Schlagwort-Archive: Suhrkamp

Don Winslow – Kings of Cool. Drogen-Thriller

Surfer-Dudes und Drogenbarone

Der Aufstieg von Ben, Chon und Ophelia zum erfolgreichsten Marihuana-Start-up Kaliforniens verläuft alles andere als geradlinig. Korrupte Cops und rivalisierende Dealer stehen ihnen im Weg – und die Sünden ihrer Eltern. Ihre geschichte reicht weit zurück, bis in die Sechziger, als in Lagina Beach Surfer und Hippies zusammentrafen und einen pakt mit dem Teufel schlossen. „Ein episches Panorama voller, Sonne, Surfer und Sex. Eine Version des Höllensturzes. California dreaming? Vergiss.“ DIE WELT
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James Graham Ballard – Die Dürre

Earth is the alien planet

Seitdem die Verdunstung der Meeresoberfläche durch künstliche Moleküle verhindert wird, regnet es nicht mehr. Die zunehmende Dürre sorgt für das Erscheinen von Rissen in der menschlichen Zivilisation. Schließlich sieht sich auch der Arzt Dr. Charles Ransom gezwungen, mit ein paar Schützlingen die zerstörte Stadt zu verlassen und an der Küste eine Zukunft zu suchen. Doch an der von Flüchtlingen überlaufenen Küste herrscht das pure Chaos …

Der Autor
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J. G. Ballard – Kristallwelt. Phantastischer Roman

Das Innere Afrika ist von seltsamen Kristallen überzogen. Im Dschungel herrscht der Leuchtende Mann.

Wie schon in „The Drowned World“ und „The Drought“ hat Ballard die Welt, wie wir sie kennen, transformiert und sie mit seinen gewaltigen sprachlichen Mitteln zu einem fremden Planeten gemacht, in dem sich neue Wesen tummeln. „Kristallwelt“ zu lesen, verwandelt den Leser selbst: nicht etwa durch die kaum vorhandene Handlung, sondern durch die Konfrontation mit eben jener transformierten Wirklichkeit. In seinen besten Passagen erinnert das Buch an Joseph Conrads „Heart of Darkness“.

Handlung

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J. G. Ballard – Die Tausend Träume von Stellavista und andere Vermilion-Sands-Stories

Futuristische Kunstformen, unheimliche Spiele

Die 200 Kilometer lange Küste von Vermilion Sands ist eine Riviera an und in der Wüste. Orte wie Red Beach, Ciraquito und Lagoon West – sie liegen nicht nur am Meer, sondern auch an den Steilklippen des nahen gläsernen Sandmeers, wo fliegende Sandrochen segeln. Die Örtchen bieten Künstlern ein Domizil, aber auch Touristen und neurotischen Reichen. Unwirklich wie ein Fiebertraum sind sie ein Treffpunkt seltsamster Leidenschaften. Futuristische Kunstformen treffen auf uralte Liebeskonflikte und unheimliche Spiele. Die Vermilion-Sands-Erzählungen sind einzigartig in der Zukunftsliteratur.

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Clark Ashton Smith – Saat aus dem Grabe. Phantastische Geschichten

smith-saat-cover-kleinAcht Kurzgeschichten und eine Novelle aus den 1930er Jahren, verfasst von Clark Ashton Smith (1893-1961), dem Meister des Bizarren und Morbiden, der europäische Dekadenz mit amerikanischer Fabulierkunst kreuzt und dem Ergebnis morgenländische Märchenhaftigkeit beimischt; es entsteht eine schwüle, von unguter Fruchtbarkeit geprägte Atmosphäre drastischen Grauens – und ein von der Zeit mit nostalgischer Patina geadeltes, aber weiterhin kraftvolles Lese-Erlebnis, das schon den großen H. P. Lovecraft beeindruckte.
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Klaus Bädekerl – Die Frau der Träume

Mystischer Krimi: Ermittlung gegen Göttin und Mutter

Sechs Männer sterben eines „natürlichen“ Todes innerhalb nur weniger Monate auf gleiche Weise, und keiner findet das merkwürdig? Nicht so Staatsanwalt Thomas Zorski, der über den neuesten Todesfall stolpert und von seinem Amtsvorgänger eine dicke Akte mit den übrigen fünf Fällen bekommt. Immer war Vollmond, wenn man einen der sechs fand. Und alle lagen friedlich da – und völlig nackt, als ob sie träumten…

Der Autor
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Lovecraft, H. P. – Cthulhu. Geistergeschichten


Kosmisches Grauen oder nur Xenophobie?

Seine grundlegende Idee, daß der Mensch sich fürchtet vor dem Unbekannten und Unheimlichen aus den unermeßlichen Tiefen des Universums, verwendete Lovecraft erfolgreich bei der Schöpfung seiner Cthulhu-Mythologie, die in den Erzählungen des vorliegenden Bandes Cthulhu das Kernstück bildet. Der Cthulhu-Mythos ist eine Wiederbelebung alter Sagen und Dämonengeschichten im kosmischen Rahmen und stellt eine Verbindung zwischen Weird- und Science-Fiction her. (Verlagsinfo) Diese Sammlung enthält einige der wichtigsten der 55 Erzählungen, die Lovecraft geschrieben hat. „Cthulhus Ruf“ und „Das Grauen von Dunwich“ sind zentrale Geschichten des Cthulhu-Mythos.

Der Autor

Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) wird allgemein als Vater der modernen Horrorliteratur angesehen. Obwohl er nur etwa 55 Erzählungen schrieb, hat sein zentraler Mythos um die Großen Alten, eine außerirdische Rasse bösartiger Götter, weltweit viele Nachahmer und Fans gefunden, und zwar nicht nur auf Lovecrafts testamentarisch verfügten Wunsch hin.

Die Erzählungen

1) Cthulhus Ruf (1928): Dies ist die grundlegende Erzählung, die jeder kennen muss, der sich mit dem Cthulhu-Mythos und den Großen Alten, die von den Sternen kamen, beschäftigt.

Der Erzähler untersucht die Hintergründe des unerklärlichen Todes seines Großonkels Angell, eines Gelehrten für semitische Sprachen, der mit 92 starb. Angel hatte Kontakt zu einem jungen Bildhauer namens Wilcox, der ein Flachrelief sowie Statuen erschuf, die einen hockenden augenlosen Oktopus mit Drachenflügeln zeigten. Wie sich aus anderen Quellen ergibt, ist dies der träumende Gott Cthulhu (sprich: k’tulu), einer der Großen Alten. Er wird in Westgrönland ebenso wie in den Sümpfen Louisianas verehrt, wo man ihm Menschenopfer darbringt. Am wichtigsten aber ist der Bericht eines norwegischen Matrosen, der im Südteil des Pazifiks auf eine Insel stieß, wo der grässliche Gott inmitten außerirdischer Architektur hervortrat und die Menschen verfolgte – genau zu jenem Zeitpunkt, als Angells junger Bildhauer (und viele weitere Kreative) verrückt wurden. – Der Erzähler hat alle Beweise zusammen: Cthulhu und seine Brüder warten darauf, die Erde zu übernehmen, alle Gesetze beiseite zu fegen und eine Herrschaft totaler Gewalt und Lust zu errichten. Man brauche sie nur zu rufen, und sie würden in unseren Träumen zu uns sprechen …

Mein Eindruck

Die Geschichte ist trotz ihres recht verschachtelten Aufbaus durchaus dazu angetan, die Phantasie des Lesers/Hörers anzuregen und ihn schaudern zu lassen. Das Erzählverfahren ist überzeugend, denn zuerst werden mehrere Berichte eingesammelt und überprüft, bevor im Hauptstück, dem Augenzeugenbericht eines Matrosen, das Monster endlich selbst auftreten darf, um seinen langen Schatten durch die Geschichte/Historie zu werfen.

