Eoin Colfer – Fletcher Moon, Privatdetektiv

Detektiv in Nöten: Barbie erobert die Welt

Fletcher Moon, von allen wegen seiner geringen Körpergröße auch „Halbmond“ genannt, ist alles andere als eine halbe Portion: Mit seinen 12 Jahren hat er – nach Vorlage der Geburtsurkunde seines Vaters – einen Online-Detektivlehrgang abgeschlossen, und das auch noch mit Bravour!

Als sich an seiner Schule mysteriöse Diebstähle häufen, ist wieder einmal sein Spürsinn gefragt. Wie alle anderen hat er die vermeintlich kriminellen Gebrüder Sharkey in Verdacht. Doch schon bald muss er zwei Dinge einsehen: 1.) Das Leben eines Detektivs ist brandgefährlich, und 2.) Nichts ist, wie es scheint!

Der Autor

Eoin Colfer, geboren 1968, ist Lehrer und lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in Wexford, Irland. Er hat mehrere Jahre in Saudi-Arabien, Tunesien und Italien unterrichtet. 2011 erhielt er den Children’s Book Award, den wichtigsten Kinder- und Jugendbuchpreis Großbritanniens, und 2004 den Deutschen Bücherpreis in der Kategorie „Kinder- und Jugendbuch“.

Seine „Artemis Fowl“-Romane wurden allesamt Bestseller und sind von Rufus Beck kongenial ins Medium Hörbuch übertragen worden. Mit „Fletcher Moon“ startet Colfer eine neue Serie.

Die Artemis-Fowl-Reihe:

Artemis Fowl. List, München 2001, ISBN 3-548-60320-3. (gekürzte Lesung mit Rufus Beck)
Artemis Fowl. HörbuchHamburg 2019, ISBN 978-3-8449-2230-1 (ungekürzte Lesung von Robert Frank)
Artemis Fowl – Die Verschwörung. (Originaltitel: Artemis Fowl – The Arctic Incident.) List, München 2002, ISBN 3-548-60387-4.
Artemis Fowl – Der Geheimcode. (Originaltitel: Artemis Fowl – The Eternity Code.) List, München 2003, ISBN 3-548-60485-4.
Artemis Fowl – Die Rache. (Originaltitel: Artemis Fowl – The Opal Deception.) List, Berlin 2005, ISBN 3-551-35815-X.
Artemis Fowl – Die verlorene Kolonie. (Originaltitel: Artemis Fowl – The Lost Colony.) List, Berlin 2007, ISBN 978-3-551-35816-5.
Artemis Fowl – Das Zeitparadox. (Originaltitel: Artemis Fowl – The Time Paradox.) List, Berlin 2009, ISBN 978-3-471-30012-1.
Artemis Fowl – Der Atlantis-Komplex. (Originaltitel: Artemis Fowl – The Atlantis Complex.) List, Berlin 2011, ISBN 978-3-471-35061-4.
Artemis Fowl – Das magische Tor. (Originaltitel: Artemis Fowl – The Last Guardian.) List, Berlin 2013, ISBN 978-3-471-35096-6.
Die Fowl-Zwillinge und der geheimnisvolle Jäger. (Originaltitel: The Fowl Twins.) List, Berlin 2019, ISBN 978-3-471-36008-8.
Die Fowl-Zwillinge und die große Entführung. (Originaltitel: The Fowl Twins Deny All Charges.) Ullstein, Berlin 2022, ISBN 978-3-548-06505-2.
Zusatzbücher:

Caroline Draeger: Artemis Fowl. Das Lexikon. List, München 2002.
Artemis Fowl – Die Akte. (Originaltitel: Artemis Fowl – The Artemis Fowl Files. übersetzt von Claudia Feldmann) List, Berlin 2006, ISBN 3-548-60780-2.

Comicreihe:

mit Andrew Donkin: Artemis Fowl (Comic, Originaltitel: Artemis Fowl – The Graphic Novel. übersetzt von Michael Nagula) Carlsen, Hamburg 2008, ISBN 978-3-551-77660-0.
mit Andrew Donkin: Artemis Fowl – The Arctic Incident – The Graphic Novel. Hyperion Books for Children, 2009, ISBN 978-1-4231-1402-4. (englisch)

Und viele weitere Bücher und Comics mehr.

Der Sprecher

Peter Jordan gehört zu den erfolgreichsten deutschen Bühnendarstellern. Seit 2000 ist er festes Mitglieder im Ensemble des Hamburger Thalia-Theaters. Im Rahmen des Kunstpreises Berlin 2003 wurde er mit dem Förderpreis der Akademie der Künste ausgezeichnet. Er war in Kinofilmen wie „Ausreißer“ zu sehen, der 2006 als Bester Kurzfilm eine OSCAR-Nominierung erhielt.

