Archiv der Kategorie: Skurriles & Satirisches

Lars Arffssen – Verarschung – Die Parodie

Die Handlung:

Ein Killer geht um in Schweden. Er enthauptet Rentiere. Bald findet er offenbar auch ein erstes menschliches Opfer: den einzigen nicht veröffentlichten Krimiautor des Landes. Die Stockholmer Polizei steht unter Erfolgszwang und verhaftet Lizzy Salamander, denn verdächtiger als die schwer tätowierte und irgendwie auch schwer gestörte Hackerbraut kann man ja wohl nicht sein.

Mikael Blomberg mag nicht an Salamanders Schuld glauben. Das flachbrüstige Mädchen, das auf dem Überwachungsvideo mit dem Kopf des erfolglosen Schriftstellers Fußball spielt, sieht ihr allerdings verflucht ähnlich.

Dem Leser stellen sich derweil viele Fragen: Haben Schweden eigentlich immer Sex? Ist „Svenjamin“ ein jüdischer Name? Wie schmeckt Heringlakritz? Und was ist dran an dem explosiven Gerücht, die Möbel dieser großen schwedischen Kette seien von Adolf Hitler persönlich entworfen worden? (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

In einer Zeit, in der seit Jahren schon jeder Autor gehypt wird, der auch nur einen annähernd skandinavisch klingenden Namen hat, wurde es da nicht mal Zeit, dass sich jemand drüber lustig macht? Oder wollte da einer nur auf dieser nie abzuebben scheinenden Erfolgswelle mitschwimmen und mitkassieren? Wahrscheinlich beides.

Wer auch immer hinter Lars Arffssen steckt, er hat sich die beliebten MILLENNIUM-Romane von Stieg Larsson vorgenommen, sie seziert und ist anschließend über jedes kleine Detail der Reihe hergezogen.

Mikael Blomkvist heißt hier Mikael Blomberg (weil er die jüdischen Wurzeln seiner Familie wiederentdeckt hat) und Lisbeth Salander heißt Lizzie Salamander (nennt sich aber auch gern mal Jane Manhater). Dem original Autor der hier parodierten Reihe wird sogar ein Teil der Handlung eingeräumt. Twig Arssen (wie er hier heißt) wurde nämlich ermordet und die Polizei verdächtigt Salamander. Arssen hatte offenbar vorgehabt einen Enthüllungsroman zu veröffentlichen, der beweist, dass die frühen Entwürfe der UKEA-Möbel von Adolf Hitler stammen.

Der ganze Roman liest sich wie ein Drehbuch für einen klassischen Leslie-Nielsen-Film im „Nackte Kanone“-Stil. Jeder Satz versucht den vorherigen an Witzigkeit noch zu toppen und das kann manchmal schon ein wenig nerven. Als Film kann ich mir den Roman gut vorstellen, als Buch ist er streckenweise anstrengend, weil er aufgrund seiner teilweise erzwungenen „ich setz noch einen drauf“-Lustigkeit nicht flüssig zu lesen ist.

Wenn jedes Technik-Gadget nicht mehr nur „Handy“, sondern HTC-HD7-1GHz-Snapdragon-CPU-Smartphone“ heißt, dann ist das einmal lustig .. vielleicht auch noch ein zweites Mal bei einem anderen Gerät oder Auto oder Flugzeug, aber spätestens nach dem fünften Mal liest man die Bezeichnung gar nicht mehr, weils einfach genug ist.

So ist das Buch sicher eine irrwitzige Parodie mit vielen lustigen und schrägen Ideen, die grad den Fan der MILLENNIUM-Reihe lachen lassen, aber manchmal schon ein wenig zu viel des Guten. Auch beim Humor ist weniger manchmal mehr, mehr witzig. Und der eine oder andere Leser wird das Buch auch nicht in einem Zug lesen, sondern aufgrund der humoristischen Druckbetankung nach dem einen oder anderen Kapitel einfach mal eine Pause einlegen. 272 Seiten sind nicht zu wenig für eine gute Parodie (von drei mächtigen „Ziegeln“), wenn sie wie diese fast schon überprall gefüllt ist mit witzigen Ideen.

Die Aufmachung

Das Cover zeigt sehr passend einen stilisierten nackten Po, der, genau wie der Schriftzug mit dem Namen des Autors und dem Titel, exakt den Titelbildern eines fast jeden derzeit erscheinenden Romans eines fast jeden skandinavischen Autors ähnelt. Hier bleibt sogar zu befürchten, dass einige den Roman einfach im Vorbeigehen kaufen werden, weil sie glauben, es wäre ein weiterer skandinavischer Bestseller.

Unfreiwillig lustig ist auch, dass der Leser nach dem Genuss der Parodie auf der letzten Seite im Buch direkt eine Werbung für einen weiteren Roman findet, der von der Schwedischen Krimi-Akademie preisgekrönt wurde … wie gefühlsmäßig wirklich jeder Roman, der in diesem Land erscheint. Hier überlegt der Leser, ob das auch noch zur Parodie gehört oder nicht.

Und bei 272 Seiten frage ich mich auch, warum es für die Übersetzung des Romans ganze drei Übersetzerinnen gebraucht hat. Vielleicht weil die humoristischen Schachtelsätze von einem Menschen allein nicht hätten aufgedröselt werden können.

Der Autor

Vor seiner Karriere als internationaler Bestsellerautor hat Lars Arffssen unter anderem Offizierinnen der kasachischen Frauenmiliz in antipatriarchalischem Abwehrkampf trainiert und als Hairstylist im angesagten Stockholmer Stadtteil Södermalm gearbeitet. Er studierte Altnordisch an der Universität Uppsala und Nichganzsoaltnordisch in Gotland. In seiner Heimat hat Arffssen nicht nur mit einer irrsinnig erfolgreichen Thriller-Trilogie, sondern auch mit Forschungen zum schwedischen Fleischklößchen („En Populär Historia om den Svenska Köttbullen“) einige Prominenz erlangt. Er lebt mit einer sehr emanzipierten Frau und Kindern aus verschiedenen Beziehungen in Gamla Stan. (Verlagsinfo)

Mein Fazit:

Die Kunstfigur Lars Arffssen zieht über jeden und alles her, was dem MILLENNIUM-Fan lieb und heilig ist. Das macht oftmals Spaß, kann aber mitunter anstrengen, weil der Autor wirklich mit jedem Satz versucht, lustig zu sein. Als Filmumsetzung funktioniert die Vorlage sicher prima.

Bei einer Parodie ist der Weg das Ziel, denn hier möchte man sich einfach nur gut unterhalten lassen und nicht wie beim Original schnellstmöglich wissen, wie es ausgeht. Unterhalten kann „Verarschung“ sehr gut und auch die Auflösung des Falles, den es bei aller Parodie tatsächlich auch noch gibt, ist ähnlich intelligent wie der Humor des Romans.

Taschenbuch: 272 Seiten
Originaltitel: The Girl with the Sturgeon Tattoo: A Parody
Aus dem Englischen übersetzt von Karolina Fell, Silke Jellinghaus und Katharina Naumann
ISBN-13: 978-3499258381
www.rowohlt.de

Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Kuhn, Oliver; Reinwarth, Alexandra; Fröhlich, Axel – große Brocklaus, Die – Das komplett erfundene Lexikon

Wenn man parodiert wird, hat man es irgendwie geschafft. Das trifft nicht nur für Personen zu. In diesem Fall erwischte es das altehrwürdige Brockhaus-Lexikon, welches seit Jahrzehnten eine Institution in seinem Bereich ist. Diese heilige Kuh unter den deutschen Vorzeige-Wissenssammlungen führt das Autoren-Trio Fröhlich/Kuhn/Reinwarth nun frech aufs Eis. Dem Original äußerlich sehr ähnlich, schummelten die drei ein entfremdendes „L“ in den berühmten Namen. Et voilà. „Die große Brocklaus – Das komplett erfundene Lexikon“ erschien 2010 als Leinen gebundenes Hardcover bei |Droemer| – und entgegen dem umfangreichen Vorbild in nur einem einzigen Band, welcher aber immerhin über 400 Seiten umfasst.

_Zum Inhalt_

Bereits der hintere Einband verrät, was den Leser erwartet: „Ein Leben ohne Brocklaus ist möglich, aber witzlos – |Viggo von Besser-Wisser|“ behauptet der gefakte Pressekommentar, wie er auf Büchern inzwischen Usus ist, keck. Dieser Spruch ist unverkennbar eine schlitzohrige Verballhornung des berühmten Loriot-Zitats. Und auch der ebenso frei erfundene „Prof. Roman Tisch“ seines Zeichens „Staatsminister für Kunst und Kultur“, des uns im Inneren immer wieder als Running Gag begegnenden Jux-Staates „Vulgarien“, weiß an gleicher Stelle zu schwärmen: „Wenn Sie Molwanien kennen, dann werden Sie dieses Buch lieben“. Na denn. NB: Witzigerweise ist eben jenem Quatschland übrigens kein eigener Beitrag zuteilgeworden.

Es gibt aber dennoch mehr als genug andere eingestreute Querverweise, und somit zu lachen, denn natürlich ist das Buch aufgebaut wie ein Standard-Lexikon: Mit alphabetischer Sortierung der Stichworte, (s/w) Illustrationen auf jeder Seite, einen Farbtafelteil in der Mitte und erklärenden Anhängen und allem Pipapo. Selbstverständlich, vom Hauptteil des Buches bis hin zu den Appendices, vollkommen aus der Luft gegriffenem Inhalts. Lediglich das Impressum der Mitwirkenden ist zum Teil echt, nämlich exakt im Punkt „Chefredaktion“ – nicht jedoch die Liste der angeblichen Autoren, bei denen es mächtig kalauert. Angebliche Professoren wie ein „Karl Auer“, eine „Martha Hari“, „Heinz Ellmann“ oder spätestens „Tim Buktu“, lassen wohl auch naivere Naturen Lunte riechen, dass jene umfangreiche Liste erstunken und erlogen ist.

Das Werk ist die alleinige Show der drei Autoren, die sich dafür auch nicht zu schade waren, sich – vorwiegend – höchst daselbst in oftmals schräger Maskerade und ebensolchen Posituren ablichten zu lassen, um ihre fiktiven Wissensbeiträge mit entsprechendem Bildmaterial auszustatten. Die Nonsens-Begriffserklärungen und haarsträubenden Personalien haben es dann genauso faustdick in sich, wie das Trio offensichtlich hinter den Ohren. Eine erweiterte Allgemeinbildung ist nicht zwingend Pflicht, erhöht den Lesespaß aber erheblich, da manche Herleitung oder Wortspielerei erst mit entsprechendem (insbesondere Sprach-)Vorwissen erst richtig wirkt und das Zwerchfell mitunter heftig strapaziert. Es lohnt sich definitiv zwischen den Zeilen zu lesen, damit nicht irgendein subtil-linguistischer Gag vielleicht unentdeckt bleibt.

Verständlicherweise läuft man bei einer solchen Parodie auch gern einmal Gefahr, den einen oder anderen Rohrkrepierer zu produzieren. Deren Anzahl hält sich hier in erfreulich engen Grenzen, was selbstredend auch immer stark vom individuellen Leser und dessen Humorverständnis abhängt. Wirklich grobe Plattitüden oder gar plumpe Obszönitäten findet man hingegen überhaupt nicht. Sollte es doch mal unter die Gürtellinie gehen oder es politisch-gesellschaftliche Spitzen geben, so sind diese meist schön feinsinnig verpackt – ein Effekt, der durch die pseudowissenschaftliche Schreibe logischerweise voll unterstützt wird. Auch die Kontinuität bestimmte Termini immer wieder anzutreffen (siehe „Vulgarien“) trägt ihr Scherflein dazu bei, dass das erfundene Lexikon – bei all seiner naturgegebenen Fiktivität – in sich doch recht glaubwürdig daherkommt.

_Fazit_

Die „Brocklaus“ definiert das berühmte |needless knowledge| neu und erhebt es in eine neue Dimension, die des „total needless and faked knowledge“. Was einerseits die Lachmuskeln massiert aber andererseits auch die Frage aufwirft, für wen das Buch denn nun zu empfehlen sei. Immerhin ist die Investition von 20 Euro für ein im Prinzip vollkommen sinnloses (aber nicht sinnfreies) Lexikon kein Sonderangebot. Besitzer der mehrbändigen Original-Enzyklopädie vielleicht, so als abschließendes i-Tüpfelchen, denn die haben offensichtlich Kohle genug – ob’s für Humor auch noch reicht, dürfte sich dann weisen. Unterhaltsam ist das gute Stück allemal, auch wenn man nur wenig praktischen Nutzwert daraus beziehen kann – doch dafür wurde es schließlich auch nicht erdacht.

|Hardcover: 416 Seiten
ISBN 978-3-426-27471-2|
[www.droemer.de]http://www.droemer.de

_Oliver Kuhn bei |Buchwurm.info|:_
[„Arschgeweih – Das wahre Lexikon der Gegenwart“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4162
[„Alles, was ein Mann wissen muss“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6848

Lange, Henrik – Filmklassiker für Eilige

Henrik Lange, 1972 in Göteborg geboren, hatte mit seinem Deutschland-Debüt „Weltliteratur für Eilige: Und am Ende sind sie alle tot“ (OT: „90 Classic Books for People in a Hurry“) im Juni 2010 offenbar so viel Erfolg, dass nun das gleiche Prinzip auch auf Filmklassiker angewendet wird – nur, dass es diesmal sogar 99, mehr oder weniger bekannte, Streifen ins Buch schafften, welches von |Knaur| dann für den deutschen Markt titelseitig – und analog zum Vorgänger – in „Filmklassiker für Eilige: Und am Ende kriegen sie sich doch“ etwas aufgebrezelt wurde. Ursprünglich für Januar 2011 avisiert, steht das Taschenbuch nun schon seit Mitte Dezember für 8,99 Euro offiziell in den Regalen. Beinahe sogar noch pünktlich zum Weihnachtskerngeschäft.