2) Pickmans Modell (1927)

Der Großmeister des Horrors bemüht diesmal keine Großen Alten mit unaussprechlichen Namen, sondern ein paar simple Maler. Denkt man. Der Malerverein von Boston, Massachusetts, steht offenbar kurz davor, sein Mitglied Pickman auszuschließen. Seine Ansichten sind ja schon absonderlich, doch seine Motive sind – ja was? – grauenerregend.

Doch ein Kollege namens Thurber, der Ich-Erzähler, hält zu Pickman durch dick und dünn. Und so wird ihm die Ehre zuteil, Pickmans anderes Haus besuchen zu dürfen. Es liegt in einem uralten und verwinkelten Viertel, dem North Hill, nahe dem Copse-Hill-Friedhof. Man sagt, das Viertel stamme aus dem 17. Jahrhundert, als im nahen Salem die Hexen gehängt wurden. Pickmans Ahnin sei eine davon gewesen, bestätigt der Künstler.

Die Motive der Gemälde und Studien, die Thurber zu sehen bekommt, sind noch um einiges erschreckender als das bislang Gesehene: Leichenfresser aus der Spezies von Mischwesen aus Mensch, Hund und Ratte, die Schläfern auf der Brust hocken (à la Füßli) und sie würgen.

Das Beste wartet aber im Keller, wo sich ein alter Ziegelbrunnen befindet, der möglicherweise mit den alten Stollen und Tunneln verbunden ist, die North Hill und den Friedhof durchziehen. Hier fallen Revolverschüsse, und Thurber gelingt es, ein Foto zu erhaschen, das die Vorlage zu Pickmans neuestem Gemälde zeigt. Was Thurber bislang für Ausgeburten einer morbiden Fantasie gehalten hat, ist jedoch konkrete, unwiderlegbare Realität …

3) Die Ratten im Gemäuer (1924)

Ein Amerikaner aus Massachusetts hat in England das seit alters her verfluchte Gemäuer der Exham-Priorei wieder bezogen. Es ist der 16. Juli 1926. De la Poer, vormals Delapore, ist der Letzte seines Geschlechts, das in der Priorei seit dem 13. Jahrhundert gelebt hatte, bis Walter de la Poer im 17. Jahrhundert nach Virginia auswandern musste.

Doch die Grundmauern der Priorei sind weitaus älter. Sie stammen angeblich von den Römern des 2. Jahrhunderts, und hier wurden abscheuliche Riten für die Fruchtbarkeitsgöttin Kybele abgehalten und für den dunklen Gott Atys, der ebenfalls aus Kleinasien stammte. Wie De la Poer herausfindet, stammen die ältesten Mauern noch aus jungsteinzeitlicher Zeit, und wer weiß, was damals im Tempel geopfert wurde.

Nach einer Woche hört De la Poer das erste Trapsen und Trippeln in den Mauern seines Schlafgemachs. Auch alle neuen Katzen sind aufgeregt. Zusammen mit seinem Nachbarn Captain Norrys untersucht er den Keller und stößt auf den Altarstein der Kybele. Doch Norrys entdeckt, dass darunter noch eine Etage sein muss. Mit mehreren Gelehrten, darunter „Archeologen“, erforscht man den Tunnel unter dem Altarstein. Massenhaft Skelette, die Knochen von Ratten zernagt, bedecken die Treppe. Doch das Schlimmste kommt erst noch: eine unterdische Stadt aus uralter Zeit, in der nicht Menschen, sondern die Ratten das Kommando hatten, angeführt von Nyarlathotep, einem der Großen Alten …

Mein Eindruck

Wie [„Schatten über Innsmouth“ 506 ist „Ratten“ eine Geschichte über Degeneration in einer Familie (genau wie in HPLs eigener) und was daraus wurde. Nur verstößt die Form der Degeneration gegen so große und viele Tabus, dass man es hier nicht wiedergeben kann.

4) Die Musik des Erich Zann (1925)

Diese kurze Geschichte ist sehr stimmungsvoll und detailliert erzählt. Sie spielt in Paris, und der „Student der Metaphysik“, der uns berichtet, findet die bewusste enge Straße nicht mehr, in der er in einem Mietshaus zum ersten Mal die Musik jenes stummen deutschen Geigers gehört hatte, den er als Erich Zann kennen lernte. Die Musik, die Zann ihm vorspielte, wenn sein Besucher im Zimmer war, ist normal: Fugen. Doch sobald er gegangen war, spielte er so unheimliche Melodien, dass den Studenten grauste. Bis zu jenem Tag, da der Besucher den Vorhang vor dem Fenster entfernte und die gähnende Schwärze des gierigen Kosmos dahinter schaute – und von dort eine Antwort erklang …

5) Der leuchtende Trapezoeder (1936: The Haunter of the Dark)

Wurde der Anthropologe Robert Blake in der Nacht des 8.8.1935 vom Blitz erschlagen? Oder hat ihn sich eine Kreatur der Großen Alten geschnappt? Die Meinungen der Gelehrten und Experten gehen auseinander. Was hier also erzählt wird, hält sich an Blakes Tagebuch. Darin berichtet er von seiner Faszination mit dem düster emporragenden Kirchturm aus dem Federal Hill des Städtchens Providence (wo auch HPL lebte). Bei näherer Untersuchung zeigt sich, dass das verwahrloste Gebäude schon seit fast 60 Jahren keinen sakralen Charakter mehr hat. Ab 1846 hatte ein Archäologe hier einen Sektenkult namens Starry Wisdom (Weisheit von den Sternen) eingerichtet.

