Lovecraft, H. P. – kosmische Schrecken, Der

„Der kosmische Schrecken“ ist ein Sammelband mit den besten Kurzgeschichten und Novellen von Howard Phillips Lovecraft, dem sogenannten Tolkien der Horrorliteratur. Er gilt noch heute als einer der Vordenker und Begründer der klassischen Horrorliteratur und ist zusammen mit Edgar Allen Poe wohl auch der bekannteste Autor dieses Genres. Wer mehr über den Autor erfahren möchte, sollte unbedingt die unten stehenden Links beachten.

Seine bekanntesten und in diesem Band versammelten Werke sind „Der Schatten über Innsmouth“, „Die Ratten im Gemäuer“ sowie „Das Ding auf der Schwelle“. Desweiteren enthält „Der kosmische Schrecken“ die Kurzgeschichten „Dagon“, „Der Flüsterer im Dunkeln“ und „Der Außenseiter“ sowie Anmerkungen, Notizen und eine verworfene Fassung zur Geschichte „Der Schatten über Innsmouth“.

Der Sammelband erschien in „H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens“ des |Festa|-Verlags und ist edel gebunden und von hoher Qualität, sowohl inhaltlich als auch materiell.

Ich möchte nunmehr die Geschichten kurz vorstellen, wobei ich „Dagon“ und „Der Außenseiter“ bewusst auslasse, da diese beiden den Begriff Kurzgeschichte mit sieben beziehungsweise neun Seiten durchaus wörtlich zu nehmen wissen.

_Die Ratten im Gemäuer_

Ein Amerikaner namens Delapore bezieht den neu renovierten Stammsitz seines Clans in England, die Exham Priory. Das Gemäuer stand seit 1610 leer, da ein Vorfahre nach Virginia auswandern musste. Warum, ist dem Neuankömmling noch unklar. Doch schnell merkt er, dass er von den Einwohnern der umliegenden Dörfer gemieden wird und zahlreiche Schauergeschichten über die Exham Priory und das Geschlecht derer De la Poer(so hießen sie vor der Auswanderung) kursieren.

Delapore stellt Nachforschungen an und findet heraus, dass seine Vorfahren und er als Geschlecht erbranker Dämonen dargestellt werden, gegen die Gilles de Rais und der Marquis de Sade wie blutige Anfänger wirken. Besonders lebhaft allerdings bleibt ihm die Geschichte von einer Rattenarmee im Gedächtnis, die sich aus dem Haus ergossen haben soll und vielen Tieren und einigen Menschen aus der Umgebung den Tod brachte. Er bringt außerdem in Erfahrung, dass die Grundmauern seines Hauses noch aus der Römerzeit stammen und dort der dunkle Kult der Magna Mater seine Riten praktizierte.

Nachdem Delapore nun eine Woche in Exham gewohnt hat, geschieht etwas Merkwürdiges. Seine zahlreichen Katzen spielen verrückt, einschließlich seines Katers Nigger, denn hinter den Wänden des Herrenhauses ist das Tippeln von unzähligen Ratten zu hören. Bei den Nachforschungen zu diesem Vorfall, die er zusammen mit seinem Bekannten Captain Norrys betreibt, entdeckt er im Keller einen Altar der Fruchtbarkeitsgöttin Kybele.

Zusammen mit einigen eiligst eingeladenen Archäologen untersuchen sie das Steingebilde und finden darunter einen Gang. Sie wissen nicht, dass der Schrecken, der dort unten lauert, weit älter ist als die Römerzeit und seine Finger schon nach Delapore ausgestreckt hat …

_Das Ding auf der Schwelle_

|Es ist wahr, dass ich meinem besten Freund sechs Kugeln durch den Kopf gejagt habe, und dennoch hoffe ich mit dieser Aussage zu beweisen, dass nicht ich sein Mörder bin.| (Auszug aus dem Buch)

Der Berichterstatter und ausführendes Organ dieser Tragödie, Daniel Upton, berichtet, wie es zu ebenjener kam. Der Freund, den er erschoss, hieß Edward Pickaman Derby und war zu Lebzeiten ein Student des Okkulten an der Miskatonic-Universität in Arkham, Neuengland. Da er allerdings von weichem Gemüte war und den Campus nicht verlassen wollte, studierte er mit seinen 38 Jahren noch immer dort. Das wurde ihm zum Verhängnis, als er die junge Asenth White kennen und lieben lernte.

Nach kurzer Zeit heirateten Edward und Asenath. Von nun an bekommt Upton seinen Freund nur noch selten zu sehen, und wenn doch, ist er stark verändert. Der Wandel Derbys vom schwachen Lethargiker zum schwungvollen, energiegeladenen Bonvivant macht Upton misstrauisch. Daher beginnt er, Nachforschungen über Asenath White und deren Vergangenheit anzustellen.