_Zum Inhalt_

Wie der Originaltitel „99 Classic Movies for People in a Hurry“ bereits unzweifelhaft klarmacht, bereitet Henrik Lange – was Wunder – exakt diese Anzahl von diversen Filmen aus verschiedenen Genres und Epochen humoristisch auf. Wobei sich je ein Delinquent pro Doppelseite findet und die Gliederung stets die Gleiche ist: Filmtitel, Erscheinungsjahr und Regisseur auf der rechten Seite; vier Comicframes mit beschreibenden Kommentaren und teils auch den dafür typischen Sprechblasen, bilden die jeweilige Inhaltsangabe zur Linken. Natürlich nicht als simple Nacherzählung, das wäre im wahrsten Sinne des Wortes, ja ziemlich witzlos.

_Eindrücke_

Einen Film in einem kleinen Comicstrip inhaltlich wiedergeben, geht das? Wenn man mit dem Anspruch herangeht, dass dies umfassend geschehen muss: Nein. Zumindest dann nicht, wenn einem der Film unbekannt oder vielleicht auch nicht mehr so gegenwärtig ist. Da der Inhalt des Films manchmal auch gar nicht wirklich beschrieben, sondern – ebenso humorvoll wie persönlich wertend – aufgearbeitet wird, fällt das Buch als etwaige Gedächtnisstütze für vergessliche Filmfreaks also glatt durch. Es grenzt in diesem Zusammenhang an Verschwendung, dass die gesamte rechte Seite jeweils nur spartanische Infos zum Film anbietet. Die Möglichkeit diesen unnötig verschenkten Platz hier um wichtige Eckdaten eine richtige Inhaltsangabe zu ergänzen, wurde leider vertan. Das hätte dem Buch neben einigen guten Lachern sogar einen zusätzlichen Gebrauchswert verliehen.

Die Schwarz-Weiß-Zeichnungen sind doch recht naiv geraten und die Figuren darob zumeist nicht (wieder) zu erkennen. Sie sehen schlichtweg alle ziemlich gleich aus und nur selten gelingt es dem Autor/Zeichner, individuell unverkennbare Besonderheiten deutlich genug herauszuarbeiten. Das jedoch ist das kleine Einmaleins eines jeden (Comic-)Zeichners. Der Verlagsinfo nach, hat sich Henrik Lange das Zeichnen „selbst beigebracht“. Mit Verlaub und ohne ihm Böses zu wollen: Das sieht man leider auch. Vielleicht hätte er doch irgendwann beizeiten mal die Hilfe eines kompetenten Lehrers in Anspruch nehmen sollen. Die guten Ideen, Witz und der Wille sind nämlich erkennbar vorhanden, doch handwerklich kann er es nicht so recht umsetzen. Schade, denn mit entsprechend aussagekräftigen Bildern würden die kleinen, nett platzierten Seitenhiebe sicher noch um ein Vielfaches besser wirken.

_Fazit_

Manche der mitunter schön bissig-respektlosen Gags zünden zwar recht gut, doch die im Verbund je zu viert ziemlich ungelenk hingekritzelten Bildchen reichen eben doch nicht aus, um einen Film auch nur annähernd treffend zu charakterisieren. Wer also auf der Suche nach einem Nachschlagewerk ist, um filmtechnisch mitreden zu können, ist hier vollkommen fehl am Platz. Das auf ulkig getrimmte Sammelsurium bedient genau dieses Klientel nämlich nicht. Es ist eher ein typisches Verlegenheits-Mitbringsel für den Cineasten, der sonst schon alles andere hat – und Spaß versteht. Dabei wäre es gar nicht so schwer gewesen, den potenziellen Kundenkreis kräftig zu erweitern sowie wirklichen Nutzwert zu schaffen.

|Taschenbuch: 210 Seiten
Originaltitel: 99 Classic Movies for People in a Hurry
Aus dem Englischen von Marko Jacob
ISBN: 978-3-426-78384-9|
[www.knaur.de]http://www.knaur.de

Mayo, Stephfordy – Bis(s) zum Abwinken. Die blutleere Parodie.

Wer heutzutage nicht wenigstens eine vage Ahnung davon hat, worum es in Stephenie Meyers backsteindicker [Twilight-Saga]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4600 geht, der hat in den letzten Jahren unter einem Stein gelebt. Unter einem ziemlich großen und schweren Stein. Der Erfolg der Reihe lässt sich nicht nur daran ablesen, dass tausende (meist jugendliche) Leserinnen an jedem Wort der Autorn hängen. Der Erfolg zeigt sich auch dadurch, dass die Reihe verfilmt wird – und dass sie Parodien hervorbringt, von der Stephfordy Mayos „Biss zum Abwinken“ tatsächlich nur eine ist. Dafür aber eine durchaus lesenswerte.

_Hella Wahn_ (der Name ist Programm) war mal ein Kinderstar in Büchern mit so bezeichnenden Titeln wie „Hella kriegt, was sie will“ und „Hella will noch mehr“. Doch dann ist es still um sie geworden – irgendwie hat sie wohl den Absprung vom Kinderbuchstar zum erwachsenen Charakter nicht so recht geschafft. Doch das soll jetzt anders werden. Deswegen zieht sie zu ihrem Dad nach Spachtel, da sich dort die „Spachtel Akademie für fiktionale Höchstleistungen“ befindet. Mit dieser fundierten Ausbildung, da ist sich Hella sicher, wird sie endlich den Sprung ins ernste Fach schaffen und an alte Erfolge anknüpfen.

Natürlich ist sie etwas vom Lehrstoff abgelenkt, als sie Teddy Kelledy kennen lernt. Die beiden sind Seelenverwandte, das erkennt sie sofort. Und natürlich ist auch Teddy ihr gleich ergeben – bis er sich mal einen Tag nicht blicken lässt und damit Hella in tiefste Depressionen stürzt: Selbstmordgedanken nicht ausgeschlossen. Als Teddy dann auch noch beschließt, für zwei Wochen nach Rumänien zu fahren und Hella ihn schlussendlich retten muss, da er kurz davor steht, einen Pornofilm zu drehen, wird die Handlung schon reichlich konfus. Und als dann auch noch die große UMGESTALTUNG eintritt und alle möglichen Horrorcharaktere sich treffen, um festzulegen, wer für die nächsten Jahre die Oberherrschaft im Film-, Serien- und Buchgeschäft haben wird, da weiß dann auch der letzte Leser – ernst ist anders!

_“Biss zum Abwinken“_ ist wirklich kurzweilige Unterhaltung, durchaus komisch und von einer Autorin geschrieben, die offensichtlich ein sehr gutes Auge für die Untiefen von Meyers erzählerischer Inkompetenz hat. Ein großer Teil der Komik erwächst aus der Tatsache, dass Mayo die Erzählstrategien Meyers gnadenlos bloßlegt und so der Lächerlichkeit preisgibt. Hella und Teddy, Mayos Versionen von Meyers reichlich unrealistischen Charakteren Bella und Edward, sind dafür ein gutes Beispiel. Hella, siebzehn, sieht sich ständig damit konfrontiert, dass sie für jünger gehalten wird, weil sie sich so kindisch benimmt. Auch ist sie eine egozentrische, eingebildete Ziege, die (ganz im Sinne der Pubertät) noch nicht begriffen hat, dass das Universum sich eben nicht um sie dreht. Was daran komisch sein soll? Dass Hella selbst sich als Bella sieht – schüchtern, hilfsbereit und unverstanden -, ihre Handlungen aber genau das Gegenteil implizieren. Der Gegensatz, wie ein Charakter erzählt wird und wie er tatsächlich beim Leser ankommt, ist eine der zentralen Strategien Mayos, um Komik zu erzeugen. Und natürlich kann diese Strategie nur erfolgreich sein, wenn man sie aus Meyers Prosa wiedererkennt.

Der Roman arbeitet einige der wichtigsten Handlungspunkte von Meyers Serie ab, schafft es aber – Gott sei Dank – in viel weniger Seiten zum fast selben Ergebnis zu kommen. Was das über Meyers Erzählerqualitäten aussagt, kann sich jeder selbst ausmalen. Stephfordy Mayo glänzt mit vielen literarischen Bezügen und kleineren artverwandten Gags (so werden beispielsweise den Verlierern bei der UMGESTALTUNG Nebenrollen bei „Supernatural“ versprochen), man könnte also durchaus von einer teilweise metaliterarischen Behandlung des Meyerschen Stoffes sprechen. Schließlich kann eine Parodie nur gut sein, wenn sie die Mechanismen des Originals durchschaut und es dann schafft, sie auf komische Weise sichtbar zu machen.

Das gelingt Mayo auch bei vielen anderen Kleinigkeiten, so zum Beispiel bei der unterdrückten Erotik der Twilight-Bücher. So zeigen sich auch Hella und Teddy reichlich ahnungslos, obwohl die sexuelle Komponente immer mitschwingt. So passiert zum Beispiel folgendes, als Hella intensiv über Teddy nachdenkt: „Warum fühlte sich mein Schritt nur so nass und klebrig an, wenn ich nur an ihn dachte?“ Der Leser kann es sich denken, doch dann kommt die 180-Grad-Drehung: „Ach so, das war ja nur meine verschüttete Limo.“

_“Biss zum Abwinken“_ ist eine wirklich gelungene Parodie. Es bleibt zu hoffen, dass sie nicht am eigentlichen Publikum (nämlich den Fans der Twilight-Reihe) vorbeigeschrieben ist. Denn wie meint Hella so schön: „Jede Geschichte mit mir im Mittelpunkt hat eine Ironie-freie Zone zu sein.“ Wünschen wir also den Fans eine große Dosis Ironie, damit sie über sich und ihr Lieblingsbuch mal herzlich lachen können!

|Broschiert: 254 Seiten
ISBN-13: 978-3492259262
Originaltitel: |New Moan. The Twishite Saga|
Deutsch von Henriette Zeltner|

Kuhn, Oliver – Alles, was ein Mann wissen muss

Die rationale Einteilung sämtlicher Lebenssituationen haftet dem Mann dem Hörensagen nach wie ein Furunkel an. Fakten, Listen, Tatsachen – alles, was auf diese Art und Weise erfassbar ist und bleibt, scheint zu zählen. Doch es ist nicht dringend Max Frischs „Homo Faber“, der für die Konzeption von Oliver Kuhns eigentlich relativ humorvollem Ratgeber „Alles, was ein Mann wissen muss“ Pate stand. Viel mehr geht es hier abseits von Wissen und Philosophie darum, einige absurde Extremsituationen zu schildern. Wie befreie ich mich beispielsweise aus einer Geiselnahme? Wie kann ich verstehen, was das Holz mir sagen will? Oder wie werde ich Sumo-Ringer? Kuhn beschäftigt sich mit ganz kontrastreichen Themen, kommt dabei immer schnell auf den Punkt und kratzt insgeheim eher an der Oberfläche. Sein Werk zeichnet sich in erster Linie durch Masse aus, aber eben immer noch so präzise geschildert, dass man hieraus eine Menge für seinen Lebensalltag mitnehmen kann. Und wenn es dann doch mal zu abstrakt wird, lernt man eben, dass die Beziehung zu einer neuen Partnerin sich mit den 24 Türchen eines Adventskalenders messen lässt. Ein Allrounder scheint es zu sein, dieses Buch. Und ja, das ist es in der Tat!

Der Autor tastet sich jedoch zunächst sehr typisch an sein Publikum heran. Die sieben Weltwunder der Antike und der Moderne kommen ebenso zum Zuge wie revolutionäre Episoden der Weltgeschichte. Wissen vermitteln, so scheint es, ist in erster Instanz das, was Kuhn beabsichtigt, und das vorerst dröge und anhand von Listen. Oder anders gesagt: Absolut maskulin! Doch in jedem der zahlreichen Unterkapitel erscheinen schließlich Berichte und Tatsachen, die eben alles andere als konventionell sind. Die meist gesuchten Massenmörder werden aufgezählt, der Name von berühmt-berüchtigten Hochstaplern wird ins Gedächtnis gerufen und am ende, völlig unerwartet, macht man den Schwenk zu Design-Ikonen und Stilistiken der Mode, die in diesem Zusammenhang wohl kaum kontrastreicher sein könnten.

In der Folge wird die Art und Weise der Darstellung dann immer bunter: ‚Latein für Poser‘ heißt es in einem Abschnitt, das Vaterunser wird eingestreut, und gen Schlussabteil folgen einige Workshops in Sache Wäschepflege und internationale Schuhgrößen.

