Schlagwort-Archive: Ilias

David & Stella Gemmell – Königssturz (Troja 3)


Weibliche & andere Helden: das Ende eines Zeitalters, lebendig erzählt

Der Trojanische Krieg geht in die letzte Runde. König Priamos, dem trojanischen König, geht langsam das Gold aus, um neue Waffen produzieren oder Söldner kaufen zu können. Doch genau nach diesem Schatz gieren die 8000 Mykener unter König Agamemnon.

Unterdessen gerät Andromache, die Gattin Hektors, in einen seelischen Zwiespalt, weil sie sich zunehmend zu Helikaon (Aeneas) hingezogen fühlt, der ihr das Leben rettete – ihr Kind Astyanax ist nicht von Hektor, und dieser weiß es.

Im dritten Band nun treffen endlich die Mykener unter Agamemnon ein, doch sie wollen nicht die schöne Helena, sondern Gold – und Blut. Kassandra orakelt etwas von einem hölzernen Pferd, doch wie üblich hört mal wieder keiner auf die kleine Irre…
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David Gemmell – Der Donnerschild (Troja 2)

Spannend: das Duell Hektor gegen Achill

Die Saga um den Trojanischen Krieg geht weiter. Die Abenteuer von Odysseus und Helikaon alias Aeneas gehen weiter. Nach der furiosen Schlacht um den Königspalast von Troja liegt Helikaon, König von Dardania, schwer verletzt danieder, und seine heimliche Geliebte Andromache, die Verlobte von Prinz Hektor, versucht ihn mit unorthodoxen Mitteln zu heilen.

Wenige Tage später treffen von überall her Hochzeitsgäste ein, nicht nur, um die Vermählung zu feiern, sondern auch, um fünf Tage lang Wettspiele zu veranstalten. Der finstere mykenische König Agamemnon nutzt die günstige Gelegenheit, um gleich mal den König von Thrakien aus dem Weg zu räumen. Dann nimmt er Helikaon ins Visier, doch eine Prophezeiung ändert dies. Andromache darf die Spiele nicht überleben …
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David Gemmell – Der silberne Bogen (Troja 1)

Liebe und Action: Verrat in der goldenen Stadt

Der erste Band der Trilogie um Aeneas und Troja erzählt von Aeneas’ Ankunft in der mächtigsten Stadt des Mittelmeers, seiner Liebe zu der Amazone Andromache und seinem tapferen Verteidigungskampf gegen die Mykener Agamemnons. Die Fortsetzung trägt den Titel „Der Donnerschild“, vermutlich eine Anspielung auf den von Homer detailliert beschriebenen Schild des Helden Achilles. Aeneas hingegen ist der „Herr des silbernen Bogens“. Den Abschluss bildet der Roman „Königssturz“.

Der Autor

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Dan Simmons – Olympos (Ilium-Dilogie 02)

Dan Simmons‘ Roman „Ilium“ erschien im selben Jahr (2004) wie Wolfgang Petersens eher mäßige Filmumsetzung von Homers |Ilias|. „Ilium“ präsentierte sich als eine eigenwillige Mischung aus Mythologie und Science-Fiction sowie Literatur und Drama à la Shakespeare, die mit ihren abgedrehten, amüsanten und irrwitzigen Ideen dank der überschäumenden Fantasie des Autors für Begeisterung sorgte.

Mit „Olympos“ bringt Simmons seine Dilogie nun zu einem Ende. Messen muss sich das Buch an den hohen Maßstäben seines Vorgängers und der schweren Aufgabe, die drei nur vage miteinander verbundenen Handlungsstränge Iliums zu einem befriedigenden Ende zu führen.

Inhalte

„Ilium“ endete mit dem Bündnis der Griechen und Trojaner nach vorheriger Intervention der Steinvec-Soldaten der Moravecs. Achilles bläst zum Sturm auf den Olymp und unter den Göttern herrscht Zwietracht. Derweil kämpfen auf der Erde die wenigen noch verbliebenen Menschen mit Odysseus gegen die Monster Caliban und Setebos sowie die Voynixe, die von Dienern zu Killern mutiert sind und eine Siedlung nach der anderen erbarmungslos auslöschen. Thomas Hockenberry rätselt mit den Moravecs über die Hintergründe der Götter und ihres marsianischen Trojas, eine Expedition zur Erde wird geplant.

