Gentle, Mary – blaue Löwe, Der (Die Legende von Ash 1)

_|Die Legende von Ash|:_

Band 1: [„Der blaue Löwe“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=303
Band 2: [„Der Aufstieg Karthagos“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=333
Band 3: [„Der steinerne Golem“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=377
Band 4: [„Der Untergang Burgunds“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=420

_Söldner auf Abwegen: zwischen Golems, Klonen, Kampfmaschinen_

Der Historiker Pierce Ratcliff entdeckt im Jahr 2000 verschollene Dokumente, die ihn erkennen lassen, dass die Geschichte Europas im 15. Jahrhundert nicht so verlaufen ist, wie es die Lehrmeinung vertritt. Fasziniert liest er die Lebensgeschichte der jungen Frau Ash, die als Waise in einem der zahlreichen Söldnerhaufen des Spätmittelalters heranwächst.

Mit vierzehn gründet sie ihre eigene Kompanie, welche sich unter dem Banner des Azurblauen Löwen rasch Ruhm auf den in ganz Europa verstreuten Schlachtfeldern erwirbt. Schließlich werden Ash und ihre Männer in Ereignisse verstrickt, die ihr Schicksal nachhaltig verändern. Europa sieht sich einer unheimlichen Bedrohung aus dem Morgenland gegenüber, einer Armee, in der sich steinerne Riesen bewegen und die die Sonne verlöschen lässt …

_Die Autorin_

Mary (Rosalyn) Gentle wurde in England im Jahr 1956 geboren. Ihr erster Roman war ein durchschnittliches Jugendabenteuer mit dem Titel „A hawk in silver“ (1977, überarbeitet 1985). Bekannt wurde sie mit der Science-Fiction-Dilogie „Goldenes Hexenvolk“ (1983) und „Altes Licht“ (1987), in der eine Forscherin die Welt Orthe erkundet und auf die verborgene Superwaffe einer uralten, verschwundenen Alien-Rasse stößt.

Wesentlich interessanter sind ihre Fantasy-Romane aus dem „White-Crow“-Zyklus, in dem eine durch die Zeiten reisende Abenteurerin in alternative Versionen unserer Welt reist: „Rats and Gargoyles“ (1990), „The Architecture of Desire“ (1991) und die Haupterzählung in der Sammlung „Left to his own devices“ (1994), plus zwei der Erzählungen in der Sammlung „Scholars and soldiers“ (1989): „Beggars in Satin“ und „The Knot Garden“.

„Die letzte Schlacht der Orks“ (Grunts!, 1992) ist eine Parodie auf alle Fantasy-Epen, in denen die finale Schlacht zur Rettung der Welt ausgefochten wird, nur dass diesmal die Helden auf der falschen Seite stehen: die Orks. Vor ihrem Megaroman „Ash“ (1999) veröffentlichte sie drei Sammlungen von Erzählungen, die auf einer Shared World namens „The Weerde“ spielen. Diese Spielwiese durften auch andere Autoren benutzen.

_Hintergrund_

Im Spätmittelalter, das hier die Kulisse abgibt, bestanden andere Königreiche als heute: das Heilige Römische Reich Deutscher Nation hatte einen Kaiser, Frankreich hatte in Ludwig XI einen intriganten „Spinnenkönig“, und im Herzogtum Burgund, das sich von Brügge bis nach Savoyen erstreckte, herrschte der höchste damals bekannte Stand der Kultiviertheit, von der stärksten und bestausgebildetsten Armee mal ganz abgesehen. Viele Feinde gab es stets im Inneren – die Engländer führten einen Bürgerkrieg -, doch an äußeren Feinden gab es im Grunde nur einen: die Türken, die 1453 Konstantinopel, das heutige Istanbul, erobert hatten. Ihr Ansturm führte sie zweimal bis vor die Tore von Wien.

