. Aber das ist ebenfalls kein Wunder, denn DSA hat ja, so wie ich bei den Chroniken auch, sehr viele nordeuröpäische und deutsche Mythen als Vorlage genutzt. Spätestens bei einer Hexe, die auf einem Besen reitet, schließt sich dann der Kreis.

_Martin Schneider:_
Für „Das unendliche Licht“ wurdest du gerade mit der „Segeberger Feder“, dem einzigen Jugendbuch-Preis Schleswig Holsteins, ausgezeichnet. Was bedeutet dir diese Auszeichnung?

_Thomas Finn:_
Viel. Wirklich. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Das schöne an der „Feder“ ist, dass sie von den Lesern selbst vergeben wird und nicht etwa von einer kleinen Jury. Und wenn ich den Aussagen der Ausrichter glauben darf, dann hat „Das unendliche Licht“ so klar gewonnen wie bislang kein anderer Titel in den Jahren zuvor. Bei der Segeberger Feder haben ca. 150 Teilnehmer abgestimmt. Wenn man da den ersten Platz erreicht, dann ist das schon eine ganz besondere Ehrung – und natürlich auch eine klare Verpflichtung für die Zukunft.

_Martin Schneider:_
In deinen Romanen gibt es immer einen Charakter, den man als „Romanmaskottchen“ bezeichnen könnte. Bei [„Der Funke des Chronos“ 2239 war es der Nachtwächter Borchert und in den „Chroniken der Nebelkriege“ der Klabautermann Koggs Windjammer. Ist das Zufall oder liegen dir solche Charaktere einfach am Herzen?

_Thomas Finn:_
Solche Figuren liegen mir sogar sehr am Herzen. Zum einen befriedigen sie mein Bedürfnis, Humor in meine Geschichten einzubauen, zum anderen sind sie für den Leser wichtig, um auch bei dramatischen Szenen mal befreit schmunzeln oder auflachen zu können.

_Martin Schneider:_
Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen. einen Däumling zu einem der mächtigsten Magier zu machen?

_Thomas Finn:_
Ganz einfach, weil Däumlinge bislang noch so gut wie nie in einer Fantasygeschichte aufgetreten sind. Als Autor versucht man ja immer irgendwo Neuland zu betreten. Vor allem ermöglichen Däumlinge die Sicht auf die Welt aus einer wirklich radikal anderen Perspektive. Und so was ist beim Schreiben überaus reizvoll.

_Martin Schneider:_
Der Fantasysektor boomt gerade ungemein. Fast täglich erscheinen neue Romane, meist als Taschenbuch. Du hingegen hast dich für den |Ravensburger|-Verlag entschieden, der meist Hardcover-Ausgaben veröffentlicht und für seine sorgfältige und ansprechende Arbeit steht. Wie kam es dazu?

_Thomas Finn:_
(Lacht) Hier wird eher umgekehrt ein Schuh draus. |Ravensburger| hat sich damals für mich entschieden und ich war glücklich, dass ich einen so renommierten Verlag mit meinem Exposé begeistern konnte. Die Veröffentlichungsform bestimmt ausschließlich der Verlag. Aber ich gestehe, ich bin froh darüber, dass die Reihe zunächst im edlen Hardcover erschienen ist. Denn diese Veröffentlichungsform wird zunehmend seltener.

_Martin Schneider:_
Wie stehst du zu der Praktik, die Romane einfach plakativ nach einem Fantasyvolk zu benennen? Gerade die Reihen „Die Orks“, „Die Zwerge“, „Die Elfen“ und „Die Trolle“ sind ja ungemein erfolgreich. Wohingegen auch das eine oder andere unsägliche Werk auf dieser Erfolgswelle schwimmt …

_Thomas Finn:_
Was soll ich dazu sagen? Dieser Marketingtrick im Umfeld der „Herr der Ringe“-Filmtrilogie war natürlich genial. Er hat dafür gesorgt, gleich sehr viele deutsche Kollegen einem großen Lesepublikum vorzustellen. Etwas Besseres hätte der wachsenden deutschen Autorenszene nicht passieren können, denn noch vor ein paar Jahren standen viele Leser deutschen Autoren durchaus reserviert gegenüber. Wer sich aber einmal davon überzeugen konnte, dass deutsche Autoren ebenso unterhaltsam zu schreiben vermögen wie ihre angloamerikanischen Kollegen, der greift auch zu anderen deutschen Titeln. Der „Herr der Ringe“-Effekt ebbt natürlich langsam ab, doch dafür hat sich die in dieser Aufmachung inzwischen über vier Verlage gestreute Reihe als Garant für solide und spannende Fantasy-Literatur empfohlen. Und da mag dann auch mal der eine oder andere Ausreißertitel dabei sein. So etwas passiert.

_Martin Schneider:_
Kommen wir wieder zu dir. Du arbeitest gerade an einer neuen Trilogie für den |Ravensburger|-Verlag, die den Projektnamen „Stella Noctis“ trägt. Ich finde ja, dass das stark nach einem Vampirroman klingt – was erwartet uns denn da?

_Thomas Finn:_
Ach, Martin, ich wollte doch noch gar nicht so viel verraten … Also, der Auftakt der Trilogie wird den Titel „Das flüsternde Schwert“ tragen und voraussichtlich im Juli 2008 erscheinen. Diesmal steht der Knappe eines Paladinordens im Mittelpunkt der Handlung. Die Welt ist abermals an eine bestimmte Kulturregion Europas angelehnt, davon abgesehen aber überaus phantastisch ausgestaltet. Von zentraler Wichtigkeit sind diesmal der geheimnisvolle Sternenhimmel und sein magischer Einfluss auf die Welt. Wir werden Astrologen, Himmelsmechaniker und Sternenmystikerinnen in Aktion erleben, ebenso wie ein sehr reizvolles Fantasyvölkchen, das in den letzten Jahren viel zu stiefmütterlich behandelt wurde. Ich verspreche, die Geschichte wird sehr episch werden.

_Martin Schneider:_
Sind noch weitere Projekte in Planung?

_Thomas Finn:_
Na klar. In meinem Kopf schwirren noch viele weitere reizvolle Romanprojekte herum, die lediglich noch zu einem Exposé ausformuliert werden müssen. Das alles ist eher eine Frage der Zeit, da meine Abgabetermine bei der vorliegenden Trilogie recht knapp bemessen sind. Schon jetzt ist aber sicher, dass ich 2008 auch der Weihnachtsanthologie des |Piper|-Verlages eine Kurzgeschichte beisteuern werde.

_Martin Schneider:_
Gut, jetzt denke ich, habe ich dich genug gelöchert. Vielen Dank für das Interview, Thomas. Jetzt hast du wieder die Möglichkeit, das Wort direkt an unsere Leser zu richten.

_Thomas Finn:_
Na, da bleibt mir nicht viel zu sagen, außer einem großen Dankeschön für all die freundlichen Rückmeldungen, die mich im zurückliegenden Jahr erreicht haben. Das war zum Teil wirklich überwältigend. Ich verspreche, das alles wird mir auch weiterhin ein Ansporn sein. Vielen Dank!

http://www.thomas-finn.de
Band 1: [„Das unendliche Licht“ 2646
Band 2: [„Der eisige Schatten“ 3610
Band 3: [„Die Letzte Flamme“ 4382
[Unser erstes Interview mit Thomas Finn]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=59
[„Der Funke des Chronos“ 2239
[„Das Greifenopfer“ 1849
[„Das Greifenopfer“ 2844 (Hörbuch)

Finn, Thomas – Letzte Flamme, Die (Die Chroniken der Nebelkriege 3)

Band 1: [„Das unendliche Licht“ 2646
Band 2: [„Der eisige Schatten“ 3610

_Handlung_

Nachdem Kai die letzten Abenteuer überstanden hat, kehrt er nach Colona zurück, denn Morgoyas Armee belagert die Stadt am Rhyn. Mitten in einem der ersten Scharmützel taucht das fliegende Schiff der Universität zu Halla auf und entscheidet diesen ersten Kampf für die Verteidiger. Doch die Freude dauert nur kurz, denn der Erzmagus Hallas, Aureus von Falkenhain, zwingt Kai dazu, dessen Lehrling zu werden, um ihm seinen „dunklen Kern“ auszutreiben, und bindet ihn mit einem Sklavenring an sich. Zudem hat er die Mitglieder des Hermetischen Ordens versteinern lassen, beginnt mit Hexenverbrennungen und hat Magister Eulertin auf eine Expedition geschickt, die fast sicher dessen Tod bedeutet. Kai kann zwar entkommen, doch seine Wege führen ihn direkt nach Albion in die „Höhle des Löwen“ vor die Klauen Morgoyas …

_Der Autor_

Thomas Finn wurde 1967 in Chicago geboren. Er war Chefredakteur eines großen Phantastik-Magazins sowie Lektor und Dramaturg in einem Drehbuch- und Theaterverlag. Bereits seit Jahren lebt und arbeitet der preisgekrönte Roman-, Drehbuch- und Theaterautor in Hamburg. Bekannt wurde er besonders wegen seiner Gezeitenwelt-Romane sowie einiger Rollenspiel-Publikationen für die Spiele „Das Schwarze Auge“, „Cthulhu“ sowie „Plüsch, Power und Plunder“, durch den Zeitreiseroman „Der Funke des Chronos“ und „Die Chroniken der Nebelkriege“, deren Abschluss „Die Letzte Flamme“ bildet.

