W. J. Stuart – Alarm im Weltall

stuart-alarm-im-weltall-cover-kleinEine Suchaktion führt den Raumkreuzer C-57-D auf den Planeten Altair 4, doch der einzige Überlebende eines vor Jahren dort havarierten Forschungsschiffs will gar nicht gerettet werden. Statt Dankbarkeit erwartet die Ankömmlinge ein unsichtbares Ungeheuer, das sie in Stücke reißen will … – Angelehnt an Shakespeares Drama „Der Sturm“ entstand dieses solide geschriebene und übersetzte Buch zum Filmklassiker von 1956, das sich erstaunlich spannend und wie ein Kompendium der Science Fiction seiner Entstehungszeit liest.

Das geschieht:

Im Jahre 2371 befindet sich der Raumkreuzer C-57-D auf einer geheimen Mission. Zwei Jahrzehnte zuvor ist das Forschungsschiff „Bellerophon“ auf einer Forschungsexpedition verschollen, die Wissenschaftler, Techniker und Soldaten auf den Planeten Altair 4 bringen sollte. Ein volles Jahr dauert die Reise dorthin sogar mit Überlichtgeschwindigkeit, die von den Schiffen der Raumflotte der Vereinten Planeten inzwischen erreicht werden kann.

Als das Ziel endlich erreicht ist, meldet sich per Funk ein Überlebender: Dr. Edward Morbius, einer der klügsten Köpfe der Erde, hat den Absturz der „Bellerophon“ überlebt. Auf Altair 4 gestrandet, richtete er sich mit Hilfe des Allzweckroboters „Robby“ ein behagliches Heim ein. Eindringlich warnt er nun Kommandant John Adams und seine Crew, den eigentlich gastfreundlich wirkenden Planeten zu betreten, will oder kann die Gefahr, die er nennt, aber nicht in Worte fassen.

Adams lässt sich deshalb nicht abschrecken. C-57-D landet, der Kommandant sucht Morbius auf – und erlebt eine Überraschung: Der schroffe Forscher ist dem Ende der „Bellerophon“ nicht allein entkommen. Seine Tochter Altaira hat sich in eine bildschöne junge Frau verwandelt, die sich prompt in den stattlichen Adams verliebt. Morbius ist nicht entzückt. Auch retten lassen will er sich nicht: Auf Altair 4 fand er das technische Erbe der Krell, deren Zivilisationstand den der Erdmenschen weit überstieg. Doch die Krell gibt es nicht mehr; ein schreckliches Ungeheuer hat sie ausgerottet. Es wacht auch weiterhin über ‚seinen‘ Planeten. Bald wird es auf die C-57-D aufmerksam und stattet dem Schiff unsichtbar tödliche Besuche ab. Es scheint unverwundbar zu sein und wird immer stärker. Adams nimmt den Kampf auf, den er jedoch nicht gewinnen kann, wie er weiß, nachdem er die wahre Natur des Gegners entdeckt hat …

Science-Fiction-Shakespeare

„Der Sturm“ („The Tempest“), William Shakespeares wahrscheinlich letztes Theaterstück, entstanden zwischen 1610 und 1612, diente vielen Künstlern späterer Zeiten als Ideen-Steinbruch für eigene Werke. Der Plot ist durchaus zeitlos, und wenn man ihn seiner Kulissen entkleidet, bleibt das, was auch heute noch belegt, dass Shakespeare um die Leidenschaften der Menschen wusste, die er in grandiose Worte fasste!

Trotzdem hätte sich der englische Dichterfürst gewundert, wäre ihm jene „Sturm“-Version vor Augen gekommen, die 1956 in Hollywood uraufgeführt wurde. Mehr als 750 Jahre in die Zukunft und auf einen fernen Planeten versetzte Drehbuchautor Cyril Hume (nach einer Story von Irving Block und Allen Adler) die Geschichte vom verbannten Zauberer Prospero, der mit seiner Tochter Miranda auf einer einsamen Insel strandet, von den Söhnen des Königs von Neapel gerettet werden soll und sich mit Geisterkraft dagegen sträubt. Aus Prospero wurde Dr. Morbius, aus Miranda Altaira. Die Rolle der Söhne übernahmen John Adams und Schiffsarzt Ostrow, den Luftgeist Ariel gab (ziemlich schwergewichtig) Robby, der Roboter, und das „Id-Monster“ mimte Caliban, den missgestalteten Sohn der Hexe Sycorax.

