Interview mit Stephan R. Bellem

Anlässlich seines ersten Romans „Tharador – Die Chroniken des Paladins“ habe ich mich mit dem Heidelberger Fantasyautor Stephan R. Bellem in der Heidelberger Altstadt zu einem Kaffee getroffen und zu seinem Roman befragt. Das Interview verlief sehr lang und amüsant, doch lest selbst:

Martin Schneider:
Hi Stephan, stell dich den Lesern doch mal kurz vor.

Stephan R. Bellem:
Ich wurde jetzt im September gerade 26, die 30 naht mit großen Schritten. Ich studiere neben dem Schreiben Soziologie, mag Hunde und Filme. Und Essen. Man sieht es mir noch nicht an, aber ich esse wahnsinnig gern. „Tharador“ ist mein erster Roman und ich hoffe, noch eine ganze Menge mehr zu veröffentlichen. Ausführlichere Infos gibt es dann auf meiner Homepage www.srbellem.de/ Ach so, habe gerade eine neue Band für mich entdeckt: 30 SECONDS TO MARS.

Martin:
Was erwartet den Leser Besonderes in „Tharador“?

Stephan:
Ich habe versucht, bekannte Klischees, die ich mag, mit neuen Zutaten zu würzen. Tharador, der Protagonist, fällt ganz klar in die Klischee-Schiene, das gebe ich ganz offen zu. Er ist der klassische Held, wie man ihn sich so vorstellt. Er ist jung, gutaussehend, stark und er bekommt eine Prophezeiung bzw. es wird sein Erbe offenbart, dass er der Sohn eines Engels ist und sehr mächtig wird, obwohl er dies am Anfang noch nicht ist. In dieser Beziehung ist er ein klassischer Held. Ich habe dann versucht, ihm mitzugeben, dass er sehr viel über sein Handeln und seine Situation nachdenkt. So habe ich versucht, einen Charakter zu erstellen, der einerseits der klassische Held, aber andererseits in seinen Handlungen nicht ganz so sicher ist. Er ist also über den Roman oder besser gesagt über die Trilogie hinweg auf der Suche nach sich selbst, und nach dem Platz, den er in der Welt einnehmen muss. Dadurch wollte ich ihn verletzt und auch ein Stück weit gebrochen darstellen.

Martin:
Die Gruppe, mit der Tharador reist, ist mit einem Zwerg, einem Elf und einer Diebin ebenfalls sehr klassisch besetzt.

Stephan:
Genau, das ist ein Element, das mir persönlich, auch als alter Rollenspieler, sehr gefällt: verschiedene Charaktere und Rassen einzubauen. Um es auf die hochtrabende Schiene zu führen, ist das Buch natürlich ein Aufruf gegen Rassismus! (grinst) Auf der anderen Seite ist es so, dass ich Zwerge sehr mag. Khalldeg ist im ersten Band noch etwas zurückhaltend, und das ändert sich dann im zweiten Band. Über die Trilogie hinweg lege ich den Fokus auf verschiedene Personen, weil ich nicht auf 400 Seiten alle Personen genau charakterisieren wollte. Daher hab ich bewusst im ersten Band den etwas klischeehafteren Zwerg, den man kennt, gewählt, und gebe der ganzen Figur in Band zwei und drei viel mehr Tiefe, die sie auch verdient. Daher ist er jetzt erstmal für die Hiebe verantwortlich. Es macht mir auch beim Schreiben viel mehr Spaß, immer wieder eine andere Person zu betrachten.

Martin:
Aber gerade beim Ork-Häuptling Ul’goth hast du die Klischees vermieden, indem du ihn intelligent gestaltet hast.

Stephan:
Bei den Orks wollte ich bewusst mit dem Klischee des brutalen „Mordvolkes“ brechen und habe sie in ihrer Art der Kultur sehr barbarenähnlich dargestellt. Das Ganze würde dem Leser noch etwas klarer werden, wenn ich die ganze Göttergeschichte preisgeben würde, das mache ich aber noch nicht. Das hebe ich mir auf, denn entweder kommt das am Ende der Trilogie oder vielleicht mache ich am Ende daraus mal was ganz Eigenes, das weiß ich selbst noch nicht genau.