Blake findet in der Turmstube, wo eigentlich Glocken sein sollten, nur sieben leere Stühle und Steinplatten, ein Reporter-Skelett aus dem Jahr 1897 – und eine Schatulle mit einem leuchtenden Stein darin. Hineinschauend erblickt er grauenerregende kosmische Weiten und schwarze Planeten, wo die Großen Alten hausen. Dann begeht er einen schwerwiegenden Fehler: Von einem Geräusch über sich erschreckt, klappt er die Schatulle zu. Da nun kein Licht mehr das Ding im Turmhelm fernhält, treibt es alsbald lautstark sein Unwesen in der entweihten Kirchen, so dass die gläubigen italienischen Einwanderer das Zähneklappern kriegen. Doch das Ding weiß, wo sich Blake aufhält und holt ihn …

Mein Eindruck

Dies ist eine sehr dicht aufgebaute und stimmungsvoll erzählte Geschichte, die zielbewusst auf den grauenerregenden Schluss zusteuert, der nur aus panischem Gestammel des Tagebuchschreibers besteht. Aus dem, was Blake in der alten Kirche fand, haben andere Autoren ganze Erzählungen geschmiedet. Und weil so viele Fragen offen blieben, schrieb Robert Bloch eine Fortsetzung (abgedruckt in [„Hüter der Pforten“, 235 Bastei-Lübbe).

6) Das Grauen von Dunwich (1929)

In der ländlichen Gegend der Aylesbury-Hügel Neuenglands soll es laut der Story mehrere Opferstätten gegeben haben, mit stehenden Steinen und Felsplatten, auf denen satanische Riten vollzogen wurden. (Merke: Nahe dem englischen Aylesbury befindet sich Stonehenge, und die Story kann als Kommentar auf englische Verhältnisse gedeutet werden.) Die wichtigste davon ist der Sentinel Hill: Hier stinkt es, und der Berg grollt – besonders zu Walpurgis (30.4.) und Halloween (31.10.).

Die Menschen, die hier siedeln, sind einfache Bauern – mit zwei Ausnahmen: den bessergestellten Sippen der Whateleys und der Bishops, die beide aus Salem stammen, wo im 17. Jahrhundert die berühmten Hexenprozesse stattfanden. Es geht um einen Sippenzweig, den man allgemein die Hexen-Whateleys nennt und der abgelegen wohnt.

Am 2.2.1913 kommt Wilbur Whateley zur Welt, und sein Vater ist unbekannt. Seine Mutter ist die albinoweiße und entstellte Lavinia, die im Haus ihres Vaters, des Alten, lebt. Wilbur wächst rasend schnell, nicht nur körperlich, sondern auch geistig, und sieht aus wie ein Ziegenbock. Er versetzt alle Hunde in Wut und erschießt auch den einen oder anderen. Schon mit vier Jahren ist er so groß wie ein 15-Jähriger. Sein Vater lehrt ihn die Geheimnisse der Großen Alten. Im Obergeschoss lebt aber noch ein weiteres Wesen, das man nie zu Gesicht bekommt, sondern nur hören und – leider – riechen kann.

Als der Alte stirbt, bekommt der junge Wilbur, inzwischen über 2,10 Meter groß, ein Problem: Er muss die Verbindung zwischen dem Wesen im Obergeschoss und dessen Vater Yog-Sothoth herstellen, damit es gelenkt werden kann. Leider fehlt ihm dazu die korrekte Beschwörungsformel in seiner Ausgabe des verbotenen Buches „Necronomicon“. Durch seinen (vergeblichen) Besuch in der Uni-Bibliothek von Arkham alarmiert er die dortigen Gelehrten, der sofort alle anderen Bibliotheken verständigt. Daher versucht Wilbur eines Nachts, das Buch aus der Uni zu rauben – und der Anblick, der sich den Gelehrten bietet, ist nicht abdruckfähig.

Während der Bibliotheksleiter Dr. Henry Armitage fieberhaft das Tagebuch Wilburs zu entschlüsseln versucht, um der Wahrheit auf den Grund zu gehen, bricht das Wesen in Dunwich aus und verbreitet Angst und Schrecken: Durch Unsichtbarkeit unangreifbar, frisst es nicht nur Viehherden, sondern auch deren Besitzer.

Doch dann findet Armitage eine Gegenbeschwörung, und zusammen mit zwei Kollegen sowie den Bauern der Gegend ziehen die Ghostbuster aus, dem dämonischen Ungeheuer, das bislang niemand gesehen hat, aber groß wie ein Haus sein muss, den Garaus zu machen.

Mein Eindruck

Dieser fast 70 Seiten lange Kurzroman ist in zehn Kapitel eingeteilt und konsequent auf die Erzielung eines bestimmten Effektes – kosmischen Grauens – ausgerichtet. Der Horror kommt in sich steigernden Stufen, eine unheilvoller als die vorangegangene – bis zum Finale und einer Pointe, die auf den Anfang verweist, wodurch sich die schauderhafte Wirkung noch einmal potenziert (also nichts für zarte Gemüter).

Die Übersetzung

Erst die Übersetzung durch H. C. Artmann in den 1970er Jahren machte Lovecraft im deutschsprachigen Raum richtig bekannt, davor war er nur ein Geheimtipp gewesen. Von da an galt Lovecraft als eine der drei Stützen der amerikanischen Horrorliteratur, neben E. A. Poe und Ambrose Bierce.

Artmanns Leistung liegt in der vielfältigen Beschreibung des Grauens, das Lovecraft vermittelt möchte, in der Nachahmung der etwas altertümlichen Diktion und in der Übertragung von Dialekt und Akzent einzelner Sprecher.

Dennoch stehe ich Artmann kritisch gegenüber. Beim Vergleich von „Cthulhus Ruf“ mit der modernen Übersetzung von Andreas Diesel erweist sich nämlich, dass Artmanns Fassung unvollständig, altertümelnd (absichtlich?) und stellenweise verfälschend ist: Für moderne Leser, die ohne Vorbereitung darauf stoßen, ist sie stellenweise wohl unverständlich.

Die Übersetzung von Andreas Diesel findet sich der Ausgabe des Festa-Verlags, die die Grundlage für das Hörbuch [„Der Cthulhu-Mythos“ 524 bildet, das bei |Lübbe Audio| & |LPL records| Ende 2003 erschien.

Unterm Strich

In diesen, seinen besten Geschichten befolgt Lovecraft konsequent die Forderung Edgar Allan Poes, wonach eine „short story“ in allen ihren Teilen auf die Erzielung eines einzigen Effektes ausgerichtet sein solle, egal ob es sich um die Beschreibung eines Schauplatzes, von Figuren oder um die Schilderung der Aktionen handele, die den Höhepunkt ausmachen (können).

Um die Glaubwürdigkeit des berichteten Geschehens und der Berichterstatter zu erhöhen, flicht Lovecraft zahlreiche – verbürgte oder meist gut erfundene – Quellen ein, die beim weniger gebildeten leser den Unglauben aufheben sollen. Erst dann ist die Erzielung kosmischen Grauens möglich, das sich Lovecraft wünschte. In den meisten Erzählungen gelingt ihm dies, und daher rührt auch seine anhaltende Wirkung auf die Schriftsteller weltweit. Erfolgreiche Serien wie Brian Lumleys [„Necroscope“ 779 oder Hohlbeins „Hexer von Salem“ wären ohne Poe und Lovecraft wohl nie entstanden.

