Wenn Schriftstellerkollegen sich mit dem Lob auf dem Buchrücken fast überschlagen, sollte doch eigentlich etwas Ordentliches heraus kommen. Brad Meltzer und Kinky Friedman äußern sich auf dem Backcover von Warren Ellis‘ „Gott schütze Amerika“ unflätig begeistert, doch hält der Debütroman des bekannten Graphic Novel-Autoren das, was er verspricht?
Michael McGill ist ein klassischer Privatdetektiv. Er hat keine Aufträge, wohnt in seinem Büro, das er mit einer fetten Ratte teilt, und lässt sich gehen. Eines Tages bekommt er überraschenden Besuch: Der Stabschef des Weißen Hauses, der sich als perverser Psychopath zu erkennen gibt, bittet ihn, den unscheinbaren Privatdetektiv Michael McGill, die geheime Verfassung Amerikas aufzuspüren. Das alte Buch soll einst von Nixon gegen die Liebesdienste einer Asiatin eingetauscht worden sein und besitzt so etwas wie magische Regierungskräfte.
Ausgestattet mit einer halben Million Dollar für Spesen und einem Palm, um gegebenenfalls mit seinem Auftraggeber Kontakt aufzunehmen, macht Michael sich auf in ein Amerika, das man so nicht kennt. Es ist pervers, es ist skurril, es ist gefährlich. An seiner Seite ist die abenteuerlustige Trix, die in einer polygamen Beziehung lebt und ihre Doktorarbeit über „Extreme Formen menschlicher Selbsterfahrung“ schreibt. Da liefert ihr die Reise auf der Spur der geheimen Verfassung jede Menge Stoff. Angefangen bei einer Vereinigung namens NULL (National Union of Lizard Lovers), die sich Pornos mit Godzilla anschaut, bis hin zu Hodeninfusionen und einem verrückten Ölmillionär, der nachts nackt Kühe stranguliert, ist alles dabei …
„Gott schütze Amerika“ ist eine schnell zu lesende liebevolle Satire auf Amerika und seine Bewohner, vor allem die der merkwürdigen Sorte. Der Autor gibt im Nachwort an, dass das meiste im Buch auf Tatsachen beruht, die häufig im großen Haifischbecken Internet zu finden sind. Das glaubt man ihm gerne, denn die Szenen wirken teilweise so bizarr, dass sie fast schon wieder wahr sein könnten. Allerdings vergisst Ellis darüber, dass ein Buch nicht nur mit einer Aneinanderreihung lustiger Ereignisse funktioniert. Die Handlung selbst – die Suche nach der Verfassung – ist alles andere als raffiniert, sondern so einfach gestrickt, dass sie bei genauerem Hinsehen eintönig wirkt. Am Anfang mögen die abstrusen Erlebnisse von Michael ja ganz amüsant sein, aber mit der Zeit ermüden sie und werden dadurch unauthentisch – und das nach einem überaus starken Einstieg, der auch einem spannenden, knallharten Thriller gestanden hätte.
Michael McGill hat das Zeug zu einer wirklich guten Hauptfigur. Er hat ein wenig vom klassischen Antihelden, ist aber kein totaler Loser. Und sein Humor ist göttlich. Manchmal schimmert sogar sein Talent als richtiger Privatdetektiv durch. Alles in Allem wirkt er in einem Buch, das nur so überquillt vor Ungewöhnlichkeiten, angenehm gelassen und real. Das gilt auch für Trix, die trotz allem einige verrückte Charakterzüge hat. Anders hingegen der Stabschef, der einfach nur durchgeknallt wirkt – beziehungsweise lässt der Autor offen, ob das, was er behauptet zu tun, auch wirklich wahr ist.
Doch bei allen Schwächen in der Handlung – Schreiben kann Warren Ellis. Er ist witzig, abwechslungsreich, dreckig, teilweise richtig ordinär und doch wirkt er dabei cool und erwachsen. Er bringt den Leser tatsächlich an der einen oder anderen Stelle zum Lachen und erreicht damit das, was die Herren Meltzer und Friedman auf dem Backcover versprechen.
Doch ein guter Schreibstil ist ja nicht die einzige Zutat zu einem guten Buch. Ist man bei „Gott schütze Amerika“ erstmal bis zur Hälfte gekommen, lässt die Begeisterung etwas nach. Die Handlung ist trotz ihrer Originalität etwas zu eintönig, um den anspruchsvollen Leser wirklich vom Hocker zu reißen.
|303 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-453-40655-1|
http://www.warrenellis.com
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