Herbert, Brian / Anderson, Kevin J. – Das Haus Corrino (Der Wüstenplanet: Die frühen Chroniken 3)

„Haus Corrino“ bildet quasi den krönenden Abschluss der Trilogie der „frühen Chroniken“ um den Wüstenplaneten DUNE. Das Finale ist spannend und fesselnd, geformt aus einem halben Dutzend parallel verlaufender Handlungsstränge, die zu mehreren dramatischen Höhepunkten führen. Schließlich steht die Existenz des Imperiums und des Wüstenplaneten selbst auf Messers Schneide.

So muss unterhaltsame Science-Fiction sein, finde ich. (Ich sage nicht, dass dies auch gute Science-Fiction ist. Was „gute SF“ ist, darüber streiten sich die Leser – und die Gelehrten sowieso.)

Ich konnte den dritten Band kaum aus der Hand legen und habe ihn binnen drei Tagen verschlungen. Vielleicht ist das eine Empfehlung. Ansonsten gelten die Empfehlungen, die ich am Beginn meiner „Harkonnen“-Rezension gebe.

Die Autoren

Brian Herbert ist der Sohn des Schöpfers der Wüstenplaneten DUNE, Frank Herbert. Brian Herbert hat nicht nur selbst einige Science-Fiction-Romane geschrieben, sondern auch die Biografie seines Vaters. Er fragte Kevin J. Anderson, ob dieser an einer DUNE-Vorgeschichte mitarbeiten wollen. Anderson, selbst Autor von 15 Millionen verkauften Büchern (Akte X, Star Wars u.v.a.), sagte geehrt und begeistert zu. Das Ergebnis der Kooperation war erst einmal die vorliegende Trilogie der „frühen Chroniken“ des Wüstenplaneten, es folgte die Trilogie „Die Legende“, die Vorgeschichte zur Vorgeschichte.

Vorgeschichte 1: Das Haus Atreides

In „Haus Atreides“, dem ersten Band der „frühen Chroniken“ vom Wüstenplaneten, standen drei Männer im Mittelpunkt des Interesses: Der neue Imperator Shaddam IV. kam durch Vatermord an die Macht über das Universum und setzte das Projekt in Gang, das Gewürz dereinst synthetisch herzustellen; Baron Harkonnen baute seine korrupte Macht auf Kosten des Hauses Atreides aus und saugte Arrakis bis aufs Blut aus, wobei er den Imperator betrog; und Leto Atreides musste schließlich den Mord an seinem Vater miterleben und weiteren Intrigen der Harkonnens begegnen.

Der imperiale Planetologe aus Arrakis, Pardot Kynes, stieg zum Propheten der Fremen auf und setzte mit ihrer Hilfe den Plan in die Tat um, den Wüstenplanet in ein grünes Paradies zu verwandeln. Sein Sohn Liet-Kynes soll ihm nachfolgen. Liet und Stilgar führen weiterhin einen Untergrundkrieg gegen die verhassten Harkonnens. Die späteren Atreides-Getreuen Duncan Idaho und Gurney Halleck erleben auf Giedi Primus, der Harkonenn-Hauptwelt, eine schreckliche Jugend, doch vorerst schafft es nur Duncan, in Letos Dienste zu treten.

Ein wirklich neuer Erzählstrang schildert jedoch das Schicksal des Hauses Vernius, das den Industrieplaneten Ix beherrscht. Doch Familienoberhaupt Dominic Vernius, ein verdienter Kämpfer, hat den Fehler begangen, von Shaddam IV. dessen schönste Konkubine als Belohnung zu fordern. Shaddam schlägt unsichtbar zurück, indem er die Bene Tleilax Ix erobern lässt, um dort ein supergeheimes Labor für die Entwicklung des künstlichen Gewürzes einzurichten.

Bei dem Überfall verliert das Haus Vernius alles: Der für tot gehaltene Dominic muss in den Untergrund, seine Frau wird ermordet, und seine beiden Kinder Kailea und Rhombur finden bei Herzog Leto Atreides Unterschlupf.

