McIntosh, Fiona – dunkle Gabe, Die (Der Feuerbund I)

Wyl Thirsk ist noch ein Junge, als sein Vater, der General der morgravianischen Arme, in einer der zahllosen Schlachten gegen das Nachbarreich Briavel fällt. Da er gemäß der Tradition einst das Amt seines Vaters als Heerführer der morgravianischen Armee übernehmen soll, muss er das Landgut seines Vaters verlassen und seine Ausbildung in der Hauptstadt Pearlis beenden.

Damit beginnen schwere Zeiten für den Jungen, denn der fast gleichaltrige Kronprinz Celimus hat es von Anfang an darauf abgesehen, Wyl zu demütigen. So nimmt ihn Celimus unter anderem zu einem Hexenprozess mit, dessen Grausamkeit Wyl schwer zusetzt. Nicht, dass das junge Mädchen namens Myrren wirklich eine Hexe wäre. Aber es ist doch etwas Besonderes an ihr. Denn kurz vor ihrem Tod macht sie Wyl ein ungeheuerliches und beängstigendes Geschenk, von dem der Junge zunächst keine Ahnung hat.

Dann stirbt Celimus‘ Vater König Magnus …

_Ein Großteil der Geschichte lebt von der Rivalität zwischen Wyl und Celimus._ Wyl ist ein Abbild seines Vaters, in jeder Hinsicht. Er ist rothaarig und untersetzt, also eher unansehnlich, davon abgesehen aber ist er ein hervorragender Kämpfer, intelligent, treu und von einer manchmal geradezu spröden Direktheit. Mit Celimus‘ Bosheiten kann er vor allem deshalb schlecht umgehen, weil ihm aufgrund seiner schwächeren Position die Möglichkeit verwehrt ist, diesem angemessen Paroli zu bieten. Dazu kommt, dass der Prinz auch noch wesentlich besser aussieht und im Kampf ein nahezu ebenbürtiger Gegner ist. Über die Jahre hinweg baut sich in Wyl ein Hass auf, der ihm schließlich selbst gefährlich zu werden droht.

Celimus dagegen braucht nicht eine einzige Minute, um Hassgefühle gegen den designierten Heerführer zu entwickeln. Schon dessen Vater war ihm verhasst, und nun hat er den gleichen Kerl in junger Ausgabe vor sich. Wie einst seinen Freund zieht der König nun den jungen Thirsk seinem eigenen Sohn vor, worauf Celimus sowohl mit Eifersucht als auch mit Hass auf seinen Vater reagiert. Abgesehen davon tyrannisiert Celimus auch den Rest seiner Umgebung: Pagen und Diener, später die Frauen, die er sich ins Bett nimmt. Er kann unerhört charmant sein, ist im Grunde aber kaltherzig und grausam, außerdem intrigant und hinterhältig, eitel und anfällig für Selbstüberschätzung.

Und wie’s das Drehbuch will, kommt zu dem ohnehin schon verbissen geführten Zweikampf auch noch die Rivalität um eine schöne Frau. Valentyna ist die Königin von Briavel, wunderschön, von erfrischender Natürlichkeit, intelligent und mutig. Leider ist ihr dünn besiedeltes Land vom letzten Krieg noch immer so geschwächt, dass sie sich zu diesem Zeitpunkt keinen weiteren leisten kann. Sie hat genug von Celimus gehört, um einer Heirat mit diesem Mann eher ablehnend gegenüberzustehen, aber sie hat ebenfalls genug von ihm gehört um zu wissen, dass ihre Weigerung eben jenen Krieg bedeuten würde, den sie lieber vermeiden möchte. Außerdem ist sie bereits verliebt, muss aber über diesen Mann Dinge erfahren, die sie zutiefst erschrecken. Die Zwickmühle scheint ihr über den Kopf zu wachsen.

Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte: Im Gebirge nördlich der beiden verfeindeten Königreiche ist es einem jungen, charismatischen, aber jähzornigen Stammesführer namens Cailech gelungen, die von den südlichen Ländern als Barbaren verachteten Bergstämme zu einen. Jetzt bedroht er die nördlichen Grenzen sowohl Morgravias als auch Briavels. Vor allem durch Celimus‘ Verhalten fühlt er sich provoziert. Wenn es um das Abschlachten von Kindern geht, ist er empfindlich. Andererseits ist er selbst nicht gerade zimperlich, wenn es darum geht, Eindringlinge in sein Gebiet zu bestrafen. Sein treuester Freund und Weggefährte beobachtet diese Tatsache mit wachsender Besorgnis.

_Insgesamt_ ist die Charakterzeichnung für meinen Geschmack etwas zu stark einem Gut-Böse-Schema verhaftet. Aus diesem Rahmen scheinen allein Cailech und ein Söldner namens Romen Koreldy ein wenig herauszufallen. Ersterer ist allerdings noch zu grob skizziert, um zu einer wirklich lebendigen Figur zu werden, und Letzterer überlebt nur ein paar Seiten. Immerhin steht zu erwarten, dass Cailech im zweiten Band noch wichtig genug wird, um ihm etwas mehr Detail und Intensität zu verleihen.

