Alexandre Dumas – Die Kameliendame

_Wenn Liebe Sünde läutert_

Wer den Namen Alexandre Dumas hört, wird sicherlich sofort an „Die drei Musketiere“ oder auch „Der Graf von Monte Christo“ denken. Dieser Alexandre Dumas, der Ältere (1802-1870), hatte einen unehelichen Sohn (1824-1895), der früh Zugang zu den literarischen Kreisen von Paris genoss. 1848 veröffentlichte dieser seinen Roman „Die Kameliendame“, der ihm ebenfalls Ruhm als Autor einbrachte. Diverse Verfilmungen und nicht zuletzt die Tatsache, dass Verdi diese Geschichte in „La Traviata“ aufgriff, verhalfen dem Roman bis heute zur Popularität.

_DIE KAMELIENDAME_


Marguerite Gautier ist eine vom Luxus verwöhnte Mätresse, die von zahlreichen und zahlungskräftigen Herren umworben wird. Das scheinbar perfekte Leben als Kurtisane wird verwirrt, als sie Armand Duval kennen lernt, die Liebe ihres Lebens. Marguerite ist nach einigem Hin und Her bereit, ihr bisheriges Leben aufzugeben und dieses mit Armand zurückgezogen auf einem kleinen Dorf von Paris zu verbringen.
Aber auch wenn beide festen Willens sind, schreiben die damalige Zeit, die Gesellschaft und das Pflichtbewusstsein ganz andere Gesetze. So droht nicht nur Armands Vater mit dem Verstoß seines Sohnes, sondern es zieht sich hinter Marguerite ein Rattenschwanz von Schulden und Umständen her, die ihr aufwendiges Leben verlangte.

Armand liebt seine Marguerite so sehr, dass er glaubt, es brächte ihn um, wenn sie – gefangen in ihrer Welt – Dinge entscheidet, die scheinbar „das Beste“ für ihn sind, ihrer Liebe aber im Wege stünden.
Sein Vater schafft es dann tatsächlich, Marguerite davon zu überzeugen, dass sie ihm nicht gut tut, und lotst sie hinterhältig in ihr altes Leben zurück. Beide sterben fast vor Leid und Kummer darüber und Armand übt böse Rache (weil er nicht wusste, dass diese Entscheidung nicht von Marguerite, sondern von seinem Vater ausging).
Zu all dem Leid kommt hinzu, dass Marguerite zunehmend an Schwindsucht leidet, die natürlich durch Leid und heftigen Lebenswandel immer deutlicher zum Tragen kommt …

_DAS ENDE_ … ist in diesem Buch der Anfang der Geschichte. Der Erzähler, eine neutrale Person aus dem Umfeld Marguerites, wird auf eine Zwangsversteigerung einer Wohnung samt Interieur aufmerksam. Zufällig erfährt er, dass es sich um den Nachlass von Marguerite Gautier handelt, die ihm schon häufig in den Straßen von Paris aufgefallen ist. Er ersteigert ein Buch – „Manon Lescaut“ – und findet darin den Eintrag: Manon für Marguerite – In Demut – Armand Duval.
Einen Tag später erscheint ein Herr Duval bei ihm und erzählt ihm auf Nachfrage die Geschichte …

Diese tragische Liebesgeschichte wurde 1848 geschrieben. Sie beruht auf wahren Begebenheiten, die Herr Dumas, der Jüngere, selbst durchleiden musste. Auch er verliebte sich unsterblich in eine Kurtisane, Marie Duplessis. Nachdem er einige Monate ihr Liebhaber sein durfte, entschied er sich aber gegen sie, weil er sich ihren Unterhalt nicht mehr leisten und ihren Lebenswandel nicht mehr ertragen konnte. Marie Duplessis starb 1847 an Schwindsucht.

Sehr intensiv wird darauf eingegangen, dass die Herren, die sich auf ein solches Luxusweib einließen, sich häufig blind vor Liebe in ihren Ruin stürzten. Eine Mätresse will unterhalten werden, Theater, Oper, Pferdekutschen, Geschmeide. All das wurde erwartet, und zu den damaligen Zeiten war es natürlich völlig normal, dass für diesen Aufwand der Mann aufkam.

