Juan Gimenez – Die Vierte Macht – Band 1: Supramental

Story

Zwischen Terra und der Konföderation Krommion herrscht seit 162 Jahren ein erbitterter Krieg, der fernab der beiden Reiche auf dem Planeten Nebula Alpha ausgetragen wird. Nun scheinen die Krommioner jedoch eine Lösung gefunden haben, um den Konflikt siegreich zu beenden. Ihre berühmtesten Wissenschaftler haben eine Geheimwaffe entwickelt, die auf den supramentalen Kräften vier auserwählter, besonderer Frauen beruhen soll. Rücksichtslos lässt man die Damen entführen und schickt sie in eine Testmission, die jedoch nur Exether Mega überlebt.

Leicht verletzt begibt sie sich zurück zur Basis der Krommioner auf Nebula Alpha, erfährt jedoch unterwegs vom Wissenschaftler Khen, dass sie lediglich Teil eines finsteren Projektes war, welches den Anführern ihres Volkes zur Machtergreifung dienen sollte. Gemeinsam versuchen Khen und Mega zu fliehen, werden aber doch noch aufgespürt, so dass dem Projekt QB4 nichts mehr im Wege steht. Khen ist jedoch fest entschlossen, die bevorstehende Katastrophe und den gewaltvollen Einsatz der Superwaffe zu verhindern. Er befreit die mittlerweile mit den supramentalen Kräften der anderen drei Frauen vereinigte Mega aus ihrer Konservierung und verhilft ihr zur Flucht. Während Khen diese Hinterlist mit dem Leben bezahlen muss, verfolgt Mega nur noch ein Ziel: Rache zu nehmen an denjenigen, die ihr all dies angetan haben – und zwar mit den Kräften, die ihr die neue Geheimwaffe erst ermöglicht hat.

Persönlicher Eindruck

Auf den ersten Blick ist die neue Serie aus dem |Splitter|-Verlag kein gewöhnlicher Beitrag zum permanent wachsenden Programm des Qualitäts-Labels. Vor allem was die Zeichnungen betrifft ist „Die vierte Macht“ verlagsintern ein Unikum und distanziert sich mitunter recht stark vom französischen Stil, der den |Splitter|-Katalog ziert. Dies ist allerdings nur eine Feststellung, ganz bestimmt aber kein Vorwurf, denn bezogen auf den Inhalt trifft man in der frisch eingeführten Science-Fiction-Reihe wieder alle notwendigen Qualitätsmerkmale, die bereits [„Universal War One“ 3694 zum mehrfachen Quartalshöhepunkt haben avancieren lassen und nun auch dafür sorgen, dass „Die vierte Macht“ den Comic-Markt in dieser Sparte um einen weiteren hochklassigen Vertreter bereichert.

Dabei ist die Geschichte ein wenig paradox aufgebaut; zwischen den Krommionern und der Bevölkerung der Erde besteht seit Jahrzehnten eine brutale Feindschaft, ohne dass jemand sagen könnte, woher dieser Konflikt rührt. Beide Rassen sind humanoid, beide verfolgen ähnliche Ziele und die Existenz des jeweils anderen würde im Grunde genommen keine Gefährdung für die eigene Zivilisation darstellen, weil man auf zwei völlig unterschiedlichen Planeten lebt. Noch merkwürdiger ist in diesem Zusammenhang, dass die anhaltende Schlacht zwischen den beiden Völkern auf dem neutralen Planeten Nebula Alpha ausgetragen wird, der sich über die Jahre zu einem Schauplatz der nuklearen Verwüstung entwickelt hat und natürliches Leben kaum noch ermöglicht.

