Nach dem großen Erfolg der Saga „Düsterer Ruhm“ legt der amerikanische Bestsellerautor Michael Stackpole mit „Das verlorene Land“ den furiosen Auftakt zu einem neuen phantastischen Abenteuer vor: Die alte Welt ist in der Dunkelheit versunken und ein neues Zeitalter bricht an. Eine Gruppe tapferer Gefährten stellt sich den Gefahren dieser unerforschten Welt, und macht eine unglaubliche Entdeckung. Vor siebenhundert Jahren erschütterte ein gewaltiger Kataklysmus die Welt – wilde Magie brach sich Bahn und veränderte das Angesicht des Globus.
Nur langsam erholen sich die Neun Dynastien des alten Imperiums von den Folgen, und eine Schlüsselrolle spielt dabei das Haus Anturasi, die Kartografen des Dynasten von Nalenyr. Unter dem Zwang, sein Handelsreich auszuweiten, um sich gegen die Bedrohungen kriegerischer Nachbarn und Neider im eigenen Lager zu schützen, treibt Prinzdynast Cyron die Familie Anturasi an, die Welt neu zu vermessen. Und so schickt Qiro Anturasi, der tyrannische Patriarch der Sippe, seine Enkel – den Abenteurer Jorim und den Gelehrten Keles – auf eine Reise ins Unbekannte. Ein einmaliges Lesevergnügen insbesondere für alle Fans der „Warhammer“-Serie. (Verlagsinfo) Michael A. Stackpole – Das verlorene Land (Saga der neuen Welt 1) weiterlesen →
Unglaublich, aber wahr: Das Merchandising boomt, und die Firma, welche die Initialzündung gab, geht Pleite. Die Rede ist von der FASA Corporation. Diese hatte im Rollenspiel-/Brettspielbereich große Erfolge, Shadowrun und BattleTech sind in Deutschland und weltweit erfolgreiche und bekannte Serien. BattleTech brachte es auch im Computerspielbereich zu einigem Ruhm: Die beliebte MechWarrior-Serie wurde erst von Activision und später Microsoft vertrieben, sogar im Konsolenbereich wurden die Stahlkolosse dieser Serie in die Schlacht geschickt.
Für mich persönlich, der nur die Computerspiele und die Romanserie kannte, waren die Bücher allerdings das Größte: Einigen Autoren, allen voran Michael Stackpole, gelang es, dem tumben Gekloppe meterhoher, schwer bewaffneter Kampfmaschinen mit Pilot (den BattleMechs) ein zeitweise überdurchschnittlich hohes literarisches Niveau zu geben, und so dem ganzen zugehörigen BattleTech-Universum Esprit und Leben einzuhauchen.
Leider verspekulierte FASA sich, 2001 musste die Firma die Rechte an „BattleTech“ an WizKids abtreten – davor sprangen schon zahlreiche der besten Autoren, u.a. Stackpole, ab und das Niveau litt am Ende teilweise erheblich. Vom Glanz der Highlights wie Stackpoles „Blut der Kerensky“-Trilogie oder der Saga der „Gray Death Legion“ zurück ins Mittelmaß.
WizKids machte einen recht radikalen Schnitt: Man startete die neue Serie „Dark Age“, die in einer apokalyptischen Zeit spielt, in der die alten Strukturen der bekannten BattleTech-Romane nicht mehr existieren. Wo einst Mech-Regimenter aufeinander losgingen und Söldnereinheiten von Planet zu Planet zogen, klopfen sich nun umgebaute Agro-Mechs mit veralteter Hardware und wahre BattleMechs sind zur Seltenheit geworden.
Die Regelwerke für das TableTop wurden verfeinert, und man konnte für die Wiederauferstehung BattleTechs namhafte Autoren gewinnen: Michael Stackpole ist wieder dabei, ebenso Loren Coleman. Die Einführung in das neue „Dunkle Zeitalter“ überließ man dem Liebling der Fans, Michael Stackpole – der Einstiegsroman „Geisterkrieg“ kam allerdings bei vielen Fans nicht so gut an wie erhofft…
Anstelle einer Inhaltsangabe des ersten Bandes gebe ich das Szenario wieder, das vorgestellt wird – und verzichte darauf, einige Überraschungen zu verraten:
Die Innere Sphäre hat es geschafft: Nach dem Ende des Bürgerkriegs haben Extremisten von Blake’s Wort die Hyperpuls-Generatoren ComStars sabotiert, die galaxisweite Kommunikation brach zusammen und es kam zu einer Katastrophe, die dem Endes des damaligen Sternenbundes nicht unähnlich war: Das Lyranische Commonwealth, die Liga Freier Welten, nicht einmal die Konföderation Capella noch das Draconis-Kombinat existieren noch in ihrer alten Form.
Erneut hat sich die Menschheit fast in die Steinzeit zurückgebombt. Lokale Warlords rissen die Macht an sich, die einzige größere Macht ist die Republik der Inneren Sphäre, die mit ihren „Rittern“ streng darüber wacht, dass niemand zu viele BattleMechs um sich schart und selbst mit ihren oft eher als Undercover-Agenten arbeitenden Mechkriegern versucht, die überall aufflammenden Krisenherde unter Kontrolle zu halten.
Einer dieser inoffiziellen Phantomritter ist Sam Donelly. Er merkt bald, dass hinter terroristischen Anschlägen auf einer eher unbedeutenden Welt gezielte Beeinflussung von außen steckt: Der große Unbekannte agiert mit seinen Untergebenen wie mit Bauern in einem Schachspiel, in dem ganze Welten ihm für ein Bauernopfer nicht zu schade sind.
Sam ist der Einzige, der neben dem greisen und in Ehren ergrauten Victor Davion die schwer erkennbaren Zusammenhänge hinter diesen Scharmützeln sieht. Infiltration und klassische Doppelagententätigkeit sind hier mehr gefragt als die Schießkünste der offiziell agierenden Ritterin Janella Lakewood, die mit ihren Mechkriegern und Sam den offiziellen Auftrag der Republik erhält, dieser mysteriösen Bedrohung ein Ende zu setzen.
Mein Eindruck
Soweit, so gut. Oder sagen wir gleich: So schlecht. Obwohl Michael Stackpole das klassische BattleTech-Universum zu dem gemacht hat, was es ist, gefällt mir seine neue Idee ganz und gar nicht.
Sicherlich ist es nicht verkehrt, ganze BattleMech-Heere durch den interessanteren und persönlicheren Kampf weniger Mechs gegeneinander zu ersetzen, aber leider gibt es in diesem Buch ziemlich exakt nur ein einziges, wenig berauschendes Scharmützel. Stattdessen wird Sam auf haarsträubende Weise in eine Terrororganisation eingeschleust, die Stackpoles Variante des „gemäßigten Terrorismus“ praktiziert, der die lokale Regierung diskreditieren soll, damit der neue Machthaber als der kompetente Retter erscheinen und die ganze Welt einsacken kann.
Die Vorgeschichte dieser kaputten Welt wird, für Stackpole untypisch, kaum erzählt, und wenn, dann als lieblose und oberflächliche Litanei. Statt dessen lamentiert er zu Beginn des Buches über einen Vorwurf, er würde anspruchslose Literatur schreiben, den er recht aufdringlich auf unpassende Weise der Hauptperson in den Mund legt – und bestätigt ihn damit in gewisser Weise. Auch die ominöse Macht im Hintergrund wird nur in Nebensätzen erkennbar, man muss wohl weitere Bände abwarten. Sam kann keinen Charakter entwickeln – der alte Victor Davion muss als Repräsentant der guten, alten Zeit als Rentner reaktiviert werden. Furchtbar!
Schlimmer ist, dass die „Ritter“ wie eine Jedi-Ritter-Kopie daherkommen und quasi einen ominösen Osama jagen, während die sowieso schon am Boden liegende Welt von Terrorismus noch mehr gebeutelt wird. Für fremdartige Kulturen wie die Clans, oder das japanisch angehauchte Draconis-Kombinat, blieb in dieser US-amerikanischen Endzeitwelt kein Platz.
Logische Ungereimtheiten und die blassen Charaktere – ich musste erst einmal den Nachnamen der Hauptperson nachschlagen! – geben dem Buch den Todesstoß. Zumal BattleTech-Fans wohl erwarten dürfen, dass sie, wenn sie BattleTech lesen wollen, auch BattleTech geliefert bekommen, und nicht minderwertige Agenten-Thriller. Hier hat Stackpole ein Eigentor geschossen – in diesem Genre ist er kein Meister, hier sollte er die Bühne anderen überlassen.
Fazit:
Interesse geweckt hat das Buch nicht gerade. Entsetzen hervorgerufen, das schon eher. Auch die gewohnt gute Übersetzung von Reinhold H. Mai kann da nichts mehr retten. Infos über das neue Szenario findet man eher im Internet als im Einstiegsband, der einen wahrlich ein „Dunkles Zeitalter“ befürchten lässt. Keine Reanimation, eher eine Leichenschändung einer ehemals erfolgreichen Merchandise.
„Classic“ BattleTech erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit; wie es im TableTop-Bereich aussieht, möchte ich nicht beurteilen, den Erfolg und positiven Einfluss, den die alten BattleTech-Romane auf die ganze Serie hatten, wird man nach diesem fehlgeschlagenen Einstand und dem fast besser zu Shadowrun passenden Szenario nicht mehr erwarten können. Mein Tipp: Lieber die alten BattleTech-Romane komplett sammeln – unterhaltsamer und ein potenzieller Kandidat für hohe Preise im Antiquariat in fünf bis zehn Jahren.
