Jenny Nimmo – Charlie Bone und das Schloss der tausend Spiegel (Die Kinder des roten Königs 4)

Band 1: „Charlie Bone und das Geheimnis der sprechenden Bilder“
Band 2: „Charlie Bone und die magische Zeitkugel“
Band 3: „Charlie Bone und das Geheimnis der blauen Schlange“

Ein neues Schuljahr hat begonnen. Und es wartet gleich als Erstes mit einer unangenehmen Überraschung auf: Manfred ist immer noch da, obwohl Charlie gehofft hatte, der unangenehme Aufsichtsschüler wäre nach seinem Schulabschluss studieren gegangen. Stattdessen ist er jetzt Hilfslehrer am Bloor! Auch Asa ist immer noch da – durchgefallen! Und als Ersatz für Zelda kam nicht nur ein frostiges Zwillingspärchen, sondern auch noch ein Junge namens Joshua, dem es mit Hilfe seiner Gabe gelingt, Tancred auf seine Seite zu ziehen. Jetzt ist das Gleichgewicht im Bloor ernstlich gestört.

Das ist aber nicht das einzige Problem: Billy Raven kriegt tatsächlich Eltern, allerdings kein nettes Ehepaar, sondern Verbündete der Bloors, die den Jungen nicht nur einsperren, sondern ihn auch an der Schule von den anderen Kindern zu isolieren suchen. Sie haben Billy einen magischen Eid unterschreiben lassen, der ihm die größten Schmerzen bereitet, sollte er gegen die Bedingungen verstoßen. Klarer Fall, dass Billy befreit werden muss! Die Frage ist nur: Wo soll er nach seiner Befreiung hin?

Charakterentwicklung

Billy hält inzwischen längst nichts mehr von den Bloors. Aber der Chance auf ein richtiges Zuhause kann der schüchterne und einsame kleine Junge trotzdem nicht widerstehen, obwohl sein Instinkt ihn dringend vor dem Ehepaar de Grey und ihrem Eidformular warnt. Dafür kann spätestens nach seinen Erfahrungen mit den de Greys davon ausgegangen werden, dass Billy jetzt zur Gruppe der freundlich gesinnten Nachkommen des roten Königs zählt.

Eine recht interessante Entwicklung bietet Olivia. Sie hat eine Rolle, für die sie vorgesprochen hat, nicht bekommen, und das hat offenbar eine Krise der besonderen Art ausgelöst. Olivia vernachlässigt ihr sonst so schrill aufgepepptes Äußeres, ist grantig und missmutig, … und sie schält die ganze Zeit Äpfel. Irgendetwas beunruhigt sie offenbar, das weniger mit ihrem Vorsprechen zu tun hat, sondern vielmehr mit einer gewissen Alice Angel.

Die Neuzugänge an Charakteren waren alle eher schwach ausgearbeitet. Sowohl Alice Angel als auch Christopher Crowquill geben lediglich einen Gastauftritt und verschwinden am Ende des Bandes wieder. Mr. Ebony – oder zumindest der, der dahintersteckt – dagegen tauchte zumindest in Onkel Patons Erzählungen bereits im letzten Band auf. Eigentlich hätte ich erwartet, dass er eine etwas größere Rolle spielen würde, aber vielleicht kommt das ja noch. Denn trotz der Ereignisse an der Küste kann der Leser nicht mit Sicherheit sagen, was letztlich aus ihm geworden ist. Und selbst Joshua Tilpin und die Zwillinge, die als neue Schüler ans Bloor gekommen sind und folglich noch länger eine Rolle spielen dürften, sind eher dürftig beschrieben. Um genau zu sein, wurde außer einigen wenigen Worten über ihr Äußeres lediglich ihre Sonderbegabungen erwähnt. Andererseits gibt es über Dorcas und Asa auch nicht viel mehr zu wissen.