_Mein Eindruck_

Nach zwei grandiosen Teilen war man natürlich gespannt auf das Ende der Trilogie um die „Chroniken der Nebelkriege“. Und eines vorab: Thomas Finn hat seiner Reihe mit „Die Letzte Flamme“ ein fulminantes und würdiges Ende geschaffen. Wenige Fantasyreihen haben mir in den letzten Jahren auch nur annähernd so gut gefallen wie die um den ehemaligen Irrlichtfänger Kai. Ein wesentlicher Grund ist sicherlich, dass es Finn nicht nur gelingt, seinen Spannungsbogen über alle Bände hinweg zu halten, sondern ihn von Buch zu Buch überdies zu verstärken. Hierbei ist auch eine deutliche Entwicklung zu erkennen, denn sowohl die Charaktere als auch die Stimmung werden reifer. So ist „Die letzte Flamme“ deutlich düsterer, gruseliger und spannender als seine Vorgänger, ohne deren kindlichen Charme dabei gänzlich zu verlieren.

Ein Großteil der Handlung spielt dieses Mal auf Morgoyas Nebelinsel Albion, was dem Ganzen einen sehr unheimlichen Touch verleiht, der so in den Vorgängern nicht vorhanden war. Dies bewirkt, dass die ursprünglich als Jugendbuch gedachte Reihe eigentlich für alle Altersgruppen zu empfehlen ist und jedem Freude bereiten dürfte, der Märchen oder Fantasyliteratur mag. Wenige Reihen dürften so altersgruppenkompatibel sein wie „Die Chroniken der Nebelkriege“, was sicher die Mischung aus Märchen und klassischer Fantasy bewirkt, in die Finn seine Geschichte einbettet, ohne dabei die üblichen Klischees zu verwenden oder beliebig zu wirken.

Thomas Finn tritt mit seiner Reihe sozusagen den Gegenentwurf zum zurzeit boomenden Fantasy-Markt an, der zwar viele gute Titel mit sich bringt, aber auch viel sehr unreife oder einfach schlechte Romane in die Buchläden befördert. Man merkt sowohl den Texten als auch der Aufmachung des |Ravensburger| Verlags an, dass man keine mäßig lektorierte Massenware vor sich hat, sondern ein mit viel Sorgfalt und viel Mühe gestaltetes Projekt. Die Covergestaltung ist stimmig, die Papierqualität hoch und das Layout sehr angenehm – so lobe ich mir ein gutes Buch.

Auffallend ist der Abwechslungsreichtum, mit dem Finn in „Die Letzte Flamme“ aufwartet, denn auf gruselige und spannende Szenen folgen fast immer ruhigere und märchenhafte Episoden, was dem Lesefluss sehr zuträglich ist. Die Charaktere waren ja schon in den Vorgängerbänden sehr ausgereift und durchlaufen noch einmal eine deutliche Weiterentwicklung. Gerade Kai ist sein Erwachsenwerden deutlich anzumerken, aber auch Dystariels, Fis und vor allem Quiiiets Charaktere werden noch einmal deutlich vertieft und abgerundet. Hier zeigt sich wieder einmal, dass die gesamte Trilogie von Anfang bis Ende durchgeplant ist, denn manch altbekannte Figur hat eine unerwartet wichtige Rolle zu spielen. Hinzu kommen einige wenige aber sehr interessante Neulinge, die dem Ganzen noch einmal zusätzlich frischen Wind einhauchen.

Besonders gut gefallen hat mir die Figur des Erzmagus Aureus von Falkenhain, weil er zwar unsympathisch dargestellt wird, aber nicht eindeutig in das Raster von Gut oder Böse passt, was es so bisher noch nicht gegeben hat. Diese ganzen Maßnahmen fügen sich nahtlos in das Gesamtkonzept, wirken aber zu keiner Zeit aufgesetzt oder gekünstelt. Auch verzichtet Finn darauf, den Roman unnötig in die Länge zu ziehen, denn etwaige Nebenhandlungen, an denen Kai nicht beteiligt ist, werden nicht näher erzählt. So bleibt der Leser zum einen länger im ungewissen, und zum anderen wird die Handlungsabfolge deutlich gestrafft. Allerdings muss ich sagen, dass ich einer Verlängerung der Geschichte durchaus auch positive Aspekt hätte abgewinnen können – dafür gefällt mit nämlich Thomas Finns Schreibstil einfach zu gut.

Am Ende kommt es natürlich zum großen Finale, das zwar durchaus sehr opulent beschrieben ist, ohne dabei allerdings überladen oder unrealistisch zu wirken. Realistischerweise kann natürlich nicht jede Figur das Ende der Reihe erleben, allerdings hält sich Sterblichkeitsrate zum Glück in Grenzen.

_Fazit_

Einer der schönsten Fantasyzyklen der letzten Jahre hat mit „Die Letzte Flamme“ einen krönenden Abschluss erhalten. Ich bin ehrlich gesagt ein bisschen traurig, dass die Reihe zu Ende ist. Man braucht kein Prophet zu sein, um die Prognose zu wagen, dass wir an Thomas Finns Werk noch viel Freude haben werden.

http://www.ravensburger.de
http://www.thomas-finn.de
[Unser erstes Interview mit Thomas Finn]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=59
[Unser aktuelles Interview mit Thomas Finn]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=85
[„Der Funke des Chronos“ 2239
[„Das Greifenopfer“ 1849
[„Das Greifenopfer“ 2844 (Hörbuch)

Koontz, Dean – Trauma

_Handlung_

Kurz vor Jimmy Tocks Geburt liegt sein Großvater im Sterben und sagt die genaue Größe und das Gewicht des zu erwartenden Kindes voraus. Aber nicht nur das, denn er prophezeit seinem Enkel noch fünf furchtbare Tage in seinem zukünftigen Leben, samt der genauen Daten. Und gleich bei seiner Geburt scheinen sich die bösen Omen zu verdichten, denn ein wahnsinniger Clown läuft im Krankenhaus Amok und richtet ein Blutbad an. Kurz vor der Flucht verspricht der wahnsinnige Mörder Jimmy Tocks Vater, dass er ein Auge auf dessen Familie werfen wird …

_Der Autor_

Dean Koontz wurde 1945 in Pennsylvania geboren und lebt heute mit seiner Frau in Kalifornien. Seine zahlreichen Thriller und Horrorromane wurden sämtlich zu internationalen Bestsellern und in über 30 Sprachen übersetzt. Weltweit hat er bislang über 250 Millionen Exemplare verkauft. Seine letzten Veröffentlichungen sind die „Frankenstein“-Reihe sowie „Die Anbetung“, „Trauma“ und „Irrsinn“.

_Mein Eindruck_

Dean Koontz ist für mich Phänomen, denn nur wenigen Autoren gelingt es gleichzeitig, überaus produktiv zu sein und trotzdem ein gutes Buch nach dem anderen abzuliefern. Auffällig ist dabei seine neue Begeisterung für Romane mit Ich-Erzählern im Tagebuchformat, denn hierbei gleichen sich sein letzter Bestseller „Die Anbetung“ und „Trauma“ auffallend deutlich; in beiden beschreibt der Protagonist vergangene Geschehnisse und berichten dem Leser, dass sie ihre Erlebnisse auf Papier bannen, um sie für die Nachwelt zu erhalten.

„Trauma“ hängt den gesamten Roman über etwas surreales an, was weniger an den Personen liegt (klammert man Beezo den Clown mal aus) als an den fast unglaublichen Zufällen, welche die Geschichte von Unglück zu Unglück springen lassen. Dass die Geschichte aber trotzdem stimmig wirkt, ist sicher ein Verdienst des Autors, denn bei der Lektüre entsteht ständig der Eindruck, dass das, was passiert, auch genau so sinnvoll und passig ist. Einen großen Anteil haben aber auch die äußerst interessanten Figuren, denn die Protagonisten sind keine harten Cops oder Ähnliches: Jimmy Tock und seine Familie sind Konditoren, also weit entfernt von typisch amerikanisch heroisierten Berufsgruppen. So dreht sich ein großer Teil des Romans eher um familiäre Themen als um den altbekannten „Kampf gegen einen übermächtigen Gegner“. Hierbei kommt aber keine Langeweile auf, denn diese Teile sind ebenso tiefsinnig wie humorvoll.