Damit die Sache nicht ganz so rational bleibt, schildert Kuhn zwischendurch auch einige Verführungstechniken, erläutert den Kern des Kamasutra, gibt Tipps zu Sexualität und kulinarischen Delikatessen, mit denen man eine Frau verzaubert. Sollte man ja auch irgendwie alles mal gehört und bestenfalls auch umgesetzt haben. Und das ist schließlich der Punkt: „Alles, was ein Mann wissen muss“ gibt tausende Anstöße, nicht immer ganz logisch gegliedert, aber dennoch hilfreich für die Praxis – sofern man es denn in diesem Buch auch auf Anhieb findet. Insofern ist das Ganze ein kurzweiliger Band zum Schmökern, der nicht in die Tiefe geht, der unterhält, der aber eben auch nicht das Lexikon-Format innehat, welches bei vergleichbaren Broschüren oftmals dem Entertainment im Wege steht. Hinzu kommt, dass einige Themenbereiche sehr lustig umschrieben werden, gleichzeitig auch so entfernt wirken, aber schlichtweg gut durchdacht sind. Das beginnt bei Smalltalk-Regeln und endet mit der Beschreibung dessen, wie man im Flugzeug ein Upgrade bekommt.

Eines hat Kuhn bei diesem Titel allerdings nicht bedacht; nämlich dass sein Titel in erster Linie die Männerwelt anspricht. Dabei sind die Fakten allgemeingültig und durchaus auch für die emotionale Weiblichkeit hilfreich. Warum soll nämlich nicht auch mal die emanzipierte Maid den Flugzeugentführer überwältigen? Insofern: Eine prima Geschenkidee zu jedem Anlass – und geschlechtsneutral empfehlenswert!

|Taschenbuch: 320 Seiten
ISBN-13: 978-3426780855|
[www.droemer-knaur.de]http://www.droemer-knaur.de

_Oliver Kuhn bei |Buchwurm.info|:_
[„Arschgeweih – Das wahre Lexikon der Gegenwart“ (Hörbuch)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4162

Schumacher, Lutz – Ich kann so nicht arbeiten – Geschichten aus dem Büro

Scherereien am Arbeitsplatz? Unqualifiziertes ‚Fachpersonal‘? Vetternwirtschaft? Die Episoden, die sich in den Büros größerer Konzerne unter vorgehaltener Hand abspielen, sind manchmal definitiv traurig und witzig zugleich – und wert, sich einmal intensiver damit zu befassen. Lutz Schumacher hat die Zeichen der Zeit erkannt und seinen Lieblingsschützen Harald Grützner in den Alltag der Büroarbeit eingeflochten – und dabei wahrhaftig Grandioses zustande gebracht!

_Harald Grützner hat_ sich selbst in die Sackgasse manövriert: Führerschein gefährdet, Job riskiert und nun vom Außen- in den Innendienst versetzt. Als der Gebeutelte schließlich zum verabredeten Termin pünktlich um 9 Uhr die Hallen der Münchener Vertretung des Schokoladen-Multis, der Candy Gmbh, betritt, scheint tatsächlich alles schief zu laufen. Hundekot unter den Schuhen, vom Regen durchnässt und an der Rezeption direkt patzig angemacht, weil das Äußere auf einen Penner schließen lässt. Grützner ist erstmal bedient und erträgt mit allerlei Geduld den Hohn und Spott der beiden vorurteilsvollen Damen am Schalter. Als ihm jedoch niemand so recht mitteilen kann, wo sich genau die Büros der Personalabteilung befinden, tritt er die Flucht nach vorne an, nur um immer noch weiter herumgeschubst und verbal angegriffen zu werden. Dank mehrerer glücklicher Fügungen erreicht er mit reichlich Verspätung sein neues Büro – und blickt dort in allerlei verdutzte wie genervte Gesichter. Denn Grützner ist nicht nur der neue Mitarbeiter, sondern löst eine Kollegin auch völlig überraschend in der dortigen Leitungsstelle ab. Das Drama beginnt – und damit auch ein Leben voller Schikanen im absolut nicht prunkvollen Büroalltag …

_Die Geschichte, die_ Lutz Schumacher hier von einem eigentlich qualifizierten, letzten Endes aber völlig überforderten Büro-Neuling erzählt, ist natürlich die pure Satire, als solche absolut überzogen dargestellt, mit Klischees überfrachtet und von Charakteren umgeben, bei denen der Autor die Grenzen bewusst ausreizt. Doch der Humor ist genial, die vielen Rollen, die Schumacher dem Personal des Süßwarenherstellers zuordnet, sogar wirklich fantastisch ausgearbeitet. Alleine in Grützners eigenem Büro trifft man auf eine Handvoll klassischer Stereotype und Unsympathen, die in der vorliegenden Konstellation für eine spannende und unglaubliche unterhaltenswerte Interaktion sorgen. Da wäre zum einen Dorothea, zunächst Leiterin, dann unfreiwillig abgelöst und entsprechend frustriert. Während sie noch die offensichtlichste Partnerin für jedwede Konfrontation ist, winkt aus der hinteren Ecke Peter Schwarz, auch schwarzer Peter genannt. Der Ex-Student, der es nie zu etwas gebracht hat, bringt es in wirklich jeder Situation auf einen unqualifizierten Kommentar und stellt vor allem die Geduld seines neuen Chefs immer wieder gewaltig auf die Probe – zumal er auch spricht, wenn er nicht sprechen soll!

Aber auch ruhigere Figuren begleiten Harald durch seinen neuen Alltag. Kirsten beispielsweise ist eine jener Damen, deren Durchsetzungskraft gen Null tendiert. Jeden Morgen verfehlt sie bei ihrem Stammbäcker die geliebten Käsebrötchen und muss sich mit den Resten zufriedengeben, die ihr absolut nicht zusagen. Nichtsdestotrotz investiert sie jeden Tag 3,50 für ihr Frühstück, weil ein Affront gegen die Verkäuferin mit ihrem schmalen Selbstvertrauen nicht zu vereinbaren wäre. Oder Gaby, die vollbusige Blondine, die ihren Job einzig und alleine deswegen noch innehat, weil ihre körperlichen Reize in der Führungsetage von Zeit zu Zeit genau auf den richtigen Geschmack trafen. Und schließlich Frank, ein Eigenbrödler, der selbst zu den feierlichsten Anlässen noch einen karierten 80er-Pulli trägt und eigentlich nur den ganzen Tag aus dem Fenster starrt – und dafür auch noch befördert wird!

Sind die Personalien rein inhaltlich schon ein echter Brüller, steigert sich Schumacher fortwährend in der Situationskomik, gerade dann, wenn besagter schwarzer Peter mal wieder eines seiner spitzfindigen Statements abgibt und damit die Absurdität mancher Szene noch einmal richtig hervorhebt. Angefangen bei den skurrilen Erlebnissen auf der betriebseigenen Weihnachtsfeier über die skandalösen Vertragsverhandlungen mit dem Vertrieb, bis hin zu jenem Konflikt den Grützner mit Andy, einem Abgesandten der IT-Abteilung, auszutragen gezwungen ist, bietet „Ich kann so nicht arbeiten“ unzählige Episoden, die hier und dort sicherlich auch einen realen Background haben, aufgrund ihrer authentischen Darstellung aber vor allem das Potenzial haben, die Lachmuskeln mal gehörig durcheinanderzubringen. „Willkommen im Irrenhaus“, mag man daher auch auf nahezu jeder Seite denken – doch genau dieser irre Charakter ist es, der dieses Buch zur absoluten Pflichtlektüre im derzeitigen Satire-Sektor macht. Besser auf den Punkt gebracht bzw. mit Klischees angereichert als dieses kurzweilige Werk hat die Tücken der Büroarbeit bislang jedenfalls niemand! Und deswegen muss man sich auch nicht schämen, wenn man hier phasenweise wirklich Tränen lachen muss …

|Hardcover: 224 Seiten
ISBN-13: 978-3442312368|
[www.randomhouse.de/goldmann]http://www.randomhouse.de/goldmann

Weiler, Jan – Mein Leben als Mensch

_|Stern|-Abonnenten sollten wissen_, worauf sie sich bei einem gefragten Kolumnisten wie Jan Weiler einlassen. Seit geraumer Zeit versorgt der inzwischen auch als Buchautor gefragte Schreiberling ein wachsendes Publikum mit den Geschichten um den pikanten Schwiegervater Antonio, um Sara, die etwas zerstreute Ehegattin, und die beiden Nachzügler Carla und Nick, die erst jüngst hinzugestoßen sind und Weiler allerhand Futter für neue kuriose Geschichten zum ‚ganz normalen‘ Alltag liefern.

61 seiner berüchtigten Kurzabhandlungen hat er nun unter dem Titel „Mein Leben als Mensch“ zusammengefasst und auch über seine populären Kolumnen hinaus für die Nachwelt festgehalten. Und vergleichbar seinem inzwischen bereits verfilmten Klassiker „Maria, ihm schmeckt’s nicht“ hat Weiler hierbei kein Fettnäpfchen ausgelassen, um seine sarkastisch angehauchte Selbstironie sowie die allzu üblichen Fehltritte des Alltags auf die Schippe zu nehmen bzw. sich am Ende des Tages in erster Linie über sich selbst und seine Sippe zu amüsieren.

Insofern ist „Mein Leben als Mensch“ natürlich vorrangig eine Zusammenfassung der brisantesten Alltags-Storys aus dem Leben einer italienischen Gastarbeiterfamilie, in die der Protagonist vor einiger Zeit eingeheiratet hat. Es geht um Kuriositäten wie die Geschichte mit den ‚Laufenten‘, die Weiler vergeblich einzufangen versuchte, um die Fußball-Weltmeisterschaft, für die Senór Antonio natürlich noch die richtige Flimmerkiste beschaffen musste (mit Flakebild versteht sich), um die Diskrepanzen, die ein Festnetz-Anschluss mit sich bringt, und natürlich um das Au-Pair-Mädchen Natalya, das immer wieder frischen Wind und Denkanstöße in die engmaschige Welt der italienisch-deutschen Verbindung hineinbringt, ohne dabei jedoch den Moralapostel heraushängen zu lassen.

_Aber was genau_ zeichnet Weiler und seine Hommage an den Alltag nun wirklich aus? Nun, es ist der Alltag selber. Es sind außergewöhnliche Storys, die nur das Leben schreibt, die so gewöhnlich und typisch sind, als Anekdoten aus einer völlig normalen Welt, dann aber doch wieder ein wenig absurd erscheinen, fast schon als Persiflage auf das, was Weiler im Titel beschreibt – auf das Leben als Mensch. Die Spanne reicht dabei von kleinen Krisen über einen Hauch von zynischer Situationskomik bis hin zu schwärzlich-humoristischer Satire. Kaum eine Gelegenheit wird dabei ausgelassen, die Klischees der italienischen Hitzköpfigkeit zu betonen, und wenn Weiler seinen Lieblingszögling Antonio mal wieder in den Mittelpunkt rückt, sind die Lacher stets auf seiner Seite.

Dennoch werden sich Liebhaber der vorherigen beiden Bücher zunächst einmal an „Mein leben als Mensch“ gewöhnen müssen, da die jeweiligen Kapitel in sich abgeschlossen und vor allem reichlich kurz sind. Doch inhaltlich entschädigen sie einfach für alles, was sich anfangs gegen die Erwartungshaltung sträubt. Antonios ständige Dispute mit der Technik, Sohnemanns unerschöpfliche Suche nach neuen Wortkreationen, Saras stete Hilflosigkeit und Claras Besonnenheit – hier wird jeder Charakter zu einem Lachmuskelerquicker der besonderen Art. Und zu einem Kurzweil-Garanten für die begrenzte Dauer von immerhin 224 Seiten. Aber die Quantität muss nicht die Sorge des Publikums sein. „Mein Leben als Mensch“ wird zweifelsohne noch einige Brüder zur Seite gestellt bekommen. Denn wenn eines schier unerschöpflich ist, dann Weilers Sinn für liebreizende und vor allem unterhaltsame Geschichten aus dem Alltag einer nicht ganz alltäglichen Familie …

|Hardcover: 224 Seiten
Mit Illustrationen von Larissa Bertonasco
ISBN-13: 978-3463405711|
[www.rowohlt.de/verlag/kindler]http://www.rowohlt.de/verlag/kindler

Robbins, Tom – B wie Bier

Wenn ein Buch den Titel „B wie Bier“ trägt, dann kann man mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass es nicht besonders ernst gemeint ist. Tatsächlich bietet Tom Robbins Roman einiges zum Lachen, aber auch zum Schmunzeln …

_Gracie Perkel ist_ eine ziemlich naseweise beinahe Sechsjährige, die sich brennend für das interessiert, was ihr Vater und ihr Onkel Moe so gerne trinken: Bier. Während ihre Eltern über ihre Neugierde nicht gerade erfreut sind, erkennt Onkel Moe sehr schnell, dass Gracies Wissenslücken auf diesem Gebiet gefüllt werden müssen. Seine Nichte freut sich darauf, mit ihrem Onkel eine Brauerei zu besuchen, um zu erfahren, wie Bier gemacht wird, doch den beiden kommt einiges dazwischen. Erst verletzt sich Onkel Moe am Fuß, dann brennt er mit seiner Ärztin Dr. Proust nach Costa Rica durch.