Taschenbuch: 432 Seiten
ISBN-13: 9783453875302
Homepage von Michael Stackpole: http://www.stormwolf.com/
(inklusive interessanter Diskussion über das neue Szenario)
Auf der Erde des 22. Jahrhunderts gerät die politische Lage zunehmend außer Kontrolle. Der Konflikt zwischen den Religionen droht zu einem Weltkrieg zu werden. Da fehlt es gerade noch, dass ein mit gentechnischen Mitteln erschaffener Supersoldat aus dem Gefängnis ausbricht und dem Kopfgeldjäger Carl Marsalis die Aufgabe zufällt, ihn wieder einzufangen. Denn dieser flüchtige Soldat trägt Informationen in sich, die die Zukunft der Menschheit entscheidend verändern werden. (Verlagsinfo)
Handlung
Anfang des 22. Jahrhunderts ist die Welt ein brodelnder Hexenkessel unter enormen Druck. Religiöse Spannungen und kulturelle Konflikte schaffen immer neue Krisenherde, in denen Megakonzerne und kriminelle Kartelle, wobei man diese fast nicht mehr voneinander trennen kann, sich Schlachten mit den schwachen Regierungen liefern. Die Vereinigten Staaten von Amerika gibt es nicht mehr, die Union ist zersplittert in das christlich-fundamentalistische Jesusland und zahlreiche kleinere Staaten. In diese Zeit fällt jedoch auch die beginnende Kolonisierung des Mars, liberalere Staaten beginnen mit Forschungen zur Veränderung des menschlichen Genoms, die neue, spezialisierte Menschenrassen hervorbringen soll.
Drei Varianten erwiesen sich als besonders erfolgreich. Die erste stellen die für die Raumfahrt gezüchteten |Hibernoiden| dar, Menschen die in Wachphasen enorm leistungsfähig und ausdauernd sind und kryogenischen Tiefschlaf besonders gut vertragen, allerdings auch unter planetaren Bedingungen nicht auf regelmäßige Tiefschlafphasen zur Regeneration verzichten können. Die zweite sind die |Bonobos| (benannt nach einer recht friedlichen und sexuell sehr aktiven Schimpansenart), ausschließlich weibliche Wesen, die zierlich, unterwürfig und sexuell hyperaktiv sind, der feuchte Traum des Patriarchats, quasi zur Prostitution gezüchtet.
Die dritte Variante, die sich durchsetzen konnte, ist das unter der Unglücksnummer als |Variante Dreizehn| bekannt gewordene absolute Gegenteil der Bonobos. Um den Supersoldaten und Gesetzeshüter der Zukunft zu schaffen, hoch gewachsen, zäh und gewalttätig und mit natürlicher Autorität versehen, wurde sie als das Epitom der Männlichkeit selbst entwickelt. Doch die aufgerüsteten Alpha-Männchen mit Charakterzügen der Jäger-und-Sammler-Zeit passen nicht in diese Welt, und noch viel weniger lassen sie sich kontrollieren, dazu sind sie viel zu egoistisch und eigensinnig.
Im Jahr 2091 wird nach dem so genannten Jacobsen-Report die Schaffung weiterer Varianten gesetzlich streng reglementiert, alle bisherigen werden als Fehlschlag eingestuft. Bei Variante Dreizehn geht man noch einen Schritt weiter: Sie werden als Gefährdung des Staats und der Öffentlichkeit klassifiziert und lebenslänglich zwangsinterniert, wogegen die Dreizehner rebellieren. Viele versuchen in entlegenen Gebieten der Erde unterzutauchen, einige auf der gerade terraformten Marskolonie, die ein hartes, aber freies Leben ermöglicht.
Einige wenige arbeiten für Konzerne, die sich ihre besonderen Fähigkeiten nützlich machen und ihnen Ausnahmelizenzen erteilen. So auch Carl Marsalis, der als Kopfgeldjäger für |COLIN| (|COL|onial |IN|itiative) vom Mars zurückgekehrt ist, um auf der Erde perfiderweise andere seiner Art zu jagen.
Der Absturz eines vom Mars heimkehrenden COLIN-Raumschiffs beschert Carl einen besonders heiklen Fall: Der Absturz wurde bewusst inszeniert. Ein Besatzungsmitglied ist zu früh aufgewacht und hat sich während des monatelangen Rücksturzes zur Erde kannibalisch von den Körperteilen der anderen ernährt. Der öffentliche Zorn kocht über, als man den Täter anhand von Spuren als Dreizehner identifizieren kann. Gemeinsam mit der Polizistin Sevgi Ertekin macht sich Marsalis auf die Spur des Täters, der scheinbar wahllos unter neuer Identität lebende Personen tötet. Carl vermutet einen Zusammenhang und macht sich auf die Jagd auf den Dreizehner und seine Hintermänner.
Der Autor
Richard K. Morgan wurde 1965 in Norwich geboren. Er studierte Englisch und Geschichte in Cambridge und arbeitete danach mehrere Jahre als Englischlehrer im Ausland. Nachdem seinem Roman [„Das Unsterblichkeitsprogramm“ 464 2002 internationaler Erfolg beschieden war – unter anderem wurde er mit dem |Philip K. Dick Award| prämiert -, arbeitet er professionell als freier Schriftsteller.
Variante Marsalis
Gemessen an seinem „Kollegen“ und Vorgänger Takeshi Kovacs aus dem „Unsterblichkeitsprogramm“ ist Carl Marsalis leider nur ein unterbelichtetes Abziehbild desselben. Beide stellen harte Typen in einer durchgehend düsteren und egoistischen Zukunft dar, in der Ausbeutung an der Tagesordnung ist. Eine Dystopie, die bei Morgan bereits zum Grundschema gehört. Ich möchte hierzu Morgan aus einem ursprünglich im Jahr 2002 bei SlateMagazine.co.uk veröffentlichten Interview (die Seite ist leider nicht mehr online, das komplette Interview kann man dennoch hier http://www.saxonbullock.com/richardmorganinterview.htm auf Saxonbullock.com lesen) zitieren:
„Society is, always has been and always will be, a structure for the exploitation and oppression of the majority through systems of political force dictated by an élite, enforced by thugs, uniformed or not, and upheld by a willful ignorance and stupidity on the part of the very majority whom the system oppresses.“
Doch während Kovacs sich in drei Romanen weiterentwickelte, entwickelt Marsalis nicht einmal eine eigene Persönlichkeit. Er ist recht lieblos aus Versatzstücken von Kovacs entwickelt und predigt anstelle einer persönlichen Sicht der Dinge à la Kovacs recht dozierend die Ideologie herunter, die in Morgans 22. Jahrhundert Programm geworden ist: Der Mensch ist Sklave seiner Gene.
Die Rahmenhandlung um den mordenden kannibalischen Dreizehner, der ein wenig an einen Blade-Runner-Verschnitt erinnert, gemischt mit ein bisschen Hannibal Lecter, dient nur als Vehikel, um eine recht einseitige und Morgans bewusst überspitzte Sichtweise der Dinge in die Köpfe der Leser zu hämmern. Zuerst hielt ich dies für bewusste Provokation, die den Leser zur Reflexion anregen soll. Leider entfernt er sich hier von den hohen Maßstäben, die Dick und zahlreiche andere Autoren gesetzt haben. Denn Morgan vereinfacht und doziert viel zu sehr, legt allen Charakteren mehr oder minder dieselbe Sicht der Dinge in den Mund, anstatt diese elegant aus der Handlung zu entwickeln, die Morgan-typisch actionreich und brutal ist, diesmal jedoch leider fast schon aus Gewohnheit und zum reinen Selbstzweck.