Auch Armand kommt in Schwierigkeiten, um seine Marguerite zu unterhalten, und begibt sich aufgrund dessen mehrfach in Spielsalons. Sehr deutlich wird in der Erzählung, wie wichtig es ist, den gesellschaftlichen Schein zu wahren. Um sich einen gewissen Stand erlauben zu können, muss man allerdings in der Lage sein, diesen auch zu finanzieren. Bedienstete, Pferde etc. – all dies will auch bezahlt werden. So scheint es vielleicht sogar ein wenig verständlich, in welchem Zwiespalt sich Marguerite zunächst befindet, als sie Armand kennen lernt. Wie oben erwähnt, schrieb Alexandre Dumas quasi aus seinem Leben, dichtete aber am Ende die geläuterte Marguerite hinzu. Im wahren Leben entschied sie sich für das Geld und die Gesellschaft, im Roman bereut sie dies und verwünscht ihre Entscheidung.

Sicherlich erscheinen uns heute die Sprache und viele Handlungen einfach „schwülstig“. Sehr häufiges Thema sind die seitenweise ausgebreiteten Liebesbekundungen der Turtelnden. Dennoch wird die Geschichte immer wieder aufs Wesentliche gelenkt und durchaus nicht langatmig. Vermutlich zählt dies zu den Gründen, warum das grundsätzliche Strickmuster der Kameliendame immer wieder für Film und Theater aufgegriffen wurde.

Fakt ist natürlich, dass die Sprache und Schreibweise um 1850 doch merklich anders war, als wir es heute gewohnt sind. Dies sollte jedem natürlich bewusst sein, der sich für eine solche Lektüre entscheidet. Dennoch ist „Die Kameliendame“ durchaus sehr flüssig geschrieben und – wenn man sich erst einmal eingelesen hat – leicht zu goutieren. Durch den sprunghaften Erzählstil hat der Leser noch mehr den Eindruck, sich mitten im Geschehen zu befinden. Zunächst berichtet der Erzähler, dann erzählt Armand diesem seine Geschichte und zwischenzeitlich finden wir immer wieder Briefe abgedruckt, die das Ganze abrunden.

„Doch von einer Kurtisane aufrichtig geliebt zu werden, das ist ein Sieg, der ganz andere Schwierigkeiten in sich birgt. Bei ihnen hat sich die Seele zusammen mit dem Körper verbraucht, die Sinnlichkeit hat das Herz verzehrt, die Ausschweifung hat ihr Gefühl mit einem Panzer umgeben. Die Worte, die man ihnen sagt, haben sie schon oft vernommen, die Mittel die man anwendet, sind ihnen bekannt, und selbst die Liebe, die sie erwecken, haben sie schon oft verkauft. Sie lieben, weil es ihr Geschäft ist, und nicht, weil man sie dazu drängt. Sie werden von ihrer Berechnung besser gehütet als eine Jungfrau von Mutter und Kloster; und dann haben sie ja noch das Wort Caprice erfunden für Liebesgeschichten, aus denen sie keinen Gewinn schlagen und denen sie sich von Zeit zu Zeit zur Erholung, als Entschuldigung oder Trost hingeben; sie gleichen jenen Wucherern, die tausend Menschenleben aussaugen und glauben, sich von der Schuld freikaufen zu können, wenn sie eines Tages einen armen Schlucker, der fast am Verhungern ist, zwanzig Francs geben, ohne eine Gegenleistung zu erwarten oder eine Quittung zu verlangen.“ (S. 108)

Liebesgeschichten ohne Happy-End verabscheue ich eigentlich. Und Geschichten, deren Ende ich bereits am Anfang erfahre, noch viel mehr. Dennoch hat dieses schonungslos tragische Werk mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt. Die Hintergründe und die zum größten Teil heute noch hochaktuelle Thematik hinterließen doch nachhaltig Spuren. Hinzu kommt eine natürlich sehr gewandte und gekonnte Sprache, die ein perfekter Roman wie dieser benötigt.

Taschenbuch: 267 Seiten
www.dtv.de

Nikolina Stammer