Vorgeschichte 2: Das Haus Harkonnen

Baron Wladimir Harkonnen siecht dahin, und nicht einmal superteure Suk-Ärzte wie Wellington Yueh können den kinderlosen Herrscher heilen. Als Rache für ihre Vergwaltigung hat nämlich die Bene-Gesserit-Mutter Helen Gaius Mohiam (wir kennen sie aus DUNE 1) den Baron mit einer heimtückischen Krankheit infiziert. Obwohl dieser droht, den Schwesterorden der biologischen Kriegsführung anzuklagen, bieten ihm die „Hexen“ Paroli: Sein Neffe Glossu Rabban („die Bestie“) hat versucht, mit einem unsichtbaren Raumschiff den Orden anzugreifen, war aber dabei abgestürzt. Dumm gelaufen: Sollen die „Hexen“ das Geheimnis des Nicht-Schiffs für sich behalten, muss der Baron die Klappe halten.

Der hält sich dadurch schadlos, dass er in den Haushalt der Atreides eine Agentin einschleust. Sie indoktriniert Kailea Vernius, die Konkubine Letos und die Mutter seines Sohnes Victor. Schon bald wird die tüchtige Kailea immer unzufriedener und schließlich sogar eifersüchtig, als die Bene Gesserit eine weitere Konkubine anbieten und überstellen: Schwester Jessica (die später Pauls Mutter wird). Dieser Erzählstrang führt zu einem traurigen Ende, als Kailea Leto töten lassen will. Dabei kommt jedoch keineswegs der Herzog, sondern ihr Sohn Viktor ums Leben. Die untröstliche Kailea tötet erst die Harkonnen-Agentin und stürzt sich dann in den Freitod.

Während Duncan Idaho als Eliteschwertmeister auf Ginaz ausgebildet und in die Kämpfe zwischen den Häusern verwickelt wird, will sich Gurney Halleck an den Harkonnen für das rächen, was sie seiner Schwester Bheth angetan haben. Doch nach Jahren in den Straflagern gelingt ihm die Flucht: zuerst zu Dominic Vernius‘ Schmugglern und Rebellen, später zu den Atreides. Denn Dominic Vernius erfährt vom Schicksal seines Planeten: Die systematische Ausbeutung und Vernichtung seines Volkes durch die Tleilaxu und die imperialen Truppen. Dominic beschließt, eine Atombombe über dem imperialen Palast auf Kaitain zu zünden.

Handlung von „Haus Corrino“

Nach dem Tod seines Vaters übernimmt Liet-Kynes auf Arrakis die Rolle des imperialen Planetologen, kämpft aber nun verstärkt gegen die Harkonnens. Bei einer Audienz bei Shaddam IV. verursacht er einen Eklat: Entweder der Imperator schützt die Fremen vor den Harkonnens oder er hat die Konsequenzen zu tragen. Shaddam denkt gar nicht daran: Der synthetische Ersatz für das Gewürz wird Arrakis und dessen Gewürzmonopol in Vergessenheit geraten lassen. Es kommt zum Großen Gewürzkrieg, denn zunächst will Shaddam alle illegal von den Adelshäusern gehorteten Gewürzlager an sich reißen und notfalls vernichten. Das ist ihm sogar ausreichender Vorwand, um einen letzten Rivalen um den Thron der Corrinos zu beseitigen – bei diesem Überfall sterben auf der Welt Zanovar 14 Millionen Menschen. Der Gewürzkrieg ist blutiger Ernst.

Doch was Shaddam IV. Corrino, der Padishah-Imperator, nicht ahnt: Sein Spice-Ersatz ist bei weitem nicht so gut wie erhofft. Die ersten Riesenraumschiffe der Raumgilde, die von den gewürzabhängigen Navigatoren durch den Faltraum gesteuert werden, stranden im Nichts, weil die Navigatoren unter dem Einfluss des künstlichen Spice die Orientierung verlieren. Während die Raumgilde noch über die Ursache rätselt, holt der Imperator zum entscheidenden Schlag aus: Die Gewürz-Unterschlagungen des Barons Harkonnen dienen ihm als Vorwand, Arrakis und damit die einzige Quelle natürlichen Gewürzes zu vernichten. Es scheint zum Äußersten zu kommen.

