Barcley, James – letzte Schlacht, Die (Die Kinder von Estorea 4)

_Reihentitel:_

Die Kinder von Estoria 1: [Das verlorene Reich 5328
Die Kinder von Estoria 2: [Der magische Bann 5706
Die Kinder von Estoria 3: [Die dunkle Armee 5849
Die Kinder von Estoria 4: Die letzte Schlacht

_Story:_

Die Konkordanz steht vor dem Ende ihrer Existenz: Gorian Westfallen, der abtrünnige Aufgestiegene, hat nicht nur die Tsardonier unterjocht und zu seinen Heeressklaven gemacht, sondern auch die Toten zu seinen Gefangenen, und marschiert nun mit großen Schritten ins Herz der Advokatur. Dort herrscht immer noch ein erbitterter Machtkampf zwischen Kanzlerin Felice Koroyan und Advokatin Herine del Aglios, welche immer noch den Aufstieg verteidigt, obschon das gesamte Volk Estoreas inzwischen ebenfalls die Meinung vertritt, dass den vermeintlichen jugendlichen Magiern die Todesstrafe drohen sollte.

Entsprechend naiv nimmt die einfache Bevölkerung daher auch an, dass die Gerüchte von einer Armee der Toten lediglich abschreckende Maßnahmen sind, um den Aufstieg zu verteidigen und die Protagonisten zu schützen. Felice nutzt die aktuelle Stimmung und richtet ein Blutbad in ihren eigenen Gemächern an – welches ihr schließlich selber zum Verhängnis wird. Noch während das Gerangel im Palast tobt, entbricht auf den Feldern Estoreas ein furchtbarer Krieg gegen Gorians vereinte Armeen, der für die Konkordanz zum Scheitern verurteilt zu sein scheint. Selbst Mirron, Arducius und Ossacer finden keinen Weg, ihren bösartigen Bruder anzugreifen und ihm die Kraft zu rauben, die er unter anderem auch von seinem entführten Sohn Kessian empfängt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Westfallen endlich die Advokatur stürmen und das restliche Volk versklaven kann – und nicht einmal tapfere Kriegesherren wie Roberto del Aglios und Paul Jhered können mit ihren begrenzten menschlichen Fähigkeiten noch irgendetwas ausrichten, das Gorrian stoppen könnte. Erst recht nicht, nachdem ihnen bewusst wird, dass ein ganzes Volk gegen sie steht!

_Persönlicher Eindruck:_

Es ist das letzte Kapitel in einer ziemlich düsteren, letzten Endes aber auch ziemlich vorhersehbaren Fantasy-Story und ambivalenterweise genau das, was man erwarten durfte, und was man nicht erwarten wollte. Mit dem letzten Band seiner zweiten großen Serie „Die Kinder von Estorea“ zieht James Barclay einen (inhaltlich) relativ abrupten Schlussstrich unter seine neue Saga, glänzt dabei mit gewohnten und mehrfach bewährten Qualitäten, nimmt sich aber leider auch nicht mehr die Zeit, gerade dieses intensivste Kapitel in der gesamten Serie noch genauer auszuschmücken und das Potenzial einer epischen Erzählung auch nur annähernd auszuschöpfen. Der britische Bestseller-Autor hat im Vergleich zu den beiden „Raben“-Serien nicht mehr die Geduld aufgebracht, das Ende hinauszuzögern und die Handlung mit weiteren geschickten Wendungen auf einem kontinuierlichen Spannungshoch zu bewahren. Stattdessen wirkt heuer alles gedrungener, mitunter auch hektischer, schließlich aber auch – und das ist wirklich bedauerlich – vergleichsweise spannungsarm, weil sich der Autor einfach viel zu früh in die Karten schauen lässt. Grundsätzlich ist nämlich klar, was aus dem Aufstieg wird, was mit Gorian geschieht, dass einige wichtige Schachfiguren im anhaltenden politischen Ränkespiel geopfert werden müssen und dass die Schlachten, analog zum Titel, noch brutaler werden. Wo sind also die Überraschungsmomente, mit denen Barclay sein Publikum bis dato ganz locker bei der Stange halten konnte?