Und Gracie? Die betrinkt sich frustriert an ihrem sechsten Geburtstag, was ihr, selbstverständlich, nicht gerade gut bekommt. Nachdem sie sich auf ihren Hello-Kitty-Teppich übergeben hat, kriegt sie merkwürdigen Besuch. Eine zierliche kleine Frau, die sich Bierfee nennt und ziemlich frech ist, fliegt um ihren Kopf herum. Sie beschimpft sie erst ein bisschen, weil sie sich betrunken hat, doch dann nimmt sie sie mit auf eine lehrreiche Reise, damit Gracie lernt, woher das Bier stammt …

_“B wie Bier“_ hat nur wenig mehr als 100 Seiten, ist aber nicht nur deswegen eine sehr kurzweilige Lektüre. Betrachtet man die Inhaltsangabe, sollte klar werden, dass Robbins es nicht besonders ernst meint. Im Mittelpunkt steht eine Sechsjährige, die ein brennendes Interesse an Bier hat. Dadurch werden auf charmante Art und Weise Vor- und Nachteile des bayrischen Nationalgetränks aufgezeigt. Die Reise mit der Bierfee ist dabei der krönende Abschluss. Allerdings wäre es fatal, das Buch alleine darauf zu reduzieren. Nebenbei erzählt Robbins auch noch Gracies Familiengeschichte, wie ihre Eltern sich scheiden lassen und wie sie auf Umwegen in Costa Rica landet. Dadurch gewinnt das Buch, das streckenweise wie ein Vorlesebuch für Kinder konzipiert ist, deutlich an Tiefe – an unerwarteter Tiefe. Doch mit dem gleichen skurrilen, manchmal schmerzhaften Humor, mit dem er Bier und Biertrinkende beschrieben hat, geht er auch auf Erwachsene im Allgemeinen ein. „B wie Bier“ wirkt dadurch stellenweise tatsächlich wie ein Kinderbuch, doch der Schreibstil verrät es.

Möchte man den Schreibstil betrachten, kommt man nicht um das Schriftbild herum. Der Verlag hat den Text so gedruckt, dass er wie ein Bierglas aussieht. Zwischendrin findet sich die eine oder andere interessante, detailreiche Grafik für all jene, die gerne mal wieder jung sein wollen. Der Autor spricht seine Leser gerne direkt an – und addressiert dabei ganz beiläufig vorlesende Großväter -, was höchst amüsant ist. Auch sonst reißt er den einen oder anderen Witz, sowohl in Dialogform als auch in seinen bunten, lebendigen, metaphernreichen Beschreibungen. Es vergeht keine Seite, auf der man nicht mindestens gelächelt hat. Höchst unernst, dafür aber überaus dramatisch schildert Robbins die Geschichte und setzt dabei neben kindgerechter Sprache auch immer wieder auf bizarre Fremdwörter, die mal mehr, mal weniger in den Kontext passen.

_“B wie Bier“_ ist ein amüsanter Zeitvertreib, der Wissenswertes und Nachdenkliches durch die Augen einer Sechsjährigen vermittelt. Originelle Einfälle und ein bezaubernder Schreibstil runden das Gesamtbild ab.

|Broschiert: 108 Seiten
Originaltitel: B is for Beer
Deutsch von Pociao
ISBN-13: 978-3499254246|
http://www.rowohlt.de

Rowe, Stephanie – Es kann nur eine geben

_Seit 200 Jahren_ ist Justine Bennet schon die Hüterin von Desdemona, dem „Kelch“ der ewigen Jugend, kurz Mona genannt. Vor 200 Jahren war Mona noch ein mit Juwelen besetzter Kelch, mittlerweile kommt Mona allerdings als ultramoderne Espressomaschine daher. Gesellschaft hat Justine nur durch ihre Freundin Theresa, diese ist allerdings versehentlich in einen sexy Drachen verwandelt worden, und dies macht das Zusammenleben nicht immer einfach – eine feuerfeste Einrichtung ist unumgänglich.

Mit dem „Beruf“ der Hüterin sind auch einige, nicht immer leicht einzuhaltende Regeln verbunden. Unter anderem ist es Justine nicht erlaubt, eine sexuelle Beziehung einzugehen. Engere emotionale Beziehungen sind ebenso verboten wie über Monas Geheimnis zu reden. Auch ist sie verpflichtet, jeden zu töten, der Mona auf die Spur kommt.

Richtig kompliziert wird es, als Derek LaValle in ihr Leben tritt. Der LaValle-Clan leidet unter einem grausamen Fluch. Die LaValle-Männer werden nicht älter als 31 Jahre, 46 Wochen, vier Tage, sechs Stunden, vier Minuten und genau fünf Sekunden. Die Todesursachen sind alles andere als heldenhaft; da wird der LaValle-Mann von einem Hamster totgebissen, einem Kugelschreiber erstochen oder von einem wild gewordenen Messer umgebracht.

Derek ist entschlossen, diesen Jahrhunderte alten Fluch zu brechen. Was er dafür tun muss? Justine aufspüren und umbringen …

Als auch noch Satan höchstpersönlich auftaucht – dieser ist von Justines Mutter Iris gerade zu besessen -, nimmt das Chaos seinen Lauf.

_Kritik_

Mit „Es kann nur eine geben“ hat Stephanie Rowe den Auftakt zu einer neuen, vielversprechenden Serie geschrieben. Die Hauptcharaktere sind einfallsreich konzipiert und mit allen Ecken und Kanten sehr sympathisch und liebenswert. Diese sind auch nicht nach bekannten Schemata ausgearbeitet, sondern bringen einige neue Ideen mit.

Die Geschichte rund um Justine und Derek liest sich wunderbar flüssig. Erzählt wird aus der Beobachterperspektive, die zwischen den Charakteren wechselt. Daher lernt man die Protagonisten schnell kennen und kann die Sicht des Jeweiligen nachempfinden. Für Spannung, Romantik und jede Menge Humor ist wie so oft gesorgt.

Der Hauptplot „Wer tötet nun wen?“ zwischen Justine und Derek ist witzig beschrieben und kann dem Leser die Lachtränen auf die Wangen zaubern, ebenso wie die Nöte des Drachen Theresa, die zu gerne wieder ein Mensch wäre, und auch das Dilemma, in dem Iris, Justines Mutter, steckt, denn immerhin will Satan höchstpersönlich sie zu seiner Geliebten machen.

_Fazit_

„Es kann nur eine geben“ von Stephanie Rowe ist eine leichte, unterhaltsame, lustige und etwas chaotische Geschichte, in der auch die Romantik nicht zu kurz kommt. Wer Spaß an neuen Ideen hat, sollte diesem Buch eine Chance geben.

Ich persönlich habe die Stunden mit diesem Buch genossen und freue mich schon sehr auf den nächsten Teil „Schau mir in die Augen, Kleiner“.

_Autorin_

Seit Stephanie Rowe 2002 ihren ersten Roman veröffentlichte, geht es mit ihrer Karriere steil bergauf. Einfühlsam und voller Witz schreibt sie in ihren erfolgreichen Büchern über all das, was die Frau von heute bewegt: Karriere, Freunde, Familie, schlechte Haare, zu enge Hosen, überzogene Konten und die Suche nach dem Mann fürs Leben. (Verlagsinfo)

|Taschenbuch: 336 Seiten
Originaltitel: Date Me, Baby, One More Time
Aus dem Amerikanischen von Catrin Lucht
ISBN-13: 978-3-8025-8298-1|
[www.egmont-lyx.de]http://www.egmont-lyx.de

_Nadine Warnke_

_Stephanie Rowe bei |Buchwurm.info|:_
[„Schau mir in die Augen, Kleiner“ 6422

Rowe, Stephanie – Schau mir in die Augen, Kleiner

_Seit Theresa Nichols_ vor 200 Jahren von Mona, dem Kelch der ewigen Jugend, getrunken hat, hängt sie als Wer-Drachen in der Gestalt ihres Drachenkörpers fest und kann nicht mehr auf ihre menschliche Gestalt zurückgreifen. Da ist es nicht verwunderlich, dass sie auch schon seit Jahrhunderten und viel zu lange kein heißes Date mehr hatte, was sie zunehmend frustriert.

Zum Glück gibt es da noch ihren Cybersexpartner und Privatdetektiv Zeke, mit dem sie zumindest online Dates haben kann, und der Cybersex ist dabei auch nicht zu verachten. Als Zeke dann aber immer mehr auf ein richtiges Treffen drängt und Theresa Angst hat, auch noch ihn zu verlieren, ist sie sogar zu einem Handel mit Satan bereit, um wieder in ihren wunderschönen Frauenkörper schlüpfen zu können.

Als wäre das nicht schon schlimm genug, stellt sich heraus, dass Zeke ein Ex-Drachenjäger ist und an der großen Drachensäuberung beteiligt war, bei der auch Theresas Eltern umgebracht wurden. Zudem taucht auch noch der Drache Lyman auf, der seit Jahrhunderten praktisch von Theresa besessen ist und vor nichts zurückschreckt, um sie sein Eigen zu nennen.

_Kritik_

Mit „Schau mir in die Augen, Kleiner“ hat Stephanie Rowe den zweiten Roman um „Mona“, den Kelch der ewigen Jugend, und ihre Hüterinnen geschrieben.

Verfasst ist diese Komödie aus der Perspektive eines Beobachters, der sich hauptsächlich auf Theresa konzentriert, aber auch den übrigen Protagonisten genügend Raum gibt, damit der Leser sie „kennenlernen“ und ihr Handeln nachvollziehen kann. Mit reichlich Witz und einer charmanten Art zu erzählen baut die Autorin einen Spannungsbogen auf, der den Leser geradezu fesselt. Für reichlich Humor sorgt auch wieder Satan, der nach wie vor um seine große Liebe Iris kämpft und sich alles erlaubt, um seinen Ziel näherzukommen.

Der Plot um die Liebe zwischen Drachen und (Ex-)Drachenjäger – „Wer tötet hier eigentlich wen?“ – ist lustig, spannend, erotisch und dabei entspannend leicht geschrieben und ausgearbeitet.

Die Protagonisten, die der Leser zum Teil schon aus dem ersten Band „Es kann nur eine geben“ kennt, werden weiter ausgebaut, und manchen wird auch viel mehr Entfaltungsmöglichkeit gegeben. Die Heldin Theresa ist in Drachengestalt wie auch in Menschengestalt fesselnd, sympathisch und auch sehr erotisch konzipiert und wächst dem Leser schnell ans Herz. Die Beziehung zu Zeke wird in einem Wechsel aus knackiger Erotik und tiefem Misstrauen aufgebaut, was zum Lesespaß deutlich beiträgt.

Auch den Nebendarstellern wird genügend Bühne freigeräumt, sei es der verliebte Satan oder auch seine rechte Hand, die Rivka Becca, die man deutlich besser kennenlernt. Satan sorgt mit seinem verzweifelten Versuch, die ehemalige Hüterin Iris für sich zu gewinnen, wieder für viel Spaß.

_Fazit_

Stephanie Rowe ist mit „Schau mir in die Augen, Kleiner“ eine wunderbare Fortsetzung zu „Es kann nur eine geben“ gelungen. Der Roman liest sich locker-leicht und weiß dabei den Leser zu fesseln. Leserinnen der Romantic Fantasy ist dieser Roman wirklich zu empfehlen, da er sich von der Masse abhebt und so ganz und gar ohne Vampire auskommt – eine erfrischende Abwechslung.

Die Ideen der Autorin lassen auf eine Fortsetzung hoffen.

_Autorin_

Seit Stephanie Rowe 2002 ihren ersten Roman veröffentlichte, geht es mit ihrer Karriere steil bergauf. Einfühlsam und voller Witz schreibt sie in ihren erfolgreichen Büchern über all das, was die Frau von heute bewegt: Karriere, Freunde, Familie, schlechte Haare, zu enge Hosen, überzogene Konten und die Suche nach dem Mann fürs Leben. (Verlagsinfo)

|Taschenbuch: 376 Seiten
Originaltitel: Must Love Dragons
Aus dem Amerikanischen von Catrin Lucht
ISBN-13: 978-3802582998|
[www.egmont-lyx.de]http://www.egmont-lyx.de

_Nadine Warnke_

_Stephanie Rowe bei |Buchwurm.info|:_
[„Es kann nur eine geben“ 6423

Eckenga, Fritz – Fremdenverkehr mit Einheimischen

Fritz Eckenga ist wieder in Reimlaune. Nach [„Prima ist der Klimawandel auch für den Gemüsehandel“ 4262 hat er nun mit „Fremdenverkehr mit Einheimischen“ einen weiteren Band mit lustigen Gedichten verfasst.

Genau wie in seinem Vorgänger gibt Eckenga in „Fremdenverkehr mit Einheimischen“ treffgenau Beobachtungen aus dem Alltag und dem großen Weltgeschehen in heiter-satirischen Versen wieder und kommentiert diese von einem unabhängigen Standpunkt, wobei er souverän genug zur Selbstironie bleibt. Auch wenn die komplizierteren Gedichtformen dieses Mal eher selten vor kommen, hat der Autor wieder akkurat an seinen Zeilen gedrechselt, so dass ihm kaum ein Holpern im Metrum, kaum ein unreiner Reim unter kommt, wie er im Gedicht ‚Nein, ich will nicht Grünbein sein‘ augenzwinkernd vermerkt. Und die gekonnten Formulierungen sitzen ohnehin passgenau.

Bei den persönlichen Themen verarbeitet Eckenga Erlebnisse – von nervigen Nachbarn bis zum Vordringen von Kommerzpraktiken in den Alltag – die die meisten Leser als eigene Wahrnehmungen bestätigen können. Bemerkenswert ist, dass sich hier neben satirischem Humor auch stellenweise eine unerwartete heitere Melancholie findet.

