Der Name „Kelten“ ist der Oberbegriff für die vor allem in Westeuropa ansässigen gallischen, britannischen und galatischen Stämme, die ihre geschichtliche Blütezeit vom 6. Jhd. v.Chr. bis ins 1. Jhd. n.Chr. erlebten, bevor sie endgültig romanisiert wurden (natürlich bis auf das berühmte gallische Dorf…). Die Faszination ihrer Kultur aber strahlt bis in die heutige Zeit und ist ein fester Bestandteil des europäischen Erbes. Die mittelalterlichen Geschichten um König Artus, die auf keltische Quellen zurückgehen, erfreuen sich bei modernen Romanschriftstellern von Bradley bis Lawhead großer Beliebtheit; besonders in Frankreich versuchen Wissenschaftler und Publizisten wie Jean Markale sich auf keltische Wurzeln zu besinnen; in der esoterischen Szenerie spielen der irische Elfen- und Feenglaube eine wichtige Rolle. Mit dem Buchtitel „Wiederkehr der Kelten“ war es auf den Punkt gebracht – die Kelten sind in.
Das lockt natürlich einige Autoren an, die versuchen auf dieser Welle mitzuschwimmen. Leider gehört auch das vorliegende Buch dazu. Denn mit „keltischer Magie“, wie es der englische Originaltitel verspricht, hat das Ganze nur wenig zu tun. Natürlich ist über die magischen Techniken der Kelten nicht viel überliefert und es war von vornherein klar, dass es sich um eine Neuinterpretation handeln würde. Wäre ja auch keine Problem gewesen, denn schließlich ist es legitim, an alte Symbole in moderner Form anzuknüpfen. Doch die Autorin hat kein Buch über keltische Magie, sondern eins über Wicca geschrieben, das ein wenig „keltisch“ aufpoliert wurde. Wicca lebt aber aus einem anderen Geist, benutzt synkretistisch alle möglichen Symboliken und geht von einer Urreligion der Großen Göttin und ihres Gehörnten Jägers aus. Insofern ist dieses Buch eher für Leser interessant, die etwas mit Wicca anfangen können.
Dieser Eindruck wird in der deutschen Ausgabe noch dadurch verstärkt, dass die im englischen Original befindlichen Kapitel über Kultur und Sagen der Kelten einfach herausgekürzt wurden. Was sich der Verlag dabei gedacht hat, ist mir schleierhaft. Übriggeblieben ist davon nur das – mit Wicca-Ideologie überfrachtete – kurze Lexikon keltischer Gottheiten. Die Wirkung dieser Ideologie kann man wunderbar beobachten, wenn Conway alle möglichen weiblichen Gottheiten/Wesenheiten in den einen Große-Göttin-Topf wirft – frei nach dem Motto: „Alles derselbe Brei“. Für die Kelten stellte sich das aber aller Wahrscheinlichkeit nach anders dar. Ein bisschen mehr Respekt der alten Tradition gegenüber wäre da wohl angebracht, und zwar nicht nur verbaler, sondern auch methodischer Art!
Natürlich dürfen bei den praktischen Anweisungen für Kesselmagie die Zauber für Geld und Liebe nicht fehlen. Für den etwas spiritueller orientierten „Wicca-Kelten“ hält sie allerlei New-Age-Mummenschanz und Allgemeinplätze parat: „Die keltische Magie arbeitet ganz bewusst mit mit den Kräften planetarer und natürlicher Energien. Es ist eine Magie, die sich in Harmonie mit unserem Planeten, ja mit unserem eigentlichen Selbst befindet.“ oder das beliebte Sprüchlein: „Tun Sie, was Sie wollen, wenn Sie keinem Wesen dabei schaden.“. Mit einer verblüffenden Selbstverständlichkeit ist in dem Buch die ganze Zeit von keltischer Magie die Rede: keltische Magie ist dieses…, keltische Magie ist jenes… Dabei wird hier mit dem Gestus der Gewissheit über eine Sache gesprochen, von der wir nur sehr wenig wissen.
Über ein Drittel des Buches machen verschiedene Zuordnungen von Pflanzen und Duftstoffen zu bestimmten Begriffen, Ritualen und Wesenheiten aus. Außerdem finden sich Ritualbeschreibungen, Anrufungen und verschiedene Formen der Magie, die aber alle zum Bereich der Naturmagie zählen. Fast immer beinhalten sie typische Wiccamotive. Conway beschreibt auch ihre Vorstellung von einem Orakel mit dem irischen Ogham-Alphabet. Was man Conway zugute halten kann, ist ihre manchmal sehr pragmatische Herangehensweise an die Rituale und Ritualgegenstände. Anstatt kaum realisierbare Anforderungen an den potienziellen Magier zu stellen, gibt sie Hinweise, die in der heutigen Zeit auch umsetzbar sind (z.B. für den Bau eines Altars).
Wer also praktische Anregungen für seine magische Arbeit sucht, könnte hier vereinzelt fündig werden. Da das Buch eher schlecht und teils ziemlich naiv geschrieben ist, sollte derjenige, der sich für Wicca zu interessieren beginnt, erstmal zu Starhawk oder Vivianne Crowley greifen. Keltenfans allerdings können getrost einen großen Bogen um dieses Buch machen.