Die katholische Kirche und der christliche Glaube waren Morgan schon in den Vorgängern ein Gräuel, und mit „Jesusland“ charakterisiert er sie auch in diesem Roman negativ. Das Vorwort von „Skorpion“ ist Morgans verstorbener Mutter Margaret gewidmet und zeigt den in meinen Augen unbekömmlich überzogenen Eifer, mit dem Morgan selbst in diesem Roman geradezu predigt, was er vorher nicht getan hat:
„Diese Buch widme ich der Erinnerung an meine Mutter MARGARET ANN MORGAN[,] die mich rigoros den Hass auf jegliche Bigotterie, Grausamkeit und Ungerechtigkeit lehrte und mir darüber hinaus beibrachte, alles Scheinheilige zu verachten, das wegschaut oder sich mit Ausreden tröstet, wenn jene Übel uns näher auf die Pelle rücken, als uns lieb ist. Ich vermisse dich!“
An die Stelle von Reflexion über überspitzte Sachverhalte rückt hier Indoktrination, die leider genauso einseitig daherkommt. Morgan diskutiert die Frage, inwieweit menschliches Sozialverhalten durch genetische Prädisposition bestimmt ist, nicht, er geht davon aus, dass dem so ist. Demzufolge verhalten sich und denken alle Charaktere auch in diesen Stereotypen. Sevgi Ertekin kann einem Dreizehner einfach nicht widerstehen, sie muss mit diesem Ausbund an männlich konnotierten Attributen einfach ins Bett. Carl wusste, dass er sich bei einem Informationsaustausch mit einem anderen Dreizehner prügeln würde, und der andere Dreizehner wusste es auch – denn sie wissen, sie können einfach nicht anders. Gelegentlich kann Carl sich dann paradoxerweise trotzdem beherrschen. Dieser Konflikt wird von der Polizistin Rovayo thematisiert, die Carl auf S. 522 darauf anspricht:
„Du weißt, wie es sich anfühlt, Marsalis? Überprüfst beständig deine Handlungen an irgendeiner Theorie, wie du dich eigentlich verhalten solltest? Fragst dich jeden Tag bei der Arbeit, jedes Mal, wenn du einen Kompromiss eingehst, jedes Mal, wenn du einen männlichen Kollegen unterstützt, jedes mal fragst du dich, ob da dein Gencode spricht?“
Weiter und tiefer gehend wird darauf jedoch nie eingegangen. Als Grundlage des Romans diente Morgan laut eigener Aussage ein Buch von Steven Pinker, einem Psychologieprofessor des Massachusetts Institute of Technology (MIT), |The Blank Slate: The Modern Denial of Human Nature|. Pinker verwirft die Annahme der Tabula Rasa, dem völlig unbeeinflussten Bewusstsein, sondern gibt dem Einfluss der Gene und der Evolution mehr Bedeutung für das menschliche Verhalten. Er steht damit im Gegensatz zu Judith Butler, die Gender/Geschlechter bzw. Geschlechterrollen und -verständnis fast vollständig als gesellschaftliches Konstrukt ansieht. Doch selbst Pinker misst sozialen Einflüssen größere Bedeutung als Morgan bei, der den Menschen zum Sklaven seiner Gene und der Evolution erklärt.
Die Gesellschaft in „Skorpion“ wird von ihren Vertretern selbst als Produkt einer Evolution angesehen, die eine „feminisierte“ Gesellschaft hervorgebracht hat, aus ansässigen Ackerbauern, in der die aggressiven Selbstbehauptungstriebe der Dreizehner, dem ursprünglichen Jäger-und-Sammler-Typus, fehl am Platze sind. Die von den Dreizehnern als „Wiederkäuer“ bezeichneten Normalos richten ihren Hass und ihre Furcht auf sie und rotten sie gezielt aus. Jeff Norton beschreibt dies auf den Seiten 145-146 wie folgt:
„Tom, die Dreizehner sind die einzige genetische Variante, die Jacobsen für gefährlich genug hielt, ihr die grundlegenden Menschenrechte abzusprechen. Es gibt einen Grund, weshalb diese Burschen eingesperrt oder auf den Mars verbannt sind. Es gibt einen Grund, warum sie sich nicht fortpflanzen dürfen. Du redest von einem Menschentypus, den dieser Planet seit zwanzigtausend Jahren nicht mehr gesehen hat. Sie sind von Grund auf paranoid und psychotisch, von Kindesbeinen an zusammengeschweißt durch militärische Konditionierung und nicht viel mehr. Sehr gerissen, sehr zäh und nicht interessiert an etwas anderem als daran, was sie haben wollen, ungeachtet des Schadens oder der Kosten.“ […]
„Amerika hat sich über einer Vision dessen gespalten, was Stärke ist. Männliche Kraft versus weiblichem Verhandlungsgeschick. Macht gegen Wissen, Dominanz gegen Toleranz, Einfachheit gegen Komplexität. Glaube, Flagge, und patriotische Lieder gegen die Neue Mathematik, die, seien wir mal ehrlich, niemand außer den Quantenspezialisten wirklich versteht. Kooperationstheorie und die neue internationale Ordnung. Und bis zum Projekt Gesetzeshüter zeigt jeder Faktor auf dem Tisch auf eine Zukunft, die so feminisiert ist, dass sie schlichtweg un-amerikanisch ist.“
Zur Übersetzung
Die Übersetzungsarbeit erledigte diesmal Alfons Winkelmann, nach Karsten Singelmann und Bernhard Kempen, der alle Kovacs-Romane übersetzte, der dritte Morgan-Übersetzer. An der Qualität der Übersetzung gibt es jedoch nichts auszusetzen; er hat den schnörkellosen und direkten Stil Morgans gut eingefangen und übersetzt, mir fielen keine Unterschiede zu Bernhard Kempen auf.
Fazit
Morgan bleibt seiner Vorliebe für düstere Dystopien treu, diesmal jedoch mutiert er zum nervenden Prediger. Anstatt aufzuzeigen und erleben zu lassen, lässt er seine Charaktere unpassend philosophieren und dozieren. Dabei kratzt er viele Klischees nur an der Oberfläche, der Rassenkonflikt zwischen Schwarzen und Weißen sowie islamischer Kultur und westlicher Welt wird neben dem beherrschenden extrem einseitig übersteigert betrachteten Thema der Macht der Gene auf das Bewusstsein zwar angesprochen, aber nur ganz am Rande zusätzlich noch in den Brei gemischt. Genauso die Hibernoiden und Bonobos oder der Mars, wobei zumindest die zu reinen Sexmaschinen degradierten und ziemlich fies nach den gleichnamigen Schimpansen benannten Bonobos etwas mehr Aufmerksamkeit verdient hätten.
Die Rahmenhandlung verkommt zur Bedeutungslosigkeit aus sinnentleerter Gewalt und Sex. Was ist aus Morgan geworden? Mit seinen früheren Werken um Takeshi Kovacs hat „Skorpion“ nicht mehr viel gemein, nach der langen Pause, in der Morgan nach eigenen Angaben den Tod seiner Mutter verarbeitete, hatte ich mehr erwartet.
Ein unterdurchschnittlicher Thriller, gemischt mit einem seichten Diskurs über „Gender, Gene & Evolution“ ist dabei herausgekommen, dem es an Zwischentönen fehlt. Knallhart auftrumpfende Brutalo-Action und austauschbare Charaktere, aus denen Morgan seine Erkenntnisse predigen lässt, sind für mich leider eher abstoßend als anregend.
Ich möchte entweder Steven Pinker oder ähnliche Bücher zu dieser Thematik lesen oder einen Actionthriller oder idealerweise einen Roman, der beides intelligent verbindet. „Skorpion“ ist davon leider rein gar nichts gelungen und für mich eine herbe Enttäuschung.
Taschenbuch: 832 Seiten
Originaltitel: Black Man
Übersetzt von Alfons Winkelmann.
ISBN-13: 9783453523562
Die |Elfenritter|-Trilogie:
Band 1: _Die Ordensburg_ (Oktober 2007)
Band 2: Die Albenmark (März 2008)
Band 3: Das Fjordland
Seit Jahrzehnten kämpfen die Menschen des Fjordlands gegen die Heere der Tjuredkirche, die keinen Gott neben Tjured anerkennt und Heiden notfalls auch mit Feuer und Schwert bekehrt. Der schlimmste Gräuel in den Augen der Kirche ist jedoch das uralte Bündnis der Fjordländer mit den Albenvölkern, insbesondere den Elfen. Denn diese widernatürlichen Geschöpfe, die über grausame Magie gebieten, haben den ersten Heiligen der Tjuredkirche, den gesegneten Guillaume, in dem Dorf Aniscans, heute Sitz der Heptarchen, an einen Baum genagelt und getötet.
Zumindest glauben die Tjuredjünger daran. Die Wahrheit ist schon lange in einem Netz der Lügen und Täuschungen verloren gegangen. Der heilige Guillaume wurde von menschlichen Kriegern getötet, die Elfen Farodin und Nuramon versuchten vergeblich, ihn zu retten. Dabei hatte ihnen ihre Königin Emerelle ausdrücklich befohlen, Guillaume zu töten. Denn Guillaume war der Sohn eines Devanthar und der betrogenen Elfe Noroelle, eines Dämons und Feinds der Alben aus Urzeiten, den man schon lange besiegt glaubte. Guillaume selbst war aber nicht böse, er war ein frommer Wunderheiler. Seine Gabe heilte Menschen von tödlichen Krankheiten – aber verdorben durch seinen Devanthar-Vater, brachte jede Heilung Elfen in der Nähe den Tod.
Der gerissene Devanthar entkam, verdrehte die Tatsachen und machte sich das Vermächtnis des frommen Guillaume zueigen. Die an und für sich positive Tjuredkirche wurde von ihm korrumpiert und zu seinem Werkzeug gemacht. Die Hetze gegen Heiden und Albenvölker begann. Albenpfade aus der Albenmark in die Menschenwelt wurden durch Zerstörung oder Versiegelung der Albensterne (meistens Steinkreise) unbrauchbar gemacht. Mit großem Erfolg; die Heere der Tjuredkirche haben das Heidentum weit in den Norden zurückgedrängt, und nur noch das Fjordland leistet Widerstand. Doch kann das Fjordland gegen die grimmigsten Streiter Tjureds bestehen? Die Ordensritter sind stark im Glauben und stark im Kampf, insbesondere der neu gegründete Orden des Blutbaums, meist als die „Neue Ritterschaft“ bezeichnet, glänzt durch militärische Erfolge, und sein Primarch gewinnt innerhalb der Kirche an Macht, was für Neider in den eigenen Reihen sorgt, insbesondere beim älteren Orden des Aschenbaums und bei Charles, dem Verweser der umkämpfen Provinz Drusna.