Der Aufhänger für Ashs alternative Weltgeschichte ist die Frage: Wie kam es dazu, dass dieses großmächtige Herzogtum Burgund mit dem Tode Herzog Karls im Jahr 1477 vollständig von der Landkarte verschwand? Könnte es sein, dass noch andere Mächte gewirkt haben, als die aus anerkannten Dokumenten bekannten?

_Handlung_

Mit acht Jahren wird Ash wegen ihres silbernen Haars von zwei Söldnern vergewaltigt, wobei sie Narben im Gesicht davonträgt. Sie tötet beide auf der Stelle. Der Hauptmann der Truppe lässt sie auspeitschen, aber das macht ihr nichts aus. Sie hat bereits mit ihrer eigenen Kriegerausbildung begonnen. Vielmehr schleicht sie ihm in den winterlichen Wald zu einer verfallenen Kapelle nach. Dort wird sie Zeugin eines Wunders. Ein echter Löwe erscheint, herbeigerufen von den Beschwörungen – und dem Fleisch auf dem alten Altar. Der Löwe entdeckt die versteckte Ash im Stechpalmengestrüpp und leckt ihr die Tränen vom Gesicht. Dann verschwindet er im Wald.

Als sie neun ist und bereits ein Kurzschwert tragen darf, bringt der Söldner Guillaume mit ihr eine alte Kuh zum Abdecker ins nahe Dorf. Aber der Zweck dieser Übung wird ihr erst klar, als er sie, nachdem er sie mit Innereien beworfen hat, auffordert, die mittlerweile aufgehängte Kuh zu töten. Das Tier zu töten, sei nämlich etwas ganz anderes als einen Menschen zu töten, der einen selbst angreift und dabei schreit und brüllt. Ash schafft es dennoch unter wildem Schluchzen und unter äußerster Kraftaufbietung, die wehrlose Kreatur ins Jenseits zu befördern.

Als sie zehn Jahre alt ist, kommt sie um ein Haar ums Leben. Sie steht mit ihrem Freund Richard auf der obersten Brüstung des Glockenturmw eines Dorfes, als sie die Truppen des Feindes nahen sieht: das Heer der Durchlauchtigsten Meerjungfrau. Ein Begreifen erfasst sie angesichts dieses Anblicks und der bevorstehenden Schlacht, dass ihre periode einsetzt und sie die Stimme hört. Es ist eine Stimme, die sie selbst unbewusst wiedergibt. Das versetzt Richard in echte Panik. Ist sie von Dämonen besessen? Die Stimme redet von einem taktischen Nachteil in der Schlachtformation. Und als die ersten Mörsergranaten der Geschichte auf ihrem Glockenturm einschlagen, machen sich Ash und Richard erst in die Hose und dann aus dem Staub.

Nach der verlorenen Schlacht werden auch die Gefangenen als Teil der Beute des Siegers verteilt. Eine Nonne, die sich für Ash interessiert, weil sie Stimmen hören soll, wird von dem schmächtigen Mädchen angefleht, sie hier wegzuholen, bevor die Soldaten ihr wehtun. – Damit endet die Schilderung des Winchester Codex aus dem Jahr 1495, also 28 Jahre nach der geschilderten Schlacht (vermutlich bei Mailand 1467).

|ASHS LEBEN, Buch 1|

Das nächste Buch schildert DAS LEBEN ASH, veröffentlicht von F. del Guiz im Jahr 1516, kombiniert mit einem Buch aus dem Jahr 1890 und eigenen Recherchen, die Pierce Ratcliff für sein Buch „Fraxinus“ dargestellt hat. Das 1. Buch von LEBEN trägt den Titel „Fortuna Imperatrix Mundi“ (Göttin Fortuna ist die Herrscherin der Welt).