Wie in „Ilium“ wartet Simmons mit einer dreigeteilten Handlung auf. „Olympos“ beginnt mit dem mythologischen Teil, Troja wird von den Göttern bombardiert, der brüchige Friede mit den Griechen bröckelt aufgrund alter Feindschaften und Konflikte, zum Beispiel von Menelaos und Helena. Zentral ist jedoch das Auftreten Penthesileas, die den scheinbar unschlagbaren Achilles an seiner verwundbaren Stelle treffen und töten soll – dabei jedoch scheitert. Doch die ihr von Aphrodite verliehenen Pheromone wirken dennoch, und Achilles verliebt sich in die tote Amazone. Als Mann der Tat schwingt er sich die Leiche über die Schulter, verbündet sich mit Hephaistos, um den von Hera betäubten Zeus zu wecken und die Ordnung auf dem vom Kampf zwischen den Götter verwüsteten Olymp wiederherzustellen – als Belohnung wünscht er die Wiederbelebung Penthesileas in den Heilbottichen des Olymps.

Dieser Teil der Geschichte ist für Freunde der Ilias ein echter Leckerbissen: Simmons bedient sich der Sprachweise Homers und der gängigen deutschen Übersetzungen – hier hat Übersetzer Peter Robert wie bereits in „Ilium“ hervorragende Arbeit geleistet. Herrlich ironisch liest es sich, wenn der „fußschnelle“ oder „fußflinke Männertöter Achilles“ Zeus um Gnade für Penthesilea anfleht und dieser recht banal folgendermaßen antwortet:

„Du liebst Penthesilea, diese hirnlose blonde Schnalle mit Speer. Erzähl mir ein anderes Märchen, Sohn der Thetis.“ (…)

„Aphrodite hat der Amazonenkönigin ein Parfüm gegeben, das sie sich auflegen sollte, als sie zum Kampf mit mir antrat …“ (…)

Zeus lacht erneut brüllend: „Nicht Nummer Neun! Tja, da bist du wahrhaftig geliefert, mein Freund. Wie ist diese Fotze Penthesilea gestorben? Nein warte, ich will es mit eigenen Augen sehen …“ (…)|

Er sieht noch einmal, wie er die Königin Penthesilea und den dicken Rumpf ihres Pferdes hinter ihr mit der unfehlbaren Lanze seines Vaters durchbohrt und sie wie ein zappelndes Insekt in einer Sezierschale an ihr gefallenes Ross nagelt.
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„Oh, gut gemacht“, dröhnt Zeus. „Und jetzt möchtest du, dass sie in einem der Bottiche meines Heilers wieder zum Leben erweckt wird?“ (…)

„NIEMAND IM URSPRÜNGLICHEN PANTHEON DER UNSTERBLICHEN SAGT ZEUS, DEM VATER, WAS MÖGLICH IST ODER WAS GETAN WERDEN SOLLTE, UND ERST RECHT KEIN KLEINER, STERBLICHER, MIT ZU VIELEN MUSKELN BEPACKTER LANZENKÄMPFER.“

Dieser Handlungsstrang ist der gelungenste in „Olympos“. Der Krieg der Götter und der Zorn des Achilles und anderer Figuren wie Helena sind amüsant und unterhaltsam, allerdings auch langatmig: Einen Sinn oder eine Verbindung zur Handlung auf der Erde sollte man gar nicht erst suchen, vieles bleibt einfach aufgesetztes Beiwerk und bringt die Handlung in keiner Weise voran. Die abstruse |Ilias| wird bisweilen so seltsam, dass man sie nicht mehr genießen kann.

Hockenberry und die Moravecs sind leider bei weitem nicht mehr so unterhaltsam wie im ersten Teil. Wen ihre philosophisch angehauchten Diskussionen nicht amüsierten, sondern auf den Geist gingen, wird jedoch nicht davon befreit: Jetzt sind sie nur noch geistlos. Die Moravecs dienen nur noch dazu, die Brücke zur Handlung um Prospero, Caliban und Sethebos auf der Erde zu schlagen, mit dem Raumschiff |Queen Mab|.

