Mankell, Henning – Chinese, Der

_Eine winterliche Mordnacht_

In einer Winternacht im Jahr 2006 geschieht im kleinen Dorf Hesjövallen das grausamste Verbrechen, das es in Schweden je gegeben hat. Nahezu alle Dorfbewohner werden am nächsten Morgen brutal abgeschlachtet aufgefunden – ganze Familien ausgelöscht. Nur ein Ehepaar und eine verwirrte Frau haben diese Mordnacht überlebt. Die Polizei ist geschockt, findet aber schnell den vermeintlich Schuldigen. Der gesteht die bestialische Tat, erhängt sich aber im Gefängnis, bevor die Polizei sein angebliches Tatmotiv aufgedeckt hat.

Auch die Richterin Birgitta Roslin aus Helsingborg wird auf dieses unglaubliche Verbrechen aufmerksam. Sie entdeckt, dass vermutlich auch die Pflegeeltern ihrer Mutter unter den Getöteten sind. Da Birgitta ohnehin krank geschrieben ist und über ungewohnte Freizeit verfügt, macht sie sich auf eigene Faust an die Nachforschungen und pfuscht der Polizei in Hesjövallen mitunter kräftig ins Handwerk, indem sie beispielsweise des Nachts Tagebücher aus dem Elternhaus ihrer Mutter entwendet. Durch Zufall führt ein rotes Band, das nach der Mordnacht im Dorf gefunden wird, sie zu einem geheimnisvollen Chinesen, der eines Abends in Hesjövallen aufgetaucht ist, in einem Chinarestaurant gespeist und in einem kleinen Hotel übernachtet hat und anschließend wieder vom Erdboden verschwunden ist. Obwohl die Polizei inzwischen ihren Verdächtigen dingfest gemacht hat, gibt Birgitta Roslin nicht auf, da sie nicht an die Schuld dieses Mannes glauben kann. Ihre Nachforschungen führen sie schließlich gar bis nach Peking, wo sie im Vorfeld der Olympischen Spiele eine unglaubliche Entdeckung macht und dabei langsam dem Motiv für das grausame Verbrechen in Hesjövallen auf die Spur kommt …

_Eine Geschichte der Rache_

Ein hungriger Wolf führt uns zu Beginn dieser Geschichte in das verwaiste Dorf, in dem fast alle Bewohner auf grausamste Weise ums Leben gekommen sind. Kurz darauf werden diese Verbrechen entdeckt und wir befinden uns praktisch mitten im Geschehen. Mit hohem Tempo entwickelt Henning Mankell zunächst seine Erzählung und präsentiert uns insbesondere die Hauptfigur des Romans – Birgitta Roslin. Diese eigensinnige Richterin ist der Polizei von Anfang an ein Dorn im Auge, da sie auf eigene Faust Ermittlungen anstellt und den ermittelnden Beamten immer mindestens einen Schritt voraus ist. Doch dann präsentiert die Polizei der Öffentlichkeit einen Verdächtigen, an dessen Schuld Birgitta Roslin von Anfang an nicht glauben kann. Das spornt sie immer mehr an, dem Geheimnis dieser grausamen Tat auf die Spur zu kommen. Da kommt es ihr gerade Recht, dass ihr Arzt sie krank schreibt und sie zudem etwas Abstand von ihrem Ehemann braucht, da ihre Ehe deutlich abgekühlt ist. Die Tagebücher, die Birgitta Roslin im Elternhaus ihrer Mutter entwendet, führen sie auf eine wichtige Spur, nämlich den Eisenbahnbau in den USA im 19. Jahrhundert, wo viele Chinesen unter widrigsten Bedingungen ihre Arbeit verrichtet haben. Wie allerdings diese Geschichte mit den Morden in Hesjövallen zusammen hängt, begreift Birgitta Roslin erst, als sie eine Freundin nach Peking begleitet und sich dort auf die Suche nach dem Chinesen macht, der in der besagten Mordnacht in der Nähe von Hesjövallen in einem Hotel abgestiegen ist.