Ein Jahr lang musste es das Mädchen mit dem silbernen Haar dem Narbengesicht bei den Nonnen aushalten, bevor Godfrey, ein junger Priester, sie herausholte und sie nach Genua brachte, wo sie sich der Kompanie des Greifen auf Gold anschloss. Nun, acht Jahre später, im Juni 1476, verfügt die Neunzehnjährige über ihre eigene Kompanie, immerhin 800 Mann aus ganz Westeuropa. Sie kämpft für den deutschen Kaiser Friedrich III, der seit rund 30 Jahren auf dem Thron sitzt. Sein Stadt Neuss wird von den Burgundern belagert, und die Belagerten essen nach all den Monaten bereits Katzen und Ratten.

Als Ash einen Trupp Reiter von rund 80 Mann ausmacht, lässt sie ohne Zögern zum Angriff reiten. Der blaue Löwe, der ihr Wappen schmückt, flattert im Wind. Die Attacke wird ein voller Erfolg, und erst kurz vorm Lager der Burgunder muss sich Ash zurückziehen, weil sie gegen Feuerwaffen keinen Schutz besitzt. Wird der Kaiser die unautorisierte Eigenmächtigkeit bestrafen? Wird er nicht: Er belohnt Ash weder mit Geld, Gold, Land noch einem Titel. Stattdessen tut er etwas viel Schlimmeres. Sie soll heiraten.

Ihr kaiserlich zugewiesener (und somit unabweisbarer) künftiger Ehemann ist ausgerechnet Fernando del Guiz (ihr späterer Biograph), den sie kurz zuvor beleidigt hat. Schlimmer noch: Als sie in Genua noch ein zwölfjähriger Backfisch war, hat er sie extrem gedemütigt. Und den soll sie jetzt heiraten? Auch seine Tante Constanza ist von diesem Mannweib Ash nicht gerade erbaut. Und jetzt stellt sich Ashs Arzt als eine Ärztin heraus – und als Fernandos Halbschwester Floria. Trotz all dieser Umstellungen gelingt es Ash, den Kopf nicht zu verlieren und das Beste draus zu machen. Und den Kaiser zu beleidigen – das ginge nun wirklich nicht.

Weil sie stets als Mann denkt, kommt sie selbst nicht drauf, was die Heirat für ihre Stellung bedeutet: Als Ehefrau geht all ihr weltlicher Besitz in die hand ihres Gatten über. Das bedeutet unter anderem, dass auch alle ihre Verträge mit den 800 Angehörigen ihrer Kompanie ihm gehören werden. Und damit unterstehen einen Angehörigen des Kaiserhauses, was wiederum den Kaiser besonders freuen dürfte – ein Truppenzuwachs mit einem Federstrich und einem Ja-Wort. Ash fällt ums Verrecken kein Mittel ein, um diese Katastrophe zu vereiteln. Ihr Ja-Wort ist mehr dem Zufall und ihrer Unachtsamkeit zu verdanken.

Im Dom zu Köln, wo sie soeben ruckzuck vermählt worden ist, hat sie jedoch eine folgenreiche Begegnung. Der Mann, der Ash unverhohlen den Hof macht, heißt Asturio Lebraja und ist der Gesandte der Westgoten, die in Karthago ein nordafrikanisches Reich aufgebaut haben, das gegen die mohammedanischen Türken kämpft. Seit die Muselmanen 1453 Konstantinopel erobert haben (also vor gerade mal 23 Jahren), lebt Westeuropa in permanenter Furcht vor Eroberung. Die Westgoten, so scheint es, haben nicht nur sehr fortschrittliche Technologie wie etwa einen lebenden Roboter, einen Golem, sondern sind auch führend in der Mathematik.