Fakt ist, dass in Kanduras Orks und Barbaren sehr eng zusammengelebt haben und sich daher auch ähnlich sind. Da ich in „Tharador“ auf die Barbaren verzichte, ist das für den Leser aber auch kein Problem. So hat mir das einfach besser gefallen als die Erwartungen zu erfüllen, dass die Orks kommen und die ganze Stadt niedermetzeln. Ich hab mich gefragt: „Was steckt dahinter?“, und habe dann beim Schreiben mehr über die Orks erfahren. Der Fokus rückt auch bei Band zwei und drei ein stückweit von Tharador weg. Er bleibt zwar der Held und die zentrale Figur des Buches, schließlich ist ja alles aus seiner Sicht geschrieben, dennoch rutschen seine Taten und seine Geschichte immer mehr in den Hintergrund. Das hat sich so ergeben. Am Anfang war das nicht so geplant, macht mir aber jetzt sehr viel Spaß. Jeder erwartet ja, dass der Held das Heldenhafte vollbringt, und dann ist es besonders schön, damit zu brechen und den Held vielleicht gar nichts vollbringen zu lassen. Vielleicht erfüllt Tharador ja seine Bestimmung gar nicht (zwinkert). Aber der dritte Band ist ja auch noch nicht fertig. Ich schwanke noch zwischen dem klassischen Heldentod und einem Happy End.

Martin:
Du hast ja vorhin schon die Götter angesprochen. Ich finde, du hast dich für einen interessanten Mix aus germanischer/nordischer und christlicher Mythologie entschieden. Hast du bewusst Elfen und Zwerge mit einem Engel zusammengebracht, oder war das unbewusst?

Stephan:
Vermutlich war das unbewusst, weil es in der Mythologie Dinge gibt, die mich unheimlich faszinieren. Zum einen natürlich die Engelsfigur und zum anderen der Gedanke an ein größeres Pantheon mit mehr als einer Gottheit. Ich bin ein großer Fan der nordischen Mythologie. Gut, exklusiv für |Buchwurm.info| reiße ich jetzt mal die kandurische Götterwelt an:

Es gibt in Kanduras mehrere Entitäten. Den Kontinent Kanduras gab es schon, und er war auch von mehreren Völkern besiedelt, die man so kennt. Dazu kam noch ein weiteres, und zwar die Elementarprinzen. Davon gab es vier: Erde, Feuer, Wasser und Luft. Diese haben mit ihren Armeen die sterblichen Völker unterworfen. Irgendwann, woher, weiß man nicht so genau, kam dann der Göttervater Aurelion, wie er sich später selbst nennen wird, und forderte die Elementare heraus. Das macht er, weil ihm der Kontinent gefällt, und er ihn für sich umgestalten will. Allerdings merkt er, dass er alleine nicht gegen die Elementare ankommt. Er ist zwar mächtiger, aber ihre Zahl ist einfach zu groß. Daraufhin entscheidet er sich, Teile seiner Essenz abzuspalten und Kinder zu zeugen. Das sind dann die Götter, die man in der späteren Welt kennt, die so genannten Kanduri oder auch Lichtkinder. Jeder der Götter wählt sich ein Volk aus, dem er in der Gestalt dieses Volkes erscheint, und dieses dann „adoptiert“, um gegen die Elementare anzukommen und die Unterdrücker zu vernichten. Aurelion wollte aber, dass dabei die sterblichen Völker auch umkommen, damit der Kontinent für ihn schön leer ist. Das wollten dann die Kanduri aber nicht, schließlich sahen sie diese als ihre Kinder an, und standen den Völkern gegen Aurelion bei. Dieser wird besiegt und in die Niederhöllen verbannt, erschafft dann aber noch als Gegenstück zu den Kanduri die Dämonen.

