Interview mit Thomas Finn

_Martin Schneider:_
Hi Tom, unser [letztes Interview]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=59 haben wir zu „Der Funke des Chronos“ gemacht, das war vor fast zwei Jahren. Wie ist es dir seitdem ergangen?

_Thomas Finn:_
Danke, ich kann nicht klagen. Die letzten Jahre waren zwar sehr arbeitsreich, woran sich wohl auch in Zukunft nichts ändern wird, aber dafür übe ich einen Job aus, der mich wirklich zutiefst erfüllt. Es gibt für mich wirklich kaum etwas Schöneres als möglichst spannende Geschichten zu verfassen.

_Martin Schneider:_
Nun ist mit [„Die Letzte Flamme“ 4382 der Abschlussband der „Chroniken der Nebelkriege“ erschienen, die mein Kollege und ich nicht grundlos als eine der „besten Fantasy-Veröffentlichungen der letzten Jahre“ bezeichnen. Wie würdest du die Trilogie beschreiben?

_Thomas Finn:_
Vielen Dank für die Lorbeeren. Tja, um es auf eine sehr kurze Formel zu bringen, möchte ich hier einen Leser zitieren, der meinte, dass ihn die Romane ein wenig an eine Mischung aus „Harry Potter meets Herr der Ringe“ erinnern würden. Vielleicht trifft es das? Auch der Hauptprotagonist in den Chroniken ist ein Zauberlehrling, der sich zuweilen in einer recht skurrilen Welt bewegt. Auf der anderen Seite habe ich mich darum bemüht, in der Trilogie eine große Epik spürbar werden zu lassen. Das alles vermischt mit märchenhaften Motiven und angesiedelt in einem magischen Spiegelbild Nordeuropas ergibt die „Chroniken der Nebelkriege“.

_Martin Schneider:_
Wie würdest du die einzelnen Bände voneinander getrennt beschreiben, und welche Rolle spielen sie für die Trilogie?

_Thomas Finn:_
Nun, der erste Band [„Das unendliche Licht“ 2646 ist natürlich als grundsätzliche Einführung in die Handlung zu verstehen. Das alles aber noch konzentriert auf – im Wesentlichen – einen großen Handlungsschauplatz: Hammaburg, die Stadt der Windmacher und Seeschlangenjäger. Im zweiten Band, „Der eisige Schatten“, erkunde ich gemeinsam mit dem Leser die übrige Welt, die es vor dem Zugriff der Nebelkönigin Morgoya zu retten gilt. Die Handlung kreist aber auch ganz zentral um einen wichtigen Entwicklungsschritt meines Hauptprotagonisten. Und im Finale, in „Die letzte Flamme“, winkt dann der Vorstoß bis in das von Morgoyas Schattenheer besetzte Albion, wo ich die Gelegenheit hatte, den schrecklichen Gegenentwurf der märchenhaften Welt des unendlichen Lichts zu zeichnen. Und hier ist dann auch der Zeitpunkt für den finalen Showdown gekommen.

_Martin Schneider:_
Ich finde die Bände sind deutlich düsterer geworden. „Das unendliche Licht“ war noch kindlich, wohingegen jetzt „Die Letzte Flamme“ sehr düster und gruselig ausgefallen ist. War diese Entwicklung von dir beabsichtigt?

_Thomas Finn:_
Ja, im Wesentlichen schon – auch wenn ich dir in Bezug auf „kindlich“ natürlich nicht zustimmen mag (lacht). Der Rest ergab sich dann durch die fortschreitende Handlung. Die Figuren werden erwachsener und reifer. Und dementsprechend darf dann auch die Handlung anziehen.

_Martin Schneider:_
Würdest du die Romane als „Kinder- und Jugendliteratur“ oder als „Fantasy“ einordnen?

_Thomas Finn:_
„Die Chroniken der Nebelkriege“ sind eindeutig dem Bereich der „All-Age-Literatur“ zuzuordnen, sind also für Leser jeden Alters verfasst. Und ganz sicher handelt es sich dabei um Fantasy. „Eragon“, „Bartimäus“ oder der „His Dark Materials“-Trilogie würde man das Attribut Fantasy ja ebenfalls nicht absprechen. Der Eindruck deckt sich auch mit den Leserbriefen, die ich erhalte. Der bislang jüngste Absender war elf Jahre alt, der älteste nach eigenen Angaben 53 Jahre. Beim Schreiben denke ich auch nur sehr selten daran, dass die Romane in der sogenannten ‚Jungen Reihe‘ erscheinen. Kampfszenen können auch bei einer weniger blutigeren Darstellung dramatisch ausfallen. Der Protagonist ist natürlich ein Jugendlicher, was erfreulicherweise tolle Entwicklungsmöglichkeiten erlaubt.