Deshalb verwundert es Ash, dass Kaiser Friedrich III noch in der Kathedrale einen Zornesausbruch laut werden lässt, dessen Opfer Lebraja und sein Kollege sind. Ein politisches Manöver, lassen Ashs Berater sie wissen. Die Westgoten haben den Kaiser um Truppenhilfe gebeten, die er nicht rundweg ablehnen will. Daher die gespielte Entrüstung. Das Ergebnis: Fernando del Guiz soll einen Teil seiner „neu erworbenen Truppen“ nach Karthago schicken, um die Südfront zu verstärken. Damit ist Ashs Kompanie gemeint. Sie soll mit Fernando und 200 Mann nach Genua reisen und von dort nach Nordafrika segeln.

|Die Invasion|

In der Hochzeitsnacht kommt Fernando seiner ehelichen Pflicht nach, aber die nächsten 15 Tage nicht mehr. Sorglos lässt er seine – ihre ehemalige Truppe – bis kurz vor Genua traben, so dass selbst Söldnerkollegen keine Mühe haben, sich einzuschleichen und Ash mal kurz hallo zu sagen. Es wäre aber völlig sinnlos, durch Widerspruch die Truppe zu spalten und so ins Chaos zu stürzen. Also hält Ash die Klappe.

Bis sie auf einem Hügel über den Nebel hinwegsehen kann: Genua steht in Flammen! Und was da im Hafenbecken liegt, sind keine Kauffahrer, sondern Kriegsschiffe der Westgoten. Es müssen mindestens 30.000 Mann sein, die sie an Bord haben. Truppentransporter schiffen Soldaten und Golems aus. Letztere sind dabei zu beobachten, wie sie Botschaften zu anderen Orten tragen – zu anderen eroberten Städten? Mit ihren Offizieren ist sich Ash einig, dass die Westgoten eine Invasion gestartet haben, aber nicht bloß eine in Italien, sondern eine in ganz Westeuropa.

Da sie Fernando überreden kann, dem Kaiser eiligst Nachricht zu bringen, zieht sich Ashs Truppe zurück – und gerät dabei mitten in einen Hinterhalt in einem engen Bergtal. Die Westgoten wollen verhindern, dass auch nur ein einziger Söldner oder Ritter entkommt, um den Kaiser zu warnen. Ash gedenkt, ihnen einen Strich durch diese finstere Rechnung zu machen …

_Mein Eindruck_

Roboterhafte Golems, Taktikcomputer in Karthago (!), die ihre Feldherren per Telepathie informieren – all das klingt nicht sehr nach Fantasy. Geschweige denn nach dem Mittelalter, dessen Bild man uns in der Schule überliefert hat. Unsere wachsenden Zweifel gegenüber den Schilderungen, die Ratcliffs präsentiert, werden Anna Longman, der Lektorin seines Verlags, geäußert: Will Ratcliff uns für dumm verkaufen? Sitzt er selbst einem aufgelegten Schwindel auf? Doch was ist mit dem Robotergolem, den er selbst mit einer Archäologin in den Ruinen nahe Tunis ausgräbt?

|Das 15. Jahrhundert|

Die Autorin nimmt uns mit auf einen wilden Ritt, der im ersten Band erst so richtig anfängt. Sie führt uns mitten hinein in ein Mittelalter, das sich an der Schwelle zur Neuzeit befindet, denn die Reformation ist nur noch fünfzig Jahre entfernt. Es ist die zeit der Umbrüche: Die Osmanen haben Konstantinopel, den letzten Rest des antiken Roms, erobert, und zwischen England und Frankreich wütet seit hundert Jahren ein Erbfolgekrieg – ebenso wie der Rosenkrieg zwischen den Häusern York und Lancaster. Burgund scheint inmitten dieser Auseinandersetzungen ein Hort der Ruhe, des Friedens und des Wohlstands zu sein.

|Religion|

In all diesen Kriegen gibt es jede Menge Arbeit für Söldner wie Ash. Die junge Frau hat von Jeanne d’Arc gehört, die etliche Jährchen vor ihr die Engländer besiegte und dafür von ihnen verbrannt wurde. Mit Religion hat Ash, die Silberhaarige, nichts am Hut. Ganz im Gegenteil: Religion verstellt den klaren Blick auf die militärischen und politischen Realitäten. Und es bedarf aller Informationen, um in diesen veränderlichen Bedingungen den Überblick zu bewahren. Liebe gibt es eigentlich nur pro forma, und sie ist ein kurzer Beischlaf, um der Ehepflicht des Zwangsgatten Genüge zu tun.