Handlung

Der zwölfjährige Fletcher Moon hat nach einem Online-Fernkurs an der Bernstein-Akademie endlich den ersehnten Abschluss als Privatdetektiv gemacht und ist nun begierig darauf, das erworbene Wissen in die Praxis umzusetzen. Wie sich herausstellt, ist das Leben weitaus komplizierter als jede Theorie, ganz besonders, wenn der Detektiv selbst ein Teil des Falls ist.

Das Leben in Fletchers Heimatstadt, dem beschaulichen Dubliner Vorort Lock, erschien ihm bis dahin ziemlich ruhig, doch das soll sich am 27. September ändern. Es ist der erste Tag des neuen Schuljahres an St. Jeremias, der Grund- und Mittelschule, die auch Fletcher besucht. Von seinem Informanten, Doobie Doyle, sieben, erfährt er, dass der zehnjährige Herod Sharkey ihn zu sich auf Basketballfeld bittet. Fletcher schwant Übles, denn Herod gehört zu den Sharkeys, der Sippe mit dem schlechtesten Leumund in der ganzen Stadt. Sie sollen gemeine Diebe und Betrüger sein, und zwar alle: der Papa, seine Schwester Jeannie, Red (13) und Herod (10). Das Basketballfeld ist traditionell der Ort für die Austragung von Duellen.

Bella Barnes beschuldigt Herod, ihren Organizer geklaut zu haben, doch Herod streitet das vehement ab. April Devereux, die zehnjährige Anführerin der Mädchengruppe „Les jeunes etudiantes“, unterstützt Bellas Anklage. Fletcher soll die Wahrheit herausfinden, verlangt Herod, ebenso sein hinzukommender Bruder Red. Nach einem Blick auf Herods Schuhsohlen trabt Fletcher in den zur Jahrtausendwende angelegten Schulgarten. Dort gräbt er in einem bestimmten Blumenbeet und fördert eine Keksdose zutage, in dem sich – o Wunder – der Organizer befindet. Herod verrät sich selbst durch sein verlegenes Geplapper, doch Red nimmt Fletcher beiseite. Er soll sich bloß nicht mit den Sharkeys anlegen, klar? Sobald Red verschwunden ist, merkt Fletcher, dass auch seine nagelneue Detektivmarke verschwunden ist. Verdammt!

Nach dieser Demonstration seiner beeindruckenden Fähigkeiten winkt erstmals realer Lohn: April Devereux gibt ihm eine Anzahlung. Als er sie in ihrem Elternhaus bzw. dem angebauten „Spielhaus“ besucht, gibt’s nochmal zehn Euro. Eigentlich steht Fletcher mehr auf Aprils wenig überkandidelte Cousine May, die auch zugleich das Opfer in seinem nächsten Fall darstellt. Sie beschuldigt Red Sharkey, ihr die bei eBay für gutes Geld ersteigerte Haarlocke des Popstars Shona Beiderbeck gestohlen zu haben. Aprils Vater Gregor nimmt die Sache nicht so ernst, aber Geld ist Geld und Auftrag ist Auftrag. Fletcher hat eine Woche Zeit.

Obwohl Fletcher in Murt Horean einen echten Cop als Freund hat, ist er doch auf seine Hackerkünste angewiesen, um mehr über Red Sharkey herauszufinden. Murts Worte „Halte dich von den Sharkeys fern!“ können ihn nicht abschrecken. Um in den Polizeicomputer zu gelangen, braucht er nur vier Angaben. Das Passwort hat er gleich beim ersten Versuch geknackt, weil er Murt gut kennt. Fletcher fällt die Kinnlade runter: Über hundert Fälle werden mit den Sharkeys in Verbindung gebracht!

Als Red durch May per SMS erfährt, dass Fletcher über ihn recherchiert, droht er ihm, ihn in Ruhe zu lassen. Reds Hurlingschläger sieht gefährlich genug aus, doch Fletcher behauptet sich, bis Mr. Devereux und Red Papa fast gleichzeitig aufkreuzen. Red muss in Papa Sharkeys goldfarbenen Siebzigerjahre-BMW steigen, der auch gleich wegfährt. Puh, Fletcher ist nochmal davongekommen, doch seine Marke hat er wieder nicht zurückbekommen. Ob wohl weiteres Aktenstudium weiterhilft? In seinem Büro hat Fletcher sämtliche Polizeiakten zu den Sharkey-Fällen ausgedruckt.