Nach rasantem und spannendem Beginn schaltet Mankell schon nach 140 Seiten mindestens zwei Gänge zurück. Nun erzählt er in epischer Breite die Geschichte drei chinesischer Brüder, die nach dem Tod ihrer Eltern ihr Glück im chinesischen Kanton versuchen. Doch statt einer gut bezahlten Arbeit finden sie dort nur Armut und Verzweiflung, bis der eine Bruder ihren vermeintlichen Retter trifft, der ihnen Arbeit verspricht. Eines Abends holt dieser die drei Brüder ab. Als er jedoch merkt, dass der eine von ihnen krank ist, lässt er ihn umgehend ermorden – die anderen beiden Brüder entführt er auf ein Schiff, das sie in die USA bringt, wo sie beim Eisenbahnbau helfen müssen. Nur einer der Brüder überlebt dies und kann eines Tages nach China zurück kehren. Doch auch dort widerfährt ihm großes Unglück, sodass er Rache schwört und seine Erlebnisse für seine Nachkommen in einem Tagebuch festhält …

Henning Mankells Geschichte zieht weite Kreise. Wie die Geschichte dreier chinesischer Brüder mit den Morden in einem kleinen schwedischen Dorf zusammen hängt, bleibt über weite Strecken des Buches im Dunkeln, was den Spannungsbogen deutlich abflachen lässt. Die Motivation, die Geschichte der drei unglücklichen Brüder zu lesen, ist über weite Strecken ausgesprochen gering, da Mankell uns in diesem Moment keinerlei Anhaltspunkte gibt, was dies mit den Morden von Hesjövallen zu tun hat. Wie beides zusammen hängt, erfahren wir zwar zu einem späten Zeitpunkt, doch auch da scheint es ziemlich weit hergeholt, die Geschichte aus dem 19. Jahrhundert als Motiv für die Morde heran zu ziehen. Birgitta Roslin findet in Peking nicht nur den Zusammenhang zwischen dem Chinesen und den schwedischen Morden heraus, sondern deckt zudem wahnwitzige politische Machenschaften auf. Mir persönlich hat Henning Mankell in diesem Roman zu viele Baustellen aufgemacht, denn in Peking wird Birgitta Roslin offenbar die ganze Zeit beschattet, eines Tages wird ihr die Handtasche gestohlen und dann macht sie ausgerechnet die Bekanntschaft mit der Schwester desjenigen, der für die Gräueltaten in Hesjövallen verantwortlich ist. Ein bisschen viel des Zufalls?

Mich konnte das Konstrukt des vorliegenden Romans nicht wirklich überzeugen, auch wenn Henning Mankell zumindest in dem Handlungsstrang rund um die sympathische und engagierte Richterin Birgitta Roslin eine gewisse Portion Spannung aufbauen kann. Andere Passagen lesen sich allerdings fast schon zäh wie Kaugummi und zu jedem Zeitpunkt hätte ich das Buch locker an die Seite legen können, auch wenn Mankell wie üblich immer wieder Cliffhanger einstreut, die einen zumindest für eine gewisse Zeit wieder ein wenig an das Buch fesseln. Ich hätte mir gewünscht, dass man etwas eher hinter die Zusammenhänge blicken kann und dass diese nicht ganz so arg weit hergeholt erscheinen. Natürlich hat Henning Mankell wieder einmal ein heißes politisches Eisen herausgefischt, doch diese Thematik mit einem Massenmord in Schweden zu verknüpfen, erscheint mir arg konstruiert. Insgesamt unterhält „Der Chinese“ zwar ganz ordentlich, aber verglichen mit Mankells anderen Büchern ist das vorliegende Buch eher eines der schwächeren.

|Taschenbuch: 608 Seiten
ISBN-13: 978-3423212038
Originaltitel: |Kinesen|
Deutsch von Wolfgang Butt|

_Henning Mankell beim Buchwurm:_

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