Ein schwerer Schlag ereilt das Fjordland, als es der Komturin Lilianne de Droy gelingt, Prinzessin Gishild – letzte Überlebende der Königslinie des Nordlands, deren Urahn Mandred mit den Elfen vor fast einem Jahrtausend den Freundschaftspakt schloss – zu entführen. Gegen den Widerstand des Verwesers Charles bringt sie Gishild mit List und Täuschung nach Valloncour, der Ordensburg der Neuen Ritterschaft. Dort soll sie als Unterpfand für die geplante Entscheidungsschlacht gegen das Fjordland versteckt und vielleicht sogar zum wahren Glauben bekehrt werden.
Ihre Schwester Michelle rettet derweil den jungen Luc de Lanzac aus einem Pestdorf. Sie verteidigt sein Leben gegen die Unterstellung ihres Lanzenkameraden Honoré, ein Wechselbalg zu sein, da er als Einziger die Pest überlebt hat. Sie ist von Lucs Aufrichtigkeit und Treue beeindruckt, in ihr erwachen aber Zweifel, als er ihr das Leben rettet. Luc heilt sie von der Pest, mit der sie sich angesteckt hat – aber er hat zuvor der heidnischen Statue einer weißen Frau geopfert. Verfügt Luc wie der gesegnete Guillaume über heilende Hände oder ist es eine Gabe der Elfenteufel?
Trotz Zweifel wird Luc in den Orden aufgenommen. Nicht nur, weil er klug und treu ist. Die Komturin und der Primarch erkennen in ihm die Gabe Guillaumes und wissen als Teil der geheimen Bruderschaft innerhalb der Neuen Ritterschaft um ihre Bedeutung. Für sie ist er wichtiger als tausend Ritter, er und andere mit der Gabe Gesegnete sollen die Entscheidung im Kampf um das Fjordland bringen – und den Krieg in die Albenmark selbst tragen.
_Der Autor_
Bernhard Hennen (* 1966) studierte Germanistik, Geschichte und Vorderasiatische Altertumskunde. Er lebt mit seiner Familie in Krefeld. Er machte sich bereits mit seiner „Elfen“-Trilogie („Die Elfen“, „Elfenwinter“, „Elfenlicht“) einen Namen und stürmte mit ihr die Bestsellerlisten. Davor schrieb er DSA-Romane, unter anderem mit Wolfgang Hohlbein. Seine Spezialität ist die Kenntnis nordischer Mythologie, auf deren Grundlage er die Albenmark und ihre Völker erschuf, in die sich allerdings auch einige Kentauren verirrt haben. So sind seine Elfen aufgrund derselben Grundlage denen Tolkiens zwar ähnlich, aber doch anders und sehr differenziert dargestellt.
_Die Ordensritter_
Der besondere Kniff an der Fortsetzung der Elfen-Trilogie ist, dass ihr Ausgang bereits bekannt ist. In seinem ersten Roman „Die Elfen“ steckte Hennen bereits die Rahmenhandlung ab, und so dürfte den Lesern Gishild bereits als Königin des Fjordlands bekannt sein, ebenso der Ausgang der letzten Schlacht gegen die Tjuredkirche sowie weitere Hintergründe und Charaktere. Einsteiger sollten deshalb lieber mit der alten Trilogie beginnen, da sich sonst nicht alle Details der Geschichte erschließen.
Der Fokus liegt dieses Mal auf den Feinden des Fjordlands, der Tjuredkirche und ihren Ritterorden. Diese sind sehr von christlichen Kreuzfahrerorden wie den Johannitern (Aschenbaum) und den Templern (Neue Ritterschaft) inspiriert und legen dementsprechend auch ähnliche Verhaltensmuster an den Tag. Tief fromm, gebildet und gütig sollen sie sein, die besten Streiter Tjureds. Doch wenn es gegen die Heiden geht, regiert der Pragmatismus. Für die Vernichtung der Heiden kann man jeden Edelmut über Bord werfen und sogar unschuldige Kinder opfern.
Dieser Konflikt macht insbesondere Luc zu schaffen, der zudem auf besondere Anweisung des Primarchen in seiner Ausbildung bewusst getriezt wird, da man sich von ihm viel erhofft. Er ist vorzüglich in allen Dingen, die er tut, soll zum Außenseiter gemacht werden und mit seinem starken Glauben die störrische Gishild bekehren, die sich niemandem anvertraut. Ein gefährliches Spiel; es ist völlig offen, wer von den beiden wen bekehrt. Denn Luc ist nur so inbrünstig im Gebet, da er sich für einen Wechselbalg der Elfen hält … Er ist wohl doch eher ein „Elfenritter“; der Name der Trilogie wurde wohl bewusst dahin forciert, das Wort „Elfen“ zu enthalten, mit dem Hennen mittlerweile fast synonym in der deutschen Fantasy geworden ist.
Die Charakterisierung der Ordensritter ist Hennen besonders gut gelungen. Lilianne und Michelle sind glühende Anhänger Tjureds, wobei Michelle ein weicheres Herz hat als Lilianne, die als Mitglied der geheimen Bruderschaft keine Kompromisse macht. Der Gegensatz von Frömmigkeit und Grausamkeit und die daraus in jedem Ordensritter entstehenden Konflikte werden sehr überzeugend dargestellt. Vom übellaunigen Veteranen mit weichem Herzen bis hin zum Eiferer sind alle Schattierungen vertreten.
Die Ausbildung der Novizen in der Ordensburg Valloncour nimmt neben der Anfangs getrennt erzählten Jugend Gishilds und Lucs einen großen Teil des Buchs ein und gefiel mir besonders gut. Man erfährt viel über Traditionen der Neuen Ritterschaft und über die geheime Bruderschaft im Orden, die einiges, aber nicht die volle Wahrheit über den Devanthar zu kennen scheint. Die Ausbildung selbst ist sehr interessant dargestellt; sie zeigt die Methoden, wie aus Rittern eine Lanze von Kameraden geschmiedet wird, die als Gruppe sogar gegen die jahrhundertelang im Schwertkampf trainierten Elfenritter bestehen kann. Der Buhurt genannte Kampf der „Löwen“, „Drachen“, „Türme“ und ähnlich nach ihrem Wappenschild benannten Ausbildungsgruppen nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. Der Kampf findet auf gespannten Ketten und Pfosten über einem Schlammloch statt und ist weitgehend regelfrei, er endet mit der Eroberung der gegnerischen Flagge. Dies erinnert aufgrund der Aufteilung in Schulen/Lanzen und einiger anderer Ähnlichkeiten ein bisschen an das Quiddich-Spiel in „Harry Potter“, von dem sich Hennen Inspiration geholt haben könnte.
Besonderen Reiz gewinnt das Buch aus den innerkirchlichen Rivalitäten. Der etwas sehr klischeehaft auf knabenhafte Mädchen mit kleinen Brüsten stehende Bruder Charles gönnt der Neuen Ritterschaft keinen Erfolg, er intrigiert erfolgreich auf dem kirchenpolitischen Parkett. Zudem findet er das in seinen Augen oft unmoralische und liederliche Verhalten der Komturin Lilliane anstößig, bewundert aber auch ihren Mut und ihre Tatkraft. Seine Doppelmoral bei hoher Frömmigkeit zeigt, dass auch innerhalb der Tjuredkirche der Glaube unterschiedlich ausgelegt wird, ebenso ist man gespaltener Meinung darüber, wie man den entscheidenden Sieg über die Alben erringen will. Dass eine seiner entzückenden, jungen und schüchternen Novizinnen mit wunderbar strahlenden Augen ihm schließlich ein Messer an die Kehle hält und sich als Elfe entpuppt, die ihm alles andere als Lustschreie entlockt, ist nur einer von vielen originellen Gags, mit denen Hennen nicht geizt.
_Fazit_
Die neue Perspektive aus der Sicht der elfenfeindlichen Tjuredkirche gefällt mir ausgesprochen gut, sie gibt den Elfenromanen Hennens wieder etwas mehr Biss und Abwechslung, der mir in den Folgebänden von „Die Elfen“ leider etwas verloren ging. Die Atmosphäre stimmt, die Charaktere können überzeugen, und der Plot um Luc und Gishild verspricht, obwohl das Ende der Trilogie quasi schon bekannt ist, viele interessante Verwicklungen.
Einige Kritikpunkte gibt es leider doch. Dass Luc und Gishild so schnell zueinander finden, bei vorheriger intensiver gegenseitiger Abneigung, ist mir doch etwas zu märchenhaft. Luc möchte ein strahlender Ritter sein und einer Prinzessin dienen, und Gishild offenbart sich ihm schließlich als Prinzessin des Fjordlands. Hier bin ich, deine Prinzessin! Oh je, das tut mir wirklich weh. Und dass ein hunderte von Jahren währendes Elfenleben während einer wichtigen geheimen Mission tief im Feindesland wegen eines Murmeltiereintopfs und eines plötzlichen Hungergefühls leider drastisch verkürzt wird, hat mich auch nicht gerade überzeugt. Das war zwar durchaus originell, da es einfach so dämlich ist, mir hat dieses Murmeltier dennoch übel im Magen gelegen!