|Lesben|

Deshalb spielen für Ash die Loyalität und Treue ihrer Untergebenen, für die sie sich verantwortlich fühlt, eine so große Rolle. Mögen andere Frauen herumhuren, für sie kommt das nicht infrage, wenn sie ihren Ruf und den Gehorsam ihrer Offiziere bewahren will. Dennoch entsteht der eindeutige Eindruck, dass Ash auch dem eigenen Geschlecht zärtlich zugetan ist. Floria, die als Mann verkleidete Ärztin, legt sich gern in Ashs Bett, und sie ist nicht die letzte als Mann verkleidete Frau. Sie helfen ihr, sich als Frau unter lauter Männern zu behaupten.

|Westgoten|

Und nun diese Invasion der Westgoten. „Westgoten!?!“, fragt Anna Longman ungläubig, und auch wir fassen usn an den Kopf. Die Westgoten gab es doch nur in Spanien, als Ergebnis einer Völkerwanderung nach dem Untergang Westroms. OK, auch die Wandalen setzten sich in Ex-Karthago fest, um den Byzantinern das Leben schwer zu machen. Aber Roboter und Taktikmaschinen, noch dazu Klone? Das alles ist für Anna Longman schwer zu verdauen.

Es kommt aber noch härter für Ash. Die Westgoten haben eine ägyptische Finsternis über Südeuropa gelegt, der Himmel ist pechschwarz – und das ist keine vorübergehende Sonnenfinsternis, sondern der Beginn einer tödlichen Eiszeit. Vögel fallen vom Himmel, Ernten fallen aus, Gebrechliche stürzen in den Schnee. In dieser Endzeitstimmung lässt die Feldherrin der Westgoten Ash zu sich bitten.

|Geklont?|

Ash blickt überrascht und beunruhigt in ihr eigenes Gesicht. Sie und die „Faris“ teilen sich das gleiche Gesicht. Sie sind Ergebnisse des gleichen Zuchtprogramms der Westgoten, das nur ein Ziel hat: Denn als wäre die Existenz als Klon nicht schon schlimm genug, muss Ash auch mit der Erkenntnis leben, dass die Faris ebenso wie sie selbst per Gedankenübertragung die Informationen eines Taktikcomputers empfangen kann. Doch diese Fähigkeit gedenkt Ash, nur im alleräußersten Notfall preiszugeben. Sie trägt ja jetzt schon den Ruf, eine Heilige zu sein, die wie Jeanne d’Arc „Stimmen“ hört. Sie hat keine Lust, ebenso wie Jeanne auf dem Scheiterhaufen zu enden. Oder als Versuchskaninchen in den Kerkern der Westgoten.

|Ausblick|

Ash ist aus dem Kerker der Faris befreit worden, wenn auch unter schweren Verwundungen. Nun gelangt ihr Tross nach Burgund und – o Wunder aller Wunder! – dort scheint die Sonne wie im Juli. Dankbar lobpreisen die geretteten Subalternen die im Kloster genesende Feldherrin. Die denkt, dass sie dafür eigentlich überhaupt nichts getan hat. Aber Floria belehrt sie eines Besseren.

Die Pflicht wartet auf Feldherrinnen wie Ash. Zum einen will der herzog von Burgund, Karl der Kühne, sie in seiner Residenz zu Dijon sehen. Um zu anderen wollen ein paar Lancaster-Lords sie anheuern, um gegen die Westgoten – und das Haus York, versteht sich – zu kämpfen. Ash entscheidet sich für beides. Herzöge soll man nicht lange warten lassen, sonst bereut man es. Aber die Westgoten verdienen eine Lektion, findet sie. Und so entschließt sie sich, deren Taktikrechner zu zerstören – und dazu muss sie natürlich erst einmal nach Nordafrika.