Unterdessen bereiten Herzog Leto Atreides und Prinz Rhombur Vernius von Ix die Rückeroberung des von den Tleilaxu besetzten Planeten vor. Die lokale Rebellengruppe hilft ihnen dabei. In der Wüste auf Arrakis machen die Fremen unter Liet-Kynes den Harkonnens das Leben auf Dune schwer. Und auf Kaitain bringt Herzog Letos geliebte Konkubine Jessica einen Knaben zur Welt, der vom Zuchtprogramm ihrer Schwesternschaft nicht eingeplant war: Paul, der spätere Muad’dib. Prompt wird das Neugeborene entführt, und die dem Wahnsinn verfallene Gattin des Imperators, Schwester Anirul, stirbt unter mysteriösen Umständen.

Auf dem Höhepunkt der Geschehnisse ist die weit verzweigte Handlung an Spannung, Drama und Action kaum zu überbieten. Der Science-Fiction-Fan kommt voll auf seine Kosten.

Mein Eindruck

Die Erzählstränge

Die Trilogie der Vorgeschichte zu DUNE hat zwei Aufgaben zu erfüllen: Erstens muss sie alle Vorgaben aus Frank Herberts Bestsellerroman strikt befolgen, und das ist natürlich ein Handicap, denn da der Kenner bereits weiß, was folgen muss, ist aus der Spannung die Luft raus. Zu diesen Handlungssträngen gehören Leto und Jessica, Rhombur, die Fremen und Harkonnens sowie die Machenschaften der Corrinos und des Frauenordens der Bene Gesserit (das Projekt „Kwisatz Haderach“).

Zweitens muss die Trilogie auch Neues anbieten und dies in das Bekannte geschickt so einflechten, dass das Neue wieder verschwindet, wenn und bevor es mit der späteren DUNE-Geschichte kollidiert. Die zwei neuen Faktoren sind erstens das imperiale Geheimprojekt um die synthetische Gewürzmelange und zweitens, ebenfalls mit Ix verbunden, das Schicksal des Hauses Vernius.

In „Haus Corrino“ gelangt das Amal-Projekt zu seiner Vollendung, mit allen katastrophalen Folgen, die dies für das Imperium haben könnte: Denn wenn alle natürlichen Gewürzquellen vernichtet sind (= Arrakis) und der Gewürzersatz die Erwartungen nicht erfüllt (= gestrandete Raumschiffe), dann kommt der Verkehr zwischen den Welten zum Erliegen und die Raumgilde, die Transport und Kommunikation erledigt, verschwindet. Danach existiert einfach kein Imperium mehr. Shaddam IV. setzt in seiner Dummheit und Aggressivität die Existenz der Welt, wie er sie kennt, aufs Spiel. Ob er verliert oder gewinnt? Bitte selber lesen!

Das Haus Vernius (Rhombur) versucht, seine alte Heimat Ix wieder zurückzugewinnen. Das erscheint auch Leto nur berechtigt, und so hilft er Rhombur, seinem Freund, mit einer großen Militäraktion. Ein Ablenkungsmanöver verhindert ein Eingreifen des Imperators, und Leto selbst begibt sich nach Kaitain, um die Vertretung der Adelshäuser, der Raumgilde und der Handelsorganisation zu informieren, was er gegen die Tleilaxu auf Ix unternimmt. Dabei kann er jedoch nicht sicher sein, ob der Untergrund auf Ix seine Invasion vorbereitet hat, denn Rhombur und Gurney Halleck sind mit einem fehlgeleiteten Raumschiff im Nichts gestrandet … Es ist höchst spannend herauszufinden, ob die Ix-Invasion glückt. Und da Caladan, Letos Planet, völlig schutzlos ist, stürzen sich bereits die Harkonnens darauf. Wird Caladan dies überstehen oder Leto alles verlieren?

