_Verfolgungsjagd: Rückkehr der Dämonen_
Kehren die Dämonen auf die Erde zurück? Jahrtausendelang lebten sie auf der Insel Hybras in einer Zwischenwelt, doch nun werden einige dieser mondsüchtigen Wesen auf der Erde gesichtet. Sind sie eine Bedrohung für die Menschen und die Welt der Unterirdischen? Artemis Fowl, der Meisterdieb, ist tief beunruhigt.
Nur wenn es ihm gelingt, einen der Dämonen zu fangen, wird er Gewissheit über ihre Pläne erhalten. Doch gerade als er zuschlagen will, kommt ihm Minerva Paradizo, ein 12-jähriges Mädchen, zuvor. Artemis ist empört und beginnt eine rasante Verfolgungsjagd, bis sich Minerva als guter Kumpel entpuppt. Gemeinsam gelingt es dem Duo, die zornigen Wesen zu bannen, doch Artemis gerät dabei selbst in die Zwischenwelt. Kann er auf die Erde zurückkehren?
_Der Autor_
Eoin Colfer, geboren 1968, ist Lehrer und lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in Wexford, Irland. Er hat mehrere Jahre in Saudi-Arabien, Tunesien und Italien unterrichtet. 2001 erhielt er den Children’s Book Award, den wichtigsten Kinder- und Jugendbuchpreis Großbritanniens, und 2004 den Deutschen Bücherpreis in der Kategorie „Kinder- und Jugendbuch“. Seine bislang fünf „Artemis Fowl“-Romane wurden allesamt Bestseller und sind von Rufus Beck kongenial ins Medium Hörbuch übertragen worden.
Band 1: [Artemis Fowl 172
Band 2: [Artemis Fowl – Die Verschwörung 180
Band 3: [Artemis Fowl – Der Geheimcode 569
Band 4: [Artemis Fowl – Die Rache 1279
Band 5: [Artemis Fowl – Die Akte 3135 (Erzählungen)
Band 6: Artemis Fowl – Die verlorene Kolonie
http://www.artemis-fowl.de/
_Der Sprecher_
Rufus Beck, geboren 1957, ist Bühnen-, Film- und Fernsehschauspieler und hat als deutsche Stimme der „Harry Potter“-Hörbücher mit seiner vollendeten Sprechkunst die Herzen zahlreicher HP-Fans erobert. Er hat aber auch alle Bücher des Iren Eoin Colfer als Hörbücher aufgenommen, insbesondere die über „Artemis Fowl“.
Beck liest den gekürzten Text. Regie führte Margit Osterwold. Für den Ton war das Eimsbütteler Studio Hamburg verantwortlich. Das Titelbild zeigt das Buchcover des |List|-Verlags.
_Handlung_
Barcelona. Artemis Fowl und Butler, sein Faktotum, warten auf ein Ereignis, genauer gesagt: auf jemanden, der aus der Zeit kommen soll. Wie sich herausstellt, handelt es sich um einen Dämon, der aussieht wie eine Echse und quietschend auf Artemis einredet. Dann nimmt er ihn kurzerhand mit. Sie reisen durch die Zeit hundert Jahre zurück, unter anderem auch nach Barcelona, wo Antonio Gaudí gerade an seiner später berühmten Casa Mila baut. Dann kehrt Artemis wieder in seine eigene Zeit zurück. Er sieht unversehrt aus, aber die Mittelfinger seiner Hand sind vertauscht.
Auf einem ganz anderen Schauplatz erregt dieser Vorfall höchstes Aufsehen: bei den Unterirdischen von Erdland. In Haven City geht Ex-ZUP-Cop Holly Short, eine Elfe, ihrem neuen Job als Privatdetektivin nach. Auch der Zwerg Mulch Diggums ist nun in diesem Metier ihr Partner. Ihr gemeinsamer technischer Berater ist der frühere Sergeant Foaly, seines Zeichens ein gerne und oft wiehernder Zentaur. Foaly ist ein totaler Technikfreak und stattet auch diesmal Holly mit allen Hitech-Finessen aus. Denn eine Frage brennt ihnen allen auf den Nägeln: Wie gelingt es Artemis, das Erscheinen eines Dämons auf die Sekunde genau vorherzusagen? Das wäre in ihrem Job eine wirklich nützliche Fähigkeit.
Auf der Insel Hybras im Zeitmeer wachsen die Dämonen auf und lernen in der Schule, sich gefälligst auch wie richtige Dämonen zu benehmen und zu verhalten. Früh übt sich, was ein hässlicher, gehässiger Dämon sein will. Und nur ein verkrümmter Dämon ist ein guter Dämon. Der Junge Nr. 1 ist nicht verkrümmt und deshalb hacken alle auf ihm rum. Natürlich auch Lehrer Raleigh. Und als auch noch der Kriegsheld Leon Abbott auftritt, um den Jungdämonen zu erzählen, was eine Dämonenharke ist, fühlt sich Junge Nr. 1 noch bescheidener.