Also sind in der Welt Götter und Dämonen gleichgestellt. Beide sind nicht unbesiegbar, es werden auch einige getötet. Sie sind also sterblich bzw. sie können ihren Avatar, also die Gestalt, die sie angenommen haben, verlieren. Das erfährt man wiederum im Buch, denn dort haben die Götter zu Karandras Zeiten ihre Gestalt verloren und schlafen deswegen. Dazu gibt es neben diesen beiden Mächten immer noch die der Elementare. Diese machen sich die Magier zunutze. Daher stehen sie immer ein wenig abseits der Gesellschaft, weil die Götter eigentlich den Umgang mit Elementarmacht nicht gerne sehen und ihre Kirchen das verbieten. Die Magier glauben auch an die Elemente und den Elementarherrscher, das Tetrament, der alle vier Elemente in sich vereinigt. Ob und wann die in der Trilogie vorkommen werden, verrate ich noch nicht.

Insofern habe ich mich von der nordischen Mythologie inspirieren lassen, weil ich es mag, dass verschieden Aspekte sich verschiedenen Göttern zuordnen lassen. So wird dem Gott der Barbaren Branghor die Macht des Windes zugeordnet, weil er das Windelementar erschlagen und dadurch einen Teil von dessen Macht geraubt hat. Dem Zwergengott ist das Feuer zugeordnet, dem Gott der Orks die Erde und der Göttin der Meerwesen das Wasser. Das ist für die eigentliche Geschichte irrelevant, aber für mich persönlich bei der Entstehung des Buches sehr wichtig.

Martin:
Ein Paladin ist ja eigentlich ein Kirchenkrieger. Wie ist das in deinem Roman?

Stephan:
Bei mir sind Paladine mit der Kirche verwoben, indem sie das Kind eines Engels und eines sterblichen Wesens sind; ob Elf, Ork, Mensch oder Zwerg, ist dabei egal. Tharador ist eben zufälligerweise ein Menschenkind. Durch diese Paladine fließt aufgrund ihrer Herkunft ein nicht unerheblicher Teil himmlischer Macht. Man sieht in Band eins noch nicht das volle Potenzial von Tharador, das habe ich in Band zwei versteckt (lacht), es wird aber auch nicht mehr sehr viel mehr. Seine Kraft wird nicht mehr wirklich stärker, sondern nur besser kontrollierbar. Dabei wollte ich ihn bewusst nicht unsterblich oder zu mächtig zu machen. Ich mag zwar mächtige Helden, aber keine unbesiegbaren oder übermächtigen Helden. Man sollte ja noch mitfiebern können. Dass er jetzt in Band eins nicht abtreten wird, ist klar, aber ab Band zwei könnte man das schon in Betracht ziehen …

Martin:
Wie hast du dir die Welt Kanduras an sich vorgestellt? Der Norden erinnert mich ein wenig an unser Mittelalter und der Süden wirkt mehr orientalisch.

Stephan:
Das stimmt. Zum einen gibt es dieses massive Gebirge, die Todfelsen, das den Kontinent in zwei Teile spaltet. Ursprünglich waren die Menschen eher im Süden angesiedelt, wurden aber dann von den Göttern nach Norden geführt. Dadurch gab es dann Probleme zwischen diesen und den Barbaren und Orks. Die Orks sind also quasi die Ureinwohner des Nordens. Die Eroberer zwingen also die Orks dazu, in die Berge zu gehen. Entwicklungsmäßig ist der Norden dem klassischen Mittelalter sehr ähnlich, mit dem Feudalsystem und dem guten alten Grenzstein.

Im Süden ist die Besiedlung sehr viel dünner, denn es gibt dort maximal zehn Städte. Drei davon sind auf der Karte im ersten Band verzeichnet, wobei Innar eher ein Dorf ist. Ma’vol ist auch keine große Stadt, dort wohnen vielleicht 4.000 Menschen, was ja für mittelalterliche Verhältnisse durchaus noch groß ist. Es haben sich also im Süden Stadtstaaten entwickelt. Surdan ist darunter der größte mit etwa 60.000 bis 80.000 Einwohnern. Das ist das Maximum. Insgesamt leben auf Kanduras etwa drei Millionen denkende Wesen, also Orks, Menschen, Barbaren, Elfen und Zwerge zusammengenommen. Die Goblins sind eine Ausnahme, was die Heergröße angeht, weil sie eben als kämpfende Rasse angelegt sind. Dagegen sind die menschlichen Heere eher klein. Da ist die Truppe in Ma’vol mit ihren 200 Mann schon sehr groß. Große Truppen sind also ausgeschlossen. Ich mag zwar Schlachten, was sicher in meinem Buch gerade bei den Kampfdarstellungen ersichtlich ist, aber ich werde keine 100.000 Soldaten in die Schlacht führen, wenn die Stadt nur 60.000 Einwohner hat.