Innerhalb dieses ungewöhnlichen Settings wird der Leser zunächst einmal mit einer Reihe an Fakten überrumpelt. Auf den ersten Seiten muss man sich alleine durch die rasanten Zeichnungen ein Bild der Lage verschaffen und bekommt erst später rückwirkend die hierzu nötigen Informationen. Vier voneinander völlig unabhängige Frauen werden von den Machthabern der Föderation Krommion entführt, weil ihre mentalen Fähigkeiten kombiniert zu einer Waffe kulminieren sollen, mit der die Vernichtung der Erdbevölkerung bzw. ihre Vertreibung von Nebula Alpha nur eine Frage von Stunden sein sollte. Doch die unsanft involvierten Testpersonen scheitern und fallen dem Angriff der terranischen Flotte gänzlich zum Opfer.

Lediglich Exether Mega überlebt, weil sie imstande ist, feindliche Aktionen vorauszusehen und entsprechende Schutzmaßnahmen zu treffen. Weil ihr jedoch nicht bewusst ist, zu welchem Zwecke sie eingesetzt wurde, begibt sie sich zurück zur Basis und würde dort naiv ins Verderben stürzen, hätte der herbeigeeilte Wissenschaftler Khen sie nicht rechtzeitig gewarnt und ihr die wahren Motive verraten. Gemeinsam suchen sie nach einem Ausweg, der sowohl Mega schont als auch die Kreation der Waffe verhindert, müssen diesen aber ähnlich gewaltsam umsetzen wie einst die Agenten Krommions die Entführung der Testpersonen – der Beginn einer Palastrevolution mit verheerenden Folgen.

Unterdessen wächst auf der Erde der Widerstand gegen den Krieg. Ein Propaganda-Radiosender namens Bluespace informiert die Bevölkerung über eventuelle Motive für das Weiterbestehen des Kriegs und entmachtet die Regierung immer effizienter. Hintergründe werden aufgedeckt, und die Politik gerät in immer deutlichere Erklärungsnöte. Dabei ist den Machthabern durchaus bewusst, dass die Krommioner an QB4 arbeiten und möglicherweise die ultimative Vernichtungswaffe entwickeln. Dennoch ist die Furcht vor den Folgen noch nicht groß genug.

Es hat dieses Mal verhältnismäßig lange gedauert, bis eine Beziehung zur Story aufgebaut werden konnte, was primär daran liegt, dass die Hintergründe der Geschichte in diesem Falle etwas umfassender sind und es seine Zeit benötigt, bis man den gesamten Gedankenkomplex, den Juan Gimenez hier konstruiert hat, erst einmal verarbeiten und begreifen kann. Dies fällt mitunter auch deswegen schwer, weil der Autor auf den ersten Seiten fast ausschließlich die Bilder sprechen lässt, dabei auch noch blitzschnell die Szenarien wechselt und man noch keinen blassen Schimmer hat, wie man bestimmte Handlungen oder die beteiligten Charaktere einordnen soll. Hier wäre eine etwas klarer strukturierte Bildfolge sicherlich eleganter gewesen.

Nichtsdestotrotz gelangt man schließlich an den Punkt, an dem es ‚klick‘ macht und man sich plötzlich auch schon mitten im Geschehen befindet. Und von diesem Punkt an geht es nicht nur unheimlich temporeich voran, auch die Action kommt an keiner Stelle mehr zu kurz, wodurch sich ein wendungsreiches Spektakel entwickelt, das an Komplexität nie einbüßt und dazu auch noch unheimlich intelligent aufgebaut ist. 17 Jahre hat Gimenez an dieser hier eröffneten Trilogie gearbeitet, 17 Jahre, die ihn Schritt für Schritt an sein am meisten ambitioniertes und, den ersten Eindrücken zufolge, vielleicht sogar bestes Comic-Werk herangeführt haben. In „Supramental“, dem ersten der drei Bände, eröffnet sich dem Leser furiose Science-Fiction innerhalb einer beklemmenden, grandios inszenierten Endzeit-Atmosphäre, und dies eingebettet in eigenwillige, aber flächendeckend großartige Illustrationen. Klarer Fall: Diese Serie sollte man nicht verpassen!

Gebundene Ausgabe: 64 Seiten
Originaltitel: Le Quatrième Pouvoir: Supramental
www.splitter-verlag.de