„Wenn es einen Gott gibt, warum gibt es dann so Dinge wie Nazis, Kriege oder Modern Talking?“
Jesus lebt! Dank David Safier weiß ich es nun genau, und Jesus wandelt direkt unter uns – als Zimmermann! Dass das zu einigen Komplikationen führen kann, ist klar, zumal Jesus nach jahrhundertelanger Abstinenz Sehnsucht nach einer Frau hat und sich in Marie verliebt – die zwar fast genau den gleichen Namen wie Maria Magdalena hat, aber dennoch herrlich kompliziert ist…
Nein, ich will nicht
Marie ist am Ziel ihrer Träume angekommen: Sie will Sven heiraten und darf das sogar in genau der Kirche tun, in der sie schon immer heiraten wollte. Sven ist liebenswert und zuverlässig, Marie fühlt sich bei ihm geborgen, und er hat eine merkwürdige Vorliebe für Fußmassagen. Doch vor dem Altar überfallen Marie dann doch die Zweifel – ist Sven wirklich der Richtige? Für immer? Bis dass der Tod sie scheidet? Nein, so sicher ist sie sich dann doch nicht, denn da sind noch Gefühle für den Ex, auch wenn dieser eine besondere Zuneigung zu anderen Frauen zeigt … Also sagt sie kurzerhand „nein“ und bricht ihre eigene Hochzeit ab. Sven ist bestürzt.
Aus Verzweiflung zieht Marie wieder bei ihrem Vater ein, der sie mit seiner neuen Freundin überrascht – der 25-jährigen Swetlana aus Weißrussland, die er über eine Partnervermittlung kennengelernt hat. Marie sieht rot, weiß sie doch ganz genau, dass Swetlana es nur auf den deutschen Pass abgesehen hat. Dennoch lässt ihr Vater sich nicht beirren und seine Tochter häufig genug an den lautstarken Bettaktivitäten der frisch Verliebten auditiv teilhaben.
Einziger Lichtblick ist der seltsame, aber gutaussehende (!) Zimmermann, der bei Maries Vater den Dachstuhl reparieren soll. Marie ist sofort fasziniert von seinen schönen Augen und seinem liebevollen Wesen. Dennoch kommt er ihr merkwürdig vor. Als sie zusammen ausgehen und auf einer ausgelassenen Karaoke-Party landen, singt der Zimmermann – Joshua – einige Psalme und bewegt tatsächlich die Herzen der betrunkenen Feiernden! Und im Restaurant teilt er mit einem wildfremden Obdachlosen das Brot. Marie ist verwirrt.
Als Joshua dann behauptet, Jesus zu sein, steht für Marie fest, „der spinnt“, aber alle Zeichen deuten darauf hin, dass Joshua die Wahrheit sagt. Als auch noch Pastor Gabriel (der in Wahrheit der Erzengel Gabriel ist) Jesus‘ Geständnis unterstützt, weiß Marie ganz sicher, dass sie sich wieder einmal in den falschen Mann verliebt hat. Was sie aber noch nicht ahnt: Jesus ist nicht zum Vergnügen auf der Erde, sondern weil das Jüngste Gericht bevorsteht. Zeitgleich rekrutiert Satan seine apokalyptischen Reiter, die ihm bei seiner Schlacht gegen Gott helfen sollen. Jesus dagegen ist zu sehr mit Marie beschäftigt, um sich um seine eigentliche Aufgabe zu kümmern – das erzürnt Gott dermaßen, dass er als brennender Busch und schließlich als Emma Thompson auf der Erde erscheint …
Ich bin ein M.O.N.S.T.E.R.
Schon der Klappentext lässt vermuten, dass David Safier wieder einmal alle Register seiner Fantasie gezogen hat. Und da enttäuscht er uns nicht. Kaum könnte ich mir eine abstrusere Geschichte vorstellen als jene, die Safier uns hier darbietet. Da ist einmal Jesus, der als einfacher Zimmermann auf die Erde kehrt, um die Schlacht gegen Satan zu schlagen und über die Menschen zu richten. Ganz nebenbei errettet er einige Menschen, heilt sie und bewirkt Wunder. Ihm zur Seite steht Pastor Gabriel, der einst als Erzengel Gabriel Maria von ihrer Schwangerschaft berichtete. Doch Gabriel hat sich ausgerechnet in Maries Mutter verliebt und die Sterblichkeit gewählt, um seine Liebe ausleben zu können – nur dass diese eben Maries Vater geheiratet hat. Satan erscheint am liebsten in Gestalt von George Clooney oder Alicia Keys auf der Erde, um seine Reiter zu rekrutieren, und dabei spielt er natürlich nicht immer mit offenen Karten.