Mitten in der Nacht weckt ihn ein seltsames Geräusch aus dem Garten. Aus dem Fenster sieht er eine Gestalt winken. Wer kann das nur sein? Er passiert das Zimmer seiner Schwester Hazel, einer fünfzehnjährigen Drama-Autorin, und seiner Eltern, als er ins Erdgeschoss schleicht. Als er neben den Gartenzwerg seines Vaters steht und nach dem unbekannten Besucher Ausschau hält, sieht er den Hurlingknüppel zu spät auf sich zusausen …

Der Fall hat eine dramatische Wendung genommen, aber einen echten Detektiv kann das nicht abschrecken …

Mein Eindruck

In seiner Artemis-Fowl-Serie hat Eoin Colfer bereits das Untergenre der Zauberlehrling-Fantasy auf die Schippe genommen, indem er den Zauberlehrling zu einem Verbrechergenie machte. Nun hat Colfer mit der Figur des Fletcher Moon wieder eine Übertragung gemacht. Er hat das Genre des Film-noir-Privatdetektivfilms aufs Jugendbuch übertragen. Philip Marlowe, Sam Spade, Mike Hammer – sie können alle mal beiseite rutschen, wenn Fletcher Moon mit seiner echten Detektivmarke auftaucht.

Denn Fletcher nimmt seine Aufträge wirklich ernst. Sein Problem ist lediglich, dass niemand ihn und seinen Job ernst nimmt. Außerdem hat er meist ein wenig Pech bei der Ausführung von Observationen, Verfolgungen und bei Konfrontationen. Es hilft ein wenig, sich zu verkleiden, aber muss es denn gleich als ein Sharkey sein? Ja, es muss sein, denn die halbe Stadt fahndet nach Fletcher als dringend Tatverdächtigem. Falsche Beschuldigungen sind ja nichts Neues, sieht Fletcher ein, aber es ist nicht gerade der Aufklärung eines Falls förderlich, wenn der Detektiv selbst darin verwickelt ist. Stattdessen hat er nun Schnellbräuner und Schuhcreme im Gesicht und einen Goldring im Ohrläppchen. Das sieht Sharkey-mäßig genug aus.

Red Sharkey erweist sich als Fletchers bester Partner in dieser Ermittlung. Und schon bald entdecken sie, das es sich in Wahrheit um zwei Fälle handelt. Okay, das passt genau zu Meister Bernsteins Lektionen: „Wenn die Fakten und Spuren zu verwirrend sind, dann handelt es sich wahrscheinlich um zwei Fälle.“ Also muss sich Fletcher zunächst auf den ersten Fall konzentrieren: A) Wer ist für all die kleinen Diebstähle und Abschreckaktionen verantwortlich? B) Was ist sein Motiv? Und dann erst kommt Frage C) Wer hat Fletcher in seinem Garten niedergeschlagen? Denn Red, sein neuer bester Freund, beteuert, dass er es ganz bestimmt nicht wahr – und gibt Fletcher sogar seine Marke zurück.

Die Wahrheit, der Fletcher und Red auf die Spur kommen, lässt ihnen fast das Blut in den Adern gefrieren. April Devereux missbraucht ihre Mädchengruppe „Les jeunes etudiantes“ dazu, um Jungs zu diskreditieren und von der Schule St. Jeremias zu vertreiben. Sie setzt dazu eine Art Ritual zwecks Gehirnwäsche ein. Nicht genug damit. Sie hat sogar vor, die nächste Präsidentin Irlands zu werden und dann den Jungs erst richtig Beine zu machen. Armes Irland! Und danach die ganze Welt? April, gerade mal zehn Jahre jung, scheint es wirklich ernst zu meinen. Sollte sie das schreiende Barbiepink ihres Mädchenzimmers in die Welt exportieren, dann gnade Gott allen Jungs! Zum Glück scheint sich in Aprils Welteroberungskader eine Abtrünnige zu befinden: May mag Jungs …

Das ist aber nur der erste Fall. Die Aufklärung des zweiten ist erheblich kniffliger und erweist sich als schwere Probe für Fletchers Charakterstärke. Er erhält Hilfe von unerwarteter Seite: der bis dato verborgenen Überwachungszentrale der Stadt. Und nein, es handelt sich nicht um die Polizei.

Der Sprecher

Peter Jordan verfügt über ein erstaunlich flexibles Stimmorgan, und es ist ein großes Vergnügen, ihm dabei zuzuhören, wie er es vielseitig einsetzt. Zunächst charakterisiert er damit die einzelnen Figuren, allen voran die Barbie-Kopie April Devereux und deren genaues Gegenteil Red Sharkey. April französelt affektiert daher, als wäre sie die künftige Paris Hilton. Dabei ist ihrem Vater die Frau davongelaufen. Mercedes Sharpe passt genau zu April: Sie lispelt.