Natürlich ist für den Dortmunder Humoristen auch der Ruhrpott wieder ein Thema, nicht zuletzt als europäische Kulturhauptstadt 2010. Und so manche aktuelle Erscheinung wie der Sprachverfall im Kurznachrichten- und Kurzdenkdienst oder die Bankenkrise wird im Kreuzreim aufgespießt. Seine Gelassenheit bewahrt sich Fritz Eckenga auch dann, wenn er populistische Parteipolitiker ins Visier nimmt, indem er kurzerhand deren Sprüche und Taten in seine Verse einarbeitet, etwa bei jenem bekannten rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten, der sich gerne publikumswirksam beim heimischen Bundesligaverein sehen ließ, mit dem er im Abstiegskampf dann nicht mehr in Verbindung gebracht werden wollte. Und damit sind wir auch schon beim Schlusskapitel angekommen, das natürlich wieder dem Fußball gewidmet ist sowie anderen Sportarten, die es gerüchteweise auch noch geben soll.

|Gebundene Ausgabe: 128 Seiten
ISBN-13: 978-3888976551|

http://www.eckenga.de
http://www.kunstmann.de

Ellis, Waren – Gott schütze Amerika

Wenn Schriftstellerkollegen sich mit dem Lob auf dem Buchrücken fast überschlagen, sollte doch eigentlich etwas Ordentliches heraus kommen. Brad Meltzer und Kinky Friedman äußern sich auf dem Backcover von Warren Ellis‘ „Gott schütze Amerika“ unflätig begeistert, doch hält der Debütroman des bekannten Graphic Novel-Autoren das, was er verspricht?

Michael McGill ist ein klassischer Privatdetektiv. Er hat keine Aufträge, wohnt in seinem Büro, das er mit einer fetten Ratte teilt, und lässt sich gehen. Eines Tages bekommt er überraschenden Besuch: Der Stabschef des Weißen Hauses, der sich als perverser Psychopath zu erkennen gibt, bittet ihn, den unscheinbaren Privatdetektiv Michael McGill, die geheime Verfassung Amerikas aufzuspüren. Das alte Buch soll einst von Nixon gegen die Liebesdienste einer Asiatin eingetauscht worden sein und besitzt so etwas wie magische Regierungskräfte.

Ausgestattet mit einer halben Million Dollar für Spesen und einem Palm, um gegebenenfalls mit seinem Auftraggeber Kontakt aufzunehmen, macht Michael sich auf in ein Amerika, das man so nicht kennt. Es ist pervers, es ist skurril, es ist gefährlich. An seiner Seite ist die abenteuerlustige Trix, die in einer polygamen Beziehung lebt und ihre Doktorarbeit über „Extreme Formen menschlicher Selbsterfahrung“ schreibt. Da liefert ihr die Reise auf der Spur der geheimen Verfassung jede Menge Stoff. Angefangen bei einer Vereinigung namens NULL (National Union of Lizard Lovers), die sich Pornos mit Godzilla anschaut, bis hin zu Hodeninfusionen und einem verrückten Ölmillionär, der nachts nackt Kühe stranguliert, ist alles dabei …

„Gott schütze Amerika“ ist eine schnell zu lesende liebevolle Satire auf Amerika und seine Bewohner, vor allem die der merkwürdigen Sorte. Der Autor gibt im Nachwort an, dass das meiste im Buch auf Tatsachen beruht, die häufig im großen Haifischbecken Internet zu finden sind. Das glaubt man ihm gerne, denn die Szenen wirken teilweise so bizarr, dass sie fast schon wieder wahr sein könnten. Allerdings vergisst Ellis darüber, dass ein Buch nicht nur mit einer Aneinanderreihung lustiger Ereignisse funktioniert. Die Handlung selbst – die Suche nach der Verfassung – ist alles andere als raffiniert, sondern so einfach gestrickt, dass sie bei genauerem Hinsehen eintönig wirkt. Am Anfang mögen die abstrusen Erlebnisse von Michael ja ganz amüsant sein, aber mit der Zeit ermüden sie und werden dadurch unauthentisch – und das nach einem überaus starken Einstieg, der auch einem spannenden, knallharten Thriller gestanden hätte.

Michael McGill hat das Zeug zu einer wirklich guten Hauptfigur. Er hat ein wenig vom klassischen Antihelden, ist aber kein totaler Loser. Und sein Humor ist göttlich. Manchmal schimmert sogar sein Talent als richtiger Privatdetektiv durch. Alles in Allem wirkt er in einem Buch, das nur so überquillt vor Ungewöhnlichkeiten, angenehm gelassen und real. Das gilt auch für Trix, die trotz allem einige verrückte Charakterzüge hat. Anders hingegen der Stabschef, der einfach nur durchgeknallt wirkt – beziehungsweise lässt der Autor offen, ob das, was er behauptet zu tun, auch wirklich wahr ist.

Doch bei allen Schwächen in der Handlung – Schreiben kann Warren Ellis. Er ist witzig, abwechslungsreich, dreckig, teilweise richtig ordinär und doch wirkt er dabei cool und erwachsen. Er bringt den Leser tatsächlich an der einen oder anderen Stelle zum Lachen und erreicht damit das, was die Herren Meltzer und Friedman auf dem Backcover versprechen.

Doch ein guter Schreibstil ist ja nicht die einzige Zutat zu einem guten Buch. Ist man bei „Gott schütze Amerika“ erstmal bis zur Hälfte gekommen, lässt die Begeisterung etwas nach. Die Handlung ist trotz ihrer Originalität etwas zu eintönig, um den anspruchsvollen Leser wirklich vom Hocker zu reißen.

|303 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-453-40655-1|
http://www.warrenellis.com
http://www.heyne.de

_Warren Ellis bei |buchwurm.info|:_
[Ocean (Wildstorm Essential 1)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3401
[Desolation Jones 1 – Made in England]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3580
[Global Frequency 1: Planet in Flammen]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3982
[Global Frequency 2: … oder wie ich lernte, Gewalt zu lieben]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4688
[Thunderbolts 1: Vertrauen in Monster]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4383
[Der ultimative Iron Man – Band 2]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5258

Pelewin, Victor – fünfte Imperium, Das. Ein Vampirroman

_Das geschieht:_

Der 19-jährige Roma gehört zu denen, die vom wirtschaftlichen Aufstieg im neuen Russland definitiv nicht profitieren. Mit seiner Mutter haust er in einer winzigen Wohnung und schlägt sich als Billiglohnsklave einer Supermarktkette durch, als ihm das Glück eines Tages auf denkbar ungewöhnliche Weise hold ist: Roma wird entführt und in einen Vampir verwandelt! Als solcher gehört er nunmehr zu den Herren dieser Erde. Die Menschen, so erfährt er, sind nur genetische Produkte der Vampire, die sich eine möglichst schmackhafte und leicht lenkbare Nahrungsquelle züchten wollten.

Aller Anfang ist auch als Vampir schwer. Roma bekommt einen neuen Namen – Rama – und wird einer aufwändigen Ausbildung durch erfahrene Lehrmeister unterzogen. Er muss lernen, wie ein Vampir zu denken, was nur langsam, mühsam und begleitet von zahlreichen Missverständnissen gelingt, denn die Vampirologie stellt sein bekanntes Weltbild vollständig auf den Kopf: Nichts ist, wie es Rama zu sein schien, weil die Vampire Sorge dafür trugen, dass die Wahrheit nur ihnen vorbehalten bleibt. Die Menschen leben in einer sorgfältig konstruierten Scheinwelt, damit sie ahnungslos und leicht lenkbar bleiben.

Allmählich lebt sich Rama in seine neue Existenz ein. Mit der schönen Vampir-Novizin Hera an seiner Seite dringt er in die faszinierende Welt der Vampire vor, die zu seiner Verblüffung weder untot noch Blutsauger sind. Über interne Zwistigkeiten sind sie allerdings keineswegs erhaben. Dass seine neuen Wohltäter recht finstere Pläne mit ihm schmieden, wird Rama zu spät klar. Mit der für ihn typischen Torheit stolpert er mitten in die Falle …

_Vampire unter & über uns_

In der ‚richtigen‘ Literatur gehört der Bildungsroman zu den altehrwürdigen Erzählformen: Der junge Mensch lernt das Leben in seinen positiven und negativen Fassetten kennen; ein Prozess, der beim Leser die Erinnerung an eigene Erfahrungen in Gang setzt, ihm aber außerdem eine Chance bietet, die scheinbar bekannte Welt durch den Filter eines unverbrauchten und ungeprägten Geistes neu wahrzunehmen.

Dieser Aspekt steht für Viktor Pelewin im Vordergrund. In „Das fünfte Imperium“ bedient er sich zwar vieler Elemente der phantastischen Literatur, legt jedoch nur bedingt einen Roman vor, der sich ins phantastische Genre fügt. Pelewin ist ein Schriftsteller, den man – falls man große Worte nicht scheut – als eine „Stimme des modernen Russlands“ bezeichnen kann. Seine schriftstellerische Karriere begann mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, und als Verfasser beschäftigt er sich mit den vielfältigen Folgen einer Kapitalisierung oder Globalisierung im Zeitraffer, die in ihrer Schonungslosigkeit bizarre Blüten treibt.

Dies beschreibt Pelewin manchmal durchaus direkt, lieber aber in allegorischer oder metaphorischer Form. Dies war unter dem sowjetkommunistischen Diktat üblich und lebensnotwendig, wird aber auch heute noch geübt; zwar ist Wladimir Putin kein Stalin, aber als Menschenfreund mit offenem Ohr für kritische Stimmen darf man ihn auch nicht betrachten. Deshalb kann es durchaus ratsam sein, Missstände von Vampiren in Worte fassen zu lassen. Die Literaturkritik – vor allem die des Westens – liebt solch kunstvolle Codierung, und wer mit den lokalen Verhältnissen vertraut ist, weiß ohnehin, was der Autor sagen möchte – ein Reiz, auf den der deutsche Leser nur beschränkt reagieren kann, weshalb Pelewin allzu ‚russische‘ Interna eigens für diese Übersetzung entschlüsselt bzw. allgemeinverständlich umformuliert hat.

_Fantasie und Kritik in homogener Mischung_

Dem an literarisch verbrämter Gegenwartsbespiegelung weniger interessierten Leser bleiben die skurrilen Einfälle, mit denen Pelewin den klassischen Vampirroman bereichert. Der Pedant mag einwenden, dass diese nicht unbedingt neu oder besonders originell wirken, sondern bei anderen Autoren bereits anklingen. Allerdings ist fraglich, ob diese in Stil und Ausdruck mit Pelewin mithalten können. Die bereits mehrfach erwähnte Literaturkritik schwankt zwar im Urteil, aber fest steht, dass dieser Mann zu schreiben versteht! Bei Pelewin lohnt es nicht nur, zwischen den Zeilen zu lesen. Dennoch wird man so manche intelligente oder einfach witzige Anspielung übersehen, denn Pelewin feuert sie im Salventakt ab. So statisch und irritierend „Das fünfte Imperium“ als Roman ohne echte Handlung manchmal wirkt: Die reine Lektüre dieser 400 Seiten ist ein Genuss, muss doch die Phantastik allzu oft als Refugium für Schwätzer und Stammler herhalten!

Aus der Absurdität seiner Geistesblitze macht Pelewin ohnehin keinen Hehl. Die Welt, wie er sie schildert, KANN von uns menschlichen Lesern eigentlich gar nicht verstanden werden, da wir einen von Vampiren gestalteten und sorgfältig überwachten Alltag leben. Mit dem jungen Rama einen Vampir-Eleven einzuführen, ist ein kluger Schachzug, denn als ehemaliger Mensch kämpft dieser mit ähnlichen Schwierigkeiten. Trotzdem lässt sich die vampirische Logik nur ansatzweise begreifen (womit sich der manchmal etwas zu schwurbelige Verfasser wunderbar aus der Verantwortung stehlen kann).

_Die Welt schräg durch andere Augen betrachtet_

Vieles von dem, was Pelewin darbietet, ist purer Spaß und genussvolle Destabilisierung klassischer Horror-Elemente. Seine Vampire schlafen tagsüber nicht in Särgen. Sie zerfallen nicht im Sonnenlicht. Ihr Spiegelbild ist deutlich sichtbar. Gipfel des Mythensturms ist der Verzicht auf das Saugen von Menschenblut. Nicht einmal das Wort findet Verwendung, es gilt unter Vampiren als verpönt. Stattdessen schätzen Pelewins Vampire die gutbürgerliche Küche.

Blut ist für sie nur mehr Informationsträger. Diese Idee wird farbenfroh und überzeugend umgesetzt: Vampir-Bibliotheken bestehen nicht aus Büchern oder Dateien, sondern aus Blutproben. Wenn Rama beispielsweise einen Tropfen Musikerblut verkostet, wird er selbst zum verständigen Musikus – zumindest theoretisch bzw. bis die Wirkung nachlässt.

Denn auch oder gerade in der Welt der Vampire ist nichts so, wie es zunächst zu sein scheint. Dynamik gewinnt „Das fünfte Imperium“ aus Ramas ständigen Missverständnissen, Irrtümern und peinlichen Patzern. Seine Torheit rettet ihm freilich das Leben, denn hinter der Geburt und der Erziehung des Vampirs Rama wird nach und nach eine Verschwörung sichtbar. Auch die womöglich außerirdische Herkunft und das unglaubliche Alter hat die Vampire nicht wirklich reifen lassen. Betrug und Intrige werden auf ein exotisches Niveau gehoben, doch an den niederträchtigen Realität ändert dies nichts.

Mit der Aufdeckung dieses Komplotts versucht Pelewin auf den letzten Seiten, seinem geistreich, aber zerfahren mäandrierenden Roman so etwas wie ein logisches Finale zu verschaffen. Es gelingt, wirkt aber etwas pflichtschuldig. Der Weg ist das Ziel dieses Romans. Wer sich darauf einzulassen vermag, wird mit einem phantastischen Vergnügen der etwas anderen Art belohnt.