Marie dagegen bekommt wenig von der Verschwörung um sie herum mit, denn sie trauert noch ihrer geplatzten Hochzeit und ihrem untreuen Ex-Freund hinterher. Für sie steht fest, dass sie ein M.O.N.S.T.E.R. ist – eine Mittdreißigern ohne nennenswertes Selbstbewusstsein, Trauschein, Energie und Reife. Einzige Stütze ist ihre Schwester Kata, die allerdings einen bösen Tumor hat. Als Marie dies mitbekommt, überredet sie Jesus, ihre Schwester zu retten. Der kann allerdings nur noch feststellen, dass Kata gar keinen Tumor hat. Was die beiden nicht wissen: Satan hat Kata bereits gerettet, um sie als Reiterin der Krankheit für sich zu gewinnen. Und so ziehen schließlich einige bekannte Personen in die Schlacht gegen Gott.
Die Geschichte ist herrlich komisch, abstrus und völlig abgefahren. Aber genau das ist es, was Safiers Schreibstil auszeichnet. Wie man eine solche Fantasie haben kann, ist mir zwar schleierhaft, dennoch freut es mich außerordentlich, dass Safier sie für uns zu Papier bringt, um uns köstlich zu unterhalten.
Gleichzeitig schafft David Safier es mit seinem humorigen Schreibstil, seinen Lesern immer wieder ein dickes Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Immer wieder überspitzt er Szenen, bis sie ins Abstruse abdriften. Genau das sind aber die Szenen, die einen wirklich zum Lachen bringen; zwei willkürlich herausgegriffene Beispiele:
„Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet.“ (sagt Swetlana) – „Dann ging sie hinaus. Ich blickte ihr nach und wollte sie richten, und zwar hin. (denkt Marie)“
„Ich war so verdammt gut im Sorgenmachen; wenn es eine olympische Disziplin gewesen wäre, hätte ich wohl die Silbermedaille geholt, nur knapp geschlagen von Woody Allen.“
Derlei Stilblüten finden sich in schöner Regelmäßigkeit im Buch, auch wenn die Witzdichte zugegebenermaßen nicht ganz so hoch ist wie in Safiers Erstlingswerk „Mieses Karma“, doch sein Debüt zu übertreffen, war auch wirklich arg schwierig, denn in jenem Buch gab es praktisch keine Seite, auf der ich nicht lauthals lachen musste. Die Story und die Charaktere wiederum stehen Safiers Erstling in nichts nach!
Satan vs. Jesus in love
In diesem Buch hat Langeweile keinen Platz; nirgends hätte ich eine Passage überlesen mögen, weil mir die Geschichte zu blöde war oder ich mich gelangweilt hätte. Safier schafft es, seine Leser mit sympathischen Figuren, ganz menschlichen Geschichten, aber auch völlig schrägen Szenen auf jeder Seite zu fesseln. Sein Gespür für Sprache, Metaphern und Überzeichnungen ist fast schon unübertroffen, und ich wünsche ihm noch viele so gute Ideen!
Ausgeschmückt wird das Buch von einigen Comicstrips, die Maries Schwester Kata über sich, ihre Schwester und das Leben zeichnet. Die Zeichnungen sind hübsch und oftmals ziemlich schwarzhumorig, manchmal aber auch nachdenklich und zunehmend verzweifelt und tragisch. Jeder Comic spiegelt Katas momentanen Gemütszustand wider, und als sie schließlich die schreckliche Diagnose erhält und später von Satan rekrutiert wird, nehmen ihre Comics auch an Schärfe zu. Mir gefielen die Comicstrips gut, sie lockerten das Buch auf und trugen manchmal mehr Botschaft, als ein längerer Text hätte transportieren können.
Negativ aufgefallen sind mir eigentlich nur Maries geistige Zwiegespräche mit Captain Kirk. Denn immer, wenn sie nicht weiter weiß, verzweifelt ist oder Rat braucht, schaltet sie in ihre eigene Welt – nämlich auf das Raumschiff Enterprise, wo Scotty sich oftmals am liebsten aus den Szenen selbst wegbeamen möchte. Safier schreibt zwar abstrus und seine Geschichten sind schräg, wie sie schräger kaum sein könnten, doch diese Passagen waren mir dann doch zu abgefahren. Glücklicherweise tauchte die Enterprise-Crew nicht allzu häufig auf, sodass dieser kleine Punkt zu verschmerzen war.
Der Himmel auf Erden
Unter dem Strich hat mich „Jesus liebt mich“ ausgesprochen gut unterhalten. David Safier stellt darin wieder einmal seine unendliche Fantasie und seinen herrlichen Wortwitz unter Beweis. Die Grundidee gefiel mir mindestens so gut wie die in „Mieses Karma“, nur in puncto Wortwitz hätte Safier hier noch eine Schippe mehr auflegen können, denn dieses Mal konnte er mir nicht auf jeder Seite ein Lachen entlocken. Dennoch hat David Safier in meinem Bücherregal seinen festen Platz erobert, und ich hoffe, dass noch viele weitere abstruse und komische Geschichten von ihm hinzukommen werden. Mit kleinen Abstrichen ist „Jesus liebt mich“ nämlich ein himmlisch komisches Buch!
302 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-463-40552-0
www.kindler-verlag.de