Nelson Bond – Insel der Eroberer

Bond Insel der Eroberer Cover kleinInhalt:

Sechs Science-Fiction-Storys aus der Frühzeit des Genres. Die ‚Unschuld‘ der Jahre vor dem II. Weltkrieg ist schon verschwunden, doch der Glaube an die Segnungen der Zukunft blieb erhalten. Ohne Furcht vor der Logik und den Naturgesetzen aber mit einer gehörigen Dosis schnurrigen Humors spinnt ein wahrer Altmeister der SF sein Garn:

– Insel der Eroberer (Conqueror‘s Isle, 1946), S. 7-24: Über der südchinesischen See gerät ein Bomber der US-Luftflotte in einen Sturm und stürzt ab. Glücklicherweise ist eine Insel nahe, doch dort stolpern die wackeren Flieger in die geheime Zentrale der neuen Supermenschen, die sich zur Eroberung der Welt anschicken.

– Jona und das U-Boot (Uncommon Castaway, 1949), S. 25-46: Im Mittelmeer gerät das marode US-Unterseeboot „Grampus“ in einen seltsamen Sturm, der es in einer merkwürdig primitiv wirkenden Welt wieder auftauchen lässt. Dort lernt die Besatzung einen Mann kennen, der nicht ohne Grund wirkt, als sei er dem Alten Testament entsprungen.

– Die Bestien von Kios (The Cunning of the Beast/Another World Begins, 1942), S. 46-68: Die Bewohner eines weit entfernten Planeten sind zwar technisch hoch entwickelt, aber körperlich hinfällig. Ein ehrgeiziger Wissenschaftler züchtet ein Paar widerstandsfähiger Gastkörper, die jedoch einen ganz eigenen Willen entwickeln und ihren Schöpfer zwingen, sie aus dem Paradies zu vertreiben.

– Außenposten Venus (The Last Outpost, 1948), S. 69-123: Auf einer militärdiktatorisch regierten Erde der Zukunft bricht ein Atomkrieg aus. Glücklicherweise hat ein begabter Wissenschaftler in seinem Garten ein Raumschiff gebaut, das wenigstens einige Überlebende zum Planeten Venus trägt.

– Der Vogel von den Sternen (And Lo! The Bird, 1950), S. 124-139: Größer als alle Planeten unseres Sonnensystems zusammen, nähert er sich aus den Tiefen des Alls, um nachzuschauen, ob seine vor Äonen abgelegten Eier – die Planeten – vor dem Schlüpfen stehen, was unter jenen Wesen, die sich auf der Schale des „Erde“ genannten Eis angesiedelt haben, verständlicherweise für Aufregung sorgt.

– Nur eine Handvoll Asche (The World of William Gresham, 1951), S. 140-160: Er ist ein kluger Kopf, dieser Dr. Gresham, aber offensichtlich völlig verrückt, denn er glaubt auf einer Erde zu leben, die nach einem Atomkrieg von einem unlöschbaren Feuer verzehrt wird. Sein bemerkenswertes Ende lässt anklingen, dass dies zumindest in seinem Fall tatsächlich irgendwie oder irgendwann zutrifft.

Altmodisch aber unterhaltsam

Nelson Slade Bond gehört zu den Autoren des „Goldenen Zeitalters“ der Science Fiction, das gegen Ende der 1930er Jahre begann und dem Genre in einem schöpferischen Urknall eine Unzahl zu Recht vergessener aber farbenfroher Geschichten sowie viele Klassiker bescherte. Dabei war Bond vor allem ein Profi, der von den nicht gerade üppigen Honoraren leben musste, die ihm die Magazine seiner Epoche zahlten. Er produzierte folglich fleißig, was gerade gewünscht wurde.