_Der Autor_

Viktor Olegowitsch Pelewin ist ein Schriftsteller, der äußerst medienwirksam das Licht der Öffentlichkeit scheut. Lesungen, Interviews und Fernsehauftritte verweigert er, sondern teilt sich ausschließlich über das Internet mit. Er begründet das mit der Ablehnung persönlicher Prominenz, wehrt sich aber auch nicht gegen den Ruf der unbestechlichen Unabhängigkeit, dem ihm dieses Verhalten beschert.

Bekannt ist immerhin, dass Pelewin am 22. November 1962 in Moskau geboren wurde und Elektrotechnik studierte, bevor er an das Moskauer Literaturinstitut wechselte. Seit 1990 veröffentlichte er mehrere Romane und zahlreiche Erzählungen, die in mehr als zehn Sprachen übersetzt wurden.

Als Schriftsteller beschäftigt sich Pelewin mit den politischen und vor allem gesellschaftlichen Umbrüchen, die das moderne Russland nach 1991 erfuhr. Dabei ignoriert er Genregrenzen und arbeitet gern mit – oft ironisch verfremdeten – Elementen der Phantastik.

_Impressum_

Originaltitel: Empire V (Moskau : Eksmo 2006)
Übersetzung: Andreas Tretner
Dt. Erstausgabe: Januar 2009 (Luchterhand Literaturverlag/Sammlung Luchterhand 62138)
400 Seiten
EUR 10,00
ISBN-13: 978-3-630-62138-8
http://www.luchterhand-literaturverlag.de

Robert Louis Stevenson / Lloyd Osbourne – Die falsche Kiste

Das geschieht:

Vor vielen Jahren zahlte der Kaufmann Jacob Finsbury aus London im Namen seiner beiden Söhne Joseph und Masterman je 1000 Pfund in eine Tontine ein: 36 Väter handelten ebenso, das Geld wurde zinsbringend angelegt, und dem letzten noch lebenden Sohn – und nur diesem! – wird es ausbezahlt!

Inzwischen ist es beinahe so weit. Die letzten beiden Kandidaten sind ausgerechnet Joseph und Masterman, die einander keineswegs in brüderlicher Liebe zugetan sind. Der leichtlebige Joseph steckt zudem in finanziellen Schwierigkeiten. Er hat das Erbteil seiner Neffen John und Morris durchgebracht. Vor allem Morris macht ihm deshalb das Leben zur Hölle. Die inzwischen auf stolze 116.000 Pfund angewachsene Tontine soll den Familienfrieden wieder herstellen. Mit Michael, Mastermans Sohn, einem gerissenen Winkeladvokaten, kann man sich einigen, denkt Morris. Als der ablehnt, wittert Morris Betrug: Lebt Masterman überhaupt noch oder will Michael nur diesen Anschein erwecken, um die Tontine an sich zu reißen?

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Welsh, Irvine – Drecksau

_Der Gossenpoet und sein blutiger Vorschlaghammer._

Irvine Welsh, der Alptraum eines jeden Feingeistes, ein Poet mit dreckiger Schnauze, ein Hooligan, ein Chronist der schottischen Arbeiterklasse und ihrer schmutzigsten Winkel. Geboren 1961 (oder 1958, da ist man sich nicht sicher) in der schmuddligen Schönheit von Edinburgh, hat er schon bald damit begonnen, seine Welt zu sezieren, mit spitzer Zunge und giftiger Feder – was ihn nach „Trainspotting“ in den Olymp der Vielgelesenen hievte. Es muss seine rabiate Offenheit sein, der Schock, der den Leser überfällt, wenn er Figuren vorgesetzt bekommt, die alle irgendwo zwischen ‚bemittleidenswert‘ und ‚verabscheuungswürdig‘ dahinvegetieren; Welsh zu lesen, ist so, wie Augenzeuge eines Autounfalls zu werden: Man kann auf keinen Fall hinschauen, aber noch weniger kann man wegsehen; wenn die Buchdeckel aufeinanderknallen, wickelt man sich ganz eng in seine Decke und ist froh, wieder in der eigenen, heilen Welt angekommen zu sein, wo es keine Typen wie Francis Begbie gibt und keine Bullen wie im vorliegenden „Drecksau“.

In diesem Roman nämlich nimmt Welsh die schottische Polizistenzunft aufs Korn, ach was, er richtet sie standrechtlich hin. Laut Klappentext wollte die britische Polizei Schritte gegen diesen Roman einleiten, was vielleicht einen kleinen Vorgeschmack dessen vermittelt, was einen erwartet, wenn man sich auf diesen Trip einlässt.

_Der Bock wird zum Gärtner …_

… und frisst sich satt am Salat, den er eigentlich beschützen sollte. Bruce Robertson ist langjähriger Beamter bei der schottischen Polizei, und wenn man versuchen würde, ihn angemessen zu beschreiben, müsste man sich genau der Gossensprache bedienen, die er selbst so exzessiv gebraucht. Mit milderem Wortschatz könnte man ihn als Zyniker beschreiben, verbittert bis ins Mark, korrupt, opportunistisch, intrigant, machtbesessen, frauenverachtend, mit sexuellen Vorlieben, die man versuchshalber als ‚unangenehm‘ bezeichnen könnte. „Robbo“ Robertson stiehlt sich durch seinen Polizistenalltag, klaut Wertgegenstände von Tatorten, saugt sich konfisziertes Koks selbst in die Nase, verschafft sich sexuelle Erregung, indem er Verdächtige erniedrigt, er droht Minderjährigen mit Verhaftung, es sei denn, sie lutschen ihm seinen verschorften Pimmel.

Mit Gesundheit und Hygiene von D. S. Robertson ist es nämlich ähnlich weit her, wie mit seiner moralischen Integrität: Ihn quält ein Ekzem, dass seinen gesamten, nun ja, unteren Bereich in eine verseuchte, juckende Zone verwandelt, und außerdem hat er sich einen Bandwurm eingefangen, wovon unser Vorbildbulle am Anfang des Romans allerdings noch nichts weiß.

Robertsons Frau Carole hat sich eine Auszeit von ihrem Göttergatten gegönnt, weshalb sich der Strohwitwer alleine durch den Alltag schlagen muss. Fastfood, Bier und Fußball sind an der Tagesordnung, frische Hosen finden sich im ganzen Haus nicht, und der Dreck ist so überwältigend geworden, dass Robertson sich gar nicht erst die Mühe macht, an irgendwelche Reinigungsaktivitäten zu denken. Dementsprechend muss sich Brucy-Boy mit alten Stinkehosen begnügen, in denen sein Ekzem wachsen und gedeihen kann.

Ist ihm egal, ebenso wie der Mordfall, den er aufzuklären hätte. Anstatt sich auf seine Ermittlungsarbeit zu konzentrieren, spinnt Robbo Robertson lieber an seinem Netz aus Intrigen und Lügen, um sich selbst den Weg zu einer Beförderung zu ebnen. Dabei konzentriert er sich ganz auf Wochenend- und Nachtarbeit, weil das die fettesten Zuschläge abwirft; außerdem kann er auf diese Weise ganz ungeniert bei Nutten und verzweifelten Hausfrauen vorbeischneien, um ihnen „ordentlich einen zu verlöten“, wie er sich ausdrückt.

Es ist aber nicht alles so einfach und rosig hinter seiner verkoksten Überheblichkeit; der Bandwurm in seinen Därmen wächst prächtig und drängt sich mit schlauen Kommentaren in sein Leben, Carole bleibt länger fort als erwartet, Robbos Intrigen reißen nicht nur seine Kollegen in den Abgrund, und dann scheint es da noch etwas zu geben in Brucies Vergangenheit, etwas, das er allzu gern verdrängen würde, was aus dem Unbewussten sein ganzes Leben steuert, etwas, das nur sein Bandwurm offen auszusprechen wagt … und was seinem Dasein schließlich eine entscheidende Wendung verpasst …

_Brutale Prosa vom anderen Ende der Political Correctnes._

Welsh ist ein Meister der destruktiven Stimmung. Er beherrscht es perfekt, sich auch in die abscheulichsten Figuren hineinzuversetzen, schreibt so glaubwürdig aus ihrer Perspektive, dass es dem Leser manchmal so vorkommt, als würden ihm die Charaktere ins Gesicht atmen. Die Hintergrundstory ist wichtig, zweifellos, man möchte wissen, was es mit dem Bandwurm auf sich hat und warum Carole so lange verschwunden bleibt, außerdem brennt es einem unter den Nägeln zu erfahren, wie weit Bruce Robertson es mit seinen Intrigen treiben wird. Aber das ist nicht der eigentliche Motor, der uns zum Lesen treibt. Die Figuren sind es, ihre Respektlosigkeit, ihr Zynismus und ihre Radikalität – die abartige Kreativität, die sie antreibt und zu Taten veranlasst, über die man nur geschockt staunen kann.

„Drecksau“ ist ein Ausnahmeroman eines Ausnahmeautors. Hier werden Zäune eingerissen und Gewohnheiten niedergetrampelt; Welsh treibt ganze Herden heiliger Kühe zusammen und streckt sie ohne Wimpernzucken nieder. Dieses Buch ist wie eine Achterbahnfahrt, bei der man sich garantiert vollkotzt, es ist ein extremer Trip, der schockiert und nachhält, der beängstigt und verstört. Vor allem aber ist es spürbar anders: keine Spur von gängigen Klischees, von ausgelutschten Dialogen, oder vorhersehbaren Spannungsbögen, keine Spur von Helden oder von gefälligen Konfliktlösungen.

Was wie ein Warnung klingt, ist auch eine. Für zartbesaitete Gemüter dürfte „Drecksau“ ebenso schwer verdaulich sein wie eine Pornovorführung in einer Klosterschule, aber für jeden, der sich eine ordentliche Ladung Zynismus gönnen möchte, ist „Drecksau“ genau die richtige Medizin: bitter, aber heilsam. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder man hasst Welshs Romanwelten und schickt sie mit ihm zum Teufel, oder man hasst seine Romanwelten und lässt sich von ihnen in ihren dunklen Bann ziehen. Ich gehöre zur letzten Kategorie, und kann „Drecksau“ jedem mutigen Hobby-Nihilisten nur wärmstens ans Herz legen. Aber auch wenn sich Welshs Romane einer Gut/schlecht-Kategorisierung entziehen, sei hier noch erwähnt, dass „Drecksau“ eines seiner schwächeren Werke ist. „Trainspotting“, „The Acid House“ oder auch „Porno“ haben deutlich die Nase vorne, vor allem, weil es dort mehrere Figuren gibt, aus deren Perspektive geschrieben wurde, während sich „Drecksau“ auf einen kranken Bullen mit Bandwurm beschränkt.

|Originaltitel: Filth
Deutsch von Clara Drechsler und Harald Hellmann
455 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-423-20493-4|
http://www.dtv.de
http://www.irvinewelsh.com

Paasilinna, Arto – liebe Gott macht blau, Der

|“Gott ist ein gutaussehender Mann. Er ist 178 Zentimeter groß, ein wenig stämmig, aber wohlproportioniert und von aufrechter Haltung. Seine Gesichtszüge sind ebenmäßig, mit gerader Nase und hoher Stirn, der Blick ist von sanfter Bestimmtheit, wenn auch recht müde.“|

Gott braucht Urlaub, die Menschheit macht ihm zu sehr zu schaffen. Die Schöpfung der Erde hat ihm anfangs viel Freude bereitet, doch inzwischen ist er seiner Aufgabe überdrüssig geworden. Gott braucht eine Auszeit, doch seine beiden rechten Hände – der Erzengel Gabriel und der heilige Petrus – wollen seine Vertretung nicht übernehmen. Es muss also ein Mensch gefunden werden, der für ein Jahr Gottes Aufgaben übernehmen kann. So machen sich alle Engel im Himmel – der sich im Übrigen in einer alten bulgarischen Schlossruine befindet – daran, die Gebete nach einem würdigen Vertreter zu durchforsten.

Nach viel Arbeit wird die Liste der möglichen Kandidaten immer kleiner – der Papst ist allerdings nicht einmal in die Endrunde gelangt, da er nur aus Gewohnheit betet, aber gar nicht an Gott glaubt. Der finnische Kranfahrer Pirjeri Ryynänen dagegen betet ausgerechnet in der entscheidenden Woche besonders inbrünstig – und zwar nicht um sein eigenes Wohl, sondern um das seiner Lebensgefährtin. Sein Gebet kommt von Herzen und so gelangt er schließlich in die Endrunde, wo er von Gott höchstpersönlich, wenn auch durch einen kleinen Zufall (oder gibt es den gar nicht?), ausgewählt wird.

Als der heilige Petrus schließlich in Pirjeris Krankabine vorbeischaut, glaubt der Finne ihm natürlich kein Wort. Er verlangt ein Wunder von Petrus, um sich zu vergewissern, dass er nicht von einem durchgeknallten Alten verschaukelt wird. Und so fordert Pirjeri, dass sein unglücklicher Freund Torsti Rahikainen zu Geld gelangt, damit dieser endlich seine Wünsche und Träume verwirklichen zu können. So beratschlagen Petrus und Gabriel gemeinsam, wie sie auf nicht allzu verwerfliche Weise an viel Geld gelangen, und luchsen es kurzerhand einem unsympathischen Bankdirektor ab.