Martin:
Die Goblins hast du eben bei denkenden Wesen ausgeklammert …

Stephan:
Das war bewusst so. Es gibt gute und böse Völker und die Goblins gehören definitiv auf die Seite des Bösen. Damit gehören sie in die wilde Tiere-Monster-Fraktion und nicht zur denkenden Wesen-Kultur-Fraktion. Und der Gott der Goblins ist schließlich ein Überläufer auf die Seite der Dämonen, die auch Aureliten genannt werden, und hat einen anderen Gott erschlagen …

Martin:
Die Idee mit den Goblins und den Katapulten fand ich sehr amüsant.

Stephan:
Ja da ging’s irgendwie mit mir durch! Ich hab das abends irgendwann geschrieben und dachte mir: „Du hast jetzt diese Goblins und die ziehen in den Krieg. Stellst du sie jetzt als mordende kleine Monster dar, oder machst du sie lustig?“ So muss ich sagen, dass sie schon ein wenig slapstick sind. Das wollte ich aber auch, denn ich wollte nicht nur einfach Wortwitz drin haben. Aber was da passiert, ist ja auch logisch, denn die bekommen eine Technologie zur Verfügung gestellt, die sie nicht kennen und mit der sie eigentlich nichts anfangen können. Wofür brauchst du in den Bergen denn auch ein Katapult? Und dann war das die Antwort auf die Frage „Wie gehen die damit um?“, vor allem, wenn man bedenkt, dass sie nicht die Intelligentesten sind.

Martin:
Was die Goblins damit machen, verraten wir natürlich nicht. Kommen wir zu den Bösewichten: Da hast du mit Xandor den verdorbenen Magier und mit Dergeron einen tragischen Bösewicht vorzuzeigen.

Stephan:
Xandor ist das Klischee des bösen Magiers, das ich bewusst eingesetzt habe, auch mit Gordan, seinem alten Lehrmeister. Das hat mir in dem Moment gut gefallen. Xandor hält sich für mächtiger, als er wirklich ist. Man merkt im Buch, dass ihm die Zustände zunehmend aus den Händen gleiten, er selbst das aber nicht akzeptiert. Alle Szenen, die aus seiner Sichtweise geschrieben sind, geben immer den Ausblick, dass er darauf vertraut, dass seine Macht schon alles richten wird. Ich wurde neulich gefragt, ob er wiederkommt, aber … mal sehen.

Die Figur des Dergeron hat mich ungleich mehr fasziniert, weil sie eben diesen tragischen Heldenaspekt hat. Er könnte beinahe ein Held, könnte fast der Gute sein. Aber er wird eben zunehmend verrückter, und gerade in Band zwei liegt der Fokus sehr viel mehr auf Dergeron, der ja bisher nur Xandors Handlanger war. Man wird mehr über ihn erfahren und er wird möglicherweise dem Leser sympathischer werden. Daher ist die Figur deutlich interessanter. Xandor hat als Gegenstück Gordan und Dergeron hat Tharador als Gegenstück. Daher ist Dergeron die interessantere Figur und Xandor ein wiederbelebtes Klischee.

Wenn ich Klischees verwende, dann deswegen, weil ich sie mag und weil es die Literatur war, die ich als Junge in den späten 80ern und Mitte der 90er gelesen habe, wie etwa Salvatore. Da strotzt es von diesen Klischees, aber das gefiel mir einfach. Klar kann ich als Autor mit jeder Erwartung brechen, aber ich fand, es müsse nicht sein. Ich muss nicht jede Figur krampfhaft fern von allen Klischees anlegen, nur damit ich es getan habe. Ich wollte eine neue Geschichte schaffen, und das, denke ich, ist mir gelungen. Wenn man diese dann mit erzählerischen Mitteln aufpeppt, wie ich es bei den Orks oder bei Tharador tat, dann hat das durchaus seine Daseinsberechtigung.