Das heißt aber nicht, dass Lovecraft keine negativen Aspekte eingebracht hätte. Als gesellschaftlicher Außenseiter, der nur intensiv mit einer Clique Gleichgesinnter kommunizierte (er schrieb Briefe wie andere Leute E-Mails), ist ihm alles Fremde suspekt und verursacht ihm Angst: Xenophobie nennt man dieses Phänomen. Darüber hinaus hegte er zunächst rassistische und antisemitische Vorurteile (wie leider viele seiner Zeitgenossen), so dass er von kultureller Dekadenz und genetischer Degeneration schrieb. Degeneration ist das Hauptthema in „Grauen von Dunwich“ und „Schatten über Innsmouth“.

Aber wie im Vorwort dieses Buches von Giorgio Manganelli zu lesen ist, reicht Lovecrafts Grauen weit über die Vorstellung von Hölle hinaus: Das Universum selbst ist eine Hölle, die den Menschen, dessen Gott schon lange tot ist, zu verschlingen droht. Auch keine Liebe rettet ihn, denn Frauen kommen in Lovecrafts Geschichten praktisch nur in ihrer biologischen Funktion vor, nicht aber als liebespendende Wesen oder gar als Akteure. Daher ist der (männliche) Mensch völlig schutzlos dem Hass der Großen Alten ausgeliefert, die ihre Welt, die sie einst besaßen, wiederhaben wollen. Das versteht Lovecraft unter „kosmischem Grauen“. Die Welt ist kein gemütlicher Ort – und Einsteins Relativitätstheorie hat sie mit in diesen Zustand versetzt: Newtons Gott ist tot, die Evolution eine blinde Macht, und Erde und Sonne nur Staubkörnchen in einem schwarzen Ozean aus Unendlichkeit.

Bezeichnend ist, dass selbst Kirchen wie die in Providence längst „verfallen“ und „entweiht“ sind: ebenso Zeichen für den menschlichen wie religiösen Verfall wie der schreckliche Gestank, der von solchen Stätten ausgeht. Managanelli drückt es so aus: „Der Geruch ist die Glorie der Auflösung.“ Er ist ebenso wichtig wie die Deformation, die das Böse und jedwede Entartung bei Lovecraft aufweisen.

Geprägt von einer sehr unglücklich verlaufenden Familiengeschichte, die er auf Dekadenz und Degeneration zurückführt, beschreibt Lovecraft in seinen Monstren letzten Endes denjenigen, den er am besten aus eigener Erfahrung kennt: sich selbst. Also sprach Manganelli.

Lovecraft, Howard Phillips – Berge des Wahnsinns

_Aliens und Predators: Gefahr im Eis!_

In Form eines Tagebuchs zeichnet der Geologe William Dyer den Verlauf seiner letzten, unglückseligen Expedition in die Antarktis anno 1930/31 nach. Zunächst suchten er und sein Team, darunter ein Anthropologe, nach ungewöhnlichen Gesteinsarten. Doch dann türmt sich vor ihren Augen ein Gebirge von gewaltigen Ausmaßen auf, das seltsamerweise quaderförmige Auswüchse und eckige Höhlen aufweist.

In einer solchen Höhle macht der Anthropologe eine beunruhigende Entdeckung: vierzehn tonnenförmige Gebilde. Als der Funkkontakt zu dessen Lager abbricht, muss sich Dyer mit einem Suchtrupp dorthin begeben. Was sie vorfinden, lässt Dyers Studenten Danforth wahnsinnig werden …

_Der Autor_

Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) wird allgemein als Vater der modernen Horrorliteratur angesehen. Obwohl er nur etwa 55 Erzählungen schrieb, hat sein zentraler Mythos um die Großen Alten, eine außerirdische Rasse bösartiger Götter, weltweit viele Nachahmer und Fans gefunden, und zwar nicht nur auf Lovecrafts testamentarisch verfügten Wunsch hin.

Aber Lovecrafts Grauen reicht weit über die Vorstellung von Hölle hinaus: Das Universum selbst ist eine Hölle, die den Menschen, dessen Gott schon lange tot ist, zu verschlingen droht. Auch keine Liebe rettet ihn, denn Frauen kommen in Lovecrafts Geschichten praktisch nur in ihrer biologischen Funktion vor, nicht aber als liebespendende Wesen oder gar als Akteure. Daher ist der (männliche) Mensch völlig schutzlos dem Hass der Großen Alten ausgeliefert, die ihre Welt, die sie einst besaßen, wiederhaben wollen.

Das versteht Lovecraft unter „kosmischem Grauen“. Die Welt ist kein gemütlicher Ort – und Einsteins Relativitätstheorie hat sie mit in diesen Zustand versetzt: Newtons Gott ist tot, die Evolution eine blinde Macht, und Erde und Sonne sind nur Staubkörnchen in einem schwarzen Ozean aus Unendlichkeit. Auf Einstein verweist HPL ausdrücklich in seinem Kurzroman [„Der Flüsterer im Dunkeln“. 1961

Mehr zu Lovecraft kann man in unserer [Rezension 345 seiner Biographie von Lyon Sprague de Camp nachlesen.

_Handlung_

Was geschah auf der Expedition in jenes Bergtal in der Antarktis, dass der Student Danforth dem Wahnsinn verfiel? Als der Expeditionsleiter William Dyer Danforth in der Nervenheilanstalt besucht, berichtet Danforth wieder von den Alten Wesen, die in Wahrheit seit jeher über die Erde geherrscht hätten. Dyer widerspricht ihm nicht, denn er hat sie ja selbst gesehen.

Genau deshalb besucht er einen Professor in Boston, um ihn zu bitten, dass die neuerliche Expedition, die Starkweather und Moore 1932 organisiert haben, in die Antarktis aufbricht. Er warnt ihn eindringlich vor den Gefahren, nicht zuletzt vor dem schier unaussprechlichen Horror, auf den er und Danforth dort gestoßen sind. Dyer warnt ebenso vor dem Versuch, die Eismassen abzuschmelzen oder gar Bohrungen vorzunehmen, waren diese doch seiner eigenen Expedition zum Verhängnis geworden. Da der Professor mehr und vor allem deutlichere Begründungen fordert, muss Dyer genauer berichten, was sich vor zwei Jahren, anno 1930, zugetragen hat …

|Dyers Expeditionsbericht|

Prof. William Dyer ist Geologe an der Miskatonic University von Arkham, unweit Boston. Da Prof. Frank Pabodie neuartige Bohrer hergestellt hat, sieht sich Dyer in der Lage, auch in der Antarktis nach ungewöhnlichen Gesteinen zu suchen. Er lädt den von ihm bewunderten Anthropologen Prof. Lake ein mitzukommen, und dieser sagt freundlich zu. Außerdem werden die drei Profs von ihren jeweiligen Assistenten begleitet, darunter Danforth, Moulton und Gedney. Lake hält Danforth für einen „Backfisch“, aber immerhin haben beiden das verfluchte Buch „Necronomicon“ des verrückten Arabers Abdul Alkazred gelesen, ein zweifelhaftes Vergnügen, das nicht jedem Menschen vergönnt ist, denn das Buch ist in einem verschlossenen Raum der Bibliothek der Miskatonic-Uni weggesperrt.