Für den Hass zwischen Wyl und Celimus hat sich die Autorin dagegen viel Zeit gelassen. Trotz eines Zeitsprungs von sechs Jahren zieht sich der Aufbau dieser Feindschaft ziemlich hin. Einen vorläufigen Höhepunkt bildet der Zweikampf der beiden auf dem Turnier, doch richtig zur Sache geht es erst, als Celimus den Thron besteigt. Bis dahin ist nahezu ein Viertel des Buches gelesen.

Auch danach verfällt die Autorin gelegentlich in Weitschweifigkeiten. So hätte es die Szene zwischen Romen Koreldy und Arlyn nicht unbedingt gebraucht, und die Beschreibung des Weges zu Cailechs Festung hätte ebenfalls ein wenig Straffung vertragen können. Der Spannungsbogen hängt immer wieder mal durch.

Als besonders langatmig und noch dazu unlogisch empfand ich den Prolog. Da beschließen ein weiser, gütiger König und sein treuer und strategisch brillanter General, den Feind nach der gewonnenen Schlacht nicht völlig zu besiegen, sondern sich zurückzuziehen, um dem Gegner Zeit zu geben, sich für den nächsten Krieg angemessen zu erholen. Denn man hat ja große Achtung vor dem König des Nachbarlandes. Meine Güte, wenn dem so ist, warum bemüht sich dann keiner um einen Friedensschluss? Zumal alle ständig von der wachsenden Bedrohung aus dem Norden reden! Abgesehen davon halte ich es für strategischen Schwachsinn, den Gegner jetzt zu schonen, um ihn in ein paar Jahren unter schwierigeren Bedingungen doch wieder umzubringen!

Mag sein, dass die Grundsituation, die aus diesem seltsamen Anfang resultiert, Voraussetzung dafür war, dass die Handlung sich so entwickeln konnte, wie sie es tat. Man hätte diese Situation aber auf andere, glaubwürdigere Art aufbauen können. Das wäre dann vielleicht etwas komplizierter geworden, aber das hätte der Geschichte nur gutgetan. Denn die Grundidee, die Wanderung einer Seele durch verschiedene Körper, fand ich gar nicht schlecht. Sie eröffnet unendlich viele Möglichkeiten. Und dementsprechend viele Handlungsstränge sind am Ende des Buches auch offen. Insgesamt aber ist der Handlungsverlauf dadurch, dass das Augenmerk so stark auf Wyl liegt, ziemlich eingleisig gestrickt. Sämtliche Fäden, die sich durch die Trennung der Personen von Wyl entfernen, sind so lange auf Eis gelegt, bis sie Wyl wieder begegnen. Einzige Ausnahmen sind Celimus und Valentyna, die trotzdem gelegentlich kurz eingestreut werden. Durch diese Methode bleiben viele interessante Charaktere blasse Randfiguren, allen voran Cailech, wie oben bereits erwähnt, aber auch dessen Magier oder Celimus‘ neuer Berater Jessom.

_Mit anderen Worten_, die Autorin hat das Potenzial ihrer Idee bisher nicht voll ausgenutzt. Vielleicht war das Absicht, immerhin handelt es sich bei dem Buch um den Auftakt eines Zyklus. Trotzdem hoffe ich, dass die Folgebände etwas mehr Ausgewogenheit zeigen. Ein wenig mehr Vielschichtigkeit der Hauptfiguren, die in ihrer Aufgabe als Pro- beziehungsweise Antagonist ein wenig zu stereotyp ausgefallen sind, eine straffere Erzählweise und etwas mehr Leben für all die Nebenfäden, die im Wust der Haupthandlung so völlig untergegangen sind.

_Fiona McIntosh_ stammt ursprünglich aus England, ist aber bereits als Kind viel zwischen Afrika und England hin- und hergereist, hat eine Zeit lang in Paris gearbeitet und ist schließlich in Australien gelandet, wo sie mit ihrem Mann und zwei Kinder hängengeblieben ist. Der Herausgabe eines Reisemagazins folgte 2005 der Roman „Myrren’s Gift“, der erste Band ihrer |Quickening|-Trilogie und im Februar dieses Jahres unter dem Titel „Die dunkle Gabe“ auf Deutsch erschienen. Das Erscheinungsdatum des Folgebandes ist noch nicht bekannt. Seither hat die Autorin mit |Trinity| und |Percheron| zwei weitere Trilogien geschrieben, die allerdings bisher nur auf Englisch erhältlich sind.

|Originaltitel: Myrren’s Gift
Übersetzt von Beate Brammertz
Mit Illustrationen von Paul Young
Paperback, 800 Seiten|

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