Heiland, Henrike – Späte Rache (Verdeckte Ermittlungen 1)

_Von den Bergen an die See._

So geht es Dr. Anne Wahlberg in „Späte Rache“ von Henrike Heiland. Die Mittdreißigerin, die ihr Geld als Kriminalpsychologin verdient, erhält die Chance von München nach Rostock zu ziehen, um dort ein Forschungsprojekt zu unterstützen. Gleich nach ihrer Ankunft wird sie zu dem verzwicktesten Fall, den die Rostocker Kripo seit langem zu lösen hat, zu Rate gezogen.

Hauptkommissar Erik Kemper ist darüber nicht gerade erfreut und beteiligt Anne so gut wie gar nicht an dem Fall der Kindergärtnerin Lena Sommer, die ermordet und geschändet an der Neptunwerft aufgefunden wird. Die Polizei sitzt schon eine ganze Weile an dem Fall, aber sie hat bis jetzt noch keine einzige verwertbare Spur.

Erst Anne findet zusammen mit dem jungen Malte, der der Polizei als Unterstützung aus Schwerin zugeteilt wurde und bei den Kollegen nicht gerade beliebt ist, heraus, dass Lena Sommer ein Verhältnis mit dem ortsbekannten Mitglied einer rechten Partei hatte. Doch ob das mit dem Mordfall zusammenhängt?

Wenig später wird eine weitere Frau tot aufgefunden – an der gleichen Stelle wie Lena, doch sie wurde gekreuzigt. Es stellt sich heraus, dass die Tote Lenas Tante war und Anne ahnt, dass dies kein Zufall sein kann. Kemper ist allerdings nicht so begeistert von der Theorie einer Psychologin, die von der echten Polizeiarbeit so viel Ahnung hat wie ein Schwein vom Eierlegen …

Nun also Rostock in seiner ganzen Schönheit: Heiland erschließt neue Polizeireviere, doch leider muss an dieser Stelle gesagt werden, dass Lokalkolorit nicht nur aus dem Wissen von Straßennamen und Bars besteht. Die Autorin schafft es nicht, mehr von der Stadt zu transportieren, und es fehlt dem Buch auf weiten Strecken an einer ordentlichen Atmosphäre.

Die Autorin konzentriert sich sehr auf den Kriminalfall und lässt dabei besonders Dr. Anne Wahlberg in den Vordergrund treten, die neben der schwierigen Eingewöhnung und eigenen Problemen auch noch den Fall lösen möchte. Leider ist die Person der Anne, so wie die meisten anderen Charaktere, nicht ordentlich ausgearbeitet. Sie wird nur umrissen, und auch wenn Heiland versucht, ihr durch Gedanken und Gefühle Leben einzuhauchen, fehlt es der Kriminalpsychologin an Substanz. Sie wirkt ein wenig zu beliebig und austauschbar.
Das Gleiche gilt für die anderen Charaktere. Selbst der brummige Kemper wirkt halbseiden und kann seine nicht ganz unkomplizierte Persönlichkeit nicht richtig in der Geschichte entfalten.

Die Handlung ist an und für sich solide. Es fehlt oft an Spannung, weil es an echten Überraschungen mangelt, aber die Lösung des Falls wirkt authentisch. Es gibt keine übertriebenen Zufälle, aber auch sonst nichts, was über den typischen Kriminalroman hinausgeht. Sorgfältige Polizeiarbeit, ein paar Ermittlungen auf eigene Faust und die eine oder andere Reiberei mit einer feindlichen Partei – viel mehr hat „Späte Rache“ leider nicht zu bieten.

Der biedere Eindruck, den das Buch hinterlässt, hängt sicherlich auch mit dem neutralen Schreibstil zusammen. Es fällt schwer, selbigen zu beschreiben, denn er ist allzu beliebig. Auf der einen Seite gibt es keine schwerwiegenden Fehler, aber genauso wenig gibt es auffällige Besonderheiten in Heilands Schreibe.

Heilands erster Kriminalroman mit Wahlberg und Kemper glänzt also vor allem durch Durchschnittlichkeit. Es gibt kaum etwas, das sich nach dem Zuschlagen des Buches im Kopf festsetzt, und das ist schade. Die Spannungen zwischen der Kriminalpsychologin und dem Hauptkommissar hätten sicherlich noch einiges hergegeben.

http://www.bastei-luebbe.de

Schreibe einen Kommentar