Die zwei Schiffe „Miskatonic“ und „Arkham“ gelangen schließlich unter dem Kommando von Kapitän Douglas ins Zielgebiet, dem Rossmeer. Hier ragt der immer noch aktive Vulkan Erebus empor, und der Rossschelfeisgletscher bricht hier ins Meer ab. Die Gegend gemahnt Danforth an die kalten Ebenen von Leng, über die er bei Alhazred gelesen hat. Er vermeint ein sonderbares Pfeifen zu hören, das sich mit dem Wind vermischt, der von den Perry-Bergen herunterbläst. Eine Luftspiegelung gaukelt ihm emporragende Burgen auf diesen steilen Höhen vor.

Am Monte Nansen weiter landeinwärts schlägt die Expedition ihr Basiscamp auf, und mit den vier Flugzeugen erkunden sie das Terrain ebenso wie mit Hundeschlitten. Schon bei den ersten Grabungen stößt Prof. Lake auf höchst ungewöhnliche Fossilien, die es hier gar nicht geben dürfte. Zwar ist bekannt, dass vor 50 Mio. Jahren die Erde sehr viel wärmer war und Dinosaurier auch Antarktika bewohnten, doch all dies endete vor spätestens 500.000 Jahren mit der ersten Eiszeit, der weitere folgten. Lake, dessen Funde bis ins Präkambrium zurückdatieren, setzt seinen Willen durch, noch weitere Stellen zu suchen. Auf einer weiteren Schlittenexkursion findet er mehr solche Fossilien, die es nicht geben dürfte.

|Lakes Expedition|

Am 24. Januar, mitten im Hochsommer der Südhalbkugel, startet Lake, um ein Camp 300 Kilometer entfernt auf einem Plateau zu errichten. Dem Expeditionsleiter berichtet er mit Hilfe des Funkgeräts. Seine Stimme ist gut zu verstehen. Sie mussten notlanden, und das Camp ist von quaderförmigen Strukturen und Höhlen umgeben. Eine Bohrung führt dazu, dass ihr Bohrer in eine Höhlung unter dem Eis fällt. Beim Eindringen in diese Höhle stoßen Lake und Moulton auf Specksteine, die fünf Zacken ausweisen, also eindeutig bearbeitet wurden – mitten zwischen Saurierknochen und Abdrücken von Palmblättern. Außerdem stoßen sie auf große tonnenförmige Gebilde, von denen sie vierzehn Stück bergen und aufs Plateau schaffen, um den Inhalt zu untersuchen.

Die Hunde reagieren sehr aggressiv auf diese Gebilde, und als Lake sie seziert, erinnern sie ihn an die Cthulhu-Wesen, die Alhazred beschrieb: ein fünfeckiger Kopf mit einem Kranz seitlich angebrachter Wimpern usw. Und es hat fünf Hirnareale. Lake erinnert sich: „Das ist nicht tot, was ewig liegt, bis dass die Zeit den Tod besiegt.“ In seiner letzten Nachricht berichtet Lake, die Köpfe seien von der Sonne aufgetaut worden. Dann meldet er sich nicht mehr.

|Die Rettungsexpedition|

Mit dem zurückgehaltenen fünften Flugzeug fliegt Dyer mit Danforth und Pabodie zu Lakes Camp. Sie finden entsetzliche Verwüstung vor. Alle Hunde wurden zerfleischt, von den Männern ist zunächst keiner zu sehen, obwohl überall Blut ist – und Gestank. Sie stoßen auf sechs Gräber, die sternförmig angelegt sind, aber wo sind die restlichen acht Wesen? Die Leichen von elf Männern sind zum Teil seziert, doch von einem Mann fehlt jede Spur: Gedney. Er hat auch einen Hund mitgenommen. Können sie ihn noch retten?

Dyer und Danforth machen sich auf den Weg, um die ausgedehnte fremde Stadt, die sich beim Anflug entdeckt haben, zu erkunden und vielleicht eine Spur von Gedney zu finden. Welches Wesen mag das Camp derartig verwüstet haben? Sie werden es herausfinden und wenn es sie den Verstand kostet …

|In Boston|

Dyer schafft es nicht, den Professor davon zu überzeugen, die Starkweather-Moore-Expedition zurückzuhalten. Er ahnt das Schlimmste. Als er wieder einmal den verrrückten Danforth besucht, rezitiert dieser nur aus dem verfluchten „Necronomicon“: „Die Farbe aus dem All … der Ursprung, Ewigkeit, Unsterblichkeit …“

_Mein Eindruck_

Lovecraft setzte mit diesem Kurzroman das Romanfragment [„Der Bericht des Arthur Gordon Pym“ 781 von Edgar Allan Poe fort. Wo Poes Romanfragment abbricht, greift er die Szenerie, wenn auch nicht die Figuren, wieder auf, insbesondere den unheimlichen Ruf „Tekeli-li! Tekeli-li!“ Diesen Ruf stoßen zwar bei Poe weiße Vögel aus, doch bei Lovecraft wird der Ruf einem weitaus gefährlichen Wesen zugewiesen. Um was es sich dabei handelt, wird nie hundertprozentig klar, denn es ist protoplasmisch und somit formlos.

|Der Privatmythos|

Innerhalb des umfangreichen Cthulhu-Mythos über die Großen Alten nimmt „Berge des Wahnsinns“ eine meiner Ansicht nach nicht allzu herausragende Rolle ein, denn der Geschichtsentwurf, den Lovecraft hier präsentiert, unterscheidet sich nur in geringem Maße von dem in [„Schatten aus der Zeit“, 2358 der „Flüsterer im Dunkeln“ und anderen Erzählungen. Aber die Geschichte an sich bietet dem Leser mehr spannende Unterhaltung als andere Storys und vor allem einen weitgespannten Hintergrund, der im Vordergrund der Aktionen zum Tragen kommt.

|Die Stadt im Eis|

Durch ihre Necronomicon-Lektüre wissen Lake und Danforth schon, womit sie es zu tun haben: mit den Großen Alten und ihren Vorgängern, den Alten Wesen. Die Stadt ist die der Alten Wesen, die vor Jahrmillionen zuerst landeten und ihre Kultur auf der Erde errichteten. Seltsamerweise ist Expeditionsleiter Dyer, unser objektiver Chronist, nur mäßig darüber erstaunt, dass er nun über ausgedehnte Überreste einer versunkenen, prähistorischen Zivilisation stolpert. In der ersten großen Halle sind jedoch so etwas wie Wandmalereien und Hieroglyphen, die ihm die Geschichte der Vorzeit erzählen. Diese ist so komplex, dass ich empfehle, sie selbst nachzulesen. Dyer müsste viel stärker verwirrt, wenn nicht sogar bestürzt sein, so wie es Danforth ist.