Als Pirjeri sich davon überzeugt hat, dass sein Freund Torsti tatsächlich reich geworden ist, tritt er pflichtbewusst seinen neuen Job an und begibt sich nach Bulgarien in den Himmel. Dort lernt er Gott kennen, der ihm göttliche Fähigkeiten verleiht, mit denen Pirjeri beispielsweise das Wetter kontrollieren kann. Nachdem Pirjeri seine göttlichen Fähigkeiten unter Beweis gestellt hat, widmet Gott sich seiner verdienten Auszeit und lässt Pirjeri schalten und walten. Der hat auch sogleich nicht nur mit dem Wetter zu kämpfen, sondern mit Satan höchstpersönlich. Außerdem findet er die bulgarische Schlossruine als Himmel absolut unpassend, und so will er sich neben dem Weltfrieden auch um die Umsiedlung des Himmels kümmern …

_Urlaubsvertretung_

Wieder einmal hat Arto Paasilinna sich eine vollkommen abstruse Geschichte ausgedacht: Er zeichnet einen Gott, der nicht nur menschlich aussieht, sondern sich auch mit völlig menschlichen Problemen herumschlägt: Er braucht Urlaub, denn er ist müde von seinen eigenen Geschöpfen. Und nun muss ein menschlicher, aber doch würdiger Vertreter für Gott gefunden werden. Das kann natürlich niemand anderer sein als ein liebenswerter Finne.

Der Arbeitsalltag im Himmel raubt Pirjeri so manch eine Illusion, insbesondere die alte Schlossruine kann er nicht hinnehmen als Sitz des Himmels, und so beginnt er mit der Suche nach einer geeigneten Alternative, die am besten in seiner Heimat Finnland liegen sollte. Und genau hier findet er eine riesige verlassene Kirche, die ihm würdig genug erscheint. Nur Petrus und Gabriel reagieren nicht ganz so begeistert auf die vielen Veränderungen und bereuen es bereits, Pirjeri nicht rechtzeitig aussortiert zu haben. Zähneknirschend fügen sie sich in ihr Schicksal und helfen Pirjeri bei seinem Vorhaben. Und so nimmt der Umzug schließlich einen Großteil des göttlichen Arbeitsalltags ein. Ganz nebenbei wendet Pirjeri schlimme Naturkatastrophen ab, er kämpft gegen Satan, besucht zwischendurch seine Lebensgefährtin und sorgt sich um die Krisenregionen auf der Welt.

Ein zweiter Erzählstrang widmet sich Torsti Rahikainen, der zunächst eine Weltreise unternimmt, sich aber zwischendurch immer wieder in Schwierigkeiten bringt. So begleitet ihn stets sein Schutzengel Konko-Hito, der schließlich so oft eingreifen muss, dass Gott ihn gezwungenermaßen zu einem Schutzheiligen befördert.

Inhaltlich gibt die Geschichte leider nicht viel her; der Umzug des Himmels trägt nicht für das ganze Buch und auch die Nebenhandlung mit Torsti störte mich zunehmend, weil Torsti sich einfach zu tollpatschig und unbeholfen benimmt. So gut mir Arto Paasilinnas Idee mit einem Urlaub machenden Gott gefallen hat, so unzufrieden war ich dieses Mal mit der Umsetzung der Story. Mir schien es, als hätte Paasilinna sich zu sehr auf seinem Grundgedanken ausgeruht, doch damit alleine ist es eben nicht getan. Pirjeris „Regierungszeit“ empfand ich als lange literarische Durststrecke, da abgesehen von einigen Wettergeschehnissen, einem nervenden Satan, dem Umzug des Himmels und dem nervigen Torsti wenig passiert. Und immer wieder kommt Paasilinna auf diese Dinge zurück, sodass sich die gesamte Geschichte im Kreis dreht, ohne aber recht voranzukommen.

Nur selten blitzt Arto Paasilinnas einzigartiger Humor auf, nur selten zeigt er seinen gewohnten Ideenreichtum, und auch auf seinen Wortwitz kann er sich dieses Mal nur selten verlassen. Manch einer mag sich zudem daran stören, dass Paasilinna es wagt, einen „menschelnden Gott“ zu zeichnen, der seiner Aufgabe überdrüssig ist und die Herrschaft über die Welt lieber einem Kranfahrer überlässt.

Insgesamt war ich ein wenig enttäuscht von dem vorliegenden Buch, da ich weiß, dass Arto Paasilinna es deutlich besser kann. Verglichen mit seinen anderen Werken fällt „Der liebe Gott macht blau“ etwas ab, auch wenn ich die Grundidee zu diesem Buch wirklich großartig fand.

|Originaltitel: Auta armias
Aus dem Finnischen von Regine Prische
283 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-7857-1621-2|
http://www.edition-luebbe.de

_Arto Paasilinna auf |Buchwurm.info|:_

[„Vorstandssitzung im Paradies“ 637
[„Im Jenseits ist die Hölle los“ 640
[„Nördlich des Weltuntergangs“ 1573
[„Der wunderbare Massenselbstmord“ 3554 (Hörbuch)
[„Adams Pech, die Welt zu retten“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=4586
[„Adams Pech, die Welt zu retten“ 4659 (Hörbuch)

David Safier – Jesus liebt mich

„Wenn es einen Gott gibt, warum gibt es dann so Dinge wie Nazis, Kriege oder Modern Talking?“

Jesus lebt! Dank David Safier weiß ich es nun genau, und Jesus wandelt direkt unter uns – als Zimmermann! Dass das zu einigen Komplikationen führen kann, ist klar, zumal Jesus nach jahrhundertelanger Abstinenz Sehnsucht nach einer Frau hat und sich in Marie verliebt – die zwar fast genau den gleichen Namen wie Maria Magdalena hat, aber dennoch herrlich kompliziert ist…

Nein, ich will nicht

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Schweizer, Frank – Grendl

_Inhalt:_

Das Universum endet im Nichts und die Menschheit steht vor den Toren zum Himmel, zur Hölle oder wo auch immer die Seelen nach dem Tod hingehen. Max Merkur, der gerade sein Philosophiestudium erfolgreich abgeschlossen hat, kommt das Ereignis des jüngsten Gerichts denkbar ungelegen. Noch in der Wartehalle für Katholiken trifft Max Merkur auf den Teufel Lutherion, einen Agenten des TSD (Teuflischer Sicherheitsdienst).

Der höllische Geheimdienst ist wenig begeistert vom Ende der Welt und setzt alles daran, das Ereignis rückgängig zu machen. Die sogenannte Weltformel soll das Universum wiederherstellen. Doch noch fehlt eine wichtige Komponente: Der Sinn des Lebens. Max Merkur soll helfen, eben diesen Sinn zu finden, und reist mit Lutherion durch Zeit und Raum, um mit den bemerkenswertesten und berühmtesten Philosophen der Menschheit zu sprechen. Ein wahnwitziges Abenteuer nimmt seinen Lauf …

_Meine Meinung:_

Satiren und humorvolle Phantastik-Geschichten sind spätestens seit den Romanen von Douglas Adams und Terry Pratchett keine Neuheit mehr und zogen bereits zahllose Plagiate nach sich. Auch die Hölle war bereits mehrfach Zielobjekt witziger Erzählungen, wie die Bücher von Robert Asprin und Andrew Harman beweisen. Das hielt Frank Schweizer jedoch nicht davon ab, selbst ein Werk voller Spannung, Witz und Ironie zu schreiben, das sich hinter den Werken dieser berühmten Kollegen nicht zu verstecken braucht.

Dabei hält sich Schweizer nicht mit einem langen und unnötigen Vorgeplänkel auf, sondern wirft Leser und Protagonisten direkt in das Geschehen, das nicht nur hervorragend recherchiert, sondern auch flüssig und humorvoll erzählt wurde. Der verblüffte Max Merkur und sein teuflischer, gerissener Begleiter Lutherion sind das ideale Gespann, um das Ende der Welt rückgängig zu machen und durch flotte Dialoge den Leser zum Lachen zu reizen. Doch Frank Schweizer gelingt es auch mit einer guten Portion Situationskomik zu unterhalten und lässt ganz nebenbei auch interessante Informationen und Ansichten zur Philosophie einfließen. Auf dem Gebiet kennt sich der promovierte Philosoph bestens aus, langweilt die Leser aber nicht mit Unmengen an Fakten und Daten, denn in erster Linie soll dieser Roman ja unterhalten, und das gelingt ihm auf unnachahmliche Art und Weise. Die Tradition des |Otherworld|-Verlags, am Ende der Bücher ein ausführliches Personenregister zu führen, kommt diesem Roman sehr zugute und ermöglicht es dem Leser, auf voller Länge den Überblick zu behalten.

Die Gestaltung des Bandes ist einfach grandios. Der sorgfältig gebundene Band mit Goldprägung steckt in einem Schutzumschlag, den ein kunstvolles Gemälde des Künstlers Jan Balaz ziert.

_Fazit:_

„Grendl“ ist ein urkomisches Weltuntergangsszenario, das die Teufel nicht gar so schlecht dastehen lässt. Viele Autoren versuchen, witzige Bücher zu schreiben – Frank Schweizer ist es auf Anhieb gelungen.

_Der Autor:_

Frank Schweizer (geb. 1969) studierte Philosophie und Germanistik in Stuttgart. Nach seiner Promotion über den österreichischen Autor Adalbert Stifter arbeitete er in einer Comicredaktion. Seit 2003 ist er in Stuttgart freier Autor. Daneben unterrichtet er an verschiedenen Lehranstalten Deutsch als Fremdsprache, Literatur und Philosophie und war auch schon als Lektor tätig. Er hat verschiedene Bücher über Philosophie verfasst („Wie Philosophen sterben“ (2003), „Nur einer hat mich verstanden – Philosophenanekdoten“ (2006), „Das Leben von Descartes“ (Hrsg. und Übersetzung)) und veröffentlichte wissenschaftliche Aufsätze und Gedichte in verschiedenen Zeitschriften.

|192 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen
Illustrationen von Jan Balaz
ISBN-13: 978-3-9502185-5-8|
http://www.otherworldverlag.com

_Florian Hilleberg_

Davidson, Mary Janice – Weiblich, ledig, untot (Betsy Taylor 1)

Betsys Tag beginnt bereits mit einer Katastrophe: Sie verliert nicht nur ihren Job, sie wird auch noch von einem Auto überfahren und stirbt. Aber sie ist nicht wirklich tot – sondern untot! Kurz vor ihrer Beerdigung wacht sie in einem Sarg auf und merkt, dass sie zwar nicht mehr am Leben ist, aber auch nicht wirklich tot. Von nun an versucht sie mit allen Mitteln, richtig zu sterben. Dabei muss sie nicht nur erkennen, dass sie nicht in der Lage ist, sich umzubringen, sondern dass sie über viele neue Kräfte verfügt, die sogar für Vampire ungewöhnlich sind: Kirchen, Kruzifixe und Weihwasser können ihr nichts anhaben. So beschließt sie, an dem Punkt weiterzumachen, wo für sie mit dem Autounfall alles aufgehört hat. Doch dies bleibt ihr nicht sehr lange vergönnt …

Als sie auf den geheimnisvollen, attraktiven Vampir Sinclair sowie auf den bösartigen und lächerlichen Vampirkönig Nostro trifft, der Betsy unbedingt auf seine Seite ziehen will, wird sie vor eine Entscheidung gestellt: Entweder sie schließt sich Nostro an, was schon mal gar nicht in Frage kommt, oder sie entscheidet sich für Sinclair, den sie allerdings auch nicht leiden kann. Und als sie auch noch erfährt, dass sie die Vampirkönigin aus einer alten Prophezeiung sein soll, gerät Betsys Un-Leben völlig aus der Bahn.

Mittlerweile gibt es in der Literatur schon beinahe zu jedem Genre Parodien oder Bücher, in denen sämtliche Klischees durch den Kakao gezogen werden. Mit „Weiblich, ledig, untot“ von Mary Janice Davidson liegt eines dieser Werke vor, welche die typischen Vampir-Romantik-Bücher in eine Komödie umwandelt. Der Verlauf der Geschichte ist beinahe derselbe wie bei vielen andern Romanen dieser Art, nur soll die Geschichte durch Betsys Sicht auf verdrehte Weise humorvoll und unterhaltsam präsentiert werden.

Alles schön und gut, nur ist leider der Haken an der Sache, dass auch der Humor in „Weiblich, ledig, untot“ eine Angelegenheit des Geschmacks ist und deshalb auch nicht jedem zusagt. Einige werden mit „Weiblich, ledig, untot“ ein Buch in Händen halten, welches ihnen völlig zusagt und auch ihren Humor anspricht, nur leider zähle ich mich nicht dazu. Ich fand den Humor in „Weiblich, ledig, untot“ sehr flach und aufgesetzt, sodass ich nicht wirklich darüber lachen konnte, geschweige denn, dass die Lektüre mich besonders gut unterhalten hätte. Diese Art von Humor ist absolut nichts Neues und in meinen Augen nicht mehr amüsant, sondern einfach nur überzogen, und kann für keine Lacher mehr sorgen. Die Witze sind oberflächlich, langweilig und großteils einfach schon zu verbraucht. Mich hat das Buch nicht ein einziges Mal zum Lachen oder auch nur zum Grinsen gebracht. Im Gegenteil, Betsys Kommentare sind teilweise einfach nur blöd, gewollt cool und einfach nicht lustig, sodass sie mir zeitweise sogar eher auf die Nerven gingen als mich zu unterhalten.