„Insel der Eroberer“ belegt, dass es Bond trotz dieser Beschränkungen gelang, eine eigene Stimme zu finden. Während er in seinen frühen Schriftsteller-Jahren thematisch praktisch jedes Thema der klassischen Science-Fiction (Invasion, Zeitreise, Raumflug, Apokalypse usw.) aufgriff, prägte er (wenn ihm die Zeit blieb) seinen Geschichten bald einen trockenen, aus heutiger Sicht liebenswert verstaubten Sinn für Humor auf, den besonders seine Storys um den verschrobenen Anti-Raumhelden Lancelot Biggs unsterblich machten.

Die „Grampus“ aus „Jona und das U-Boot“ wirkt wie ein erster Entwurf der legendären „Saturn“, und der bärbeißige aber herzensgute Kommandant erinnert in Wort und Tat schon an den knarzigen, viel geplagten Captain Hanson. Da passt es gut ins Bild, dass wir endlich erfahren, wie der leibhaftige Jonas aus der Bibel nicht von einem Wal, sondern von einem Unterseeboot aus dem II. Weltkrieg verschluckt wurde.

Ein Mann manchmal geschliffener Worte

Auch „Die Bestien von Kios“ ist eine gelungene und witzige, für manchen fundamentalistischen Holzkopf vielleicht schon respektlose Interpretation der biblischen Schöpfungssage. Bemerkenswert erscheint heute Bonds Charakterisierung der Eva, die in kurzen Worten das Frauenbild seiner Zeit zusammenfasst: „Sie ist ihm ein Rätsel, sie verwirrt ihn … aber sie bringt ihn in Trab. Sie befiehlt, und er gehorcht; sie bittet, und er erfüllt ihre Wünsche. Mit einer Handbewegung bringt sie ihm zum Arbeiten. Ich fürchte, sie ist eine Last für ihn, eine Quelle von Aufregungen und Ärger – aber für ihre seltsamen Worte des Lobes hat er mehr Arbeit getan als jemals zuvor, seit ich ihn in diesen Garten gesetzt habe.“ (S. 58) Ob auch der Gott der Genesis so mit seinen Engeln über Adam und vor allem Eva gesprochen hat, wenn gerade sein Chronist nicht im Raum war …?

„Insel der Eroberer“ ist SF-Dutzendware. Die Geschichte vom einsamen Warner vor der Invasion, dessen geduldiger Zuhörer sich als getarnter Feind entpuppt, dürfte damals schon einen recht langen Bart gehabt haben. Auch Bond schlägt keine neuen Funken aus dem Stoff, dessen Finale selbst der schläfrigste Leser allzu früh voraussagen kann. Das gilt auch für „Außenposten Venus“, eine lahme, mit einer zunächst seltsam überflüssig anmutenden Vorgeschichte überfrachteten (Post-) Doomsday-Moritat, in der Bond den mahnenden Zeigefinger gar zu hoch hält. Ein wenig zu lange muss der Leser auf die Pointe warten, die der Verfasser dann doch so meisterhaft wie üblich zu setzen weiß, aber bis dahin spult Bond sein Garn vom Ende der Welt und der neuen Arche Noah bierernst und vor allem ohne Überraschungen ab.

Nichtsdestotrotz gelingen ihm starke Bilder; selten wurde ein möglicher atomarer Weltkrieg so knapp und präzise in Worte gefasst: „Die gesamte Zivilisation geriet ins Schwanken, während zwei blinde und brutale Giganten auf der Oberfläche des Erdballes hin und her stampften und vernichtende Schläge austauschten.“ (S. 104)

Absurd aber charmant

„Der Vogel von den Sternen“ und „Nur eine Handvoll Asche“ sind Ideen-SF reinsten Wassers: charmante Spielereien, die auf einer interessanten, witzigen, ruhig absurden Idee basieren. Sie fallen in eine Zeit, als Bond sich von der ‚reinen‘ Science Fiction mehr und mehr ab- und der Fantasy zuwendet. (Er beschreibt dies selbst im Prolog zu „Außenposten Venus“, in dem er höchstpersönlich auftritt.) Während „Nur eine Handvoll Asche“ überaus geschickt das Rationale mit dem Übernatürlichen mischt, ist „Der Vogel von den Sternen“ eine total verrückte Story, die der Verfasser mit sicherer Hand vor der Lächerlichkeit zu bewahren weiß.