Überhaupt bereitet diese Mischung einen unheimlichen Spaß, denn von einer Seite auf die nächste wechseln sich Gänsehaut und Lachkrampf ab. So fliegt man förmlich durch die knapp 500 Seiten. Die fünf schrecklichen Tage, die Jimmy vorhergesagt werden, sind eigentlich recht unspektakulär, sieht man einmal vom ersten ab. Das macht sie aber nicht minder bewegend, denn speziell bei den letzten beiden fiebert man mit den Charakteren extrem mit und hat schon den einen oder anderen Klos im Hals wegen deren schweren Schicksalsschlägen. Allerdings erfordert das vom Leser die Bereitschaft, sich auf das Buch einzulassen. Wer das nicht kann, wird sich sicherlich über die fast unglaublichen Zufälle oder die vielen philosophischen Teile beklagen. Denn ähnlich wie beispielsweise in „Die zweite Haut“ dreht sich „Trauma“ darum, ob wir mehr sind als unsere Gene. Wie stark prägt die Sozialisation durch die Familie einen Menschen – und wie stark seine Gene? Dadurch, dass Koontz so tief in das Innenleben seiner Figuren blicken lässt, erreicht er eine tiefe Verbundenheit zwischen ihnen und dem Leser, was die Anteilnahme am Schicksal der Charaktere deutlich steigert und so eine ganz andere Intensität ermöglicht.

Man kann den Roman allerdings auch komplett anders bewerten. Gerade die „Bösen“ sind schon alle sehr überzeichnet dargestellt, wie etwa der Clown Beezo, der – ohne jetzt zu viel verraten zu wollen – schon sehr übertriebene Dinge anstellt. Auch Jimmy Tocks Wortwitz und seine ständigen Vergleiche mit irgendwelchen Backwaren als Inhalt mögen den Leser entweder amüsieren oder störend wirken. Ich finde jedoch, das surreale Setting, die überzeichneten (allerdings nicht zu verwechseln mit übermächtigen) Bösewichte ergeben in Kombination mit der heilen Familienidylle und den vielen witzigen Passagen (Jimmys Oma treibt einem die Lachtränen in die Augen) einen unglaublich intensiven Mix ab, den ich so bei Koontz bisher nur bei „Die Anbetung“ und eben jetzt bei „Trauma“ gelesen habe. Ein weiteres Lob hat dabei die tadellose Übersetzung von Bernhard Kleinschmidt verdient.

_Fazit_

Spannend, witzig, surreal und einfach unglaublich – diese Attribute beschreiben Koontz‘ Geschichte um das Schicksal von Jimmy Tock am besten. Koontz schafft es in „Trauma“wieder einmal meisterlich, seine Leser von der ersten bis zur letzten Seite zu fesseln. Aber Vorsicht, dieser belletristische Thriller ist sicherlich nicht jedermanns Geschmack.

http://www.deankoontz.com/
http://www.heyne.de/

_Dean Koontz auf |Buchwurm.info|:_
[„Irrsinn“ 4317
[„Todesregen“ 3840
[„Frankenstein: Das Gesicht“ 3303
[„Die Anbetung“ 3066
[„Kalt“ 1443
[„Der Wächter“ 1145
[„Der Geblendete“ 1629
[„Nacht der Zaubertiere“ 4145
[„Stimmen der Angst“ 1639
[„Phantom – »Unheil über der Stadt«“ 455
[„Nackte Angst / Phantom“ 728
[„Schattenfeuer“ 67
[„Eiszeit“ 1674
[„Geisterbahn“ 2125
[„Die zweite Haut“ 2648

David M. Cornish – Monster Blood Tattoo 1: Der Findling

Handlung

Rosamund ist ein Waisenjunge, ein Findling, und lebt in „Madam Operas außerordentlicher Marineanstalt für Findelkinder“ in der Stadt Brandenbrass. Dort wird er zwar wegen seines Mädchennamens oft gehänselt, aber eigentlich fühlt er sich im Findlingsheim ganz wohl. Doch er hat einen großen Traum: Er möchte ein Monsterjäger werden, denn die Monster bedrohen die Menschen überall. Am liebsten wäre er ein Essigfahrer auf einem großen Kriegsschiff. Ab und an kommen Anwerber in die Marineanstalt, um sich Jugendliche für verschiedene Arbeiten auszusuchen. Doch Rosamund wird nicht vom Anwerber der Marina ausgesucht. Er soll Laternenanzünder werden! Dies gefällt ihm natürlich gar nicht, doch als er auf der Reise zu seinem Arbeitsplatz von einem ruchlosen Flussschiffer entführt wird und kurz danach im Gefolge der Monsterjägerin Europa reist, merkt er, dass Monster zu töten doch nicht so prima ist, wie er es sich vorgestellt hat.

David M. Cornish – Monster Blood Tattoo 1: Der Findling weiterlesen

Heitz, Markus – Kinder des Judas

_Handlung_

|2007 in Leipzig|

Theresa Sarkowitz ist eine Krankenschwester, die den sterbenden Patienten zur Seite steht. Aber sie ist noch mehr, denn sie bestreitet außerdem noch unter dem Kampfnamen Hel illegale Vollkontakt- Kämpfe, die übers Internet verkauft werden. Dort ist sie seit einer Ewigkeit ungeschlagen, und selbst die stärksten Männer können ihr nicht standhalten. Das ist auch nicht verwunderlich, denn sie ist kein normaler Mensch: Sie ist eine Vampirin, ein Kind des Judas. Doch schon bald beginnt ihre Vergangenheit sie einzuholen.

|1670, Serbien (osmanisch besetztes Gebiet)|

Jitka ist ein Bauernmädchen, das mit seiner Mutter in einem Dorf im serbischen Gebiet des osmanischen Reiches wohnt. Dort hat sie es nicht leicht, denn sie trägt ein Feuermal am Arm, was ihr das Misstrauen der abergläubischen Dorfgemeinschaft einbringt. Durch ein Missverständnis wird ihr ihre Mutter von den osmanischen Besatzern genommen. Nach kurzer Zeit bei einem befreundeten Bauern taucht dort ein reich gekleideter Fremder auf. Dieser eröffnet ihr, dass er ihr Vater Karol sei, der wegen Kriegseinsätzen keine Zeit gehabt habe, um sich um sie und ihre Mutter zu kümmern. Er nimmt sie mit in seine Mühle, aber Jitka merkt schon bald, dass sich dort mehr verbirgt, als ihr Vater zugeben möchte.

_Der Autor_

Markus Heitz, geboren 1971, studierte Germanistik und Geschichte. Mittlerweile lebt er als freier Autor in Zweibrücken. Bekannt wurde er mit seinem Fantasyzyklus „Schatten über Ulldart“ und seinem Epos „Die Zwerge“, an dessen viertem Teil er zurzeit arbeitet. Er erhielt bereits mehrmals den Deutschen Phantastikpreis, allein 2007 gleich dreimal. Sein erster Ausflug in das Horror-Genre unternahm er mit den Werwolfromanen „Ritus“ und „Sanctum“, welche die Geschichte der „Bestie von Gévaudan“ thematisieren. Nun ist mit „Kinder des Judas“ erstmalig ein Vampirroman von Markus Heitz erschienen.

_Mein Eindruck_

Dass Markus Heitz schon länger einen Vampirroman plante, war ja kein Geheimnis. So verwunderte es nur wenige Fans, als dieser nun die „Kinder des Judas“ auf den deutschen Markt brachte. Und um es gleich vorweg zu nehmen: Heitz hat ganze Arbeit geleistet. Dabei hält er sich weitestgehend an das schon aus „Ritus“ und „Sanctum“ bewährte Schema, indem er zwischen Jetztzeit und Vergangenheit springt und so die Geschichte der „Kinder des Judas“ erzählt. Hierbei mischt er geschickt reale Fakten mit Fiktion, er bewegt sich also im Genre der „Urban Fantasy“. Es sticht heraus, dass die Fakten sehr gut recherchiert wurden, was wiederum zur Folge hat, dass die Stimmung auf dem Balkan der frühen Neuzeit für den Leser jederzeit fast greifbar wird. Umgibt die Vergangenheit jeweils ein leichter Grusel, erscheint die Jetztzeit in einem stylischen Gothic-Look, den der Musikgeschmack und das Auftreten der Protagonistin noch verstärken. Hierbei wechselt die Stimmung aber jederzeit mit der jeweiligen Zeit. Dies zeigt auch einen großen handwerklichen Fortschritt von Heitz in den letzten Jahren, denn noch bei „Die Mächte des Feuers“ gelang es ihm nur unzureichen,d das Flair der 1920er richtig rüberzubringen. Möglicherweise liegt ihm aber auch einfach die frühe Neuzeit mehr als die „Goldenen Zwanziger“.