Nun, leider Gottes sind die Prioritäten in „Die letzte Schlacht“ etwas unvorteilhaft verteilt. Die Chancen zum Beispiel, den Komplex um den Aufstieg noch einmal intensiver in Augenschein zu nehmen und noch etwas mehr herauszuschlagen, als eine relativ simple und actionlastige Fantasy-Story, nimmt sich der Autor bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Im Gegensatz dazu verschwendet er ausladend viel Zeit damit, die taktischen Formationen im Kampf zu erläutern und das politische System der Konkordanz (einmal mehr) in den Vordergrund zu stellen, vergisst dabei aber so manches Mal, dass das Finale einer der interessantesten Zyklen bevorsteht und damit auch noch einige Erwartungen verknüpft sind, die über die schlichte Berichterstattung mit einigen kleinen Spannungsbögen hinausgeht. Ganz grob betrachtet, leistet der Brite hier aber nicht mehr als das Nötigste und enttäuscht zumindest diejenigen unter seinen Lesern, die ihn für seinen Tiefgang und einer damit verbundenen, kontrastreichen Heroik schätzen und ihm mit diesen Attributen auch durch Estorea gefolgt sind.

Natürlich, und das sollte auch sofort klar sein, wäre es vermessen, Barclay zum Schluss seines jüngsten Vierteilers noch Versagen zu bescheinigen, geschweige denn generell enttäuscht zu haben. Aber betrachtet man die Hingabe, mit welcher er den „Raben“ bearbeitet hat, und die ihn dazu geführt hat, eine schier limitierte Story noch auf so viele Ebenen zu führen, muss man bei „Die Kinder von Estorea“ und eben speziell in diesem letzten Kapitel Einbußen hinnehmen, die im Hinblick auf das gehörige Potenzial der Geschichte absolut nicht notwendig gewesen sind. Warum wurde diese fast schon fanatische Liebe zum Detail schlussendlich dem kompakten Abwasch untergeordnet? Warum bleiben die schleppend aufgebauten, mühsam zu Sympathieträgern avancierten Charaktere plötzlich so farblos? Warum führt Barclay nicht mehr auf falsche Fährten, wo der Plot gerade in der zweiten Hälfte nach einigen Radikalschnitten verlangt? Fragen bleiben viele, Antworten wiederum kann das Buch nur bedingt geben. Sicher, es ist ein sehr düsterer, mitunter auch grausamer Abschluss, bei dem Barclay hin und wieder schon noch volles Risiko geht. Aber zwischen dem was ist und sein könnte, besteht eine derart große Diskrepanz in diesem letzten Band, dass man voller Unverständnis konstatieren muss, „Die Kinder von Estorea“ wären besser bedient gewesen, hätte man das Ganze auf einen oder gar zwei zusätzliche Romane ausgedehnt. Dann wäre wenigstens der riesige Komplex nicht so rapide aufgelöst worden, und dann hätten die vielen Feinheiten ihren erforderten Raum bekommen, die hier nur noch ziemlich oberflächlich behandelt werden.

Noch mal: Fans werden mit dem Verlauf der Story zufrieden sein – nicht aber mit der vernichtend strikten Vorgehensweise, mit welcher der Autor seinen Plot zu Grabe trägt. Die Gänsehaut des „Raben“-Finals bleibt daher leider erspart!

|Taschenbuch: 463 Seiten
Originaltitel: A Shout for the Dead 2
ISBN-13: 978-3-453-52538-2|
[www.heyne.de]http://www.randomhouse.de/heyne/

_James Barclay bei |Buchwurm.info|:_

[Zauberbann (Die Chroniken des Raben 1) 892
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