Aufwand kann sich durchaus lohnen

„Forbidden Planet“ (dt. „Alarm im Weltall“) wurde zum Klassiker seines Genres. Natürlich wirken Film und Buch heute altmodisch und reizen oft zum Schmunzeln. Doch immer noch besticht die sorgfältige Machart: „Forbidden Planet“ war kein möglichst billig heruntergekurbeltes B-Movie. Das Budget war hoch, die Kulissen waren aufwändig, viele ausgewiesene Spezialisten arbeiteten an diesem Film mit. Die Tricks überzeugen noch heute. Die Story leistet deutlicher als in den meisten SF-Filmgeschichten ihren Beitrag. Es überzeugt die simple aber überzeugende Erkenntnis, dass die schlimmsten Monster im Menschenhirn nisten. Diese von der Geschichte allzu oft bestätigte Tatsache wird in eine außerordentlich spannende Handlung mit düsteren Untertönen umgesetzt.

Dies bleibt auch im Buch zum Film erhalten. Es wurde von Philip MacDonald (unter dem Pseudonym W. J. Stuart) verfasst, der als Schriftsteller und Drehbuchautor in beiden Künsten verwurzelt war. „Alarm im Weltall“ ist deshalb kein Film-Buch (= „tie-in“) moderner Machart, also kein lieblos und hastig von drittklassigen Schreiberlingen zusammengeschustertes Verbrauchsprodukt, das der Vervollständigung der Merchandising-Palette dient, sondern ein Roman, der als solcher bestehen kann.

Wie im Film legt Verfasser Stuart viel Wert auf Atmosphäre. Mit sicherem Blick erkennt er die Absurditäten, die ihm der Plot vorgibt. Während im Film die Bilder über solche Klippen helfen, muss im Buch erklärt werden: Wieso reden und verhalten sich die Männer an Bord der C-57-D, als ob sie auf einem Schlachtschiff (oder U-Boot) des 20. Jahrhunderts dienten? Stuart findet die Lösung: Es ist eine militärische Tradition, die beibehalten wurde. Er kreiert viel Techno-Babbel, der die Technik der Zukunft ‚erklärt‘, die – durchaus originell ausgedacht – auch im Film immer wieder thematisiert wird; dies wurde übrigens von vielen späteren „Star Trek“-Autoren fasziniert zur Kenntnis genommen und adaptiert.

Figuren mit Symbolkraft

Psychologie ist keine Wissenschaft, die normalerweise mit der Science Fiction der 1950er Jahre in Verbindung gebracht wird. Naturwissenschaften und Technik würden nach Ansicht der meisten zeitgenössischen SF-Autoren die Zukunft bestimmen. Auch „Alarm im Weltall“ ist kein Meilenstein einer eher auf Hirn und Seele zielenden Science Fiction, wie sie in den späten 1960er Jahren aufkam. Dafür geht es an Bord der C-57-D gar zu militärisch zu. John Adams ist ein typischer Vertreter seiner Art: Ein Soldat der Marke streng aber gerecht. Die Vorschrift geht ihm über alles, auch wenn er sie manchmal immerhin leise in Frage stellt. Er hat den Auftrag, auf Altair 4 nach dem Rechten zu sehen und Überlebende zu retten. Den wird er erfüllen und sich wenig darum scheren, dass sich Dr. Morbius sehr wohl in seiner neuen Heimat fühlt und gar nicht fort möchte. Solches Denken übersteigt Adams’ engen Horizont.

Dr. Morbius hat sich allzu tief in Bereiche ziehen lassen, die auch ihn geistig überfordern. Er fühlt sich als einziger Mensch den Krell intellektuell ebenbürtig. Zu spät erkennt er, dass er einer Selbsttäuschung unterliegt und recht blind in deren Erbe herumgestochert sowie Reaktionen in Gang gesetzt hat, die er nicht zu kontrollieren vermag. Der stets beherrscht auftretende Mann wird tatsächlich von starken Gefühlen beherrscht. Zorn und Ärger vermag er zu unterdrücken, doch sie sind noch da. Die verhängnisvolle Technik der Krell liefert ihnen die Möglichkeit sich zu manifestieren. Der Mensch ist es, der Altair 4, ein exotisches Paradies, zerstört, weil er einen weiteren Sündenfall nicht vermeiden kann.

Die Eva in diesem Spiel ist Altaira, Morbius’ Tochter und außer ihm der einzige Mensch auf Altair 4. Kein Wunder, dass der Vater sie mit einem Eifer ‚beschützt‘, der fatal an Eifersucht erinnert. Völlig arg- und ahnungslos steigert Altaira Morbius‘ buchstäblich mörderischen Zorn, indem sie sich verliebt; das war zu erwarten bei einer gesunden 20-Jährigen, die zum ersten Mal auf Männer trifft, die nicht ihr Vater sind.