|Der Wächter in der Tiefe|

Für Dyer und Danforth wird die Lage jedoch brenzlig, als sie auf die enthaupteten Überreste der entkommenen Alten Wesen stoßen, die Professor Lake aus der Höhle unter dem Eis geholt hatte. Was hat die Wesen getötet? Gibt es einen Wächter in der Tiefe, ähnlich einem Balrog in den Tiefen der Minen von Moria? Na, und ob! Die spannende Frage ist nun, wie dieses Wesen aussieht und ob sie es vielleicht besiegen können. Der Anblick des Wesens lässt Danforth wahnsinnig werden und von einem Sieg kann keine Rede mehr sein. Was wiederum den Schluss aufzwingt, dass die Starkweather-Moore-Expedition dem Tod geweiht ist, sollte sie im gleichen Gebiet forschen.

|Verhängnis|

Dieses Gefühl des Verhängnisses überschattet den gesamten Text und suggeriert dem Leser, dass er allein schon durch die Kenntnis dieses geheimen Wissens, das ihm Dyer mitteilt, vielleicht in Gefahr sein könnte. Zweifellos wusste Lovecraft aus Zeitschriften nicht nur über Einsteins Forschungsarbeiten Bescheid, sondern auch über das Bestreben der Physiker, dem Atom seine Geheimnisse zu entlocken. Die Experimente von Rutherford und Nils Bohr waren ihm vielleicht bekannt, aber dürfte kaum gewusst haben, dass Enrico Fermi an einem Atomreaktor baute und die deutschen Physiker von Hitler für eine ganz besondere Aufgabe engagiert wurden: den Bau der ersten Atombombe. Verbotenes Wissen – möglicherweise hat Lovecraft ganz konkret solche Kenntnisse und Experimente darunter verstanden.

|Poe lässt grüßen|

Das erzählerische Brimborum, dessen er sich im Original bedient, kommt uns heute überladen und bis zur Grenze des Lächerlichen überzogen vor. Der von Poe erfundene Ruf „Tekeli-li! Tekeli-li!“ wird x-mal wiederholt, und im Buch bildet er sogar den Schluss des letzten Satzes. Das verleiht ihm eine schaurige Bedeutungsschwere, die ich nicht nachzuvollziehen mag. Aber bei genauerem Nachdenken ist der Ruf eben jenem Wächter in der Tiefe zuzuordnen, und dann wird erklärlich, warum Danforth diesen Ruf nicht vergessen kann. Denn er weiß, dass wenn dieser Ruf erneut ertönt, es für die Menschheit zu spät sein wird. „Das ist nicht tot, was ewig liegt …“

_Unterm Strich_

„Berge des Wahnsinns“ ist einer der bedeutenden Kurzromane, die Lovecraft am Ende seines Lebens – er starb ein Jahr nach der Veröffentlichung – innerhalb seiner Privatmythologie schrieb. Die Antarktis-Expedition des Geologen Dyer stößt auf eine uralte Stadt, die von einer außerirdischen, vormenschlichen Zivilisation errichtet wurde. Und Andeutungen legen nahe, dass auf dem Meeresgrund noch viele weitere solche Städte auf ihre Entdeckung warten. Ob das für die heutige Menschheit so gut wäre, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. In der Stadt unter dem Eis vertreibt ein unheimlicher Wächter die neugieriger Forscher, und solche könnte es auch in weiteren Ruinen geben. Dyers Assistent Danforth hat den Wächter und dessen Brut gesehen und ist darüber verrückt geworden …

Ähnlich wie in „Schatten aus der Zeit“ und „Der Flüsterer im Dunkeln“ entwirft Lovecraft die Grundzüge seiner Mythologie, wonach erst die Alten Wesen von den Sternen kamen und die Stadt unterm Eis bauten, bevor die Cthulhu-Wesen anlangten und mit ihnen einen Krieg führten, an dessen Ende Wasser und Land zwischen den Rassen aufgeteilt wurden. Überreste beider Zivilisationen sind für Expeditionen wie die Dyers noch aufzuspüren, natürlich nur an sehr verborgenen Orten.

|Die verlorene Rasse|

Das Motiv der „Lost Race“, das Lovecraft in nicht weniger als 18 Erzählungen verwendet, war schon 1936 nicht mehr neu und vielfach erprobt worden. Am kommerziell erfolgreichsten waren dabei wohl Edgar Rice Burroughs, der Schöpfer des Tarzan, und Henry Rider Haggard, der mit [„König Salomons Schatzkammer“, 484 „Allan Quatermain“ und „Sie“ einen sagenhaften Erfolg unter den Spätviktorianern verbuchte. Ob Poe mit „Arthur Gordon Pym“ diese Mode schuf, als er seinen Helden in der Antarktis eine unbekannte Zivilisation finden ließ, sei dahingestellt, aber sowohl Jules Verne mit „Eissphinx“ als auch Lovecraft mit „Berge des Wahnsinns“ folgten diesem Vorbild in den eisigen Süden. In letzter Zeit knüpfte auch Michael Marrak mit seinem Roman „Imagon“ erfolgreich an dieses Vorbild an.

|Initiationsritus|

Bei Lovecraft wird die Expedition zu einem Initiationsritus. Der moderne Mensch ist sowohl mit dem sehr Alten als auch mit dem Ungeheuerlichen konfrontiert, und beides scheint seinen Verstand zu übersteigen (siehe Danforths Wahnsinn). Unterschwellig vermittelt Lovecraft seinen Kulturpessimismus dadurch, dass er Dyer erkennen lässt, dass die Menschheit weder die erste Zivilisation auf diesem Planeten war, noch auch die letzte sein wird. Das wiederum könnte dem einen oder anderen Leser Schauer über den Rücken jagen. „Das ist nicht tot, was ewig liegt“ (oder „lügt“, denn das englische Verb ist doppeldeutig), wird immer wieder zitiert. Ein Menetekel, an das immer wieder mit dem Ruf „Tekeli-li! Tekeli-li!“ gemahnt wird.

|Die berechnete Wirkung|

Der Effekt, den HPL erzielen wollte, sei die „Furcht vor dem Unbekannten“. Um diese Wirkung zu erreichen, habe HPL eine Mythologie schaffen wollen, mit der er eine Art objektives Entsetzen erzeugen konnte, ein Entsetzen, das „von jeder psychologischen oder menschlichen Konnotation losgelöst war. Er wollte eine Mythologie schafen, die auch noch einen Sinn für Intelligenzen hat, die aus dem Gas von Spiralnebeln bestehen.“

Er ermutigte andere Autoren, seinen Cthulhu-Mythos zu erweitern, was diese denn auch eifrig taten, und zwar bis heute. Mit etwas Mühe könnte man auch den Film „Alien vs. Predator“ als Fortsetzung ansehen, denn alle Zutaten sind vorhanden: die Antarktis, die verborgene Stadt unterm Eis, das Labyrinth, das eine tödliche Gefahr birgt – und sie dann auf die Eindringlinge loslässt.