Die Erd-Handlung ist genauso trostlos wie im ersten Teil. Der Shakespear’sche Alien-Horror auf der Raumstation hat sich mittlerweile verflüchtigt und hat Feuergefechten mit Voynixen und dem sich ausbreitenden Setebos Platz gemacht, man kämpft zusammen mit Odysseus und wartet nur auf die Ankunft des marsianisch-trojanischen Odysseus, der diesem Handlungsstrang auch keinen rechten Sinn zu geben vermag.

Daran scheitert schließlich „Olympos“: Simmons müht sich ab, seinem trojanischen Krieg mit Shakespeare und Nanotechnologie am Ende einen Sinn zu geben, was leider nicht gelingt. Banalitäten bleiben dafür in Erinnerung: Warum muss einer der Altmenschen nekrophilen Sex mit einer der Moiren haben, um sie wiederzuerwecken? Kann man einen DNA-Schlüssel nicht etwas dezenter übertragen? Oft zündet die Mischung aus Literatur, Mythologie und derbem Schenkelklopfer-Humor einfach nicht.

Simmons verwurstet die |Ilias| gnadenlos, Science-Fiction-Freunde bleiben dabei zweifellos auf der Strecke, zumal der bessere Teil des Buchs eindeutig eher „Mythological Fiction“ ist. Ein sehr unbefriedigendes Ende erwartet den Leser. Es ist besser, sich von der blühenden Fantasie Simmons amüsieren zu lassen als sich von den zahllosen offen gelassenen, unbedeutenden oder mehr schlecht als recht hingebogenen Handlungssträngen verwirren zu lassen oder sie zu betrauern. Redundant und fragwürdig ist auch die Verteilung der Kapitel: Man erfährt über hundert Seiten, bevor Achilles Zeus aus seinem Schlaf erweckt, dass er es getan hat. Dann wird davon schließlich doch im Detail erzählt, in der oben zitierten Passage. Der epochale Umfang von 960 Seiten hätte dringend mehr Story und eine drastische Kürzung benötigt, zumal nur die Troja/Achilles-Ebene wirklich überzeugen kann. Langeweile macht sich deshalb breit, der Humor flacht ab und man sehnt sich geradezu nach einem vernünftigen Gedankengang in der ganzen breitgetretenen Geistlosigkeit – sein philosophisches Pulver hat Simmons wohl bereits in „Ilium“ verschossen. Die Verbindung der Handlungsteile ist leider kläglich gescheitert.

Unterm Strich

Simmons kann in „Olympos“ nicht annähernd das Versprechen einlösen, das er mit „Ilium“ gemacht hat. Mehr als zwei Drittel des Buchs sind so langweilig, dass man sie überblättern möchte. Das Ideenfeuerwerk des ersten Buchs ist weitgehend abgebrannt, das schwache Ende und die Sinnlosigkeit ganzer Handlungsteile haben zu einem überlangen und langweiligen Buch geführt, in dem nur an wenigen Stellen die dichte Atmosphäre „Iliums“ erhalten geblieben ist.


Taschenbuch: 960 Seiten
Aus dem US-Englischen von Peter Robert.
ISBN-13: 978-3453521230

www.heyne.de

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 4,00 von 5)

Dan Simmons – Ilium (Olymp-Dilogie 01)

Der Wahnsinn hat Methode: Troja auf dem Mars!

Im Feldlager der Griechen, am Fuße des Olympus Mons in einer fernen Zukunft, überwacht der Scholiker Thomas Hockenberry im Auftrag der Muse Melete für die Götter des Olymps den Verlauf des wohl klassischsten aller Heldenepen: Homers Epos Ilias.

Dan Simmons, Autor der Bestseller „Hyperion“ und „Endymion“, begibt sich aber nur scheinbar in literarisches Neuland. Einige seiner Personen und Konzepte – das „Faxen“ (Farcaster) und die Entwicklung der Menschheit auf der Erde stellte er bereits in den beiden Klassikern vor. Sie zeigen sich insbesondere in dem Handlungsstrang, der auf der nahezu entvölkerten Erde spielt – denn der Olymp und Troja auf dem Mars stellen nur einen von drei fantastischen Handlungssträngen dar, die im weiteren Handlungsverlauf zusammenfließen werden.