Die Ähnlichkeiten zu „Ritus“ sind unverkennbar. Dazu trägt außerdem noch bei, dass Heitz auf bekannte Motive seiner zwei Romane um die Werwölfe zurückgreift. So ist Theresa in Leipzig mit ihrer |Suzuki Hayabusa| unterwegs, und ein Autofahrer fühlt sich von ihr brüskiert. Dieser fährt einen |Porsche Cayenne| mit Münchner Nummernschild, genauso wie der Protagonist aus „Ritus“, Eric von Kastell, dessen Wohnort München ist. Möglicherweise steht uns da ja bald ein Crossover-Roman in Haus, was ich persönlich sehr begrüßen würde. Bestärkt wird diese Vermutung zudem dadurch, dass Heitz für seine Werwolf- und Vampirromane unter http://www.pakt-der-dunkelheit.de eine eigene Homepage eingerichtet hat.

Der Schreibstil ist rasant und fesselt den Leser zu jeder Zeit an den Roman. Es gibt verschiedene Arten von Vampiren, die jeweils verschiedene Stärken und Schwächen haben, was für zusätzliche Abwechslung sorgt. Zum Glück hält sich Heitz fern von melancholischen Kitsch-Vampiren à la Anne Rice, ohne dabei allzu drastisch zu werden wie etwa eine Nancy A. Collins („Der Todeskuss der Sonja Blue“) oder ein Charlie Huston („Stadt aus Blut“). Hierbei wählt er den perfekten Mix aus diesen beiden Stilen: Die Handlung schreitet zügig voran und spart nicht an Action und Brutalität, ohne allerdings den Eindruck zu erwecken, dass diese um ihrer selbst willen vorhanden sei. Die Protagonistin reflektiert ihr Handeln durchaus und zeigt ab und an leicht melancholische Züge, allerdings ohne dabei aufgesetzt oder künstlich zu wirken.

Im Mittelteil des Romans drosselt Heitz ein wenig das Tempo und bewegt sich weg von der eigentlichen Protagonistin zu einem deutschen Händler, der nach den angeblichen Vampiren forscht. Hier werden dann zwar ausführlich und interessant die verschiedenen Vampirarten vorgestellt, allerdings weist gerade dieser Teil auch einige Längen auf. Dies resultiert daraus, dass er zu sehr nach Schema F aufgebaut ist: Victor von Schwarzhagen reist mit den Zingaros (Zigeunern) von Dorf zu Dorf und trifft ständig auf verschiedene Vampire, die sie dann vernichten. Hier wäre ein wenig Abwechslung Gold wert gewesen, auch wenn dieser Makel im Vergleich zum sehr überzeugenden Rest des Buches nur wenig wiegt.

Positiv zu erwähnen sind letztlich noch die sehr gelungene und aufwändige Buchgestaltung sowie das überzeugende Seitenlayout.

_Fazit_

Markus Heitz beweist erneut, dass er das Schreiben von Fantasy und Mystery gleich gut beherrscht, denn „Kinder des Judas“ ist sein rasanter und überzeugender Einstieg in das Vampirgenre. Der Roman ist fesselnd geschrieben und überzeugt mit einem starken Mix aus Action und Stimmung sowie einem sehr ausgeklügeltem Plot und interessanten Hintergründen. Diese positiven Aspekte machen „Kinder des Judas“ zweifellos zu einem der besten Vampirromane der letzten Jahre. Daher gilt eine uneingeschänkte Kaufempfehlung für Vampirfans und solche Leser, die es werden möchten.

http://www.pakt-der-dunkelheit.de
http://www.knaur.de
http://www.mahet.de

|Markus Heitz auf Buchwurm.info:|

[Interview mit Markus Heitz]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=56
[„Schatten über Ulldart“ 381 (Die Dunkle Zeit 1)
[„Trügerischer Friede“ 1732 (Ulldart – Zeit des Neuen 1)
[„05:58“ 1056 (Shadowrun)
[„Die Zwerge“ 2823
[„Die Zwerge“ 2941 (Hörbuch)
[„Die Rache der Zwerge“ 1958
[„Der Krieg der Zwerge“ 3074
[„Die dritte Expedition“ 2098
[„Ritus“ 2351 (Buch)
[„Ritus“ 3245 (Hörbuch)
[„Sanctum“ 2875 (Buch)
[„Sanctum“ 4143 (Hörbuch)
[„Die Mächte des Feuers“ 2997

Interview mit Stephan R. Bellem

Anlässlich seines ersten Romans „Tharador – Die Chroniken des Paladins“ habe ich mich mit dem Heidelberger Fantasyautor Stephan R. Bellem in der Heidelberger Altstadt zu einem Kaffee getroffen und zu seinem Roman befragt. Das Interview verlief sehr lang und amüsant, doch lest selbst:

Martin Schneider:
Hi Stephan, stell dich den Lesern doch mal kurz vor.

Stephan R. Bellem:
Ich wurde jetzt im September gerade 26, die 30 naht mit großen Schritten. Ich studiere neben dem Schreiben Soziologie, mag Hunde und Filme. Und Essen. Man sieht es mir noch nicht an, aber ich esse wahnsinnig gern. „Tharador“ ist mein erster Roman und ich hoffe, noch eine ganze Menge mehr zu veröffentlichen. Ausführlichere Infos gibt es dann auf meiner Homepage www.srbellem.de/ Ach so, habe gerade eine neue Band für mich entdeckt: 30 SECONDS TO MARS.

Martin:
Was erwartet den Leser Besonderes in „Tharador“?

Stephan:
Ich habe versucht, bekannte Klischees, die ich mag, mit neuen Zutaten zu würzen. Tharador, der Protagonist, fällt ganz klar in die Klischee-Schiene, das gebe ich ganz offen zu. Er ist der klassische Held, wie man ihn sich so vorstellt. Er ist jung, gutaussehend, stark und er bekommt eine Prophezeiung bzw. es wird sein Erbe offenbart, dass er der Sohn eines Engels ist und sehr mächtig wird, obwohl er dies am Anfang noch nicht ist. In dieser Beziehung ist er ein klassischer Held. Ich habe dann versucht, ihm mitzugeben, dass er sehr viel über sein Handeln und seine Situation nachdenkt. So habe ich versucht, einen Charakter zu erstellen, der einerseits der klassische Held, aber andererseits in seinen Handlungen nicht ganz so sicher ist. Er ist also über den Roman oder besser gesagt über die Trilogie hinweg auf der Suche nach sich selbst, und nach dem Platz, den er in der Welt einnehmen muss. Dadurch wollte ich ihn verletzt und auch ein Stück weit gebrochen darstellen.

Martin:
Die Gruppe, mit der Tharador reist, ist mit einem Zwerg, einem Elf und einer Diebin ebenfalls sehr klassisch besetzt.

Stephan:
Genau, das ist ein Element, das mir persönlich, auch als alter Rollenspieler, sehr gefällt: verschiedene Charaktere und Rassen einzubauen. Um es auf die hochtrabende Schiene zu führen, ist das Buch natürlich ein Aufruf gegen Rassismus! (grinst) Auf der anderen Seite ist es so, dass ich Zwerge sehr mag. Khalldeg ist im ersten Band noch etwas zurückhaltend, und das ändert sich dann im zweiten Band. Über die Trilogie hinweg lege ich den Fokus auf verschiedene Personen, weil ich nicht auf 400 Seiten alle Personen genau charakterisieren wollte. Daher hab ich bewusst im ersten Band den etwas klischeehafteren Zwerg, den man kennt, gewählt, und gebe der ganzen Figur in Band zwei und drei viel mehr Tiefe, die sie auch verdient. Daher ist er jetzt erstmal für die Hiebe verantwortlich. Es macht mir auch beim Schreiben viel mehr Spaß, immer wieder eine andere Person zu betrachten.

Martin:
Aber gerade beim Ork-Häuptling Ul’goth hast du die Klischees vermieden, indem du ihn intelligent gestaltet hast.

Stephan:
Bei den Orks wollte ich bewusst mit dem Klischee des brutalen „Mordvolkes“ brechen und habe sie in ihrer Art der Kultur sehr barbarenähnlich dargestellt. Das Ganze würde dem Leser noch etwas klarer werden, wenn ich die ganze Göttergeschichte preisgeben würde, das mache ich aber noch nicht. Das hebe ich mir auf, denn entweder kommt das am Ende der Trilogie oder vielleicht mache ich am Ende daraus mal was ganz Eigenes, das weiß ich selbst noch nicht genau.