Martin:
Ich hörte, dass du „Tharador“ schon seit Jahren geplant hast, und es dein Traum war, das Buch zu veröffentlichen. Wie kam es damals zu der Idee zu diesem Buch?

Stephan:
Ich wurde, als ich zwölf Jahre alt war, auf das Rollenspiel [„Das schwarze Auge“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?idbook=2110 (DSA, die Red.) aufmerksam. Dann ging es los und die Gruppe entstand. Ich war von Beginn an Spielleiter und es gab immer Regeln oder Dinge, die mich gestört haben, und so entwickelte ich den Ehrgeiz, ein eigenes Rollenspiel zu entwickeln. Ich war schon immer verrückt nach „Sword & Sorcery“ und Drachen, Mittelalter etc. Also habe ich versucht, ein eigenes Rollenspiel mit dem Namen „Kanduras“ zu entwerfen, mit der Landkarte die es zu 80 Prozent in das Buch geschafft hat (also nicht größenmäßig, sondern vom Aussehen her). Dann überlegte ich mir, welche Rassen dort leben sollen.

Als nächstes hab ich für DSA eine Kampagne entwickelt, in der es um einen Krieg mit Orks ging. Nach dem Abi zerbrach aber unsere Rollenspielgruppe. Ich habe drei Jahre daran gearbeitet, und war dementsprechend enttäuscht. Dann dachte ich mir: Regeln für deine Welt haste keine, aber eine Geschichte. Dann hab ich die Geschichte nach Kanduras verlegt und abgeändert. Zum Anfang war zum Beispiel der Orkkönig noch der Bösewicht und nicht Xandor oder Dergeron. So bin ich auch an die ersten Zeilen von Band eins rangegangen, bis ich dann bei der ersten Szene mit Ul’goth merkte, dass dieser mehr Potenzial hatte, um tiefer zu gehen. Insofern wurde dann aus der ursprünglichen Kampagne die Romanidee geboren.

Im Prinzip hab ich an der Idee als summa summarum acht Jahre gearbeitet. Denkleistung insgesamt für die Welt sicherlich schon über zehn – die Grenzen verschwimmen und ich werde nicht jünger. Darunter gibt es aber neben den drei Bänden auch noch andere Geschichten. Es muss also danach nicht fertig sein, wenn der Leser das will. 2001 hab ich neben der Ausbildung angefangen, den ersten Band zu schreiben, und hab dafür ewig gebraucht, nämlich über zwei Jahre. Das merkte man ihm dann auch an, denn ich hatte mich sprachlich und vom Schreibstil her über die zwei Jahre entwickelt und habe dann im letzten Jahr die erste Hälfte noch einmal komplett überarbeitet. Der zweite Band ging dann sehr viel schneller.

Es war eigentlich immer mein Traum, das Material zu veröffentlichen. Ich hatte nie den Gedanken, nur für mich zu schreiben. Ich wollte aber natürlich auch nicht nur für andere schreiben, sondern so, wie ich die Geschichte haben wollte. Ich lese das Buch jetzt gerade zum zehnten Mal, um Stellen für die Lesungen rauszusuchen, und klar, man ärgert sich über Wortwiederholungen und dergleichen, aber vom Grundtenor her muss ich sagen: Mir gefällt meine Geschichte immer noch, und ich kann’s selbst auch noch lesen. Als ich dann 2004 fertig war, habe ich zwei Anfragen an große Verlage geschickt, mit einem im Nachhinein betrachtet unglaublich schlechten Abschnitt. Es war die Urfassung der Einbruchsszene von Calissa. Die war weder lektoriert noch korrigiert, also eine totale Rohfassung. Ich war total davon überzeugt, dass die Stelle super ist. Natürlich hat das so nicht geklappt. Danach war ich dann dementsprechend frustriert und hab dann angefangen zu studieren und das erstmal liegen lassen. Zwei Jahre später habe ich dann einen neuen Versuch gewagt, aber sehr viel besser vorbereitet, sprich komplett überarbeitet. Also habe ich die Anfrage an den |Otherworld|-Verlag geschickt und konnte mit der Gesamtidee überzeugen.