|Die Übersetzung …|

… die Rudolf Hermstein bereits 1970 anfertigte, finde ich ganz ausgezeichnet in ihrer feinfühligen Umsetzung der Diktion des Originals. Übrigens handelt es sich um die vollständige Ausgabe, nicht um die gekürzte aus dem Jahr 1936.

|Originaltitel: At the mountains of madness, 1931 bzw. 1936
Aus dem US-Englischen übersetzt von Rudolf Hermstein|
http://www.suhrkamp.de

Stanislaw Lem – Robotermärchen & Kyberiade: Der Weiße Tod

Vom Großen Kosmogonischen Konstrukteur und seinen silbernen Geschöpfen: Sprachliche Märchen-Kunstwerke für Groß und Klein

Wer das Wort „Märchen“ hört, denkt jetzt vielleicht an Rotkäppchen, den bösen Wolf oder an Hänsel und Gretel. Das ist Kinderkram. Denn die vorliegenden Märchen richten sich nicht an Kinder von Menschen, sondern an die neu programmierten Sprösslinge von Robotern, klar? Es sind Märchen von Robotern für Roboter, und Menschen kommen darin nur am Rande vor, und das nicht einmal in einer positiven Rolle. Dennoch interessieren sie uns brennend und bereiten uns Vergnügen. Und warum? Weil die hier geschilderten Silbrigen, Eisernen und Kupfernen noch menschlicher sind als Menschen es je sein können. Märchenhaft.

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Montague Rhodes James – Dreizehn Geistergeschichten

Der vielleicht beste Verfasser englischer Geistergeschichten, M.R. James, legt 13 meisterhafte Erzählungen vor: Notorisch bösartige Spukgestalten attackieren allzu neugierige Zeitgenossen; was zunächst in trügerisch leichtem Ton präsentiert wird, entwickelt sich mit großartigem Gespür für Stimmung und Atmosphäre zum spannenden und schauerlichen Höhepunkt: ein Fest für die Freunde des gepflegten klassischen Grusels!

Inhalt

Der Kupferstich| („The Mezzotint“, 1904), S. 7-18: Ein altes Bild wird zum Fenster in die Vergangenheit und lüftet ein düsteres Rätsel um Tod und Rache …

|Nummer 13| („Number 13“, 1904), S. 19-34: Zwischen zwei Hotelzimmer schiebt sich um Mitternacht ein dritter Raum, und er steht keineswegs leer, wie ein unvorsichtiger Gast erfährt …

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H. P. Lovecraft – Die Katzen von Ulthar und andere Erzählungen

Dieser Band ist keine Sammlung von Horrorgeschichten, wie man sie sonst von Lovecraft kennt, sondern bietet fünf Fantasy-Erzählungen sowie den Kurzroman „Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath„. Vereinendes Bindeglied zwischen den Storys ist die Figur des Randolph Carter, eines Alter Egos des Autors.

Der Autor

Howard Phillips Lovecraft (1890-1937), kurz HPL, wird allgemein als Vater der modernen Horrorliteratur angesehen. Obwohl er nur etwa 55 Erzählungen schrieb, hat sein zentraler Mythos um die Großen Alten, eine außerirdische Rasse bösartiger Götter, weltweit viele Nachahmer und Fans gefunden, und zwar nicht nur auf Lovecrafts testamentarisch verfügten Wunsch hin.

Die Erzählungen

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María Isabel Sánchez Vegara – Little People, big Dreams: Astrid Lindgren

Worum geht’s?

Die wundervolle Buchreihe “Little People, bis Dreams” umfasst an die 50 Titel. Jeder einzelne Titel handelt von einer anderen weltweit berühmten Persönlichkeit und beschreibt deren beeindruckende Lebensgeschichte in einfacher, kindlicher Sprache. Die Lebensgeschichten der Protagonisten beginnt immer in früher Kindheit – mit einem großen Traum. Begleitet wird das Ganze von farbenfrohen, großformatigen Illustrationen. In diesem Buch lernen wir die Geschichte von Astrid Lindgren kennen.

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María Isabel Sánchez Vegara – Little People, bis Dreams: Queen Elizabeth

Worum geht’s?

Die wundervolle Buchreihe “Little People, bis Dreams” umfasst an die 50 Titel. Jeder einzelne Titel handelt von einer anderen weltweit berühmten Persönlichkeit und beschreibt deren beeindruckende Lebensgeschichte in einfacher, kindlicher Sprache. Die Lebensgeschichten der Protagonisten beginnt immer in früher Kindheit – mit einem großen Traum. Begleitet wird das Ganze von farbenfrohen, großformatigen Illustrationen. In diesem Buch lernen wir die Geschichte von Queen Elizabeth kennen.

María Isabel Sánchez Vegara – Little People, bis Dreams: Queen Elizabeth weiterlesen

María Isabel Sánchez Vegara – Little People, big Dreams: Albert Einstein

Worum geht’s?

Die wundervolle Buchreihe “Little People, bis Dreams” umfasst bereits an die 50 Titel und es kommen zum Glück immer weitere dazu. Jeder einzelne Titel handelt von einer anderen weltweit berühmten Persönlichkeit und beschreibt deren beeindruckende Lebensgeschichte in einfacher, kindlicher Sprache. Die Lebensgeschichten der Protagonisten beginnt immer in früher Kindheit – mit einem großen Traum. Begleitet wird das Ganze von farbenfrohen, großformatigen Illustrationen. In diesem Buch lernen wir die Geschichte von Albert Einstein kennen.

María Isabel Sánchez Vegara – Little People, big Dreams: Albert Einstein weiterlesen

Cyril M. Kornbluth – Der Altar um Mitternacht. Phantastische Erzählungen

Verkappte Atomphysiker und andere Merkwürdigkeiten: 141 Jahre auf See – und dann?

„Etwa fünfzig Stories und mehrere Romane verschafften Cyril M. Kornbluth den Ruf eines ätzenden Zynikers und fähigen Satirikers, der trotz seiner patriotischen Einstellung die Schwächen der amerikanischen Gesellschaft zielsicher aufs Korn nahm.“ |Reclams Science Fiction Führer| schwelgt über Kornbluths realistische Darstellung seiner Zeit und die einfühlsame Schilderung der „kleinen Leute“, die Opfer der Umstände oder der technischen Neuerungen geworden sind.