Handlungsfortschritt

Trotz der recht dürftigen Ausarbeitung der einzelnen Charaktere waren einige interessante Aspekte mit ihrem Auftreten verbunden: Verbunden mit der Figur des Christopher Crowquill wurde ein weiterer Teil der Vergangenheit der Kinder des roten Königs ausgebaut, der diesmal größtenteils Billys und Manfreds Ahnen betraf, aber auch die von Charlie Bone. Angefangen damit, dass einige dieser unmittelbaren Nachkommen zum ersten Mal beim Namen genannt werden, umfasst dieser Teil diesmal vor allem die Geschichte von Billys Vorfahren und erstreckt sich letztlich bis zum Spiegelschloss, das Billys Vorfahren gehörte.

Joshua Telpin dagegen hat eine bemerkenswerte Gabe, die hier als Magnetismus bezeichnet wird, im Grunde aber überhaupt nichts mit Metallen oder Physik zu tun hat, sondern eher eine art mentale Anziehungskraft beschreibt. Joshua kann andere dazu bringen, ihn zu mögen und zu ihm zu halten.

Und Alice Angel bezeichnet sich selbst als weiße Hexe, was zwar nicht gerade umwerfend ist, denn ihre magischen Kräfte scheinen eher etwas mit Wahrnehmung denn mit Aktivität zu tun zu haben. Beachtenswert fand ich dagegen den Hinweis, dass, wo eine weiße Hexe ist, sich auch immer eine schwarze Hexe aufhält! Die Frage, wer diese schwarze Hexe ist, bleibt unbeantwortet. Das eröffnet eine vielversprechende Perspektive für den nächsten Band.

Der vierte Band der Charlie-Bone-Reihe bietet also wieder die gewohnte Mischung aus vordergründiger Handlung, die die Bewegung liefert – in diesem Fall die Sache mit Billys Flucht vor seinen „Adoptiv“eltern -, und einem eher ruhigeren Teil, der die Vergangenheit der Kinder des roten Königs weiter ausbaut. Allerdings muss ich sagen, dass Jenny Nimmos zügige Erzählweise mir diesmal etwas holperig vorkam. Vor allem gegen Ende stolperte das Ganze doch ein wenig sprunghaft voran, der Erzählverlauf fließt nicht richtig. Auch hatte ich, nachdem die Köchin festgestellt hatte, dass Mr. Ebony verschwunden war, irgendwie größere Probleme auf oder bei der Rückkehr von der Insel des Spiegelschlosses erwartet. Es wäre die Gelegenheit gewesen, dem Spannungsbogen einen finalen Höhepunkt zu geben, stattdessen verpufft das einzige Hindernis, das auftauchte, in wenigen Sätzen, und das war’s. Schade!

So blieb „… das Schloss der tausend Spiegel“ doch ein wenig hinter dem turbulenten dritten Band zurück, trotz so ungewöhnlicher Einfälle wie Haus Verweilenicht, wütenden Eidformularen, einem Geisterpferd und einem verwandelten Zauberstab. Immerhin bieten nicht nur die Frage nach der Identität der schwarzen Hexe interessante Aussichten, sondern auch der Titel des fünften Bandes „… und der rote König“. Und auch die Neuzugänge in der Riege der Sonderbegabten am Bloor dürfte Stoff für einige neue Ideen bieten. Kein Grund also, nicht weiterzulesen.

_Jenny Nimmo_ arbeitete unter anderem als Schauspielerin, Lehrerin und im Kinderprogramm der BBC. Geschichten erzählte sie schon als Kind, Bücher schreibt sie seit Mitte der Siebziger. Unter anderem stammt der Zyklus |Snow Spider| aus ihrer Feder, sowie „Im Garten der Gespenster“, „Der Ring der Rinaldi“ und „Das Gewächshaus des Schreckens“. „Charlie Bone und das Geheimnis der sprechenden Bilder“ ist der erste Band des Zyklus |Die Kinder des roten Königs| und hat sie auch in Deutschland bekannt gemacht. Der neueste Band der Charlie-Bone-Reihe mit dem Titel „Charlie Bone and the Wilderness Wolf“ soll im Juni dieses Jahres auf Englisch erscheinen.

Gebundene Ausgabe: 338 Seiten
Originaltitel: Charlie Bone and the Castle of Mirrors
www.ravensburger.de
www.jennynimmo.me.uk