Martin:
Der |Otherworld|-Verlag kommt ja aus Österreich und du warst der erste deutsche Autor unter Vertrag bei diesem Verlag. Was bedeutet dir das?

Stephan:
Das war schon toll. Ich war auch ein wenig eifersüchtig, als sie mit Frank Schweizer den zweiten deutschen Autor aufgenommen und dessen Buch „Grendl“ noch vor meinem rausgebracht haben. (lacht) Ich hab „Grendl“ leider noch nicht gelesen, aber ich hab den Frank jetzt auch kennen gelernt, und das ist so ein netter Kerl, dass ich ihm da nicht böse sein kann. So oder so haben wir deutschsprachigen Autoren – Katja Brandis und Robin Gates sind ja auch noch dabei – eine Sonderstellung. Das war für den Verlag und für mich toll, weil der Verlag mit englischsprachigen Autoren viel schlechter Werbung machen kann als mit deutschen, denn die englischen kann man zum Beispiel nicht auf Lesungen gehen lassen. Der Kontakt zum Verlag ist toll und die Zusammenarbeit ist sehr eng. Bei einem kleinen Verlag hast du als Autor auch viel mehr Verantwortung als bei einem großen, denn ein großer Verlag kann sich einen Flop erlauben, aber bei einem kleinen Verlag hängt ein Mittelständischer Betrieb an deinem Schaffen. Das ist dann eine zusätzliche Verpflichtung.

Martin:
Man merkt auch beim Cover, dass dort sehr viel Wert auf die Details gelegt wurde. Wie ist die „Coverfindung“ abgelaufen?

Stephan:
Ich durfte Vorschläge machen und Coverversionen einreichen. Der Verlag hat dann eine ausgewählt. Zu meiner großen Freude haben sie gerade die ausgesucht, die auch mir am besten gefallen hat. Der Vorschlag wurde zwar noch geringfügig verändert, aber im Endeffekt ist das Cover so geworden, wie ich es mir von Beginn an erträumt hatte. Der Zeichner Jan Balaz hat da wundervolle Arbeit geleistet. Gerade wenn man nahe an das Buch rangeht, erkennt man die Details noch haarscharf. Bei den weiteren Covern wird man auch eine Einheitlichkeit erkennen können, obwohl die Motive verschieden sein werden.

Martin:
Auf deiner Homepage hast du schon ein neues Projekt angekündigt. Worum handelt es sich dabei?

Stephan:
Dazu kann ich noch nichts sagen. Nur so viel: Es wird ein Mix aus „High Fantasy“ und „Sword & Sorcery“ sein und „Lichtweber“ heißen. Mehr darf ich aber noch nicht verraten.

Martin:
In deinem Weblog habe ich gelesen, dass du deine eigenen Exemplare des Buches signiert hast. Was hast du denn da reingeschrieben, und warum?

Stephan:
Jetzt ist es raus, ich bin einfach selbstverliebt! (lacht) Nein, ich habe zwei Exemplare für mich. Eines steht im Schrank und wird nie wieder angefasst und das andere präpariere ich für die Lesung. Ich hab da so einen Tick, dass die Bücher im Regal völlig ungelesen aussehen müssen, da bin ich sehr pingelig. Wenn du dir mein Bücherregal anschaust, sehen alle Bücher ungelesen aus, es sei denn, mein Vater hatte sie sich ausgeliehen (lacht). Das ist schon fast zwanghaft, und wenn ich so darüber rede, fängt es mich gerade an zu jucken. Die beiden hab ich deswegen für mich signiert, weil ich ja hoffe, möglichst lange zu leben, und ich befürchte, dass mir der Moment, als ich die Bücher das erste Mal in der Hand hatte, verloren gehen könnte. Das war ein so erhebendes Gefühl, an das ich mich auch noch in 30 Jahren erinnern möchte.

Martin:
Um noch einmal zu „Tharador“ zurückzukommen: Gerade beim Berserkerzwerg ist mir eine gewisse Ähnlichkeit zu „Warhammer“ aufgefallen. Was für Rollenspiele spielst du denn noch, und könntest du dir vorstellen, mal etwas in diesem Sektor zu machen?