Da wären noch die Moravecs von den Jupitermonden, grundsätzlich das, was der Rest der SciFi-Welt als „Cyborgs“ bezeichnen würde, Roboter mit einigen organischen Teilen. Diese werden von massiven Quantenaktivitäten auf dem Mars angelockt und senden ein Expeditionsschiff aus, zu dessen Crew unter anderem der hundeähnliche Tiefsee-Experte Mahnmut von Europa und der krabbenartige Hochvakuum-Moravec Orphu von Io gehören. Die beiden Freunde sind ausgesprochene Literaten und diskutieren gerne über den tieferen Sinn der Werke von William Shakespeare und Marcel Proust.

Auf der Erde leben genau 1.000.000 Altmenschen, jeder mit einer Lebensspanne von 100 Jahren. Sie kennen keine Literatur, kaum geschichtliche Ereignisse, können nicht lesen und leben dekadent rund um die „Faxknoten“ der Erde, mit denen man sich blitzschnell von einer Enklave zur nächsten bewegen kann. Sie habe keine Vorstellung von Geographie, auf der weitgehend menschenleeren Erde wüten Dinosaurier und riesenhafte Terrorvögel; nach ihrem Tod, so sind sie überzeugt, fahren sie auf in die orbitalen Ringstädte der Nachmenschen… Doch der schlaue Harman zweifelt und denkt über dieses ihm nicht richtig erscheinende Leben nach, er startet mit einigen Gleichgesinnten eine Erkundung der Welt abseits der Faxknoten.

Wie passt das alles zusammen? Spätestens, wenn Daeman von einem Allosaurus gefressen wird, und das von seinen Freunden recht gelassen aufgenommen wird, da er kurze Zeit später wieder aus einem Faxknoten spaziert – er ist ja noch keine 100 – sollte man merken: Hier stimmt etwas nicht… Das ist genauso absurd wie der Abschuss des Moravec-Raumschiffes im Orbit des Mars durch einen Blitz, den ein Gott aus seinem von geflügelten Rossen gezogenen Streitwagen geschleudert hat.

Aber es kommt noch dicker: Am Rand des marsianischen Thetys-Meeres, rund um Troja herum, hausen die klassischen KGMs (Kleine Grüne Männchen), die an dessen Küste Steinköpfe bzw. Marsgesichter aufstellen!

Doch der Wahnsinn hat Methode – je mehr man liest, desto mehr Zusammenhänge werden klar, die Geschichte wird zunehmend spannender. Anfangs wird der Leser arg im Unklaren gelassen, was Simmons bewusst als Stilmittel einsetzt, was jedoch auch störend sein kann:

Wenn eine Göttin sich aufs Schlachtfeld „qtet“, muss man schon einige Seite weiterblättern um zu erfahren, dass ein Gott sich bevorzugt per „Quantenteleportation“ vorwärts bewegt. Der Begriff „Scholiker“ wird nie erklärt, er erschließt sich aus Hockenberrys Tätigkeit. Was ein Moravec oder ein Voynix ist, dazu muss man sich schon das knapp über drei Seiten kurze Personenverzeichnis ansehen.

Dort erfährt man dann: Moravecs – autonome, empfindungsfähige, biomechanische Organismen, die während des Untergegangenen Zeitalters von Menschen im äußeren Sonnensystem ausgesäht wurden.

Zu den Voynixen: Mysteriöse, zweibeinige Geschöpfe, teils Diener, teils Wachhunde, nicht von der Erde.

Das ist mehr, als man im gesamten Buch über sie liest, insbesondere über die auf der Erde allgegenwärtigen Voynixe. Dieses Register hilft nicht gerade weiter, es erregt bestenfalls Argwohn und Interesse (nicht von der Erde – woher denn sonst?). Simmons spielt mit dem Leser, wie die Altmenschen auf der Erde hat dieser keine Ahnung, was vor sich geht. Er wirft Fragen auf, die erst nach und nach beantwortet werden.

Warum lassen die Götter auf dem Mars die |Ilias| beobachten, und warum kennen sie deren Ausgang nicht? Oder kennt ihn zumindest der mächtige Zeus, der mit seinen fast vier Metern selbst die bereits mit zweieinhalb Metern überlebensgroßen Göttergestalten überragt? Was hat es mit dem „Faxen“ auf sich, was geht im Orbit der Erde vor, was machen die Voynixe überhaupt, wo ist der Rest der Menschheit, was geschah bei dem ominösen „letzten Fax“?