Und da geht es auch schon mit den Charakteren weiter: Betsy, die Protagonistin, wirkt wegen ihrer blöden Kommentare nicht nur unsympathisch und oberflächlich, sondern auch teilweise sehr unrealistisch. In vielen Situationen wirkt sie viel zu gelassen, sodass man die ganze Geschichte nicht mehr wirklich ernst nehmen kann. Betsys Gefühlsregungen bewegen sich nahe am Nullpunkt, was sie nur noch oberflächlicher und unechter wirken lässt. Und auch die restlichen Charaktere lassen mit ihrer Erscheinung stark zu wünschen übrig. Sämtliche Nebencharaktere werden so überzogen und dümmlich dargestellt, dass man sie nicht wirklich sympathisch finden, geschweige denn ernst nehmen finden kann. So ist Betsys bester Freund viel zu schwächlich und ängstlich dargestellt, ihre Stiefmutter viel zu egoistisch und so weiter und so fort. Mit Abstand am schlimmsten finde ich dabei noch den Bösewicht Nostro, der dermaßen lächerlich dargestellt wird, dass man ihn in der Rolle des Bösen schon gar nicht mehr ansatzweise als ernsten Gegner betrachten kann. Er wird uns ausgesprochen lächerlich präsentiert, was dazu führt, dass schon von Anfang an klar ist, dass Betsy ihn mit Leichtigkeit besiegen wird. Zwar wird ab und an noch einmal ernsthaft versucht, Nostro etwas Bedrohliches und wirklich Böses anzudichten, das kann aber auch nicht mehr allzu viel retten. Der einzige Lichtblick bei den Charakteren ist wohl Sinclair, der zwar auch keine besonders außergewöhnliche Persönlichkeit besitzt, aber dennoch von allen Charakteren noch am besten gelungen ist.

Die Tatsache, dass in „Weiblich, ledig, untot“ nicht einmal ein ernst zu nehmender Gegner vorhanden ist, welcher der Geschichte ein wenig Würze verliehen hätte, wirkt sich letztendlich auch negativ auf die Geschichte und deren Spannungsbogen aus. Sie ist nicht besonders innovativ oder einfallsreich, sondern offenbar wirklich nur dazu da, Betsy irgendetwas erleben zu lassen. Die Geschichte offenbart nichts Neues, keine wirklich guten Ideen und scheint aus sämtlichen anderen Büchern zusammengebastelt zu sein. Mich konnte sie jedenfalls nicht ansatzweise überzeugen und war die meiste Zeit einfach nur langweilig. Die Spannung ist wegen des nicht ernst zu nehmenden Bösewichtes so gut wie dahin, und auch die kleine Romanze, welche sich zwischen Betsy und Sinclair anbahnt, bleibt eher im Hintergrund und kann auch nicht mehr viel retten.

Der Roman ist in der Ich-Perspektive geschrieben. Wären die vorgeblich amüsanten Gedanken der Protagonistin nicht so nervend und zeigte diese auch nur ansatzweise irgendwelche realistischen Gefühle, welche man durch die Ich-Perspektive besser betonen könnte, hätte diese Erzählweise wohl noch einen Sinn ergeben, doch die gewählte Form trägt auch nicht gerade dazu bei, dass das Buch spannender und unterhaltsamer wird. Der Schreibstil beschränkt sich beinahe komplett auf Betsys mehr oder weniger coole und pseudolustige Kommentare, was für diejenigen, die mit dieser Art von Humor etwas anfangen können, sicherlich unterhaltsam ist, mir aber schlicht nicht zugesagt hat.

_Fazit:_

Obwohl zahlreiche Rezensionen und Lesermeinungen suggerieren, dass dieses Buch gut sein soll, hat mir „Weiblich, ledig, untot“ nicht gefallen. Ich fand die Charaktere oberflächlich, unrealistisch und nervend, den Humor und die Witze nicht wirklich lustig und die Geschichte selbst absolut lasch.

_Die Autorin:_

Mary Janice Davidson lebt in Minnesota. Mit „Weiblich, ledig, untot“ gelang ihr der Sprung auf die amerikanischen Bestsellerlisten. Seitdem gewann sie mit ihren „Betsy Taylor“-Romanen, einer Werwolfsaga und einigen anderen Liebesromanen eine große Fangemeinde.

Die Betsy-Taylor-Reihe:

Band 1: Weiblich, ledig, untot
Band 2: Süß wie Blut und teuflisch gut
Band 3: Happy Hour in der Unterwelt
Band 4: Untot lebt sich’s auch ganz gut!
Band 5: Nur über meine Leiche
Band 6: Biss der Tod euch scheidet

|Originaltitel: Undead and Unwed
Originalverlag: Berkley Publishing Group
320 Seiten Klappbroschur
ISBN13: 978-3-8025-8123-6|
http://www.egmont-lyx.com

Koch, Boris / Aster, Christian von / Hoffmann, Markolf – StirnhirnhinterZimmer

_Inhalt:_

Wenn das StirnhirnhinterZimmer seine Pforten öffnet …

… übernehmen Pinguine über Nacht die Weltherrschaft,
tanzen untote Schlagerstars in den Straßen von Berlin,
verdoppeln sich Reliquien auf wundersame Weise,
schrumpfen Nashörner auf Westentaschengröße,
wird ein Pfefferkuchenmann zum Giftmörder,
geht ein Troll auf Frühstückssuche.

Das StirnhirnhinterZimmer – eine Lesereihe von Markolf Hoffmann, Christian von Aster und Boris Koch.

Drei Stirnhirnforscher erkunden die Räume der Phantastik, und Günni wirft hinter ihnen die Tür zu.

_Meine Meinung:_

Einmal die Woche treffen sich drei wortgewaltige Akteure in Berlin zu einer Lesung im „StirnhirnhinterZimmer“. Die Rede ist von den Multitalenten Boris Koch und Christian von Aster nebst ihrem Mitstreiter und Erfolgsautor Markolf Hoffmann, die eigens für diese monatlichen Leseevents Kurzgeschichten verfassen. Eine erste Auswahl findet sich in dem vorliegenden Band – und ich schicke vorweg: „StirnhirnhinterZimmer“ weiß von der ersten bis zur letzten Seite zu überzeugen!

Die Eröffnung bestreitet Christian von Aster mit „Das SirnhirnhinterZimmer“, worin er mit dem ihm eigenen satirischen Humor den Begriff StirnhirnhinterZimmer anhand der Geschichte dreier Männer erläutert. Besonders amüsant ist dabei der Teil über einen toten chinesischen Dichter, der nasal pro Tag mindestens ein bedeutendes Gedicht produziert, sozusagen posthume Poesie in seinem „StirnhirnhinterZimmer“ erzeugt. Hung Do, der „Dichter, der sich nicht darum schert, dass er eigentlich tot ist“ – das ist sprachlich von Aster in Höchstform, und auch seine geniale Ideenschmiede scheint wieder einmal Funken zu sprühen, so dass man schon nach den ersten Seiten an der Nadel dieses Buches hängt, dessen Texte Suchtcharakter erzeugen.

Denn eines sei vorweg verraten: Es bleibt für den Leser zu hoffen, dass er sich mindestens einmal im Jahr an einem solchen Titel erfreuen kann, denn dies sind Texte, die leben, sie sind spritzig, witzig, frech und abgedreht, und das auf einem gleich bleibend hohen Level. Somit heben sich die Texte so wohltuend vom Gros der Einheitsliteratur ab, dass man jedem der Autoren kräftig die Hand schütteln und ihnen entgegenschmettern möchte: Weiter so!

In „Berlin in Angst und Schrecken“ von Markolf Hoffmann geht es aberwitzig und abgedreht zu. Kommissar Broiler hat es mit einem absonderlichen Fall zu tun. Erst werden die Gräber Prominenter geschändet, dann verschwinden sogar ihre Leichen: Harald Juhnke, Heinrich Zille, die Gebrüder Grimm, Marlene Dietrich – um nur einige zu nennen. Und diese proben den Aufstand und wollen sich Berlin untertan machen. Dabei gehen sie nicht gerade zimperlich mit den „Lebenden“ um; so „verschnabulieren“ sie z. B. in den UFA-Studios die gesamte Darstellerriege der Serie „GZSZ“ – köstlich!

Boris Koch, der dritte im Bunde, schafft mit „Das Märchen vom ersten Spielplatz“ eine düster-phantastische Atmosphäre. Sarah wächst in einer Welt auf, die durch ihren schreienden, von Existenzängsten geplagten Vater und ihre immer häufiger weinende Mutter bestimmt ist. So zieht sich das Mädchen zum Spielen in den Wald zurück – und erkrankt an Einhornherpes … Die melancholischste Story dieses Kurzgeschichtenbandes, die darüber hinaus nachdenklich stimmt!

Wundervoll satirisch kommt die nächste Story von Christian von Aster daher. „Vier Füße für ein Halleluja“ spielt 1786 im Bistum zu Trier und zeigt auf schwarzhumorige Weise, wie trügerisch „bedeutsame Reliquien“ sein können.

Weiter geht es mit einer spritzigen, abgehobenen Geschichte aus Markolf Hoffmanns Feder. „Lucy“ spielt am 19. August 1966 und ist eine Geschichte rund um die |Beatles| und darüber, wie es zu ihrem Song „Lucy in the Sky with Diamonds“ kam. Man sieht sie während des Lesens förmlich vor sich, die sich mehr und mehr gegenseitig nervenden Pilzköpfe, die von der „moralischen Instanz“ entführt werden. Als es böse um sie und ihr Leben aussieht, hat John Lennon einen genialen „Songflash“.

In „Die Herrschaft der Pinguine“ fabuliert Boris Koch ebenso skuril-phantastisch weiter. Hüten Sie sich also, wenn eines Tages ein Pinguin mit rotem Cape auf ihrem Schreibtisch landet und die Weltherrschaft beansprucht.

Plottechnisch wieder mal ein phantastisches Sahnestückchen serviert das nächste Textgefüge von Christian von Aster: „Die Geschichte aus Rhododendron“, die wie ein Märchen anmutet, denn gar Wundersames kann passieren, wenn Sie einem Schneck in einen Rhododendron folgen.

Im „Trollfrühstück“ von Boris Koch holt im Dorf Wolkenfall angeblich ein Troll in mancher Sommernacht ungezogene Kinder, um sie zum Frühstück zu verspeisen. Doch wie immer ist alles ganz anders.

Die für mich beste Geschichte – wenn man überhaupt davon sprechen kann – ist „Bittermandel …“ von Markolf Hoffmann, in der es um einen verliebten Pfefferkuchenmann geht, der sich nicht in sein Schicksal fügen will, verspeist zu werden, und von der Liebe zu einer Magd getäuscht wird. Eine stilistisch wunderschön geschriebene Kurzgeschichte. Man spürt förmlich, „wie dem Pfefferkuchenmann das Dattelherz zerreißt“, sieht, wie er seine „Rosinenaugen rollt“.

In Christian von Asters „Knecht Ruprecht packt aus“ geht es um den Weihnachtsmann, dem das Trollvolk ein gehöriger Dorn im Auge ist – und der Leser kann es verstehen.

„Invasion“ von Markof Hoffmann ist wieder eine der obskureren Storys, in der es um einen besonderen Zirkus und Nashörner aus Liliput geht. Schräg!

In Boris Kochs „Der Keller“ fragt sich ein Zehnjähriger, ob sich dort tatsächlich die Tür in das Totenreich befindet.

Christian von Aster erzählt in seiner makaberen „Plumpaquatsch“-Story von einem abgehalfterten Clown, der die Erfahrung macht, dass es manchmal doch gesünder ist, der billige Abklatsch eines Anderen zu sein.

Eindrucksvoll ist es auch, wie sich in „Advent“ (Markolf Hoffmann) ein kleiner Junge an seinem Vater rächt.

Mein zweiter Favorit in diesem Sammelband ist „Über den Rauswurf aus Eden“ von Boris Koch. Gott erzählt einem Wirt, warum er Adam und Eva wirklich aus dem Paradies geworfen hat. Köstlich! Beispielsweise, wie Gott die „Zigarette danach“ erschaffen hat. Das muss man gelesen haben!

Aber auch die letzten beiden Geschichten überzeugen: „Der große Usambara-Schwindel“ von Christian von Aster, in der es um eine gutmütige Großmutter und ihren Enkel geht, und „Ideensuche“ von Boris Koch über einen ideenlosen Schreiberling und seine Muse.

Und schon ist man am Ende des lebendigen Kurzgeschichtenbandes angelangt und verlässt das „StirnhirnhinterZimmer“ mit großem Bedauern und der Hoffnung, dass es bald mehr von diesem lebendigen Trio zu lesen gibt. Denn die drei wissen zu schreiben – dies sind keine blutleeren seelenlosen Texte, sondern das Material swingt, es groovt und der eher seitenarme Band bietet mehr Inhalt als so mancher Tausendseitenschinken. Jeder, der Kreativität, die einem förmlich aus den Seiten entgegenspringt, erleben will, sollte bei diesem Band unbedingt zugreifen!

Fazit: Frische, freche, humorig lebendige Texte von drei Wortkünstlern, die Spaß am Schreiben haben und ihre Leser daran teilhaben lassen. Mehr davon!

http://www.medusenblut.de
http://www.stirnhirnhinterzimmer.de

|Ergänzend dazu:|

[Lesungsbericht: StirnhirnhinterZimmer oder: Ein ganz besonderer Abend in Berlin]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=57

[Interview mit Chr. von Aster, B. Koch, M. Hoffman: Das StirnhirnhinterZimmer]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=73

[Interview mit Markolf Hoffmann: Zeitalter der Wandlung]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=34