Red Sharkeys Familie ist ja auch nicht gerade der paradiesische Idealzustand. Wunderbar, wie der Sprecher hier die Figuren charakterisiert. Papa Sharkey hat eine unglaublich tiefe Stimmlage, mit der er auch Fletcher Gottesfurcht einflößt. Jeannie, seine Schwester, klingt wesentlich höher, richtig weiblich, aber man sollte ihr nicht die Kreditkarte anvertrauen. Und der kleine Herod klaut dem Nachbarn WLAN-Bandbreite und im Netz illegale Musik-Downloads. Natürlich nicht mit dem eigenen PC, sondern mit dem Laptop von Fletcher!

Der Rest ist ein wahres Panoptikum. Dr. Brendan verkündet im Krankenhaus fröhlich & heiter einen mittleren Weltuntergang, Fletchers Mum jammert liebevoll, sein Dad wettert und verhängt Berufsverbot. Hier setzt der Sprecher bereits die situationsbedingten Emotionen um, die im Finale zu einem wahren Wechselbad der Gefühle anschwellen: Entrüstung, Erschütterung, Wut brechen aus und Bahn.

Es ist Fletchers (bis dato) größte Stunde, als er vor versammelter Elternschaft die Aufklärung seines zweiten Falles ankündigt. Doch damit ist es nicht getan, wie er erkennen muss. Nun ist auch noch Schadensbegrenzung angesagt, denn schließlich ist auch er Mitglied verschiedener Gemeinschaften: Familie, Schule, Freunde. Der Autor hat diese Szene grandios und zwerchfellerschütternd inszeniert. Der Sprecher setzt die literarische Steilvorlage kongenial um.

Nur mit Jordans Aussprache bestimmter Namen war ich nicht einverstanden. Würde ein Ire den Namen Devereux wirklich französisch aussprechen? Vermutlich nicht, aber der Name dient sowieso vor allem der Charakterisierung der entsprechenden Familie als neureiche Vorstadtbewohner.

Da das Hörbuch weder über Musik noch Geräusche verfügt, brauche ich dazu nichts zu sagen. Aber schade ist es schon wenig, denn so hätten sich die Szenen ein wenig voneinander trennen lassen.

Unterm Strich

„Fletcher Moon“ hat mich sehr gut unterhalten und mit Spannung und Freude habe ich die nächste CD eingelegt. Die zwölfjährige Hauptfigur versucht zwar, wie ein alter Hase à la Philip Marlowe zu ermitteln, doch wenn man nicht ernst genommen wird und selbst gewisse Unzulänglichkeiten an sich entdecken muss, ist der Detektivjob doppelt so schwer. Fletcher ist ein sympathischer Bursche, dessen Computerfähigkeiten so manchen alten PC-Hasen in Erstaunen versetzen dürften. Hier zeigt sich der Autor auf der Höhe der Zeit und zeigt allen Harry-Schotter-Fans, was in Irland und Umgebung wirklich abgeht.

Die Story lehrt den jungen Leser bzw. Hörer auf spannende und lustige Weise, wie die mysteriösen Vorfälle zusammenhängen und was sie über die Beziehungen zwischen den Bewohnern der Stadt aussagen. Der Showdown ist wunderbar eingefädelt und steckt voller Überraschungen. Die Welt dürfte jedenfalls vor der Eroberung durch die Barbie-Mädels-Invasion aus Lock, Irland, künftig sicher sein. (Die Königin in spe wird ins Exil verbannt: auf den Bauernhof ihrer Großmutter … Lässt sich ein härteres Schicksal vorstellen?)

Das Hörbuch

Der Sprecher Peter Jordan gestaltet mit seinem vielseitigen und lebendigen Vortrag die Geschichte zu einer spannenden Entdeckungsreise durch die irische Vorstadtprovinz. Hier mag so mancher junge Hörer mehr über die Realität der Gesellschaft erfahren als in manchem drögen Schulunterricht über die Schlachten von anno Asbach. Weniger gefiel mir Jordans Aussprache mancher Eigennamen, aber das ist vielleicht Geschmackssache. Mit den Ausspracheregeln des Englischen hat das manchmal wenig zu tun.

190 Minuten auf 4 CDs
Half Moon Investigations, 2006
Aus dem Englischen übersetzt von Catrin Frischer
www.hoerbuch-hamburg.de