_Die Übersetzung _

Der deutsche Leser kann froh sein, dass dieser voluminöse Roman in vier Teile von jeweils 550 bis 700 Seiten aufgeteilt wurde. Auf diese Weise kann er nämlich jeden Band in halbwegs vertretbarer Zeit bewältigen. Die Schrift ist groß, so dass die Augen nicht ermüden.

Die E-Mails sind in jeweils eigenen Abschnitten zusammengefasst und in einer anderen, serifenlosen, modernen Schrifttype gedruckt. Sie heben sich so auf den ersten Blick von der „Fiktion“ ab, obwohl sie ja selbst Teil der Fiktion der Autorin sind – eine Metaebene, die so manchen Anlass zum Schmunzeln, aber auch Neuigkeiten bereithält. So etwa stößt der Herausgeber von Ashs Lebensgeschichte in Karthago auf einen begrabenen Golem-Roboter …

|Fehler und Zweifelsfälle|

S. 150: „ihr ward“ statt „ihr wart“.
S. 294: „Es wir[d] ein Chaos.“ Das D fehlt.
S. 322: „Ich habe noch nie gegen Westgoten gekämpft? Wie ist es so?“ Das erste Fragezeichen müsste ein Punkt sein.
S. 366: „Westogenemire“ sollte „Westgotenemire“ heißen.
S. 382: „Das ist mein Gesicht; so sehe ich auch …“ „Auch“ sollte „aus“ heißen.
S. 409: „Das hier ist keine Romanze wie die von Artus oder Peredur.“ „Romanze“ sollte besser „Abenteuergeschichte“ heißen.
S. 463: „Früher ward Ihr Maler.“ Siehe S. 150!
S. 524: „Die Debatte war in Geschrei ausgeastet.“ „Gemeint ist „ausgeartet“.
S. 534: „als hätte[n] wir Ihren akademischen Ruf nicht überprüft.“ Das N fehlt.

_Unterm Strich_

Ein abenteuerliches Mittelalter, das man so nie bei Umberto Eco oder Dan Brown finden wird! Ash ist eine Feldherrin in männlicher Rüstung, die sich ihrer Haut zu wehren weiß (merke: eine Rüstung dient auch als Waffe) und sich die Treue ihrer Offiziere versichern kann. Ihr „Arzt“ wird zu ihrer lesbischen Geliebten, und die fremde Feldherrin aus Nordafrika zu ihrer geklonten Schwester. Als wäre dies nicht genug, machen Kampfmaschinen und telepathische Taktikcomputer Südeuropa unsicher.

Wer weiß, was noch alles an Zumutungen folgt, fragt die Lektorin Anna Longman verunsichert ihren Autor Prof. Pierce Ratcliff, der ihr ein Werk namens „Ash: Die verlorene Geschichte von Burgund“ auftischt. Sind seine Quellen wirklich zuverlässig, ist nur eine ihrer vielen Fragen, die uns aus der Seele sprechen. Auf dieser Metaebene entspinnt sich der häufig ironische Diskurs über die Art und Weise, wie überlieferte Geschichte zustandekommt. „Historische Wahrheit“ entwickelt sich zu einem Begriff, der zunehmend hohler und fragwürdiger wird, je unsicherer und seltsamer die Quellen, die Racliff präsentiert, dem Leser erscheinen.

Das Rätsel um Ash und Burgund zu lüften, erfordert indes drei weitere Bände. Diese dürften noch für etliche erotische und militärische Abenteuer sorgen. Ich jedenfalls fand schon den Auftaktband sehr interessant und unterhaltsam.

|Taschenbuch: 540 Seiten
Originaltitel: A Secret History – The Book of Ash Part 1
Aus dem Englischen übersetzt von Rainer Schumacher
ISBN-13: 978-3404205660|
http://www.luebbe.de

_Mary Gentle bei |Buchwurm.info|:_
[„1610: Der letzte Alchemist“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2360
[„1610: Kinder des Hermes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2662
[„1610: Söhne der Zeit“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2681

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