Fakt ist, dass in Kanduras Orks und Barbaren sehr eng zusammengelebt haben und sich daher auch ähnlich sind. Da ich in „Tharador“ auf die Barbaren verzichte, ist das für den Leser aber auch kein Problem. So hat mir das einfach besser gefallen als die Erwartungen zu erfüllen, dass die Orks kommen und die ganze Stadt niedermetzeln. Ich hab mich gefragt: „Was steckt dahinter?“, und habe dann beim Schreiben mehr über die Orks erfahren. Der Fokus rückt auch bei Band zwei und drei ein stückweit von Tharador weg. Er bleibt zwar der Held und die zentrale Figur des Buches, schließlich ist ja alles aus seiner Sicht geschrieben, dennoch rutschen seine Taten und seine Geschichte immer mehr in den Hintergrund. Das hat sich so ergeben. Am Anfang war das nicht so geplant, macht mir aber jetzt sehr viel Spaß. Jeder erwartet ja, dass der Held das Heldenhafte vollbringt, und dann ist es besonders schön, damit zu brechen und den Held vielleicht gar nichts vollbringen zu lassen. Vielleicht erfüllt Tharador ja seine Bestimmung gar nicht (zwinkert). Aber der dritte Band ist ja auch noch nicht fertig. Ich schwanke noch zwischen dem klassischen Heldentod und einem Happy End.

Martin:
Du hast ja vorhin schon die Götter angesprochen. Ich finde, du hast dich für einen interessanten Mix aus germanischer/nordischer und christlicher Mythologie entschieden. Hast du bewusst Elfen und Zwerge mit einem Engel zusammengebracht, oder war das unbewusst?

Stephan:
Vermutlich war das unbewusst, weil es in der Mythologie Dinge gibt, die mich unheimlich faszinieren. Zum einen natürlich die Engelsfigur und zum anderen der Gedanke an ein größeres Pantheon mit mehr als einer Gottheit. Ich bin ein großer Fan der nordischen Mythologie. Gut, exklusiv für |Buchwurm.info| reiße ich jetzt mal die kandurische Götterwelt an:

Es gibt in Kanduras mehrere Entitäten. Den Kontinent Kanduras gab es schon, und er war auch von mehreren Völkern besiedelt, die man so kennt. Dazu kam noch ein weiteres, und zwar die Elementarprinzen. Davon gab es vier: Erde, Feuer, Wasser und Luft. Diese haben mit ihren Armeen die sterblichen Völker unterworfen. Irgendwann, woher, weiß man nicht so genau, kam dann der Göttervater Aurelion, wie er sich später selbst nennen wird, und forderte die Elementare heraus. Das macht er, weil ihm der Kontinent gefällt, und er ihn für sich umgestalten will. Allerdings merkt er, dass er alleine nicht gegen die Elementare ankommt. Er ist zwar mächtiger, aber ihre Zahl ist einfach zu groß. Daraufhin entscheidet er sich, Teile seiner Essenz abzuspalten und Kinder zu zeugen. Das sind dann die Götter, die man in der späteren Welt kennt, die so genannten Kanduri oder auch Lichtkinder. Jeder der Götter wählt sich ein Volk aus, dem er in der Gestalt dieses Volkes erscheint, und dieses dann „adoptiert“, um gegen die Elementare anzukommen und die Unterdrücker zu vernichten. Aurelion wollte aber, dass dabei die sterblichen Völker auch umkommen, damit der Kontinent für ihn schön leer ist. Das wollten dann die Kanduri aber nicht, schließlich sahen sie diese als ihre Kinder an, und standen den Völkern gegen Aurelion bei. Dieser wird besiegt und in die Niederhöllen verbannt, erschafft dann aber noch als Gegenstück zu den Kanduri die Dämonen.

Also sind in der Welt Götter und Dämonen gleichgestellt. Beide sind nicht unbesiegbar, es werden auch einige getötet. Sie sind also sterblich bzw. sie können ihren Avatar, also die Gestalt, die sie angenommen haben, verlieren. Das erfährt man wiederum im Buch, denn dort haben die Götter zu Karandras Zeiten ihre Gestalt verloren und schlafen deswegen. Dazu gibt es neben diesen beiden Mächten immer noch die der Elementare. Diese machen sich die Magier zunutze. Daher stehen sie immer ein wenig abseits der Gesellschaft, weil die Götter eigentlich den Umgang mit Elementarmacht nicht gerne sehen und ihre Kirchen das verbieten. Die Magier glauben auch an die Elemente und den Elementarherrscher, das Tetrament, der alle vier Elemente in sich vereinigt. Ob und wann die in der Trilogie vorkommen werden, verrate ich noch nicht.

Insofern habe ich mich von der nordischen Mythologie inspirieren lassen, weil ich es mag, dass verschieden Aspekte sich verschiedenen Göttern zuordnen lassen. So wird dem Gott der Barbaren Branghor die Macht des Windes zugeordnet, weil er das Windelementar erschlagen und dadurch einen Teil von dessen Macht geraubt hat. Dem Zwergengott ist das Feuer zugeordnet, dem Gott der Orks die Erde und der Göttin der Meerwesen das Wasser. Das ist für die eigentliche Geschichte irrelevant, aber für mich persönlich bei der Entstehung des Buches sehr wichtig.

Martin:
Ein Paladin ist ja eigentlich ein Kirchenkrieger. Wie ist das in deinem Roman?

Stephan:
Bei mir sind Paladine mit der Kirche verwoben, indem sie das Kind eines Engels und eines sterblichen Wesens sind; ob Elf, Ork, Mensch oder Zwerg, ist dabei egal. Tharador ist eben zufälligerweise ein Menschenkind. Durch diese Paladine fließt aufgrund ihrer Herkunft ein nicht unerheblicher Teil himmlischer Macht. Man sieht in Band eins noch nicht das volle Potenzial von Tharador, das habe ich in Band zwei versteckt (lacht), es wird aber auch nicht mehr sehr viel mehr. Seine Kraft wird nicht mehr wirklich stärker, sondern nur besser kontrollierbar. Dabei wollte ich ihn bewusst nicht unsterblich oder zu mächtig zu machen. Ich mag zwar mächtige Helden, aber keine unbesiegbaren oder übermächtigen Helden. Man sollte ja noch mitfiebern können. Dass er jetzt in Band eins nicht abtreten wird, ist klar, aber ab Band zwei könnte man das schon in Betracht ziehen …

Martin:
Wie hast du dir die Welt Kanduras an sich vorgestellt? Der Norden erinnert mich ein wenig an unser Mittelalter und der Süden wirkt mehr orientalisch.

Stephan:
Das stimmt. Zum einen gibt es dieses massive Gebirge, die Todfelsen, das den Kontinent in zwei Teile spaltet. Ursprünglich waren die Menschen eher im Süden angesiedelt, wurden aber dann von den Göttern nach Norden geführt. Dadurch gab es dann Probleme zwischen diesen und den Barbaren und Orks. Die Orks sind also quasi die Ureinwohner des Nordens. Die Eroberer zwingen also die Orks dazu, in die Berge zu gehen. Entwicklungsmäßig ist der Norden dem klassischen Mittelalter sehr ähnlich, mit dem Feudalsystem und dem guten alten Grenzstein.

Im Süden ist die Besiedlung sehr viel dünner, denn es gibt dort maximal zehn Städte. Drei davon sind auf der Karte im ersten Band verzeichnet, wobei Innar eher ein Dorf ist. Ma’vol ist auch keine große Stadt, dort wohnen vielleicht 4.000 Menschen, was ja für mittelalterliche Verhältnisse durchaus noch groß ist. Es haben sich also im Süden Stadtstaaten entwickelt. Surdan ist darunter der größte mit etwa 60.000 bis 80.000 Einwohnern. Das ist das Maximum. Insgesamt leben auf Kanduras etwa drei Millionen denkende Wesen, also Orks, Menschen, Barbaren, Elfen und Zwerge zusammengenommen. Die Goblins sind eine Ausnahme, was die Heergröße angeht, weil sie eben als kämpfende Rasse angelegt sind. Dagegen sind die menschlichen Heere eher klein. Da ist die Truppe in Ma’vol mit ihren 200 Mann schon sehr groß. Große Truppen sind also ausgeschlossen. Ich mag zwar Schlachten, was sicher in meinem Buch gerade bei den Kampfdarstellungen ersichtlich ist, aber ich werde keine 100.000 Soldaten in die Schlacht führen, wenn die Stadt nur 60.000 Einwohner hat.