Den menschlichen Figuren steht gleichrangig Robby, der Roboter, zur Seite. Für den Film wurde er vom Ingenieur Robert Kinoshita entworfen und kostete zeitgenössisch stolze 125.000 Dollar. Robby entwickelte sich zu einer frühen Pop-Art-Ikone und trat in zahlreichen weiteren Kino- und TV-Filmen auf. In „Alarm im Weltall“ hielt er sich streng an Isaac Asimovs berühmte drei Robotergesetze, die auf diese Weise zum ersten Mal einem breiten Publikum vorgestellt wurden. Er ist zwar eine Maschine, weist aber deutlich ‚menschliche‘ Züge auf, die ihn zu einem Vorfahren von Marvin, Mr. Data und anderen Robotern/Androiden mit ‚Seele‘ machen.

„Alarm im Weltall“ – die deutsche Buchfassung

Bücher zu erfolgreichen Filmen und Fernsehserien gibt es schon länger als dies vor allem die jüngeren Zuschauer vielleicht vermuten. Auch in Deutschland ließen solche „tie-ins“ die Kassen zusätzlich klingeln. Meist kennt sie nur noch der Sammler. „Alarm im Weltall“, das Buch, erschien in seiner Erstauflage und mit dem Hinweis auf den gerade angelaufenen Kinofilm hierzulande 1957 in einer obskuren Taschenbuchreihe, der kein langes Leben beschieden war. Die meisten Exemplare sind längst unter den breiten Zahn der Zeit geraten. Eine Neuauflage konnte ich nicht feststellen.

Die Fassung von 1957 besticht äußerlich durch ihr Cover, das nicht Morbius, Adams oder Altaira, sondern Robby in einer dramatischen Situation zeigt (die so im Film oder im Roman nicht vorkommt): es ist klar, wer schon damals der echte Star war! Inhaltlich gefällt die zwar altmodische, oft steife aber sehr sorgfältige Übersetzung, die fern jeglichen „‚Drauf, Jungens’, schnarrte Raumschiff-Kapitän Braunmüller“-Vokabulars auch heute noch lesbar ist; „Alarm im Weltall“ wurde stilistisch nicht wie sonst üblich zum „guten Jugendbuch“ für die offenbar als Gehirnamputierte eingestuften Propellerhelm-Kids der 1950er Jahre heruntergebrochen und nimmt deshalb einen Ehrenplatz im Bücherschrank Ihres Rezensenten ein.

Autor

„W. J. Stuart” ist nur eines von mehreren Pseudonymen des Schriftstellers und Drehbuchautoren Philip MacDonald. Dieser wurde 1899 in eine Familie berühmter Literaten geboren. Vater Ronald war Schriftsteller und Theaterstückverfasser, Großvater der berühmte schottische Dichter und Autor George MacDonald (1824-1905). Bis er selbst zur Feder griff, folgte Philip treulich den Konventionen seiner Zeit. Nach seiner Schulzeit ging er zum Militär und wurde Kavallerist. Als solcher erlebte er den I. Weltkrieg auf den Schlachtfeldern des fernen Mesopotamien. Ins Zivilleben zurückgekehrt begann er zu schreiben.

Die ersten Werke waren Thriller im Stile eines John Buchan. Dann entdeckte MacDonald den klassischen Puzzle-Krimi als Genre. 1924 schuf er in „The Rasp“ die Figur des Geheimdienstmanns und Gentleman-Ermittlers Colonel Anthony Ruthven Gethryn, der noch in vielen weiteren Romanen die Hauptfigur wurde. MacDonald war als Schriftsteller so erfolgreich, dass er 1931 als Drehbuchautor nach Hollywood gehen konnte. In den nächsten beiden Jahren entstand als Nebenprodukt seiner Filmarbeit der Hauptteil seiner Werke, die indes oft unter dem Schreibtempo ihres Verfassers litten.

Mit dem II. Weltkrieg endete MacDonalds schriftstellerische Karriere bzw. verlagerte sich gänzlich auf die Filmarbeit. Mehr als 40 Kino- und TV-Filme schrieb er, darunter viele Routinestreifen der „Mr. Moto“- und „Charlie Chan“-Serien. Er lieferte aber auch die Story zum John-Ford-Klassiker „The Lost Patrol“ (1934) und arbeitete am Drehbuch zu Alfred Hitchcocks Meisterwerk „Rebecca“ (1940) mit.

Ende der 1950er Jahre gab MacDonald das Schreiben auf. Mit seinen Kurzgeschichten war er zuletzt sehr erfolgreich gewesen: 1953 und 1956 zeichneten ihn die „Mystery Writers of America“ mit einem „Edgar Allan Poe Award“ aus. Mit seinem Buch zum Film „Forbidden Planet“ (dt. „Alarm im Weltall“) gelang ihm ein erfolgreicher SF-Roman. Sein letztes Werk wurde 1959 „The List of Adrian Messenger“ (dt. „Die Totenliste“), gleichzeitig der Abschied für Major Gethryn. Philip MacDonald starb 1981.

Gebunden: 140 Seiten
Originaltitel: Forbidden Planet (New York : Farrar, Straus and Cudahy 1956)
Übersetzung: Wolfgang Wittig

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