Andrzej Sapkowski – Gottesstreiter (Reynevan 02)

Die Reynevan-Trilogie:
Band 1: „Narrenturm
Band 2: „Gottesstreiter
3: Lux perpetua

Kein leichtes Leben hat der junge Medicus und Magier Reynevan von Bielau im Prag des Jahres 1427. Die Stadt ist ein Hexenkessel im Sinne des Wortes. Alchimisten suchen nach dem Stein der Weisen, aus dem Moldauschlamm soll ein Golem erschaffen werden und der Papst hat zum Kreuzzug gegen die ketzerischen Hussiten aufgerufen. Zu allem Überfluss wird er auch noch vom taboritischen Geheimdienst beschattet. Reynevan nimmt aus mehreren Gründen eine geheime Mission für die Hussiten an, erstens um der Stadt zu entkommen, zweitens um seinen Freund Samson Honig von einem Fluch zu befreien, drittens um Rache für seinen Bruder zu nehmen und viertens um seine geliebte Nicoletta wieder zu sehen.

Der Irrungen und Wirrungen sind noch viel mehr auf diesem mittelalterlichen Road-Trip des polnischen Schriftstellers und Literaturkritikers Andrzej Sapkowski (* 1948), der mit der Fortsetzung von „Narrenturm“ erneut ein vergnügliches, intelligentes und derb humorvoll übersteigertes Bild des Mittelalters zeichnet. Dabei ist vieles gar keine Fiktion, große Teile der Rahmenhandlung entsprechen historischen Tatsachen.

Wild und heiter geht es weiter

Ton und Stil des Romans entsprechen dem „Narrenturms“, Sapkowski verbindet erneut seine profunden Kenntnisse des Mittelalters und dessen Mythen mit hintergründigem Humor und Situationskomik, er persifliert diese Zeit und ihre Menschen auf liebevolle und gekonnte Weise. Er lässt Aberglauben und Magie zur Realität werden, selbst schwärzeste Magie bleibt nicht von genauso schwarzem Humor verschont. Zwar werden dem Stereotyp entsprechend wieder einmal Kirchenfürsten mit Nonnen oder Mägden im Bett gefunden, in Sachen humoriger Erotik tritt „Gottesstreiter“ dennoch deutlich kürzer. Auch sonst musste ich bedauerlicherweise nicht so oft schmunzeln wie im ersten Teil, der mir etwas kurzweiliger und vergnüglicher erschien. Sapkowski setzt in „Gottesstreiter“ auf eine sich immer komplexer verästelnde Handlung, die sehr kompliziert ist und dem Leser höchste Konzentration abfordert. Auf geradem Wege kommt Reynevan nie voran, über Umwege und lange zurückliegende Ereignisse kommen neue Figuren und Gruppierungen ins Spiel. Neueinsteiger sind hier überfordert; wer „Narrenturm“ nicht kennt, sollte unbedingt mit dem ersten Band der noch unbenannten Trilogie um Reinmar/Reynevan von Bielau beginnen.

Dieser Handlungsüberschuss macht dem Buch zu schaffen, denn Sapkowski liebt es, auf Kosten der eigentlichen Handlung in vergnügliche Nebenhandlungen überzugehen, wobei er oft den Faden verliert. Chaotisch mag die Zeit sein, über die er schreibt, dem Vergnügen des Lesers ist dies jedoch eher abträglich. Erschwerend kommt historisch bedingt ein Überfluss polnischer Namen hinzu, wichtige Ereignisse dieser Zeit setzt Sapkowski stillschweigend voraus, er erläutert sie nur am Rande. Dass ganze Sätze, nicht nur Zitate, oft im lateinischen, französischen oder italienischen Original erscheinen, ist ein weiteres Stilmittel, aber auch ein Stolperstein. Anstelle von Fußnoten befinden sich im Anhang ab S. 709 kapitelweise gegliederte Erläuterungen zu den genannten Passagen. Positiv hervorzuheben ist die Übersetzung von Barbara Samborska; der Roman liest sich trotz der leidigen Fremdwörterflut sehr gut. Reynevans manchmal etwas sehr geschraubte und gewöhnungsbedürftige Sprechweise im Konjunktiv könnte wirklich so vom Autor beabsichtigt sein, ist allerdings wieder ein Fall, an dem sich die Geister scheiden.

Unterm Strich

Wer „Narrenturm“ mochte, wird auch „Gottesstreiter“ lieben. Allerdings ist dieser Roman noch sperriger und anspruchsvoller. Darunter leiden leider der Humor und die Leichtigkeit, die den ersten Band auszeichnen; oft konnte ich den Wendungen Sapkowskis nicht mehr folgen. Freunden des klassischen „historischen“ Romans à la Rebecca Gablé wird ein Kontrastprogramm geboten; wer eine gelungene und anspruchsvolle Mischung aus historischen Fakten und Fantasy sucht, wird mit dem Mittelalter-Road-Trip Sapkowskis bestens bedient. Da kann man auch die genannten Schwächen verkraften.

„Gottesstreiter“ erscheint im Unterschied zum Softcover „Narrenturm“ als englische Broschur, zwar gebunden, aber im Gegensatz zum Hardcover mit einem flexiblen Einband aus Buchbinderpappe. Dadurch ist das 740 Seiten starke Buch besser lesbar und macht einen wertigeren Eindruck. Ärgerlicherweise gibt es leider keine entsprechende Neuauflage des ersten Bandes.

Freunde Sapkowskis können sich zudem auf Nachschub freuen: Titel und Erscheinungsdatum des dritten Teils der Trilogie sind zwar noch nicht bekannt, aber die Abenteuer des Hexers Geralt werden beginnend mit „Der letzte Wunsch“ (übersetzt von Erik Simon) demnächst neu aufgelegt.

http://www.dtv.de/

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