Und wie passen die exotischen Moravecs mit ihren Shakespeare-Sonetten und ihren irrsinnigen, spezialisierten Körperformen (acht Tonnen schwer, krebsförmig, stark gepanzert und auf Hochvakuum ausgelegt), die bei den Kleinen Grünen Männchen landen, in diesen Irrsinn?

Alle drei Handlungsfäden werden am Ende zusammenlaufen: Der Wunsch einer Göttin, Thomas Hockenberry solle eine andere Göttin töten, bringt diesen in Gefahr – das Leben eines Scholikers ist nicht viel Wert, wer versagt, wird ausgelöscht. Was mag erst auf Göttermord stehen? Was er auch tut, er ist des Todes.

Wie dem auch sei: Der Verlauf der |Ilias| wird sich ändern, denn Hockenberry „morpht“ in die Rolle diverser Nebenfiguren und versucht Ereignissen einen anderen Lauf zu geben… Er kämpft um sein Leben und um das der Griechen und Trojaner, insbesondere das Helenas, die er nicht täuschen kann und die ihn als falschen Paris enttarnt – da sie ihm den Dolch unter die Weichteile hält, kann man sich denken, in welcher Situation. Danach gerät die |Ilias| völlig aus den Fugen – inwiefern, das möchte ich nicht verraten.

Auf der Erde haben es Harman und Daeman unter den Fittichen von Odysseus und der „ewigen Jüdin“ Savi geschafft, sich Zugang zu den orbitalen Wohnringen zu verschaffen. Dort erleben sie den Vorhof der Hölle. Während die Moravecs auf dem Mars nur über Shakespeare reden, sind sie Teil eines Shakespeareschen Horror-Dramas, welches an die Romanze „Der Sturm“ angelehnt ist, und erfahren das grauenhafte Schicksal der Nachmenschen und erhalten Erkenntnisse darüber, was wirklich mit ihnen nach 100 Jahren geschieht – und warum Odysseus nicht „faxen“ kann und sich dagegen mit gutem Grund sträubt.

Auf dem Mars wird zum Sturm auf den Olymp geblasen, zum Kampf um das Fortbestehen der Menschheit – wie das auf einmal? Hier endet „Ilium“ mit einem Cliffhanger. Erst die Fortsetzung „Olympos“ schließt, ähnlich wie bei „Hyperion“ der Folgeband „Der Fall von Hyperion“/“Das Ende von Hyperion“ (Anm.: In Deutschland nur noch als Sammelband „Die Hyperion-Gesänge“ erhältlich), das Drama ab.

Es fällt mir schwer, nicht in einer Lobeshymne zu versinken: Simmons hat ein Kunststück geschafft. „Ilium“ ist anspruchsvoll zu lesen, ist dabei aber zugänglicher und gefällt mir thematisch besser als „Hyperion“ und „Endymion“.

Entgegen üblicher Unart, Geheimnisse groß aufzubauschen und dann auf den letzten Seiten vollständig zu entzaubern, bietet Simmons dem Leser ständig Bruchstücke neuer Erkenntnisse, entwickeln sich neue Zusammenhänge und werden zuvor unverständliche Dinge klar – am Ende von „Ilium“ hat der Leser schon vieles erfahren, und dennoch bleibt noch genügend offen für den Folgeband.

Dabei kann seine Unart, Begriffe einfach in den Raum zu stellen, wie die Voynixe und das Faxen/Qten, stören. Man muss damit leider leben, sie ist integraler Bestandteil der bewussten Strategie, den Leser nach neuen Details gieren zu lassen, ihn zum Spekulieren und Grübeln anzuregen.

Dan Simmons setzt einiges voraus – wer die originale „Ilias“ nicht kennt, wird schon den ersten Absatz von Ilium nicht verstehen. Der Appell Homers an die Muse, ihn bei seinem Werk zu unterstützen, mit dem die |Ilias| beginnt, wird hier umgeschrieben:

„Singe mir, o Muse, des Peleussohnes und Männertöters Achilles Unheil bringenden Zorn, der tausend Leid den Achäern schuf und viele stattliche Seelen zum Hades hinabstieß.“

Soweit das Original – Simmons geht aber weiter:

„Und wenn du schon dabei bist, Muse, singe auch den Zorn der launischen, mächtigen Götter hier auf ihrem neuen Olymp, den Zorn der Nachmenschen, auch wenn sie vielleicht tot und begraben sind, und den Zorn jener wenigen echten Menschen, die es noch gibt, auch wenn sie vielleicht egozentrisch und überflüssig geworden sind.“