_Martin Schneider:_
Du hättest die Trilogie auch durchaus noch verlängern können. So werden zum Beispiel einige Nebenhandlungen wie etwa die Aktionen von Magister Eulertin in Halla nur sehr kurz gestreift. Wolltest du unbedingt die Trilogieform beibehalten, oder wolltest du einfach den Handlungsablauf etwas straffen?

_Thomas Finn:_
Die Chroniken waren von vornherein als Trilogie konzipiert. Sicher, die Welt hätte es hergegeben, die Geschichte auch auf mehr Bände zu strecken. Aber da schleicht sich doch schnell der Eindruck einer Suppe auf, in die man Wasser gießt. Und das ist nicht meine Art.

_Martin Schneider:_
Ich fand es zugegeben sehr schade, als ich mit der Trilogie fertig war. Gibt es eine Chance, dass du in diese Welt zurückkehrst?

_Thomas Finn:_
Ich sage niemals nie. Vielleicht gibt es irgendwann einmal eine Rückkehr in die Welt des unendlichen Lichts, bei der ich dann noch viele andere Handlungsschauplätze detaillierter vorstelle, die ich in den Chroniken nur kurz umreißen konnte. Die magische Universität von Halla ist da nur ein Beispiel von mehreren. Denkbar ist natürlich auch, dass ich mich einer anderen Ecke der Welt zuwende; Cameo-Auftritte von einzelnen Figuren aus den Chroniken inbegriffen. Ich sage nur Koggs Windjammer, der raubeinige Klabauterkapitän, der sich bei den Lesern einer Beliebtheit erfreut, wie ich sie damals, als ich ihn erschuf, nicht für möglich gehalten hätte.

_Martin Schneider:_
Was mir in der Trilogie sehr positiv auffiel, ist, dass der Mittelband „Der eisige Schatten“ nicht unter den so oft zitierten Schwächen eines Mittelbandes leidet, sondern ebenfalls durchgehend spannend geworden ist. Hast du die verschiedenen Spannungsbögen und den Gesamtplot vor dem Schreibprozess angelegt, oder hat sich das beim Schreiben so ergeben?

_Thomas Finn:_
Das war sogar ganz explizit so angelegt. Genau das von dir benannte Problem des hängenden Mittelteils stört auch mich als Leser oft ganz gewaltig. Auf diesen Band habe ich daher ganz besondere Sorgfalt gelegt. Etwa, indem er einen sehr wichtigen Entwicklungsschritt der Hauptfigur thematisiert und einige neue, für die Trilogie unabdingbare Handlungselemente einführt. Außerdem hatte ich im „eisigen Schatten“ noch einmal die Möglichkeit, mit der Welt zu spielen, bevor es dann zunehmend dramatischer wurde.

_Martin Schneider:_
Die Welt der Chroniken erinnert stark an unsere Welt. Die Städtenamen klingen vertraut, und auch den Wäldern und Gebirgen kann man ein irdisches Äquivalent zuordnen: Was war deine Intention, diese Welt so zu gestalten?

_Thomas Finn:_
Die grundlegende Überlegung hinter dem Weltentwurf war, dass in der Fantasy üblicherweise (nord)europäische Mythen und Fabelwesen Gestalt annehmen. Doch in der Regel wird von den Kollegen eine gänzlich neue Welt drumherum gezimmert. Ich dachte mir damals, dass es doch reizvoll sein könnte, auch die Welt, die diese Märchen und Mythen hervorgebracht hat, als Bühne ernst zu nehmen und dementsprechend auszugestalten. Der Rest ergab sich dann von selbst. Vertraut klingende Namensschöpfungen wie Alptraumgebirge, Harzene Berge oder Schwarze Wälder begeistern mich als alten Fantasyfan selbst jetzt noch. Und ganz sicher trägt diese Bühne auch zur Originalität der Geschichte bei.