Doch bei einer kleinen Übung, zu der Abbott die Schüler herausfordert, legt Nr. 1 eine bemerkenswerte Fähigkeit an den Tag: Magie! Nr. 1 ist ein Zauberer. Zwar einer, der noch viel wachsen muss, aber immerhin. Abbott verneint sofort, dass Nr. 1 ein Zauberer sein könnte. Denn im heiligen Buch der Dämonen kommen überhaupt keine Zauberer vor, sondern höchstens Elfen und Zwerge. Er selbst hat es aus der Menschenwelt mitgebracht: „Lady Heatheringtons Hecke“. Abbott schickt Nr. 1 hinterlistig in den Vulkan von Hybras. Dort befindet sich das Dimensionstor, das in die Menschenwelt führt …
Catania, Sizilien, unweit des Ätna, ein Theater. Artemis und Butler bekommen Besuch von Holly Short. Auf ihre neugierigen Fragen hin berichtet der Goldjunge, dass demnächst die Dämoneninsel Hybras in die hiesige Dimension durchbrechen werde, d. h. eigentlich kehrt sie wieder dahin zurück, wo sie herkam: in die Menschenwelt. Das haben seine Berechnungen ergeben.
Wenig später hat Dämon Nummer 1 seinen großen Auftritt mitten auf der Bühne. Aber nicht lange. Denn er stürzt durch eine Falltür, unter der seine Häscher bereits auf ihn warten. Doch wer sind diese finsteren Gestalten? Und wer hat sie geschickt?
_Mein Eindruck_
Zunächst lässt sich die Geschichte an wie eine weitere Haschmichjagd à la James Bond. Jeder will den armen kleinen Dämon haben, ist er doch die Verbindung zu einer ganzen Welt, nämlich der Insel Hybras. Erst hat ihn Minerva Paradizo, zwölfjährige Quantenphysikerin, dann hat ihn Holly Short, Privatdetektivin im Auftrag des Erdvolk, dann hat ihn Minervas Schlägertyp Billy Kong, schließlich hat ihn Artemis Fowl.
Minerva Paradizo will alle Dämonen in unsere Welt holen und sie in Zoos stecken. Dort könnte sie sie dann untersuchen und damit den Nobelpreis gewinnen, ihr Lebenstraum. (Warum Quantenphysiker immer solche Übermenschenallüren bekommen, weiß ich auch nicht. Muss wohl an ihrem Wunder- und Einzelkindschicksal liegen.) Sie hat ebenso wie Kong ein Vorurteil gegen Dämonen: Die seien ja alle so böse wie der schizophrene Abbott, der ihr einst ausgebüchst ist, wobei er einen Liebesroman mitgehen ließ.
Dass Dämonen ganz lieb sein können, will Nummer 1 ihr ebenso wie Artemis beweisen. Das ist nämlich dann der Fall, wenn Dämonenzauberer die relevanten Kräfte bändigen und kontrollieren, die aus armen kleinen Dämonen finstere böse Dämonen machen, beispielsweise Blutdurst und Mondlicht. Artemis weiß auch, wo in unserer Welt ein solcher Zauberer zu finden ist: nämlich in einer Kunstgalerie, die im neuen Megaturm von Taipeh, Taiwan, eingerichtet wurde.
Zusammen mit dem Zauberer und seinen diversen Begleitern kann es Artemis schließlich wagen, den Showdown gegen den schizophrenen Leon Abbott in Gang zu setzen. Dabei spielt eine Atombombe eine wichtige Rolle, ebenso ein Dimensionstor sowie ein Zeittunnel. Man merkt schon: Nun wird es kompliziert. Damit das Ganze nicht auch noch langweilig wird, muss Artemis‘ hochgeschätzte Freundin Holly Short eines grausamen Todes sterben. Und Artemis scheint dies überhaupt nicht zu kümmern! Um des Rätsels Lösung zu erfahren, sollte man möglichst selbst lesen bzw. hören. Es hat etwas mit einer Zeitschleife zu tun, sofern ich alles richtig verstanden habe. Aber ganz sicher bin ich da nicht.
Der Autor kombiniert auf innovative Art und Weise Fantasy-Elemente wie Dämonen, Zauberer und Magie mit Science-Fiction-Ideen wie etwa Zeittunneln, Dimensionstoren und Unsichtbarkeitserzeugern. Für den Autor ist Magie nur eine weiterentwickelte Form der Technik, frei nach dem Axiom Arthur C. Clarkes, wonach „jede genügend weit fortgeschrittene Technik nicht von Magie zu unterscheiden“ sei. Das gibt Eoin Colfer carte blanche, alle möglichen Arten von Zeitreisen, Unsichtbarkeitszaubern und Dimensionstransfers vorzuführen. Da war mit Gandalf eigentlich wesentlich lieber, denn dessen Zauber hatte wenigstens lebensnotwendigen Sinn (man denke an die Brücke von Khazad-dûm) und diente nie als Spielerei.
|Der Sprecher|
Rufus Beck erhält wieder einmal Gelegenheit, seine sprachakrobatische Kunst voll auszuspielen. Gerüchte besagen, ihm stünden mindestens 250 verschiedene Intonationen zur Verfügung. Während Holly und Artemis doch recht „normal“ – was ist schon normal? – sprechen, ertönt Butler in tiefstem, grollendem Bass, und auch die Zwerge sind nicht gerade für den Belcanto geeignet.