Weiter nimmt er recht ulkig Bezug auf die Moravecs:

„Und während du singst, o Muse, singe auch den Zorn jener nachdenklichen, empfindungsfähigen, ernsthaften, aber nicht sonderlich menschlichen Wesen, die draußen unter dem Eis von Europa träumen, in der Schwefelasche von Io sterben und in den kalten Falten des Ganymed geboren werden.“

„Aber wenn ich es mir recht überlege, o Muse, singe mir gar nichts. Ich kenne dich. Man hat mich wider Willen zu deinem Diener gemacht, o Muse, du Miststück sondergleichen. Und ich traue dir nicht, o Muse. Kein bisschen.“

So viel zu den launigen Kommentaren des Scholikers Hockenberry, der für die Muse die Arbeit übernommen hat, den Verlauf des trojanischen Krieges seit Jahren zu beobachten. Diese Ironie geht nur dem Kenner der |Ilias| auf. Man wird zwar auf Änderungen zum Verlauf der |Ilias| hingewiesen, aber ohne gute Kenntnisse der griechischen Mythologie und der |Ilias| wird man sich verloren vorkommen.

Kenntnisse von Shakespeare und Proust sind zum Glück nicht zwingend erforderlich – aber wer „Hyperion“ gelesen hat, erkennt die Ähnlichkeiten von „faxen“ und dem Prinzip des Farcasters und vielem mehr, genauso erschließt einem die Kenntnis der „Suche nach der verlorenen Zeit“ von Proust Hinweise auf die Zusammenhänge, zu einem Zeitpunkt, wo der Leser, der sie nicht hat, von den Disputen der beiden Moravecs vermutlich schon irritiert ist. Ebenso wie gewisse Figuren aus Shakespeare’s „Sturm“ auftauchen werden – sie sind ein Bonus für den gebildeten Leser, wirklich notwendig zum Genießen des Romans sind nur die |Ilias| und die damit einhergehende griechische Sagenwelt – die „Troja“-Kinoversion eines Wolfgang Petersen reicht hier nicht aus!

Um nicht nur in der Klassik zu versinken, kommt der Horror auch nicht zu kurz, soviel sei verraten – Aliens und Lovecraft lassen grüßen.

Unterm Strich

„Ilium“ ist ein herausragender Roman, dessen einzige Schwächen die in diesem Maße unnötige Verwendung unkommentierter, unbekannter Ausdrücke und der relativ hohe Anspruch an die Leserschaft sind. Diese wird jedoch mit gleich drei irrsinnig abgefahrenen Geschichten belohnt. In der Nachsicht erkenne ich einige kleinere Unstimmigkeiten, aber nur einen großen Recherchepatzer von Simmons bezüglich des Endes der |Ilias|. Ansonsten ein perfekt organisierter, fantasievoller Wahnsinn, der stets interessant ist und bleibt – es bleibt zu hoffen, dass Simmons auch für „Olympos“ wieder von der Muse so reichlich geküsst wird, die er zuvor zum Miststück erklärt hat.

Die Übersetzung

Eine gute Wahl hat Heyne auch mit dem Übersetzer Peter Robert getroffen, das Buch ist tadellos übersetzt, so hat er zum Beispiel bei den „kalten Falten des Ganymed“ Simmons Humor sehr gut in die deutsche Sprache transferiert. Vom editorialen Aufwand für die Einbindung von Homer, Shakespeare und Proust und den Worteigenkreationen Simmons‘ ganz zu schweigen.

Hinweis

Die Filmrechte für „Ilium“ und „Olympos“ sind bereits verkauft – hoffen wir, dass eine bessere Verfilmung als Petersens „Troja“ daraus entsteht.

Das SF-Ereignis des Jahres oder der nächsten Jahre? Für mich der beste Roman von Simmons, selten habe ich ein Buch so verschlungen. Im SciFi-Bereich gibt es derzeit (2004) wenig wahre Konkurrenz für „Ilium“.

Homers „Ilias“ bei digibib.org

Homers „Ilias“ im Projekt Gutenberg

Shakespeares Werke und Sonette im Projekt Gutenberg

Taschenbuch: 827 Seiten
Aus dem US-Englischen von Peter Robert.
ISBN-13: 978-3453878983

www.heyne.de

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