Kane, Andrea – Angsttage

Blut ist dicker als Wasser – aber ist es so dick, dass man dafür morden würde? Andrea Kane beantwortet diese Frage in ihrem Roman „Angsttage“ auf anschauliche Art und Weise.

Sally Montgomery ist eine tierliebe Kindergärtnerin, die für ihre Zähigkeit und Freundlichkeit bekannt ist. Sie hat drei erwachsene Kinder und widmet ihre Zeit vor allem ihren Tieren. Als der reiche Unternehmer Frederick um ihre Aufmerksamkeit buhlt, gibt sie sich erst bescheiden, lässt sich aber dann doch von ihm dazu überreden, einen Wochenendtrip in die Berge zu machen. Doch dieser endet in einer Katastrophe.

Frederick wird erschlagen und verbrennt zusammen mit ihrer Hütte, Sally kann gerade so flüchten. Ihr wird schnell klar, dass es nicht besonders schlau wäre, zuhause aufzutauchen, wenn der Mörder Fredericks ihr noch auf den Fersen sein könnte – und wenn die Polizei sie verdächtigt, den Brand gelegt zu haben. Verzweifelt meldet sie sich bei ihrer ältesten Tochter Devon, die sofort Sallys Ex-Mann und ihren Vater Monty darüber informiert.

Monty, ein ehemaliger Cop, arbeitet als Privatermittler, und trotz der Trennung liebt er Sally immer noch. Er schwört Stein und Bein, die Täter zu finden, damit Sally nach Hause kommen kann. Mithilfe von Devon beginnt er, Fredericks Familie, die schwerreichen Piersons, auszuspionieren. Er glaubt, dass die Wurzel allen Übels dort zu finden ist. Und tatsächlich scheinen einige Familienmitglieder mehr zu wissen, als sie zugeben …

Andrea Kanes Geschichte strotzt nicht unbedingt vor Originalität. Die Handlung, die sie erzählt, ist nicht die erste, die sich mit den Machenschaften eines Familienclans auseinandersetzt, und hat dieser Thematik auch nichts Neues hinzuzufügen. Dass die Geschichte nicht so einfach zu durchschauen ist, hängt vor allem damit zusammen, dass die Autorin es versteht, falsche Spuren auszulegen und ihre Personen in Ungereimtheiten zu verstricken. Der Leser fragt sich beinahe automatisch, wer denn nun hinter der ganzen Sache stecken könnte. Da es nur eine begrenzte Anzahl verdächtiger Personen gibt, ist das Rätselraten einfach – und trotzdem kommt das Ende überraschend, wirkt aber nicht an den Haaren herbeigezogen.

Auch wenn Kane nicht viel Zeit darauf verwendet, einen großartigen, spannungsgeladenen Plot zu entwerfen, weist die Geschichte einige nette Wendungen auf und ist stellenweise sogar fesselnd. An und für sich ist „Angsttage“ aber zu breit angelegt, um wirklich mitreißend zu sein. Das Privatleben der Figuren nimmt zu viel Platz ein beziehungsweise Kriminalfall und Privatleben werden zu stark vermischt. Das ist vor allem bei Devon der Fall, die eine Affäre mit einem der Piersons beginnt. Des Weiteren wirkt Montys Ermittlergeschick häufig überstürzt. Er löst einige Ungereimtheiten zu schnell auf, was weder der Geschichte noch der Person des Monty gut tut.

Davon einmal abgesehen, sind die restlichen Figuren durchweg gelungen. Es handelt sich um bodenständige Menschen, die sehr optimistisch und freundlich sind. Sie sind gut ausgearbeitet und man kann sich mit ihnen identifizieren; was aber letztendlich störend ist, ist der Mangel an Ecken und Kanten, an düsteren Geheimnissen. Negative Gefühle findet man bei den Montgomerys selten. Diese Friede-Freude-Eierkuchen-Mentalität wird dem einen oder anderen vielleicht sauer aufstoßen, auch wenn Andrea Kane ansonsten saubere Arbeit geleistet hat.

Mit ihrem Schreibstil verhält es sich ähnlich. Auch dieser ist locker-luftig und insgesamt sehr optimistisch. Kane schreibt flüssig, leicht lesbar und verplaudert sich dabei an der einen oder anderen Stelle. Sie schweift aber glücklicherweise nie zu weit ab, sondern polstert die Geschichte dadurch unterhaltsam auf. Spaß machen auch die kleinen Neckereien zwischen den Hauptfiguren, die lebendig und realistisch wirken und manchmal sogar zum Lachen animieren.

„Angsttage“ ist kein straff durchkomponierter, hochspannender Thriller, sondern eher die Familienvariante davon. Nett, beschaulich, aber trotzdem gut geschrieben und sorgfältig aufgebaut. Andrea Kanes Geschichte ist sicherlich nicht für jeden etwas, wird ihren Leserkreis aber finden.

|Originaltitel: Wrong Place, Wrong Time
Aus dem Englischen von Karin Meddekis
444 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-404-15916-1|
http://www.bastei-luebbe.de

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