Martin:
Die Goblins hast du eben bei denkenden Wesen ausgeklammert …

Stephan:
Das war bewusst so. Es gibt gute und böse Völker und die Goblins gehören definitiv auf die Seite des Bösen. Damit gehören sie in die wilde Tiere-Monster-Fraktion und nicht zur denkenden Wesen-Kultur-Fraktion. Und der Gott der Goblins ist schließlich ein Überläufer auf die Seite der Dämonen, die auch Aureliten genannt werden, und hat einen anderen Gott erschlagen …

Martin:
Die Idee mit den Goblins und den Katapulten fand ich sehr amüsant.

Stephan:
Ja da ging’s irgendwie mit mir durch! Ich hab das abends irgendwann geschrieben und dachte mir: „Du hast jetzt diese Goblins und die ziehen in den Krieg. Stellst du sie jetzt als mordende kleine Monster dar, oder machst du sie lustig?“ So muss ich sagen, dass sie schon ein wenig slapstick sind. Das wollte ich aber auch, denn ich wollte nicht nur einfach Wortwitz drin haben. Aber was da passiert, ist ja auch logisch, denn die bekommen eine Technologie zur Verfügung gestellt, die sie nicht kennen und mit der sie eigentlich nichts anfangen können. Wofür brauchst du in den Bergen denn auch ein Katapult? Und dann war das die Antwort auf die Frage „Wie gehen die damit um?“, vor allem, wenn man bedenkt, dass sie nicht die Intelligentesten sind.

Martin:
Was die Goblins damit machen, verraten wir natürlich nicht. Kommen wir zu den Bösewichten: Da hast du mit Xandor den verdorbenen Magier und mit Dergeron einen tragischen Bösewicht vorzuzeigen.

Stephan:
Xandor ist das Klischee des bösen Magiers, das ich bewusst eingesetzt habe, auch mit Gordan, seinem alten Lehrmeister. Das hat mir in dem Moment gut gefallen. Xandor hält sich für mächtiger, als er wirklich ist. Man merkt im Buch, dass ihm die Zustände zunehmend aus den Händen gleiten, er selbst das aber nicht akzeptiert. Alle Szenen, die aus seiner Sichtweise geschrieben sind, geben immer den Ausblick, dass er darauf vertraut, dass seine Macht schon alles richten wird. Ich wurde neulich gefragt, ob er wiederkommt, aber … mal sehen.

Die Figur des Dergeron hat mich ungleich mehr fasziniert, weil sie eben diesen tragischen Heldenaspekt hat. Er könnte beinahe ein Held, könnte fast der Gute sein. Aber er wird eben zunehmend verrückter, und gerade in Band zwei liegt der Fokus sehr viel mehr auf Dergeron, der ja bisher nur Xandors Handlanger war. Man wird mehr über ihn erfahren und er wird möglicherweise dem Leser sympathischer werden. Daher ist die Figur deutlich interessanter. Xandor hat als Gegenstück Gordan und Dergeron hat Tharador als Gegenstück. Daher ist Dergeron die interessantere Figur und Xandor ein wiederbelebtes Klischee.

Wenn ich Klischees verwende, dann deswegen, weil ich sie mag und weil es die Literatur war, die ich als Junge in den späten 80ern und Mitte der 90er gelesen habe, wie etwa Salvatore. Da strotzt es von diesen Klischees, aber das gefiel mir einfach. Klar kann ich als Autor mit jeder Erwartung brechen, aber ich fand, es müsse nicht sein. Ich muss nicht jede Figur krampfhaft fern von allen Klischees anlegen, nur damit ich es getan habe. Ich wollte eine neue Geschichte schaffen, und das, denke ich, ist mir gelungen. Wenn man diese dann mit erzählerischen Mitteln aufpeppt, wie ich es bei den Orks oder bei Tharador tat, dann hat das durchaus seine Daseinsberechtigung.

Martin:
Ich hörte, dass du „Tharador“ schon seit Jahren geplant hast, und es dein Traum war, das Buch zu veröffentlichen. Wie kam es damals zu der Idee zu diesem Buch?

Stephan:
Ich wurde, als ich zwölf Jahre alt war, auf das Rollenspiel [„Das schwarze Auge“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?idbook=2110 (DSA, die Red.) aufmerksam. Dann ging es los und die Gruppe entstand. Ich war von Beginn an Spielleiter und es gab immer Regeln oder Dinge, die mich gestört haben, und so entwickelte ich den Ehrgeiz, ein eigenes Rollenspiel zu entwickeln. Ich war schon immer verrückt nach „Sword & Sorcery“ und Drachen, Mittelalter etc. Also habe ich versucht, ein eigenes Rollenspiel mit dem Namen „Kanduras“ zu entwerfen, mit der Landkarte die es zu 80 Prozent in das Buch geschafft hat (also nicht größenmäßig, sondern vom Aussehen her). Dann überlegte ich mir, welche Rassen dort leben sollen.

Als nächstes hab ich für DSA eine Kampagne entwickelt, in der es um einen Krieg mit Orks ging. Nach dem Abi zerbrach aber unsere Rollenspielgruppe. Ich habe drei Jahre daran gearbeitet, und war dementsprechend enttäuscht. Dann dachte ich mir: Regeln für deine Welt haste keine, aber eine Geschichte. Dann hab ich die Geschichte nach Kanduras verlegt und abgeändert. Zum Anfang war zum Beispiel der Orkkönig noch der Bösewicht und nicht Xandor oder Dergeron. So bin ich auch an die ersten Zeilen von Band eins rangegangen, bis ich dann bei der ersten Szene mit Ul’goth merkte, dass dieser mehr Potenzial hatte, um tiefer zu gehen. Insofern wurde dann aus der ursprünglichen Kampagne die Romanidee geboren.

Im Prinzip hab ich an der Idee als summa summarum acht Jahre gearbeitet. Denkleistung insgesamt für die Welt sicherlich schon über zehn – die Grenzen verschwimmen und ich werde nicht jünger. Darunter gibt es aber neben den drei Bänden auch noch andere Geschichten. Es muss also danach nicht fertig sein, wenn der Leser das will. 2001 hab ich neben der Ausbildung angefangen, den ersten Band zu schreiben, und hab dafür ewig gebraucht, nämlich über zwei Jahre. Das merkte man ihm dann auch an, denn ich hatte mich sprachlich und vom Schreibstil her über die zwei Jahre entwickelt und habe dann im letzten Jahr die erste Hälfte noch einmal komplett überarbeitet. Der zweite Band ging dann sehr viel schneller.

Es war eigentlich immer mein Traum, das Material zu veröffentlichen. Ich hatte nie den Gedanken, nur für mich zu schreiben. Ich wollte aber natürlich auch nicht nur für andere schreiben, sondern so, wie ich die Geschichte haben wollte. Ich lese das Buch jetzt gerade zum zehnten Mal, um Stellen für die Lesungen rauszusuchen, und klar, man ärgert sich über Wortwiederholungen und dergleichen, aber vom Grundtenor her muss ich sagen: Mir gefällt meine Geschichte immer noch, und ich kann’s selbst auch noch lesen. Als ich dann 2004 fertig war, habe ich zwei Anfragen an große Verlage geschickt, mit einem im Nachhinein betrachtet unglaublich schlechten Abschnitt. Es war die Urfassung der Einbruchsszene von Calissa. Die war weder lektoriert noch korrigiert, also eine totale Rohfassung. Ich war total davon überzeugt, dass die Stelle super ist. Natürlich hat das so nicht geklappt. Danach war ich dann dementsprechend frustriert und hab dann angefangen zu studieren und das erstmal liegen lassen. Zwei Jahre später habe ich dann einen neuen Versuch gewagt, aber sehr viel besser vorbereitet, sprich komplett überarbeitet. Also habe ich die Anfrage an den |Otherworld|-Verlag geschickt und konnte mit der Gesamtidee überzeugen.

Martin:
Der |Otherworld|-Verlag kommt ja aus Österreich und du warst der erste deutsche Autor unter Vertrag bei diesem Verlag. Was bedeutet dir das?

Stephan:
Das war schon toll. Ich war auch ein wenig eifersüchtig, als sie mit Frank Schweizer den zweiten deutschen Autor aufgenommen und dessen Buch „Grendl“ noch vor meinem rausgebracht haben. (lacht) Ich hab „Grendl“ leider noch nicht gelesen, aber ich hab den Frank jetzt auch kennen gelernt, und das ist so ein netter Kerl, dass ich ihm da nicht böse sein kann. So oder so haben wir deutschsprachigen Autoren – Katja Brandis und Robin Gates sind ja auch noch dabei – eine Sonderstellung. Das war für den Verlag und für mich toll, weil der Verlag mit englischsprachigen Autoren viel schlechter Werbung machen kann als mit deutschen, denn die englischen kann man zum Beispiel nicht auf Lesungen gehen lassen. Der Kontakt zum Verlag ist toll und die Zusammenarbeit ist sehr eng. Bei einem kleinen Verlag hast du als Autor auch viel mehr Verantwortung als bei einem großen, denn ein großer Verlag kann sich einen Flop erlauben, aber bei einem kleinen Verlag hängt ein Mittelständischer Betrieb an deinem Schaffen. Das ist dann eine zusätzliche Verpflichtung.