Stephan:
Ich habe DSA gespielt, und momentan spiele ich das „Warhammer“-Rollenspiel, außerdem habe ich online „World of Warcraft“ gespielt und das „Warhammer“-Tabletop (das ist ein Strategiespiel, Anm. d. Red.). Sicherlich hat mich das beeinflusst, und da gibt es auch Ähnlichkeiten, das gebe ich zu. Ob ich selber was im Rollenspielsektor mache, ist schwer zu sagen. Ich bin natürlich offen für alles. Ich habe momentan erste Schritte unternommen, doch eigene Regeln für „Kanduras“ zu entwickeln, eine Rollenspielumsetzung wäre also theoretisch möglich. Schlecht wäre es nicht, aber das alleine zu stemmen, traue ich mir nicht zu, weil mein Hauptaugenmerk klar auf dem Romaneschreiben liegt. Wenn aber ein Verlag etwas machen möchte, bin ich dafür sehr offen.

Martin:
Und wie sieht es damit aus, für etablierte Rollenspiele wie „DSA“ oder eben „Warhammer“ Romane zu schreiben?

Stephan:
Das ist natürlich schwierig. Man bewegt sich in einer Welt, die völlig vorgegeben ist und die eigene Geschichte kann nicht unbedingt den zeitlichen Ablauf der ganzen Welt beeinflussen. Sich in einer festgelegten Welt zu bewegen, hat aber auch Vorteile. Der Hintergrund steht bereits und ist bereit, beschrieben zu werden. Prinzipiell hätte ich da schon Interesse dran; wenn mich ein entsprechendes Projekt reizt, dann gerne. Dasselbe gilt für Computerspiele.

Martin:
Am 5. Oktober hast du deine erste eigene Lesung. Wie bereitest du dich darauf vor?

Stephan:
Bei der Auswahl der Texte habe ich mir ein wenig Hilfe bei [Christoph Hardebusch]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=75 geholt. Er lebt ja wie ich in Heidelberg und wir haben die gleiche Agentur. Dann habe ich ihn gefragt, wie er seine Stellen für Lesungen auswählt. Ich versuche, das Buch in einer Stunde in seiner Gesamtheit dem Zuhörer näher zu bringen. Ich möchte etwas lesen, das ein wenig actionreicher ist, eine ruhigere Stelle und auf jeden Fall etwas mit den Goblins (lacht). Die sind fest! Man wird bei der Lesung erfahren, was sie mit den Katapulten machen (schmunzelt). Tharador, Dergeron und Ul’goth werden wohl ebenfalls dabei sein. Ich hoffe, dass mir es gelingt, einen Überblick über meinen Schreibstil zu geben, ohne das Buch komplett zu verraten. Der Zuhörer soll mit einer Vorstellung aus dem Saal kommen, wie der Herr Bellem schreibt und ob ihm das gefällt oder nicht.

Martin:
Mir ist aufgefallen, dass mit dir und Christoph Hardebusch relativ kurz nacheinander zwei Fantsyautoren aus Heidelberg debütieren …

Stephan:
Stimmt, hier muss irgendwo ein Nest sein (lacht).

Martin:
Was denkst du, liegt das am Flair der Studentenstadt oder an der guten Luft?

Stephan:
Vielleicht war Heidelberg in den letzten Jahren einfach unterbesetzt. Ich weiß es nicht. Vielleicht zieht aber auch die Uni die Leute an. Ich glaube aber, das ist einfach Zufall. Christoph ist ja auch nur zugezogen.

Martin:
So, dann habe ich dich jetzt genug gelöchert. Vielen Dank für dieses sehr ausführliche Interview. Jetzt hast du traditionell noch die Möglichkeit, das Wort an unsere Leser zu richten.

Stephan:
Erstmal vielen Dank für das nette und entspannte Interview. Hat mir sehr gefallen.
Letzte Worte an meine Leser: Hände weg von Online-Rollenspielen, die fressen eure Lebenszeit!

www.srbellem.de
www.otherworldverlag.com

Rezension zu „Tharador“: http://buchwurm.org/Bellem-Stephan-R-Tharador-Die-Chroniken-des-Paladins-1-14975