„Die Ordensburg“ erreicht zwar nicht ganz die Güte von „Die Elfen“, hat aber einen höheren Unterhaltungsfaktor als die beiden Fortsetzungen der alten Trilogie, ist frischer und origineller und bietet viel Potenzial. Ich hoffe, dass Hennen dieses Niveau in den zwei Folgebänden halten kann. Er ist in so guter Schreiblaune, dass ich ihm sogar die miese Murmeltierepisode vergeben kann.
Im Kaiserreich Niwaen-ju herrscht das Chaos. Machthungrige Fürsten streben nach dem verwaisten Thron der letzten Kaiserin, Irishi Chan. Diese und ihr ungeborener Sohn wurden von dem abtrünnigen Steinmagier She-bi in eine Statue verwandelt. Geschützt von einer Armee aus magischen steinernen Kriegern, ruht sie in ihrem Thronsaal in Irishien. Leider lassen die lebenden Statuen niemanden an die Kaiserin heran, vor allem keine Steinmagier, die Einzigen, die den Zauber vielleicht umkehren könnten, und so haben die Kriegsherren freie Hand.
Zwar besitzt keiner der Kriegsherren die kaiserlichen Insignien oder das Mandat des Himmels, aber die Armeen des unsterblichen Dayku Quan sind in der Schlacht von Wuchao siegreich: Nicht nur gelingt es ihm, die Armee seines ärgsten Widersachers Hujio Jin zu schlagen, in der Schlacht werden auch alle Steinmagier Niwaen-jus getötet. Bis auf einen: Meister Wurishi Lu Neju hat in weiser Voraussicht seinen Schüler Yu zurückgelassen, dem er eine Schriftrolle mit den Geheimnissen der Steinmagier anvertraut hat.
Hilflos muss Wurishi Yu aus sicherer Entfernungen in der Halle der Unsterblichen mit ansehen, wie eine Steinmagier-Statue nach der anderen zerspringt und von ihrem Tod kündet. Denn das ewige Leben der unsterblichen Krieger und Magier Niwaen-jus ist an ihre Steinstatuen gebunden, aus denen sie auch Teile ihrer Macht beziehen. So können verzauberte Edelsteine in der Statue eines Kriegers beispielsweise übermenschliche Stärke oder Geschwindigkeit verleihen. Wurishi Yu muss aus Hujio fliehen, Dayku Quan hat bereits seinen Zauberer Furleng Xi und den Krieger Gling We auf ihn angesetzt, die ihm den letzten Wurishi (gleich Steinmagier) und sein Erbe bringen sollen. Grundsätzlich reicht aber auch die Schriftfrolle, sollte Yu nicht willig sein …
_Der Autor_
James A. Sullivan wurde am 14.02.1974 in West Point (New York) geboren, wuchs aber in Kerpen im Rheinland auf. Er studierte in Köln Anglistik, Germanistik und Allgemeine Sprachwissenschaft (Magister Artium). Er beschäftigte sich vor allem mit Erzähltheorie, interaktiver Narration, lexikalischer Semantik und mediävistischen Themen wie Artusepik und Wolfram von Eschenbach.
Bekannt wurde Sullivan als Co-Autor von Bernhard Hennens Bestseller [„Die Elfen“, 2169 bei dem er vor allem für die Figuren Noroelle und Nuramon sowie Zwischenkapitel verantwortlich war, Hennen kümmerte sich um Mandred und Farodin. Beide hatten in etwa die gleiche Last zu tragen, wobei sich Sullivan zu dieser Zeit zudem auf seine Magisterprüfung vorbereiten musste. Allerdings profitierte vor allem Bernhard Hennen vom Erfolg der „Elfen“, während Sullivan erst lange von der Verlagswelt ignoriert wurde, bis sich |Mira Taschenbuch| für „Der letzte Steinmagier“ interessierte.
Ein Grund dafür mag das exotische asiatische Setting sein – in der Zeit der „Elfen“ und „Orks“ und der Nachwehen der „Herr der Ringe“-Verfilmung boomten „Völker“-Romane. Letzten Endes entscheidet der Absatz und somit der Leser, und der Klassiker Schokopudding wird eben immer noch am liebsten gegessen, trotz aller Rufe nach Innovation. Doch auch Himbeerpudding mit Vanillesoße schmeckt sehr lecker, denn gar zu exotisch und fremdartig, um bekömmlich zu sein, ist Sullivans Niwaen-ju sicher nicht: Er baut seine Geschichten auf der bekannten europäischen Rezeption fernöstlicher Genres auf – die Armee der Terrakotta-Krieger, Manga, Anime, das als „Eastern“ bekannte Filmgenre und andere asiatische Filme und deren Ästhetik sind nahezu jedermann ein Begriff.
_Erbe der Wurishi und Retter des Kaiserreichs_
Yus Meister hat seinem Schüler eine schwere Bürde auferlegt. Nicht nur das Erbe der Steinmagier muss er bewahren, er ist auch der letzte und einzige von ihnen, der die Kaiserin befreien und die Ordnung wiederherstellen könnte. Somit lastet auch das Schicksal Niwaen-jus auf seinen Schultern, denn unter Dayku Quan würde es zu einer Schreckensherrschaft kommen.
Yu wandelt sich im Laufe seiner Queste. Am Anfang nimmt er sich als noch nicht unsterblicher Magierlehrling recht bescheiden aus neben seinen Begleitern, die er zu Beginn vor den vorrückenden Armeen Dayku Quans rettet: Jhutsun Li und Okalang Shi sind zwei unsterbliche Seelenbrüder, deren Leben vor langer Zeit miteinander verbunden wurden. Stirbt einer der beiden, stirbt auch der andere, deshalb sind sie stets bereit, ihr Leben für den jeweils anderen zu riskieren. Allerdings haben sie im Laufe der Jahrhunderte ein inniges Freundschaftsverhältnis zueinander aufgebaut, das auch ohne diese Bindung funktionieren würde. Sie können viele unglaubliche Geschichten erzählen, bei denen der behütet aufgewachsene Yu mit seinen zwanzig Jahren einfach passen muss. Auch der edle Dieb und Räuber Sankou Yan hat schon viel erlebt und noch mehr gestohlen. Einer seiner dreistesten Fischzüge brachte ihn für zehn Jahre hinter Gitter, und so ist er Yu für seine Befreiung unendlich dankbar, denn auch er ist nicht unsterblich. Später wird noch eine weitere Person dazustoßen, die vorerst als „Schatten“ Yu stets zu Hilfe eilt.
Bei den Verfolgern gibt sich der finstere Dayku Quan leider eher bedeckt, der Leser erlebt nur seine Zornesausbrüche aus der Sicht Gling Wes, wenn seine Untergebenen wieder einmal versagt haben und ihnen der Wurishi entwischt ist. Andere Fürsten und ihre Motive bleiben ebenfalls im Hintergrund. Gling We ist der einzige „Bösewicht“, aus dessen Sicht die Handlung geschildert wird. Yus Gefährten erhalten in der Mitte des Romans, während Yu in einer sicheren Herberge seine Kenntnisse der Steinmagie verbessert, die Gelegenheit, ihre eigenen kleinen Abenteuer zu erleben. Gling We ist der treueste Diener Dayku Quans, obwohl seine Seelenstatue sicher im unzugänglichen Palast von Irishien steht und dieser keine Macht über ihn hat. Seine Lehenstreue aus freien Stücken hat ihm den Respekt Dayku Quans eingebracht; falls es jemanden gibt, dem er vertraut, so ist es Gling We. Dieser trägt übrigens eine grüne Holz- oder Tuchrüstung, eine kleine Anspielung auf die mittelenglische Ritterromanze [„Sir Gawain und der Grüne Ritter“. 479 Diese Anspielung auf die Artusepik demonstriert trefflich Gling Wes Dilemma: Sein höchster Wert ist die Treue zu seinem Herrn, dieser ist jedoch ein schlechter Herr, und Gling We ist sich dessen bewusst.
Nachdem Yu der Verfolgung durch Dayku Quan entkommen ist, kommt es zu einer Art „Zwischeneinkehr“ in einer Handelsstadt. Hier können Li und Shi einem amüsanten Liebesabenteuer frönen, während Sankou Yan als eine Art Robin Hood seinen Diebesabenteuern nachgehen kann – natürlich beklaut er nur einen widerwärtigen Geldsack und keine armen Schlucker, das wäre gegen seinen Ehrenkodex. Diese Pause im Handlungsablauf, in der seine Nebencharaktere zum Zug kommen, erwähnt der Autor explizit in seinem Interview mit |Phantastik-Couch|: „Und wem die Gawan-Bücher in Wolframs ‚Parzival‘ bekannt sind, der erkennt vielleicht Parallelen zum Mittelteil meines Romans. Denn ich nehme dort die Hauptfigur für eine Weile aus dem Fokus und lasse die Nebenfiguren in den Vordergrund treten. Das alles zeigt, dass die Einflüsse von überall kommen können, und was asiatisch erscheint, kann manchmal europäischer sein, als man glaubt.“
Danach geht es mit dem etwas schwächelnden Finale weiter. Die Befreiung der Kaiserin ist leider nur wenig spannend umgesetzt. Hier fiel mir eine allgemeine Schwäche des Romans auf: Bei aller Exotik und Sullivans Talent für ansprechende Charaktere – insbesondere Sankou Yan merkt man die Liebe des Autors an -, an bösen Gegenspielern mit Format mangelt es leider. Selbst wenn man Gling We als differenziert dargestellten Antagonisten betrachtet, fehlt hier einfach der Feind, den man hassen oder fürchten kann. Von der intensiven Abneigung, die ich gegenüber dem Haus Lannister und insbesondere Jaime Lannister in George R. R. Martins [„Die Herren von Winterfell“ 3637 verspürte, ist hier nicht im Geringsten etwas zu spüren, der Fokus liegt auf unseren lieben Helden, die Gegenseite wirkt wenig bedrohlich und etwas unterentwickelt im Vergleich.