Martin:
Man merkt auch beim Cover, dass dort sehr viel Wert auf die Details gelegt wurde. Wie ist die „Coverfindung“ abgelaufen?

Stephan:
Ich durfte Vorschläge machen und Coverversionen einreichen. Der Verlag hat dann eine ausgewählt. Zu meiner großen Freude haben sie gerade die ausgesucht, die auch mir am besten gefallen hat. Der Vorschlag wurde zwar noch geringfügig verändert, aber im Endeffekt ist das Cover so geworden, wie ich es mir von Beginn an erträumt hatte. Der Zeichner Jan Balaz hat da wundervolle Arbeit geleistet. Gerade wenn man nahe an das Buch rangeht, erkennt man die Details noch haarscharf. Bei den weiteren Covern wird man auch eine Einheitlichkeit erkennen können, obwohl die Motive verschieden sein werden.

Martin:
Auf deiner Homepage hast du schon ein neues Projekt angekündigt. Worum handelt es sich dabei?

Stephan:
Dazu kann ich noch nichts sagen. Nur so viel: Es wird ein Mix aus „High Fantasy“ und „Sword & Sorcery“ sein und „Lichtweber“ heißen. Mehr darf ich aber noch nicht verraten.

Martin:
In deinem Weblog habe ich gelesen, dass du deine eigenen Exemplare des Buches signiert hast. Was hast du denn da reingeschrieben, und warum?

Stephan:
Jetzt ist es raus, ich bin einfach selbstverliebt! (lacht) Nein, ich habe zwei Exemplare für mich. Eines steht im Schrank und wird nie wieder angefasst und das andere präpariere ich für die Lesung. Ich hab da so einen Tick, dass die Bücher im Regal völlig ungelesen aussehen müssen, da bin ich sehr pingelig. Wenn du dir mein Bücherregal anschaust, sehen alle Bücher ungelesen aus, es sei denn, mein Vater hatte sie sich ausgeliehen (lacht). Das ist schon fast zwanghaft, und wenn ich so darüber rede, fängt es mich gerade an zu jucken. Die beiden hab ich deswegen für mich signiert, weil ich ja hoffe, möglichst lange zu leben, und ich befürchte, dass mir der Moment, als ich die Bücher das erste Mal in der Hand hatte, verloren gehen könnte. Das war ein so erhebendes Gefühl, an das ich mich auch noch in 30 Jahren erinnern möchte.

Martin:
Um noch einmal zu „Tharador“ zurückzukommen: Gerade beim Berserkerzwerg ist mir eine gewisse Ähnlichkeit zu „Warhammer“ aufgefallen. Was für Rollenspiele spielst du denn noch, und könntest du dir vorstellen, mal etwas in diesem Sektor zu machen?

Stephan:
Ich habe DSA gespielt, und momentan spiele ich das „Warhammer“-Rollenspiel, außerdem habe ich online „World of Warcraft“ gespielt und das „Warhammer“-Tabletop (das ist ein Strategiespiel, Anm. d. Red.). Sicherlich hat mich das beeinflusst, und da gibt es auch Ähnlichkeiten, das gebe ich zu. Ob ich selber was im Rollenspielsektor mache, ist schwer zu sagen. Ich bin natürlich offen für alles. Ich habe momentan erste Schritte unternommen, doch eigene Regeln für „Kanduras“ zu entwickeln, eine Rollenspielumsetzung wäre also theoretisch möglich. Schlecht wäre es nicht, aber das alleine zu stemmen, traue ich mir nicht zu, weil mein Hauptaugenmerk klar auf dem Romaneschreiben liegt. Wenn aber ein Verlag etwas machen möchte, bin ich dafür sehr offen.

Martin:
Und wie sieht es damit aus, für etablierte Rollenspiele wie „DSA“ oder eben „Warhammer“ Romane zu schreiben?

Stephan:
Das ist natürlich schwierig. Man bewegt sich in einer Welt, die völlig vorgegeben ist und die eigene Geschichte kann nicht unbedingt den zeitlichen Ablauf der ganzen Welt beeinflussen. Sich in einer festgelegten Welt zu bewegen, hat aber auch Vorteile. Der Hintergrund steht bereits und ist bereit, beschrieben zu werden. Prinzipiell hätte ich da schon Interesse dran; wenn mich ein entsprechendes Projekt reizt, dann gerne. Dasselbe gilt für Computerspiele.

Martin:
Am 5. Oktober hast du deine erste eigene Lesung. Wie bereitest du dich darauf vor?

Stephan:
Bei der Auswahl der Texte habe ich mir ein wenig Hilfe bei [Christoph Hardebusch]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=75 geholt. Er lebt ja wie ich in Heidelberg und wir haben die gleiche Agentur. Dann habe ich ihn gefragt, wie er seine Stellen für Lesungen auswählt. Ich versuche, das Buch in einer Stunde in seiner Gesamtheit dem Zuhörer näher zu bringen. Ich möchte etwas lesen, das ein wenig actionreicher ist, eine ruhigere Stelle und auf jeden Fall etwas mit den Goblins (lacht). Die sind fest! Man wird bei der Lesung erfahren, was sie mit den Katapulten machen (schmunzelt). Tharador, Dergeron und Ul’goth werden wohl ebenfalls dabei sein. Ich hoffe, dass mir es gelingt, einen Überblick über meinen Schreibstil zu geben, ohne das Buch komplett zu verraten. Der Zuhörer soll mit einer Vorstellung aus dem Saal kommen, wie der Herr Bellem schreibt und ob ihm das gefällt oder nicht.

Martin:
Mir ist aufgefallen, dass mit dir und Christoph Hardebusch relativ kurz nacheinander zwei Fantsyautoren aus Heidelberg debütieren …

Stephan:
Stimmt, hier muss irgendwo ein Nest sein (lacht).

Martin:
Was denkst du, liegt das am Flair der Studentenstadt oder an der guten Luft?

Stephan:
Vielleicht war Heidelberg in den letzten Jahren einfach unterbesetzt. Ich weiß es nicht. Vielleicht zieht aber auch die Uni die Leute an. Ich glaube aber, das ist einfach Zufall. Christoph ist ja auch nur zugezogen.

Martin:
So, dann habe ich dich jetzt genug gelöchert. Vielen Dank für dieses sehr ausführliche Interview. Jetzt hast du traditionell noch die Möglichkeit, das Wort an unsere Leser zu richten.

Stephan:
Erstmal vielen Dank für das nette und entspannte Interview. Hat mir sehr gefallen.
Letzte Worte an meine Leser: Hände weg von Online-Rollenspielen, die fressen eure Lebenszeit!

www.srbellem.de
www.otherworldverlag.com

Rezension zu „Tharador“: http://buchwurm.org/Bellem-Stephan-R-Tharador-Die-Chroniken-des-Paladins-1-14975

Stephan R. Bellem – Tharador (Die Chroniken des Paladins 1)

Handlung

Tharador Suldras ist Kommandant der Stadtgarde von Surdan. Doch er wird von ständig wiederkehrenden Albträumen geplagt, die ihn immer mehr dazu bringen, in den Norden gehen zu wollen. Also desertiert er zusammen mit seinem Freund Queldan und macht sich auf über das Gebirge in Richtung Norden. Dort treffen die beiden den Zwergenprinzen Khalldeg, der zur Gruppe der Berserkerzwerge gehört.

Währenddessen hat der Magier Tarvin Xandor alle anderen Magier in Surdan getötet und hilft den Orks und deren Häuptling Ul’goth mit seiner schwarzen Magie dabei, die Mauern von Surdan zu erstürmen und die Stadt einzunehmen. Xandors Plan sieht vor, die Orks weiter gen Süden zu schicken, und die anderen Städte in einen Krieg zu verwickeln, um von seinen Plänen. das mächtige Zauberbuch Karand zu finden, abzulenken. Doch Ul’goth will nicht weiter in den Krieg ziehen, sondern sich mit seinem Stamm in Surdan niederlassen.

Stephan R. Bellem – Tharador (Die Chroniken des Paladins 1) weiterlesen

Hohlbein, Wolfgang – Horus

_Handlung_

Die ägyptische Katzengöttin Bast(et) kommt im Jahre 1888 nach London, um ihre Schwester Isis zu suchen, die sich in der Hauptstadt des britischen Empires aufhalten soll. Doch kaum hat sie das Schiff verlassen, wird sie von einem Falken angegriffen, den sie gerade so abwehren kann. Sind Isis und sie nicht die einzigen ägyptischen Götter in London?