_Martin Schneider:_
Mir sind auch einige Parallelen zum „Das Schwarze Auge“-Rollenspiel aufgefallen (z. B. der Algenteppich oder die Lampenpflicht in Albion), für das du ja auch schon seit Ewigkeiten schreibst. War das beabsichtigt, sozusagen als „kleine Hommage“?

_Thomas Finn:_
Wenn, dann nur unbewusst. Algenteppiche sind nicht wirklich etwas DSA-Spezifisches, sondern sind irdischen Orten wie der Sargasso-See entlehnt. Und die Sache mit den Laternen in Albion entspringt eher meiner Live-Rollenspiel-Erfahrung, in der die Spieler nicht Laternen tragen, um zu sehen, sondern um von der Spielleitung, die auch nachts Szenen vorbereitet, rechtzeitig gesehen zu werden. Wenn man schon Parallelen zu DSA sucht, dann findet man die wohl eher bei der Darstellung der Hexen, die ich in Band zwei einführe. Aber das ist ebenfalls kein Wunder, denn DSA hat ja, so wie ich bei den Chroniken auch, sehr viele nordeuröpäische und deutsche Mythen als Vorlage genutzt. Spätestens bei einer Hexe, die auf einem Besen reitet, schließt sich dann der Kreis.

_Martin Schneider:_
Für „Das unendliche Licht“ wurdest du gerade mit der „Segeberger Feder“, dem einzigen Jugendbuch-Preis Schleswig Holsteins, ausgezeichnet. Was bedeutet dir diese Auszeichnung?

_Thomas Finn:_
Viel. Wirklich. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Das schöne an der „Feder“ ist, dass sie von den Lesern selbst vergeben wird und nicht etwa von einer kleinen Jury. Und wenn ich den Aussagen der Ausrichter glauben darf, dann hat „Das unendliche Licht“ so klar gewonnen wie bislang kein anderer Titel in den Jahren zuvor. Bei der Segeberger Feder haben ca. 150 Teilnehmer abgestimmt. Wenn man da den ersten Platz erreicht, dann ist das schon eine ganz besondere Ehrung – und natürlich auch eine klare Verpflichtung für die Zukunft.

_Martin Schneider:_
In deinen Romanen gibt es immer einen Charakter, den man als „Romanmaskottchen“ bezeichnen könnte. Bei [„Der Funke des Chronos“ 2239 war es der Nachtwächter Borchert und in den „Chroniken der Nebelkriege“ der Klabautermann Koggs Windjammer. Ist das Zufall oder liegen dir solche Charaktere einfach am Herzen?

_Thomas Finn:_
Solche Figuren liegen mir sogar sehr am Herzen. Zum einen befriedigen sie mein Bedürfnis, Humor in meine Geschichten einzubauen, zum anderen sind sie für den Leser wichtig, um auch bei dramatischen Szenen mal befreit schmunzeln oder auflachen zu können.

_Martin Schneider:_
Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen. einen Däumling zu einem der mächtigsten Magier zu machen?

_Thomas Finn:_
Ganz einfach, weil Däumlinge bislang noch so gut wie nie in einer Fantasygeschichte aufgetreten sind. Als Autor versucht man ja immer irgendwo Neuland zu betreten. Vor allem ermöglichen Däumlinge die Sicht auf die Welt aus einer wirklich radikal anderen Perspektive. Und so was ist beim Schreiben überaus reizvoll.

_Martin Schneider:_
Der Fantasysektor boomt gerade ungemein. Fast täglich erscheinen neue Romane, meist als Taschenbuch. Du hingegen hast dich für den |Ravensburger|-Verlag entschieden, der meist Hardcover-Ausgaben veröffentlicht und für seine sorgfältige und ansprechende Arbeit steht. Wie kam es dazu?

_Thomas Finn:_
(Lacht) Hier wird eher umgekehrt ein Schuh draus. |Ravensburger| hat sich damals für mich entschieden und ich war glücklich, dass ich einen so renommierten Verlag mit meinem Exposé begeistern konnte. Die Veröffentlichungsform bestimmt ausschließlich der Verlag. Aber ich gestehe, ich bin froh darüber, dass die Reihe zunächst im edlen Hardcover erschienen ist. Denn diese Veröffentlichungsform wird zunehmend seltener.