Interessante und sympathische Helden hingegen hat der Roman zuhauf. Mit Li/Shi und Sankou Yan hat der Autor vielversprechende Charaktere für mögliche Fortsetzungen aufgebaut. Mit asiatischen Fabelwesen hat sich der Autor zurückgehalten, kein einziges taucht bislang auf, wobei zumindest Drachen erwähnt werden, die vor Urzeiten den ersten Steinmagiern ihre Geheimnisse verrieten. Dafür gibt es eine geballte Ladung Magie. Von Heilzaubern bis zu Kampfzaubern, meistens basierend auf verstärkenden Steinen – darum auch ‚Steinmagie‘ – wird einiges aufgeboten. Ebenso gibt es zahllose Unsterbliche, Magie ist allgegenwärtig und wird detailliert in Anwendung und Wirkung geschildert. Sullivan versteht es jedoch, sich meistens zurückzuhalten. Leider nicht immer, einige Male macht es die Magie einfach zu leicht. Zum Glück zaubert fast nur Yu; die Fähigkeiten vieler Krieger oder Magier sind meist auf einige Spezialitäten beschränkt. Insofern hoffe ich fast, dass im Falle einer Fortsetzung eher Sankou Yan oder Gling We zum Zuge kommen; bei dem guten Yu droht einfach immer die Gefahr einer unbefriedigenden magischen Lösung in Deus-ex-Machina-Manier.
_Fazit_
„Der letzte Steinmagier“ überzeugt mit seinem leicht exotischen und dennoch zugänglichen Setting und sympathischen Charakteren. Den Hauch der Exotik des „etwas anderen“ Elfen Nuramon vermisse ich jedoch bei Wurishi Yu, der mir einfach zu schnell zum Meister heranwächst. Schade! Auch bei den Antagonisten schwächelt der Roman; der Charakter Gling We ist gut gelungen, hätte aber noch viel mehr Potenzial gehabt, ebenso Kriegsherr Dayku Quan. Doch insgesamt hat James A. Sullivan mit Sankou Yan und vielen anderen Charakteren, sowie dem stark an das Kaiserreich China erinnernden Niwaen-ju eine faszinierende Romanwelt geschaffen, in die ich gerne wieder eintauchen würde.
|Die Zeit-Verschwörung|
Band 1: [„Imperator“ 3516
Band 2: [„Eroberer“ 4333
Band 3: _“Navigator“_
Band 4: „Diktator“
Können Sie sich vorstellen, was passiert wäre, wenn Kolumbus Amerika nicht entdeckt hätte? Wenn Mongolen oder Chinesen die durch einen noch brutaleren Glaubenskrieg stark geschwächten Europäer und Araber völlig überrannt hätten und stattdessen eine mesoamerikanische Hochkultur Europa entdeckt hätte?
Mehrere unbekannte „Weber der Zeit“ versuchen seit Jahrhunderten, mit Hilfe von Prophezeiungen und Anweisungen den Lauf der Geschichte grundlegend zu verändern. Jahrzehntelange Vorbereitungen zur Beeinflussung von Christoph Kolumbus entscheiden das Schicksal der Welt, der sich der Tragweite seiner Entscheidung jedoch nicht im Geringsten bewusst ist.
_Die Zeit-Verschwörung_
Der Engländer Stephen Baxter (* 1957) ist bekannt für seine naturwissenschaftlich fundierten Science-Fiction-Romane. Seit 1995 arbeitet Baxter hauptberuflich als Autor und wurde seitdem mit zahlreichen renommierten SciFi-Preisen wie dem |Philip K. Dick Award| und unter anderem auch dem deutschen |Kurd-Laßwitz-Preis| ausgezeichnet.
Doch Baxter ist kein Technomane, er ist vielmehr ein Visionär. Er scheut sich nicht, Handlungsbögen aus tiefster Vergangenheit über die Gegenwart bis hin in die ferne Zukunft zu schlagen, wie er es bereits in seiner |Kinder des Schicksals|-Trilogie getan hat.
Dies tut er auch in der |Zeit-Verschwörung|, die ich treffender dem Genre Alternate History denn der Science-Fiction zuordnen möchte. Das Zeitalter der Römer in Britannien und dessen Niedergang behandelte er im ersten Band „Imperator“, in „Eroberer“ zeigt er den Aufstieg und Fall der germanischen und nordischen Stämme in England. Dabei macht er die Schlacht bei Hastings 1066 als den Dreh- und Angelpunkt der Prophezeiung fest; Harold Godwinson hat es in der Hand, die Prophezeiung des Webers zu erfüllen und die Tür für die prophezeite zehntausendjährige glorreiche nordische Zukunft Britanniens aufzustoßen. Doch der Normanne Wilhelm siegt, der Plan des ominösen „Webers der Zeit“, von dem die Prophezeiung stammt, erfüllt sich nicht.
Hier setzt der dritte Band „Navigator“ an: Zwei widerstrebende Prophezeiungen sollen Christoph Kolumbus beeinflussen, den Weg nach Indien im Westen oder im Osten zu suchen. Es scheint mehrere Weber zu geben, die den Zeitteppich in ihrem Sinne verändern möchten. Einer scheint die Entdeckung und Besiedelung Amerikas im Keim ersticken und eine Konfrontation mit dem Islam provozieren zu wollen, während der andere eindringlich davor warnt. Kolumbus selbst ist nur Spielball und Nebenfigur in diesem Roman, der das Schicksal zweier Familien im Laufe der Jahrhunderte zeigt, die jeweils ihre Version der Prophezeiung zu verwirklichen versuchen. Dabei waren der spätere Kreuzfahrer Robert und die schöne Muslima Moraima einst in hoffnungsloser Liebe miteinander verbunden …
_Christentum und Islam_
… stehen im Mittelpunkt des Romans – nicht Kolumbus oder eine Seefahrt, wie man meinen könnte. Im maurischen Spanien kurz nach der Eroberung Englands durch Wilhelm den Eroberer treffen wir einen alten Bekannten wieder: Der Priester Sithric arbeitet im Diensten der Araber an „Wunderwaffen“ für die Prophezeiung. Zwar ist er ein erklärter Diener Gottes und Gegner des Islam, doch nur der Wesir von Cordoba verfügt über das nötige Wissen und die Ressourcen, die er benötigt. Beide benötigen den anderen, und obwohl sich beide schließlich persönlich schätzen lernen, endet ihre Geschichte tragisch. Ebenso die Liebesgeschichte zwischen Robert und Moraima, die mit einer Teilung der Prophezeiung endet. Die Christen (Roberts Nachfahren) arbeiten fortan an ihrem Teil der Prophezeiung, während die Moslems (Moraimas Kinder) dasselbe tun. In beiden Lagern gibt es jedoch unterschiedliche Auffassungen, ob man der Prophezeiung Folge leisten sollte. Als später eine weitere Prophezeiung der geteilten ersten widerspricht, liegt die Entscheidung in den Händen weniger; man könnte fast sagen, in denen des Zufalls.
Baxter streut kleine Episoden ein, in denen von einem vollständig moslemischen Europa berichtet wird, das ein aktiv Zeitreisender in persona, nicht in Form einer auf gut Glück in die Vergangenheit geschickten Prophezeiung, gerade noch verhindern konnte, indem er Karl Martell unterstützte. Die Schlussfolgerung, dass es mehrere „Weber“ mit unterschiedlichen Interessen gibt, liegt nahe, aber weiter geht Baxter auf das in den ersten Bänden sehr diffuse Geheimnis um den oder die „Weber der Zeit“ wieder nicht ein.
Stattdessen überzeugt er mit starken Charakteren und sehr schön erzählten abwechslungsreichen Episoden, die von Andalusien über die Kreuzzüge bis hin in das Mongolenreich reichen, aber hier möchte ich nicht mehr verraten. Wer hätte das dem sonst definitiv nicht eben für seine Charakterisierung von Personen bekannten Baxter zugetraut? Die Liebesaffäre von Robert und Moraima ist ihm vortrefflich gelungen, sie akzentuiert zudem die spätere Tragik: Ihre Nachfahren werden sich noch bis zur Reise des Kolumbus gegenseitig zerfleischen. Kolumbus selbst ist nur eine Randfigur, wichtig ist nur seine Entscheidung. Überhaupt wird der Mann aus Genua eher als kleines Licht dargestellt, der sich auf jede nur erdenkliche Weise einschmeichelt, um seine Expedition zu finanzieren. Das kleinste Rad ist er im großen Getriebe, und dennoch macht seine Entscheidung Geschichte.