Der Originaltitel „And Lo! The Bird“ macht deutlich, dass Bond hier Charles Fort (1874-1932), dem lebenslangen, legendären Sammler unerklärlicher Anomalien (Froschregen, wandernde Steine, UFOs usw.), ein kleines Denkmal setzt. Wie Fort weigerte sich auch Nelson Bond (zumindest der Schriftsteller), zwischen dem Realen und dem Irrealen eine dogmatische Grenze zu ziehen. Alles ist grundsätzlich möglich, auch wenn es (noch) nicht erklärt werden kann: eine Geisteshaltung, der viele wunderbare (und wunderbar schräge) Bond-Stories entsprangen.

Im Würgegriff des normierten Umfangs

Wieder einmal für dumm verkauft wurden die deutschen Science-Fiction-Leser: Damit „Insel der Eroberer“ das Norm-Maß von 160 Seiten nicht überschritt – ein dickeres Buch wäre ein bisschen teurer geworden, und das glaubte der Verlag seiner Kundschaft nicht zumuten zu können -, wurden einfach sechs Stories des Originals gestrichen: alltägliches Gebaren in einer Zeit, die den Freund der phantastischen Literatur nicht ernstnehmen wollte.

Ansonsten gibt die deutsche Ausgabe zu keiner gravierenden Klage Anlass. Die Übersetzung ist solide, die Aufmachung hübsch nostalgisch. Da „Insel der Eroberer“ allerdings zu den frühen Bänden der Heyne-SF-Reihe gehört, dürfte zumindest die Erstauflage hässlich teuer geworden sein. Es gab allerdings bis 1970 mindestens zwei Nachauflagen, die günstiger zu erwerben sind.

Autor

Nelson Slade Bond wurde am 23. November 1908. Seine Familie stammt aus Nova Scotia, wanderte jedoch noch vor 1910 nach Scranton im US-Staat Pennsylvania aus und zog nach dem Ersten Weltkrieg nach Philadelphia um. Der junge Bond arbeitete in den 1920er Jahren u. a. als PR-Agent, beschloss aber 1932 zu studieren und besuchte bis 1934 die Marshall University in Huntington, West Virginia. In diesem Jahr heiratete er und begann zu schreiben: zunächst Artikel, wobei er sich vor allem mit seinen Arbeiten über das Briefmarkensammeln über Wasser hielt.

Bald versuchte es Bond auch als Geschichtenerzähler. Die zahlreichen „Pulp“-Magazine seiner Zeit boten einen aufnahmefähigen Markt. 1937 konnte Bond eine erste Story veröffentlichen, der er in rascher Folge viele, viele weitere folgen ließ. Bond arbeitete darüber hinaus für Radio, Fernsehen und Bühne.

Die berufliche Schriftstellerei gab er Ende der 1950er Jahre weitgehend auf und kehrte in die Public Relation zurück. Später gründete er einen Laden für antiquarische Bücher. Nur noch selten schrieb er, blieb aber der SF-Szene verbunden. Mitte der 1990 Jahre erklärte er offiziell seinen ‚Rücktritt‘ und wurde von den „Science Fiction Writers of America“ mit dem Titel eines „Author Emeritus“ geehrt. Seine persönlichen Unterlagen übergab Bond dem Archiv der Marshall University. Am 4. November 2006 ist Nelson Bond wenige Wochen vor seinem 98. Geburtstag gestorben.

Taschenbuch: 160 Seiten
Originaltitel: No Time Like the Future (New York : Avon Publications 1954)
Übersetzung: Susi-Maria Roediger
www.randomhouse.de/heyne

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