Es gibt noch weitere Erzählstränge, aber das würde hier zu weit führen. Immerhin haben sich die Autoren auf die wichtigsten konzentriert, und so ist dieser Band hundert Seiten kürzer geworden als „Haus Harkonnen“. Die Actionszenen – ja, richtiggehende Zweikämpfe mit Schwert, Schild und Dolch – sind hier weitaus stärker vertreten als in den anderen Bänden. Leider sind diese Szenen unvermeidlicherweise auch ziemlich blutig. Auch die Szenen in den Labors der Tleilaxu gehören nicht zu den appetitanregendsten …

Ausblicke

Das muss man in Kauf nehmen, wenn man in den Genuss des glänzend herbeigeführten und erzählten Finales gelangen will: Immerhin an die 150 Seiten. Danach folgen noch 50 Seiten Epilog, die zu der Geschichte des ersten DUNE-Romans führen. Allerdings klafft hier eine Lücke von rund 20 Jahren, denn Paul muss ja noch aufwachsen und ausgebildet werden. Diese Geschichte wird entgegen meiner Erwartung nicht in „Haus Corrino“ erzählt. Vielleicht gibt es dazu später noch einen Band. Ich war unvermeidlich, dass es auch zu [„Butlers Djihad“ 827 noch einen Roman geben musste, denn in diesem Kreuzzug gegen die Denkmaschinen entstand das in DUNE geschilderte Imperium.

Technik

An vielen Stellen habe ich mich über das Fehlen von Computern und modernen Kommunikationsmitteln gewundert, die unser Zusammenleben so bestimmen und die Erde klein haben werden lassen. Im DUNE-Universum gibt es nur menschliche Computer, die Mentaten. Und Telekommunikation findet zwar statt, aber nicht zwischen Welten – dazu sind Kuriere nötig. Es gibt nur einen einzigen Fall, in dem interstellare Kommunikation stattfindet: mit Hilfe eines kaum erklärten Apparates von C’tair Pilru auf Ix.

Gesellschaft und Kultur

Das Fehlen grundlegender Technik scheint der Grund für die altertümlichen Gesellschaftsformen des DUNE-Universums zu sein. Es ist so etwas wie das Britische oder Römische Weltreich. Daran erinnern Namen wie Atreides, Corrinth und Carthag. Die feudal herrschenden Adelsfamilien (Corrinos, Atreides usw.), die Transport- und Handelsverbände sind die primären Machtfaktoren, nicht jedoch eine allmächtige Kirche wie auf unserer Welt. Es gibt zwar Hohepriester auf Kaitain und auch die Tleilaxu sind fanatisch religiös, aber das sind lokal begrenzte Phänomene. Der einzige quasi-religiöse Orden, der auf allen Welten existiert, sind die Schwestern der Bene Gesserit.

Ihr Programm besteht nicht nur darin, Frauen zu Kriegerinnen und Gelehrten auszubilden, sondern auch den Übermenschen „Kwisatz Haderach“ zu züchten. Diese Messiasgestalt wirft ihre Schatten voraus: Die Umstände von Pauls Geburt erinnern in zahlreichen Details (drei Schwestern statt drei Könige, ein Komet über DUNE usw.) an Jesu Geburt. Ganz klar wird hier bereits Paul zum künftigen Messias und Erlöser (zunächst der Fremen, später auch des Rests des Imperiums) stilisiert. Wie man sieht, machen die Autoren einen guten Job, um das Geschehen in DUNE 1 vorzubereiten.

Unterm Strich

Hat es sich gelohnt, diese drei Schmöker zu lesen? Auf jeden Fall für denjenigen, der sich für das Universum und den Zyklus um DUNE begeistern kann. Diese Trilogie bringt die Vorgeschichte nicht auf akademisch trockene Manier nahe, sondern in lebendigen Szenen. Dabei wird der geistig-philosophische Hintergrund nicht vernachlässigt, noch die Notwendigkeiten für das Drama des Lebens in diesem Universum missachtet.

Natürlich folgen diese Romane dem ältesten Muster der Unterhaltungsliteratur: Das Gute muss gewinnen (auch nach harten Rückschlägen), und das Böse muss vernichtet bzw. bestraft werden. Die Gerechtigkeit scheint wieder hergestellt. Die Motti zu den Kapiteln warnen uns aber: Die Welt ist nicht an sich gerecht. Wir machen sie so. Und das kann ganz schön wehtun.

Taschenbuch: 752 Seiten.
O-Titel: DUNE: House Corrino, 2001
Aus dem US-Englischen übertragen von Bernhard Kempen.
ISBN-13: 978-3453521612

www.heyne.de

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