_Fazit:_
Baxter hat es endlich geschafft, seiner Zeit-Verschwörung Substanz zu geben. Sehr viel spekulativer erzählt er seine eigene Geschichte, akzentuiert Bekanntes neu, anstatt sich wie in den Vorgängern sklavisch eng an der Historie zu orientieren. Auch wenn man immer noch nicht viel über den Weber erfährt und die Zeitmanipulationsaspekte oft eher unnötig aufgesetzt wirken, um historische Episoden zu erzählen, hat Baxter die übergeordnete Handlung viel stimmiger mit seiner Geschichte verwoben, seine Charaktere sind ausgefeilter und man kann mit ihnen mitfühlen. Die völlige Belanglosigkeit der verwirrend schnell wechselnden unterentwickelten Charaktere der Vorgänger hat ein Ende gefunden, auch erzählerisch spinnt Baxter ein wesentlich bekömmlicheres Garn. Warum nicht gleich so?
Das Geheimnis des Webers wird im grandiosen Abschlussband „Diktator“ gelüftet. Der Titel lässt bereits erahnen, wer hinter den Zeitmanipulationen um ein „zehntausendjähriges arisches Reich“ im Norden und hinter der forciert beschleunigten Erforschung von Schlüsseltechnologien für künftige „Wunderwaffen“ steckt. Schade, dass Baxter mit den beiden eher schwachen ersten Bänden vermutlich viele Leser enttäuscht und vergrault hat. „Navigator“ stellt eine deutliche Steigerung zu den Vorgängern da, „Diktator“ wird diesen positiven Trend erfreulicherweise fortsetzen.
|Originaltitel: Navigator (Time Tapestry 3)
Übersetzt von Peter Robert
Taschenbuch, Broschur, 592 Seiten
ISBN-13: 978-3-453-52371-5|
http://www.heyne.de
Kein leichtes Leben hat der junge Medicus und Magier Reynevan von Bielau im Prag des Jahres 1427. Die Stadt ist ein Hexenkessel im Sinne des Wortes. Alchimisten suchen nach dem Stein der Weisen, aus dem Moldauschlamm soll ein Golem erschaffen werden und der Papst hat zum Kreuzzug gegen die ketzerischen Hussiten aufgerufen. Zu allem Überfluss wird er auch noch vom taboritischen Geheimdienst beschattet. Reynevan nimmt aus mehreren Gründen eine geheime Mission für die Hussiten an, erstens um der Stadt zu entkommen, zweitens um seinen Freund Samson Honig von einem Fluch zu befreien, drittens um Rache für seinen Bruder zu nehmen und viertens um seine geliebte Nicoletta wieder zu sehen.
Der Irrungen und Wirrungen sind noch viel mehr auf diesem mittelalterlichen Road-Trip des polnischen Schriftstellers und Literaturkritikers Andrzej Sapkowski (* 1948), der mit der Fortsetzung von „Narrenturm“ erneut ein vergnügliches, intelligentes und derb humorvoll übersteigertes Bild des Mittelalters zeichnet. Dabei ist vieles gar keine Fiktion, große Teile der Rahmenhandlung entsprechen historischen Tatsachen.
Wild und heiter geht es weiter
Ton und Stil des Romans entsprechen dem „Narrenturms“, Sapkowski verbindet erneut seine profunden Kenntnisse des Mittelalters und dessen Mythen mit hintergründigem Humor und Situationskomik, er persifliert diese Zeit und ihre Menschen auf liebevolle und gekonnte Weise. Er lässt Aberglauben und Magie zur Realität werden, selbst schwärzeste Magie bleibt nicht von genauso schwarzem Humor verschont. Zwar werden dem Stereotyp entsprechend wieder einmal Kirchenfürsten mit Nonnen oder Mägden im Bett gefunden, in Sachen humoriger Erotik tritt „Gottesstreiter“ dennoch deutlich kürzer. Auch sonst musste ich bedauerlicherweise nicht so oft schmunzeln wie im ersten Teil, der mir etwas kurzweiliger und vergnüglicher erschien. Sapkowski setzt in „Gottesstreiter“ auf eine sich immer komplexer verästelnde Handlung, die sehr kompliziert ist und dem Leser höchste Konzentration abfordert. Auf geradem Wege kommt Reynevan nie voran, über Umwege und lange zurückliegende Ereignisse kommen neue Figuren und Gruppierungen ins Spiel. Neueinsteiger sind hier überfordert; wer „Narrenturm“ nicht kennt, sollte unbedingt mit dem ersten Band der noch unbenannten Trilogie um Reinmar/Reynevan von Bielau beginnen.
Dieser Handlungsüberschuss macht dem Buch zu schaffen, denn Sapkowski liebt es, auf Kosten der eigentlichen Handlung in vergnügliche Nebenhandlungen überzugehen, wobei er oft den Faden verliert. Chaotisch mag die Zeit sein, über die er schreibt, dem Vergnügen des Lesers ist dies jedoch eher abträglich. Erschwerend kommt historisch bedingt ein Überfluss polnischer Namen hinzu, wichtige Ereignisse dieser Zeit setzt Sapkowski stillschweigend voraus, er erläutert sie nur am Rande. Dass ganze Sätze, nicht nur Zitate, oft im lateinischen, französischen oder italienischen Original erscheinen, ist ein weiteres Stilmittel, aber auch ein Stolperstein. Anstelle von Fußnoten befinden sich im Anhang ab S. 709 kapitelweise gegliederte Erläuterungen zu den genannten Passagen. Positiv hervorzuheben ist die Übersetzung von Barbara Samborska; der Roman liest sich trotz der leidigen Fremdwörterflut sehr gut. Reynevans manchmal etwas sehr geschraubte und gewöhnungsbedürftige Sprechweise im Konjunktiv könnte wirklich so vom Autor beabsichtigt sein, ist allerdings wieder ein Fall, an dem sich die Geister scheiden.
Unterm Strich
Wer „Narrenturm“ mochte, wird auch „Gottesstreiter“ lieben. Allerdings ist dieser Roman noch sperriger und anspruchsvoller. Darunter leiden leider der Humor und die Leichtigkeit, die den ersten Band auszeichnen; oft konnte ich den Wendungen Sapkowskis nicht mehr folgen. Freunden des klassischen „historischen“ Romans à la Rebecca Gablé wird ein Kontrastprogramm geboten; wer eine gelungene und anspruchsvolle Mischung aus historischen Fakten und Fantasy sucht, wird mit dem Mittelalter-Road-Trip Sapkowskis bestens bedient. Da kann man auch die genannten Schwächen verkraften.
„Gottesstreiter“ erscheint im Unterschied zum Softcover „Narrenturm“ als englische Broschur, zwar gebunden, aber im Gegensatz zum Hardcover mit einem flexiblen Einband aus Buchbinderpappe. Dadurch ist das 740 Seiten starke Buch besser lesbar und macht einen wertigeren Eindruck. Ärgerlicherweise gibt es leider keine entsprechende Neuauflage des ersten Bandes.
Freunde Sapkowskis können sich zudem auf Nachschub freuen: Titel und Erscheinungsdatum des dritten Teils der Trilogie sind zwar noch nicht bekannt, aber die Abenteuer des Hexers Geralt werden beginnend mit „Der letzte Wunsch“ (übersetzt von Erik Simon) demnächst neu aufgelegt.
Das Lied der Dunkelheit. Heyne, 2009, ISBN 978-3-453-52476-7 (engl. Original: The Painted Man. (US-Titel: The Warded Man.), 2009, ISBN 978-0-00-727613-4)
Das Flüstern der Nacht. Heyne, 2010, ISBN 978-3-453-52611-2 (engl. Original: The Desert Spear. 2010, ISBN 978-0-00-727616-5)
Die Flammen der Dämmerung. Heyne, 2013, ISBN 978-3-453-52474-3 (engl. Original: The Daylight War. 2013, ISBN 978-0-00-727621-9)
Der Thron der Finsternis. Heyne, September 2015, ISBN 978-3-453-31573-0 (engl. Original: The Skull Throne. März 2015, ISBN 978-0-345-53148-3)
Das Leuchten der Magie. Heyne, Dezember 2017, ISBN 978-3-453-31574-7 (engl. Original: The Core. September 2017, ISBN 978-0-007-42572-3)
Die Stimmen des Abgrunds. Heyne, April 2018, ISBN 978-3-453-31938-7 (zweite Hälfte der deutschen Übersetzung von The Core.)
Der Autor
Peter V. Brett (* 08.02.1973, New York) studierte English Literature und Art History an der Universität von Buffalo. Nach seinem Abschluss im Jahre 1995 schrieb er über zehn Jahre lang medizinische Fachliteratur. Doch wen würde das interessieren, wir würden ihn nicht kennen, wenn ihm sein bisher einziger Roman nicht so hervorragend gut gelungen wäre, dass viele begeisterte Leser schon wieder den überstrapazierten Vergleich mit Altmeister Tolkien bemühen.
Egal ob man diesem Vergleich zustimmt oder nicht, „Das Lied der Dunkelheit“, im englischen Original als 2008 bei Gollancz als „Painted Man“ in den USA unter dem Titel „The Warded Man“ erschienen, ist ein Bestseller. Dem kann ich nur zustimmen, kaufen Sie sich dieses Buch! Warum es aber so gut ist, wieso ich eine solch uneingeschränkte Kaufempfehlung ausspreche und welche Zielgruppen dieses Buch anspricht, das sage ich Ihnen jetzt.