Mulch Diggums, der Held der ersten und zweiten Episoden, ist wieder mit von der Partie und erfreut uns mit seinem beinahe (aber nur beinahe) schon urbayerischen Tonfall. Das trifft weniger auf den Zentauren Foley zu, der ja nur ein Untergebener ist. Er kann es sich allzu oft nicht verkneifen, dass seine Ponynatur durch- und er in herzliches Wiehern ausbricht. Die Dämonen sprechen durchweg in hohen quäkenden, mitunter sogar quietschendem Stimmen, der einem durch Mark und Bein gehen.
Nur ältere Dämonen bilden eine Ausnahme: Lehrer Raleigh und Held Abbott fallen unangenehm durch Brüllen und Verhöhnung auf. Dass Dämonen auch glaubwürdig sein können, stellt der Dämonenzauberer Kwan unter Beweis. Seine Stimme klingt autoritär und majestätisch, offensichtlich ein Träger von magischer Macht.
So fällt es dem jugendlichen Zuhörer leicht, die Figuren auseinanderzuhalten, selbst wenn er sich ihre Namen nicht merken kann. Und diese Charakterisierung trägt wesentlich dazu bei, aus den Erzählungen Hörspiele mit verteilten Rollen zu machen, die an Dramatik nichts zu wünschen übrig lassen.
|Effekte|
Natürlich werden auch jede Menge moderne Kommunikationsmittel eingesetzt, dafür sorgen schon die Technofreaks wie Foaly und Artemis Fowl. Bei solchen Fernübertragungen setzt Rufus Beck regelmäßig einen Filter ein, der seine Stimme blechern und verzerrt klingen lässt. An einer Stelle spricht sogar das Mondlicht, um den jungen Dämon Nr. 1 auf die „andere Seite“ (= unsere Welt) zu verlocken. Da klingt Beck sehr verführerisch.
Vor allem Jugendliche und Kinder ab 12 Jahren dürften an dieser Art der Darbietung dieser Story Gefallen finden. Erwachsenen könnte es ein wenig übertrieben vorkommen.
_Unterm Strich_
Wie schon das vorherige Abenteuer „Artemis Fowl – Die Rache“ erscheint mir auch dieses Abenteuer in hohem Maße überzogen. Aber das liegt vielleicht daran, dass ich mich mit Colfers Kombination aus Krimi, Agententhriller, Fantasy, Alienfilm und Science-Fiction nicht so recht anfreunden kann. Diese postmoderne Vermischung der Genres ist zwar modisch und völlig legitim, denn Genre-Mixes gab es schon immer, aber es kommt wie immer auf die Ausführung an.
Man sollte schon Bekanntschaft mit Artemis Fowl und Holly Short gemacht haben, bevor man sich auf diese Geschichte einlässt. Sie führt die bisherigen Geschichten direkt weiter. Während diese beiden Hauptfiguren durchaus runde Charakterzeichnungen aufweisen, kann dies für alle Nebenfiguren (außer Nr. 1) nur eingeschränkt gelten. Der kleine Dämon Nr. 1 bildet eine Ausnahme, weil er die einzige glaubwürdige Figur aus der Gegenwelt darstellt, vor allem aufgrund des Umstandes, dass er eine eigene Lebensgeschichte mitbekommen hat. Man kann sogar für sein trauriges, wechselhaftes Schicksal Mitgefühl entwickeln, denn der Kleine ist ja unversehens und unschuldig zum Spielball widerstreitender Interessen geworden.
Dass auch zwölfjährige Quantenphysikerinnen von ihrem Nobelpreiswahn kuriert werden können, sollen wohl die letzten Zeilen beweisen. Frei nach Freud (oder war’s Nietzsche) kann Minerva Paradizo „aus einem Punkte kurieret werden“. Sie gebiert mit ihren zarten fünfzehn Jahren Artemis‘ Butler prachtvolle Zwillinge. Das soll wohl eine Art Versöhnungsfeier plus Weihnachten einläuten, hinterlässt bei mir aber nur einen faden Beigeschmack, der etwas von männlichem Chauvinismus an sich hat.
Rufus Beck macht wie stets einen ausgezeichneten Job, wenn er die einzelnen Figuren zum Leben erwecken soll. Sie werden schnell voneinander unterscheidbar, und so fällt es dem Hörer leichter, all die zahlreichen Figuren zuzuordnen. Das hat mir auch in dem komplex aufgebauten finalen Showdown enorm geholfen, als nämlich noch ein Oberdämon aus dem Hut gezaubert wird. Ich war jedenfalls froh, als alles überstanden war.
|Originaltitel: Artemis Fowl – The Lost Colony, 2006
Aus dem Englischen übersetzt von Claudia Feldmann
468 Minuten auf 6 CDs|
http://www.hoerbuch-hamburg.de
http://www.artemis-fowl.de/