Der vorliegende Auswahlband rechtfertigt seinen Anspruch, die besten SF-Storys des Autors zu präsentieren, durchaus. Die neuere, doppelbändige Übersetzung durch Franz Rottensteiner von 1987 ist der alten von Nichau aus dem Jahr 1969 deutlich überlegen.
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Cyril M. Kornbluth – Der Gedankenwurm. Phantastische Erzählungen

Wenn die allgemeine kosmische Harmonie ausbricht

„Etwa fünfzig Stories und mehrere Romane verschafften Cyril M. Kornbluth den Ruf eines ätzenden Zynikers und fähigen Satirikers, der trotz seiner patriotischen Einstellung die Schwächen der amerikanischen Gesellschaft zielsicher aufs Korn nahm.“ |Reclams Science Fiction Führer| schwelgt über Kornbluths realistische Darstellung seiner Zeit und die einfühlsame Schilderung der „kleinen Leute“, die Opfer der Umstände oder der technischen Neuerungen geworden sind.
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Jonathan Moore – Poison Artist

Inhalt

Ein Nachtschwärmer im Sog der Dunkelheit

Caleb Maddox ist Toxikologe, Schmerzforscher und Computerwissenschaftler. Aber das ist noch nicht alles: Er ist auch ein talentierter Hobbykünstler und ein gelegentlicher Gourmetkoch. Zu schön, um wahr zu sein? Nein! Denn seine düstere Seite macht ihn unzuverlässig, rücksichtslos sowie selbstzerstörerisch…

Die Handlung saugte mich sofort ein: Calebs Freundin ist nach einem explosiven Streit ausgezogen, also streift er durch die Bars von San Francisco, um sich zu betrinken. Dann trifft er auf eine atemberaubende Frau, die wie eine Droge auf ihn wirkt. Obwohl ihre Begegnung nur wenige Minuten dauerte, kann er sie nicht vergessen. Er isst kaum, schläft kaum, trinkt zu viel. Bei der Arbeit fällt er immer mehr unangenehm und er lässt nichts unversucht, um diese besondere Frau aufzuspüren. Jonathan Moore – Poison Artist weiterlesen

John Wyndham – Die Kobaltblume. Erzählungen

Besucher aus der Zukunft und auf dem Mars

Raum und Zeit sind die Themen, die der bekannte britische SF-Autor mit großem Einfallsreichtum in diesen Erzählungen abwandelt. Die Skala reicht von romantisch-heiteren Reisen durch die Zeit bis zum erschütternden Untergang einer außerirdischen Spezies. Mit Phantasie, menschlicher Wärme, Einfühlungsvermögen und liebenswürdigem Humor werden Probleme des modernen Menschen angesichts des Unbekannten dargestellt. (aus der Verlagsinfo)
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Carroll, Jonathan – Schlaf in den Flammen

_Rumpelstilzchens Enkel_

Schon mal vor dem eigenen Grab gestanden? Schon mal wiederauferstanden? Hieß Ihr Vater vielleicht Rumpelstilzchen? Fahren Sie nach Wien und/oder lesen Sie diesen Roman – ein außergewöhnliches Erlebnis ist Ihnen in jedem Fall gewiss.

_Handlung_

Der Roman beginnt wie ein Traum, der zu schön ist, um wahr zu sein. Den amerikanischen Schauspieler und Drehbuchautoren Walker – Carroll kennt sich im Filmgeschäft aus – verbindet eine enge Freundschaft mit dem extravaganten, aber durchaus genial zu nennenden Regisseur Nicholas. Auf einer gemeinsamen Reise lernt Walker eine Freundin von Nicholas kennen, die in seinen Augen wunderschöne Maris.

Maris kann er Wien zeigen, eine uralte Stadt, die bei Carroll, der hier an der American International School lehrt, so viel Magie und Rätsel enthält wie etwa „Alice im Wunderland“. Mit Maris kann Walker frei von der Leber weg reden und seine ganz persönlichen Beobachtungen besprechen, die er im Lauf des Tages so sammelt. Mit ihr kann er aber auch über Probleme sprechen, und das trifft sich gut, denn in nächster Zeit beutelt ihn das Schicksal doch ein wenig: Nicht nur sein Leben, auch ihres scheint bedroht zu sein.

Schließlich ist es zunächst einmal kein so wahnsinnig angenehmes Erlebnis, sein eigenes Grab zu entdecken, samt lebensechtem Konterfei auf dem Grabstein. Merkwürdig nur, dass der Mann, der nur einen Meter unter Walker liegt, bereits seit 30 Jahren tot ist.

Ein irrsinnige Achterbahnfahrt beginnt, in deren Verlauf Walker erkennen muss, dass er schon viele Male gelebt hat und immer wieder von seinem eigenen Vater umgebracht worden ist – bis jetzt. Und der Vater heißt – ach, wie gut, dass niemand weiß! – Rumpelstilzchen. Carroll hat den Leser schnurstracks ins Grimm’sche Wonderland entführt. Walker fragt sich, warum ausgerechnet er jenes Kind war, das sein „Vater“ der Königin stahl. Er verfällt auf die Lösung, die er in Hollywood gelernt hat: Er versucht, das Grimm’sche Drehbuch zu ändern! Doch die Brüder Grimm haben noch andere Pfeile im Köcher …

_Fazit_

Es ist eine wahre Lust, sich in das Labyrinth zu stürzen, das der Vollbluterzähler Carroll in diesem Roman bereithält. Es gibt reichlich Verwicklungen, und unter anderem tauchen wieder Figuren aus dem Roman „Laute Träume“ (Bones of the Moon) auf. Diese Verwicklungen sorgen nicht nur für eine hakenschlagende Handlung, sondern auch für eine Empfindungsskala, die von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt reicht.

Wer nicht auf Mord und Totschlag schielt, sondern auch mal wieder ein niveauvoll erzähltes Werk genießen möchte, der wird mit „Schlaf in den Flammen“ bestens bedient. In den letzten Jahren hat sich Carroll mehr der Krimiseite der Literatur zugewandt. Ich kann aus dieser Zeit zum Beispiel sein Buch [„Pauline, umschwärmt“ 1306 sehr empfehlen.

Nachbemerkung: Ein Freund erzählte Carroll einmal, er habe in Russland an einem Grab gestanden, auf dessen Grabstein ein Foto eingelassen war, das Carroll zum Verwechseln ähnlich sah … Das könnte also auch Ihnen passieren.

|Originaltitel: Sleeping in flame, 1988
Aus dem Englischen übertragen von Peter Bartelheimer|

Don Winslow – London Underground. Neal Careys erster Fall

Suchaktion mit Tücken

Der beste Privatdetektiv New Yorks in Londons Untergrund. – Die Tochter eines US-Senators ist in London abgetaucht. Privatdetektiv Neal Carey hat neun Wochen Zeit, sie aufzuspüren – unter acht Mio. Einwohnern, mit so gut wie keinem Anhaltspunkt, wo sie stecken könnte. Neal hat auf den Straßen New Yorks gelernt, wie man Menschen ausfindig macht. Doch nichts und niemand konnte ihn auf das vorbereiten, was ihn in London erwartet… (Verlagsinfo)

Der Roman war für den EDGAR Award nominiert und erhielt den „MALTESE FALCON Award“ (benannt nach Dashiell Hammetts verfilmtem Krimiklassiker). Er ist der erste von fünf Neal-Carey-Krimis.
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