Asenaths Vater ist der im Wahnsinn verstorbene Hexenmeister Ephraim White, der um 1850 in Innsmouth einen Pakt mit seltsamen Wesen aus dem Meer geschlossen haben soll (siehe auch „Der Schatten über Innsmouth“ weiter unten). Sie scheint erstaunliche Gaben von ihrem Vater geerbt zu haben, denn sie ist eine begnadete Hypnotiseurin und vermag das Bewusstsein zweier Personen kurzfristig auszutauschen.

Die Jahre vergehen, und Ed Derby wird immer dynamischer und jünger, doch als Upton zufällig Asenath durch ein Fenster erblickt, bekommt er einen Schreck. Sie sieht alt und krank aus und scheint von ihrem Ehemann im ersten Stock eingesperrt worden zu sein. Wenige Tage später bekommt der Protagonist einen Anruf, in dem er erfährt, dass Edward Derby völlig verwirrt im Wald aufgefunden wurde. Upton holt ihn ab und auf der Heimfahrt eröffnet Edward ihm Ungeheuerliches.

Seine Frau würde mit ihm immer wieder die Seelen tauschen und ihn dann in Asenaths Körper einsperren. Außerdem sei es gar nicht Asenaths Seele, sondern die von ihrem Vater Ephraim White, die in ihrem Körper wohne. Er habe nämlich schon im Kindesalter die Kontrolle über seine Tochter übernommen und sucht jetzt einen männlichen Körper, da der weibliche nicht ausreichend für seine Zwecke sei. Daher hat er vor, die Seelen dauerhaft mit Derby zu tauschen.

Kurze Zeit später tötet Derby seine Frau und ein Ding klopft an Uptons Türe und fordert einen letzten Gefallen ein.

_Der Flüsterer im Dunkeln_

Albert N. Wilmarth ist Literaturprofessor an der Miskatonic-Universität. Er wird gebeten, einen Artikel über merkwürdige Sichtungen bei einer Überschwemmung in Vermont anno 1927 zu schreiben. Bei dieser wurde von krustentierartigen Wesen mit Flügeln berichtet, die tot in den Fluten trieben. Der Professor tut dies als Aberglauben ab, da die Beschreibungen außergewöhnlich gut zu alten Sagen und Volksmärchen aus dieser Gegend passen.

Kurze Zeit darauf erhält er einen Brief von einem gewissen Henry W. Akeley, der ihn bittet, die öffentliche Diskussion über die Sichtungen einzustellen, da die Leute von den Bergen Vermonts ferngehalten werden müssten. Er führt aus, dass es diese Wesen wirklich gebe und er ihm sogar Beweise zukommen lassen würde, wenn Wilmarth das wolle. Zudem behauptet er, die Wesen seien eine außerirdische Rasse, die in den Bergen Vermonts Rohstoffe abbaue und sehr ungehalten auf Störungen reagiere. Wilmarth stimmt dem Versand der Beweise zu und erhält ein Tonband, auf dem die Stimmen der Wesen aufgezeichnet sind, sowie Fotos von deren Fußabdrücken.

Die beiden Herren schreiben sich immer häufiger, und Akeley berichtet von menschlichen Spionen der Außerirdischen, dass er von diesen Wesen bedrängt würde und dass er seine Sicherheit nur seinen Wachhunden zu verdanken habe. Seine Briefe werden immer ängstlicher, doch er lehnt kategorisch ab, dass Wilmarth ihm zu Hilfe kommt, da er ihn nicht ebenfalls in Gefahr bringen möchte.

Doch nach einige merkwürdigen Vorfällen berichtet Akeley, dass er sich mit dem Wesen verständigt habe und lädt Wilmarth in sein abgelegenes Landhaus in die Berge von Vermont ein …

_Der Schatten über Innsmouth_

Ein junger Mann bereist im Jahre 1927 Neuengland. Auf seiner Reise hört er Geschichten über einen Ort namens Innsmouth, der allerdings auf keiner Straßenkarte verzeichnet ist. Dies weckt seine Neugier und er beschließt, diesem Städtchen einen Besuch abzustatten, trotz der Warnungen der Bevölkerung umliegender Dörfer. Dort seien die Menschen degeneriert und unchristlich und so mancher Fremder sei nicht mehr von dort zurückgekehrt.

Als der Ich-Erzähler in Innsmouth ankommt, erwartet ihn, was ihm beschrieben wurde: Eine halb verfallene und heruntergekommene Gemeinde, abweisende froschgesichtige Bewohner und einen unchristlichen Kult, der sich die Kirche des Dagon nennt.