_Martin Schneider:_
Wie stehst du zu der Praktik, die Romane einfach plakativ nach einem Fantasyvolk zu benennen? Gerade die Reihen „Die Orks“, „Die Zwerge“, „Die Elfen“ und „Die Trolle“ sind ja ungemein erfolgreich. Wohingegen auch das eine oder andere unsägliche Werk auf dieser Erfolgswelle schwimmt …

_Thomas Finn:_
Was soll ich dazu sagen? Dieser Marketingtrick im Umfeld der „Herr der Ringe“-Filmtrilogie war natürlich genial. Er hat dafür gesorgt, gleich sehr viele deutsche Kollegen einem großen Lesepublikum vorzustellen. Etwas Besseres hätte der wachsenden deutschen Autorenszene nicht passieren können, denn noch vor ein paar Jahren standen viele Leser deutschen Autoren durchaus reserviert gegenüber. Wer sich aber einmal davon überzeugen konnte, dass deutsche Autoren ebenso unterhaltsam zu schreiben vermögen wie ihre angloamerikanischen Kollegen, der greift auch zu anderen deutschen Titeln. Der „Herr der Ringe“-Effekt ebbt natürlich langsam ab, doch dafür hat sich die in dieser Aufmachung inzwischen über vier Verlage gestreute Reihe als Garant für solide und spannende Fantasy-Literatur empfohlen. Und da mag dann auch mal der eine oder andere Ausreißertitel dabei sein. So etwas passiert.

_Martin Schneider:_
Kommen wir wieder zu dir. Du arbeitest gerade an einer neuen Trilogie für den |Ravensburger|-Verlag, die den Projektnamen „Stella Noctis“ trägt. Ich finde ja, dass das stark nach einem Vampirroman klingt – was erwartet uns denn da?

_Thomas Finn:_
Ach, Martin, ich wollte doch noch gar nicht so viel verraten … Also, der Auftakt der Trilogie wird den Titel „Das flüsternde Schwert“ tragen und voraussichtlich im Juli 2008 erscheinen. Diesmal steht der Knappe eines Paladinordens im Mittelpunkt der Handlung. Die Welt ist abermals an eine bestimmte Kulturregion Europas angelehnt, davon abgesehen aber überaus phantastisch ausgestaltet. Von zentraler Wichtigkeit sind diesmal der geheimnisvolle Sternenhimmel und sein magischer Einfluss auf die Welt. Wir werden Astrologen, Himmelsmechaniker und Sternenmystikerinnen in Aktion erleben, ebenso wie ein sehr reizvolles Fantasyvölkchen, das in den letzten Jahren viel zu stiefmütterlich behandelt wurde. Ich verspreche, die Geschichte wird sehr episch werden.

_Martin Schneider:_
Sind noch weitere Projekte in Planung?

_Thomas Finn:_
Na klar. In meinem Kopf schwirren noch viele weitere reizvolle Romanprojekte herum, die lediglich noch zu einem Exposé ausformuliert werden müssen. Das alles ist eher eine Frage der Zeit, da meine Abgabetermine bei der vorliegenden Trilogie recht knapp bemessen sind. Schon jetzt ist aber sicher, dass ich 2008 auch der Weihnachtsanthologie des |Piper|-Verlages eine Kurzgeschichte beisteuern werde.

_Martin Schneider:_
Gut, jetzt denke ich, habe ich dich genug gelöchert. Vielen Dank für das Interview, Thomas. Jetzt hast du wieder die Möglichkeit, das Wort direkt an unsere Leser zu richten.

_Thomas Finn:_
Na, da bleibt mir nicht viel zu sagen, außer einem großen Dankeschön für all die freundlichen Rückmeldungen, die mich im zurückliegenden Jahr erreicht haben. Das war zum Teil wirklich überwältigend. Ich verspreche, das alles wird mir auch weiterhin ein Ansporn sein. Vielen Dank!

http://www.thomas-finn.de
Band 1: [„Das unendliche Licht“ 2646
Band 2: [„Der eisige Schatten“ 3610
Band 3: [„Die Letzte Flamme“ 4382
[Unser erstes Interview mit Thomas Finn]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=59
[„Der Funke des Chronos“ 2239
[„Das Greifenopfer“ 1849
[„Das Greifenopfer“ 2844 (Hörbuch)