Auf der Suche nach ihrer Schwester gelangt Bast ins Londoner East End. Doch dort treiben nicht nur Gottheiten ihr Unwesen, sondern auch ein Serienkiller: Jack the Ripper. Schon bald findet sich die Katzengöttin in einem Wirbel aus alten Verbindungen, Gefühlen, Verdächtigungen und unbändigem Hunger wieder …

_Der Autor_

Wolfgang Hohlbein wurde am 15. August 1953 in Weimar geboren und ist Deutschlands erfolgreichster Phantastik-Autor. Er lebt mit seiner Frau Heike und seinen sechs Kindern, umgeben von einer Schar Katzen, Hunde und anderer Haustiere, in der Nähe von Neuss. In Krefeld absolvierte er seine Schule und später eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Laut einer Aufstellung im |Focus| (Nr. 40, November 2006) liegt die Gesamtauflage von Wolfgang Hohlbeins Büchern bei 35 Millionen Exemplaren. Er ist damit „einer der erfolgreichsten deutschen Autoren der Gegenwart“. Er hat bereits 160 Romane verfasst, den überwiegenden Teil alleine, etliche Kinder- und Jugendbücher gemeinsam mit seiner Frau Heike und einige wenige Erwachsenenromane mit Co-Autoren. Zudem hat er zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten: vom „Preis der Leseratten“ 1983 bis zum „Bester Autor National“ Deutscher Phantastik-Preis 2004, dem Sondermann-Preis auf der Buchmesse 2005 und dem |Nyctalus| im November 2005.

_Ist „Horus“ der Nachfolgeband von „Anubis“? _

Wer erwartet hat, dass „Horus“ eine Fortsetzung von Hohlbeins Roman „Anubis“ aus dem Jahre 2005 ist, ist schief gewickelt. Diese beiden Bücher haben genau eines gemeinsam: Ihr Titel ist der Name einer altägyptischen Gottheit. Das war es aber auch schon. Doch wie kommt es dazu, dass immer wieder von einer Fortsetzung die Rede ist, obwohl die beiden Romane eigentlich nichts gemeinsam haben? Bereits nach kurzer Recherche ist mir dann bei |amazon.de| folgender Text aufgefallen, der dort als vermeintlicher Klappentext angegeben ist:

|Irgendwo im Nordatlantik. In der Nacht vom 13. auf den 14. April 1912 stößt die RMS Titanic, das größte Passagierschiff seiner Zeit, mit einem treibenden Eisberg zusammen. An Bord bricht Panik aus. Besatzung und Passagiere versuchen, sich in die wenigen Boote zu retten. Von den 2208 Menschen an Bord überleben nur 704. Unter den Vermissten ist auch Mogens Van Andt, ein amerikanischer Professor für Archäologie, der von seinen Forschungen am Britischen Museum zurückkehrt. Aber Van Andt ist nicht tot. Zusammen mit einer Gruppe von Passagieren ist es ihm gelungen, sich auf den Eisberg zu retten, mit dem das havarierte Schiff zusammenstieß. Während der Berg durch Nacht und Nebel einem unbekannten Ziel entgegentreibt, entdeckt Mogens einen Weg in das Innere des Eises. Und dort, seit Jahrtausenden eingehauen im Eis, findet er Zeichen von einer Art, die es hier nicht geben dürfte. Zeichen, die an ägyptische Hieroglyphen erinnern. Unter ihnen ist das Zeichen des Horus.| (Verlagstext)

Eben jener Mogens Van Andt ist der Protagonist aus „Anubis“. Nur weiß ich leider nicht, wie die Texter darauf kommen, |denn nichts was in diesem vermeintlichen Klappentext beschrieben wird, kommt auch nur im Geringsten in „Horus“ vor|. Die Handlung spielt 1888 in London und nicht 1912 auf einem Schiff, und der bereits erwähnte Mogens Van Andt taucht überhaupt nicht auf. Ebenso wenig befasst sich „Horus“ im Gegensatz zu „Anubis“ mit dem Cthulhu-Mythos von H. P. Lovecraft. Also aufpassen und nicht in die Irre führen lassen!

_Mein Eindruck_

Dass „Horus“ ein komplett eigenständiger Roman ist, hat folgenden Vorteil: Man muss die unsäglich schlechte Lovecraft-Hommage „Anubis“ nicht gelesen haben. Vielmehr bewegt sich Hohlbein dieses Mal auf eigenen Beinen und verknüpft geschickt die altägyptische Mythologie mit dem modernen Mythos um den Jack the Ripper genannten Serienmörder. Hierbei gefällt mir sehr gut die von Hohlbein geleistete Recherchearbeit. So finden sich immer wieder real aufgefundene und belegte Spuren aus der damaligen Zeit im Text wieder, die er geschickt in seine Story einwebt und interpretiert. Das beste Beispiel hierfür sind die die vermeintlichen Ripper-Briefe oder das Kreide-Graffiti, welche es ja wirklich gegeben hat.

Selbstverständlich bewegt sich Hohlbein in einem fiktiven Mix aus Fantasy und Horror, was ja schon seine Protagonistin Bastet, die altägyptische Katzengöttin, sofort deutlich macht. Hierbei gibt er den „Göttern“ aber durchaus Schwächen bei, so dass sie nach christlicher Definition eigentlich keine Götter sind. Man könnte sie eher als übernatürlich starke, mächtige und langlebige Menschen bezeichnen. Dass sie sich von der Lebensenergie der Menschen nähren, rückt sie auch ein wenig in die Richtung des Vampir-Mythos, auch wenn sie ihre Opfer nicht beißen. Dass das nicht zwangsläufig einen Vampir definiert, hat Hohlbein aber auch schon in seinem Roman „Dunkel“ gezeigt. Doch ich schweife ab.

Die Handlung erscheint mir leider ein wenig konzeptlos. Bastet läuft ständig durch London und trifft dabei auf Schläger, Prostituierte oder Götter und gerät in Whitechapel mitten in die Aufklärung der Rippermorde. Dabei regt sie sich ständig selber darüber auf, dass sie den Leuten zu viel erzählt, nur um das Gleiche auf der nächsten Seite wieder zu tun. Ehrlich gesagt nervt das auf die Dauer schon ein wenig. Trotzdem gelingt es Hohlbein aber vorzüglich, eine Stimmung aufzubauen, die dem Gaslaternenzeitalter und dem Ambiente im Londoner East End sehr nahe kommt. Man sieht sich förmlich selber durch den berühmten Nebel an der Themse waten und nach dem Ripper Ausschau halten.

Auch die Charaktere sind dem Autor sehr gut gelungen; ob nun Kapitän Maistowe, Mrs. Walsh oder Inspektor Abberline. Dabei scheint Hohlbein eine Schwäche für extrem religiöse ältere Damen zu haben, denn schon in „Anubis“ mit Betty Preußler tauchte eine solche auf. Diesen Part übernimmt dieses Mal nahtlos die resolute Mrs. Walsh. Selbstverständlich dürfen auch die schon so häufig zitierten „überraschenden Wendungen“ nicht fehlen, wobei sich Hohlbein darauf wirklich meisterlich versteht. Hierdurch erreicht er, dass der teilweise etwas konzeptlose Plot durchaus ausgeglichen wird.

Die Aufmachung des Buches ist dem |Lübbe|-Verlag sehr gut gelungen, denn sowohl das Buchcover als auch die Gestaltung der Kapitelanfänge und die Papierqualität sind sehr ansprechend geraten.

_Fazit_

„Horus“ ist eine gut lesbare Mischung aus Kriminalfall und Mythologie, der aber, um wirklich hochklassig zu sein, der Tiefgang fehlt. Hohlbein erzählt wie gewohnt sehr bildreich und flüssig, was diesen Roman zu einem vergnüglichen und kurzweiligen Lesespaß macht.

http://www.luebbe.de

_Wolfgang Hohlbein auf |Buchwurm.info|_ (Auswahl):

[„Anubis“ 2826
[„Das Paulus-Evangelium“ 2630
[„Das Paulus-Evangelium“ 4007 (Hörbuch)
[„Von Hexen und Drachen. Das große Wolfgang-Hohlbein-Buch“ 3470
[„Das Blut der Templer“ 3235
[„Fluch der Karibik 2 – Dead Man’s Chest“ 2717
[„Die Zauberin von Märchenmond“ 2053
[„Märchenmond“ 1882
[„Hagen von Tronje“ 1860 (Hörbuch)
[„Feuer“ 816
[„Dunkel“ 552 (Hörbuch)
[„Dunkel“ 69
[„Der Hexer von Salem“ 249
[„Intruder“ 144 (Hörbuch)