Neugierig macht sich der junge Mann auf die Suche nach Informationen und erhält sie auch von einem 96-jährigen alkoholsüchtigen Kauz. Zadok Allen, wie dieser Kerl heißt, erzählt ihm mit lallender Zunge, dass ein hier ansässiger Kapitän einen Teufelspakt mit fischartigen Kreaturen aus dem Meer geschlossen habe und seitdem deren Gott Cthulhu Menschenopfer darbringe. Doch das ist noch nicht alles, denn die Rassen, Meereswesen und Menschen, haben angefangen sich zu vermischen, und die meisten Bewohner von Innsmouth seien mittlerweile hybride Mischwesen, die aus dieser ungeheuerlichen Verbindung hervorgegangen seien.

Dass es sich bei dieser Erzählung des Alten nicht um seniles Gerede handelt, merkt der Protagonist schnell, denn jetzt wird unerbitterlich Jagd auf ihn gemacht …

_Mein Eindruck_

Lovecraft versteht es meisterlich, trotz relativ absehbarer Handlung, den Leser zu überraschen. Die Geschichten sind alle in der Ich-Perspektive geschrieben und beschreiben alle, bis auf „Der Außenseiter“, vergangene Ereignisse. Dadurch erhalten sie eine Spannung und Direktheit, die den Leser fesselt. Sie fesseln nicht durch Action, wie das viele der heutigen Horrorgeschichten tun, sondern durch die Atmosphäre und den hintergründigen Schrecken. Interessant ist, dass das Ende der Geschichte meist schon zu Beginn feststeht; es ist also der Weg zu diesem Ende, der so spannend ist.

Auch die Zusammenstellung des Sammelbandes ist hervorragend. „Die Ratten im Gemäuer“, „Das Ding auf der Schwelle“, „Der Flüsterer im Dunkeln“ und „Der Schatten über Innsmouth“ zählen zweifellos zu den besten Kurzgeschichten Lovecrafts. Die Auflockerungen durch die wirklich kurzen „Dagon“ und „Der Außenseiter“ sind eine willkommene Abwechslung, und speziell erstere Geschichte passt stimmig zusammen mit „Der Schatten über Innsmouth“, schließlich heißt der dortige Kult nicht zufällig „Kirche des Dagon“.

Allerdings muss man Lovecraft auch durchaus kritisch bewerten. Schließlich ist das Frauenbild, das er in seinen Geschichten, speziell in „Das Ding auf der Schwelle“, präsentiert, alles andere als fortschrittlich. Wenn ein Hexer einen männlichen Körper sucht, weil der weibliche nicht über genügend geistige Kapazität verfügt, spricht das Bände. Auch der fremdenfeindliche Unterton in „Der Schatten über Innsmouth“ oder solche Dinge wie der Name des Katers (Nigger) in „Die Ratten im Gemäuer“ sind nicht zu leugnen. Doch meine ich, man sollte sich erst bewusst machen, dass erstens die Geschichten zwischen 70 und 80 Jahren alt sind und einer anderen Kulturepoche entstammen, und dass zweitens Lovecraft ziemlich eigenbrötlerisch und fremden Dingen allgemein wenig aufgeschlossen war.

Wer über diese Dinge hinwegsehen kann, wird mit diesem Sammelband seine wahre Freude haben. Doch auch wer schon einige der Kurzgeschichten besitzt, sollte eine Anschaffung erwägen, denn das Zusatzmaterial zu „Der Schatten über Innsmouth“ ist äußerst interessant, und Lovecrafts Notizen lassen durchaus auch auf seinen Charakter schließen sowie Zugang zu den Gedanken finden, die er sich über seine Geschichten gemacht hat.

So bleibt zu sagen, dass sich dieser Band sowohl für Lovecraft-Neulinge als auch für Fans eignet und einen guten Überblick über das Schaffen dieses bedeutenden Phantastik-Autors vermittelt.

Wer noch mehr über Lovecraft und seine Werke erfahren möchte, sollte sich ergänzend diese Besprechungen näher anschauen:

[Schatten über Innsmouth 506

[H. P. Lovecraft – Eine Biographie 345

Weitere Rezensionen zu Lovecraft-Werken bei |Buchwurm.info|:

[Der Cthulhu-Mythos (LPL-Hörbuch) 524

[Cthulhu: Geistergeschichten 1421

[Das Ding auf der Schwelle & Ratten im Gemäuer (LPL-Hörbuch) 589

[Der Fall Charles Dexter Ward 897

[Der Schatten über Innsmouth (LPL-Hörbuch) 424

[Die Katzen von Ulthar und andere Erzählungen 1368