Im 24. Jahrhundert hat die Menschheit die überlichtschnelle Raumfahrt entdeckt. Erste Erkundungsmissionen und Fehlschläge offenbaren, dass es nur wenige für die Besiedlung geeignete Welten gibt. Fremde Intelligenzen hat man bisher ebenfalls nicht entdeckt.
Das ändert sich, als der Erkundungskreuzer |Magellan| unvermittelt Zeuge einer Raumschlacht zwischen zwei Raumschiffen wird. Eines ihrer Beiboote wird zerstört, die |Magellan| ebenfalls in das Gefecht verwickelt. Es gelingt mit Mühe und Not, das kleine feindliche Kampfschiff zu zerstören. An Bord des ebenfalls schwer beschädigten größeren Alien-Raumschiffs findet man überraschenderweise die Leichen vieler verschiedener Rassen, kann aber nur einen Überlebenden bergen: den affenartigen Sar-Say.
Band 1: Die Schamanenbrücke (Shaman’s Crossing)
Band 2: Im Bann der Magie (Forest Mage)
Band 3: Die Stunde des Abtrünnigen (Renegade’s Magic)
Der abschließende Band von Robin Hobbs Nevare-Trilogie schließt nahtlos an das dramatische Ende von „Im Bann der Magie“ an und baut auf dem radikalen Schnitt dort auf. Nevare Burvelle ist offiziell tot. Degradiert zum Friedhofswächter und schließlich wegen Mordes und Leichenschändung zum Tod am Galgen verurteilt, zwingt die Magie ihn zum Äußersten: Er webt einen Trugbann über Gettys; alle die ihn kannten einschließlich der geliebten Amzil, seines Freundes Spinks und seiner Base Epiny haben die Erinnerung, dass Nevare grausam zu Tode geprügelt wurde. Robin Hobb – Die Stunde des Abtrünnigen (Nevare 3) weiterlesen →
„Mitternachtsfalken“ spielt, wie schon Ken Follett’s Debütroman, „Die Nadel“, und sein direkter Vorgänger, „Die Leopardin“, während des 2. Weltkriegs: Diesmal im nazibesetzten Dänemark des Jahres 1941.
Im Mittelpunkt steht „Freya“, ein neuartiges deutsches Radargerät an der Küste Dänemarks. Es fügt dem britischen Bomberkommando schwere Verluste zu, in einer Zeit, in der Rommel in Afrika triumphiert und die politische Stimmung in England angesichts der bisher alle Erwartungen übertreffenden Erfolge der Wehrmacht bei der Invasion Russlands von Furcht geprägt ist. Stalin fordert von Churchill, die Luftangriffe auf Deutschland zu verstärken. Doch ohne nähere Kenntnisse, wie die deutsche Luftraumüberwachung funktioniert, fürchtet man eine Niederlage und faktische Zerstörung der Bomberflotte…
Die Fleckseuche hat in der Hauptstadt Gerniens und der Kavalla-Akademie gewütet. Viele Freunde und Feinde Nevares sind tot oder dienstuntauglich, Nevare aber hat die Seuche nicht nur überlebt, sondern legt zur Verwunderung von Dr. Amicas ordentlich an Gewicht zu. Während sich das Leben in der Akademie unter Oberst Rebins bewährter Führung zum Besseren wendet, ruft ein freudiger Anlass Nevare nach Hause: Sein älterer Bruder heiratet – für ihn die Gelegenheit, seine Familie und seine Angebetete Carsina wiederzusehen. Robin Hobb – Im Bann der Magie (Nevare 2) weiterlesen →
Der Lebensweg des jungen Nevare Burvelle wurde bereits durch die Reihenfolge der Geburt bestimmt: Als Zweitgeborener ist er der „Soldatensohn“, dazu bestimmt, in die Kavalla des Königs einzutreten, um die Expansion des Reiches voranzutreiben und seine Grenzen zu schützen. Im Osten hat man die nomadischen Flachländer besiegt und sesshaft gemacht, das Land wurde vom König unter seinen siegreichen Soldaten aufgeteilt und diese wurden in den Adelsstand erhoben, so auch Nevares Vater, ein ehemaliger Soldatensohn. Robin Hobb – Die Schamanenbrücke (Nevare 1) weiterlesen →
Der Hauptgrund war die Art, wie Leute über „Die Säulen der Erde“ mit mir sprechen. Manche Leser sagen: „Es ist das beste Buch, das ich je gelesen habe.“ Andere erzählen mir, sie haben es zwei- oder dreimal gelesen. Ich kam zu dem Punkt, an dem ich mich entscheiden musste, ob ich das noch einmal tun könnte.
So antwortet Ken Follett in einem Interview mit Amazon.de auf die Frage, warum er nach 18 Jahren keinen weiteren modernen Thriller geschrieben hat, sondern in das Mittelalter zurückgekehrt ist, um die Fortsetzung seines wohl bekanntesten Bestsellers zu schreiben: „Die Säulen der Erde“ ist ein Phänomen: Bereits beim Erscheinen ein Bestseller, wurde das Buch in den Folgejahren immer populärer und der Ruf nach einer Fortsetzung wurde laut. In „Die Tore der Welt“ (engl. „World Without End“, 2007) kehrt Follett im Jahr 1327 in die Priorei von Kingsbridge zurück.
Durch nebelverhangene Berge im Herzen Afrikas in eine andere Welt
Im legendenumwitterten Hochgebirge Ugandas, wo Gletscher unter der Äquatorsonne leuchten, beginnt für die Gorillaforscherin Amy Walker ein Abenteuer, das ihre kühnsten Träume übersteigt. Bei einer Expedition stößt ihre Forschergruppe auf die Ruinen einer versunkenen Hochkultur. Die Sensation wäre perfekt, gäbe es da nicht Phänomene, die die nüchterne Biologin an ihrem Verstand zweifeln lassen: Die Naturgesetze scheinen außer Kraft, die Sonne spielt verrückt. Und bald kann sich Amy der Wahrheit nicht mehr verschließen: Ihr Team hat das Portal zu einer fremden Dimension durchschritten, und für die Rückkehr ist es längst zu spät … (Verlagsinfo) Thomas Thiemeyer – Korona weiterlesen →
Band 1: „Die Gabe“
Band 2: „Das Rätsel“
Band 3: „Die Krähe“
Band 4: „Das Baumlied“
Von dem abschließenden Band der Pellinor-Saga habe ich mir eine Verbindung der Handlungsstränge um den Winterkönig Arkan aus „Das Rätsel“ und um die schwarze Armee – beziehungsweise die Probleme des Namenlosen mit den Generälen derselben – aus „Die Krähe“ erwartet. Doch Alison Croggon schafft es in geradezu verblüffender Weise, beide Bände vollständig zu ignorieren. „Das Baumlied“ schließt inhaltlich direkt an „Die Gabe“ an; was dazwischen vorgefallen ist, verkommt zur reinen Makulatur. Selten hat ein Autor sein eigenes Werk dermaßen ignoriert, sich der Möglichkeit gesteigerter Komplexität beraubt. Schade! Doch damit nicht genug; das vermeintlich grandiose Finale, welches auf dem Buchrücken angekündigt wird, entpuppt sich als Strohfeuer. Von wegen |Die schwarze Armee marschiert nach Norden. Die sieben Königreiche stehen vor dem Untergang.|
Alera ist ein wunderschönes Land, weise regiert vom Ersten Fürsten Gaius Sextus. An den Grenzen wachen die Legionen des Reichs, man hat die Eismenschen, die räuberischen Canim und die wilden Marat-Horden zurückgetrieben. Es herrscht Frieden an den Grenzen, doch nicht im Inneren. Gaius Sextus ist alt und krank, es scheint wenig Liebe zwischen ihm und seiner jüngeren Gemahlin zu herrschen, die erhoffte Geburt eines Sohns und Nachfolgers erscheint nach langen Jahren unwahrscheinlich. Viele Fürsten bereiten sich schon im Stillen auf seine Nachfolge vor, doch einige sägen bereits ungeduldig am Thron des Princeps.
Band 1: [„Imperator“ 3516
Band 2: [„Eroberer“ 4333
Band 3: [„Navigator“ 5428
Band 4: _“Diktator“_
Stephen Baxters „Zeitverschwörung“ entführt in dem abschließenden Band „Diktator“ den Leser in eine Parallelwelt, in der das Dritte Reich das britische Expeditionskorps in Dünkirchen vernichtend geschlagen hat. Luftkämpfe über dem Kanal oder eine Luftschlacht um England gab es nie, stattdessen setzte die Wehrmacht unter schweren Verlusten über den Kanal und eroberte zumindest den Süden Englands und London; die offizielle Bezeichnung für das besetzte England ist „Protektorat Albion“. Eine Karte desselben findet sich auf der ersten Seite. Stephen Baxter – Diktator (Die Zeit-Verschwörung 4) weiterlesen →
Historischer und Fantasy-Roman schließen einander angeblich aus. Dass die Akteure historischer Romane meist den Horizont und die Denkweise eines heutigen Menschen besitzen und ansonsten nur in mittelalterliche Gewänder gehüllt werden, stört vermutlich genauso wenige Leser wie die stereotype Titelvergabe. „Der“ oder „Die“, gefolgt von einer Berufsbezeichnung, bevorzugt eine medizinische Profession, und eine Begegnung mit einer bekannten Persönlichkeit des Mittelalters, schon hat man die Handlung und den Titel für einen historischen Roman.