Monster aus der Stadt bei den Teufeln vom Lande
Jessica möchte einen günstigen Gebrauchtwagen kaufen. Als sie mit dem Besitzer alleine in dessen Wohnung ist, fällt er über sie her und vergewaltigt sie. Jessica will nur noch eines: Rache. Deshalb entführt sie den Mistkerl in die einsame Wildnis. Sie will ihn erschießen, er soll sterben.
Aber die beiden befinden sich an einem bösen Ort. Die inzüchtigen Einwohner des Städtchens Hopkins Bend hüten seit Generationen ein grauenvolles Geheimnis – und Jessica kommt ihnen für ihre perversen Spiele gerade recht. (Verlagsinfo)
Der Autor
Bryan Smith lebt in Murfreesboro, Tennesee/USA. Er schreibt mit einer explosiven Kraft. In Rekordzeit hat er sich an die Seite von Richard Laymon, Edward Lee und Jack Ketchum gekämpft, in die Riege der Kultautoren brutaler Thriller. Mehr Info: http://thehorrorofbryansmith.blogspot.de/(Verlagsinfo)
Weitere Werke bei Festa:
1) Seelenfresser
2) Todesgeil
3) Verrottet
4) Rock-and-Roll-Zombies aus der Besserungsanstalt
5) Die Freakshow
6) Reborn
7) Blutgeil
8) Abschaum
9) Die Finsteren
Handlung
Jessica
Ein Klopfen ertönt aus dem Kofferraum des alten Ford Falcon. Jessica Sloan, die Fahrerin der alten Kiste, ist genervt: Es ist ihr Vergewaltiger Hoke, ein alter Hippie aus Nashvilles goldener Zeit. Er hat sie vegewaltigt, aber da geriet er bei ihr an die falsche. Sie ging nach Hause, holte ihren Revolver und zwang ihn, in den Kofferraum zu steigen. Gut, dass ihr Dad in der US Army war und ihr das Schießen beibrachte, denkt sie selbstzufrieden.
Nun kutschiert sie über die Route 42 in die Wildnis von Tennessee, durch Käffer wie Hopkins Bend. Gerade als sie einen hübsch einsamen Flecken gefunden hat, um Hoke zu exekutieren, tauchen jedoch diese Typen mit Flinten auf. Jessica gelingt jedoch die Flucht in die dichten Wälder. Zu dumm, denkt sie reumütig, dass sie nicht auch einen der vielmals angebotenen Survivalkurse ihres Dads besucht hat. So könnte sie sich jetzt leichter in der Wildnis zurechtfinden. Als sie weiterhin verfolgt wird, stößt sie unerwartet auf einen Jungen. Er nennt sich einen von den Kinchers aus Hopkins Bend.
Da spürt Jessica den Lauf einer Flinte am Hinterkopf. Der Junge und der Schütze beginnen sich doch tatsächlich darum zu streiten, wem von beiden Familien sie – Jessica höchstpersönlich – gehören soll, den Kinchers oder den Maynards. Jessica hat keine Lust, irgendjemand zu gehören und zieht ihren Revolver …
Pete und Megan
Pete Miller und Megan Phillips kommen aus der großen Stadt und wollen auf dem Land Freunde besuchen. Sie sind ein glückliches junges Pärchen. Aber nicht mehr lange. Als Pete an einer ländlichen Tankstelle Benzin nachfüllen will, stellt er fest, dass sich zwar drei Männer in der Station befinden, er aber keinen Sprit bekommt. Statt dessen wird er bewusstlos geschlagen, vergewaltigt und abtransportiert. Megan bemerken die drei brutalen Typen nicht. Nun muss sie sich, da ihr Auto weg ist, wirklich was einfallen lassen.
Als sie die Landstraße entlangwandert, fällt ihr Blick auf etwas Blinkendes: eine Brieftasche mit einem Ausweis, der einer jungen Frau namens Michelle Runyon gehört hat. Bestimmt ein weiteres Opfer von Petes Entführern. Da! Endlich ein Polizist! Aber was sie als Retter in der Not erhofft hat, entpuppt sich im Handumdrehen als brutaler Scheißkerl, der sie sofort in Handschellen steckt und in seinen Wagen verfrachtet. Was hat er bloß mit ihr vor. Will er sie etwa an Petes Entführer ausliefern?
Abby
Abby lebt bei Oma Maynard. Die alte Schachtel hurt immer noch rum. Sie piesackt Abby, weil sie als einzige von ihren Töchtern noch kein Balg zur Welt gebracht hat. Was stimmt nicht mit mir, fragt sich Abby wohl zum tausendsten Mal. Nicht, dass sie es nicht tauensend Mal mit den Männern aus der Umgegend probiert hätte, aber ihr Bauch scheint wie zugestöpselt zu sein.
Oma Maynard schickt sie in den Keller, um nach dem Abendessen zu sehen, denn sie plant einen Festschmaus. Das Abendessen hängt an Ketten von der Decke und ist immer noch bei Bewusstsein. Abby bewundert sein Durchhaltevermögen. Das Mädchen ist jung, frisch und muskulös, kurzum: ein feiner Braten für Oma Maynard. Da beginnt das Abendessen, verlockend zu sprechen. Es heiße Michelle Runyon …
Hoke
Hoke ist den Flintenmännern in den Latzhosen entwischt, denn die waren auf einmal nur noch hinter Jessica her. Dieser Schlampe gönnt er ihre Verfolger. Sie wollte es doch! Warum ihn also bestrafen? Hoke schlägt sich in die Büsche und gelangt nach einer Weile zu einem Anwesen, das wie ein verfallender Bauernhof aussieht. Die Scheune sieht wie ein gutes Versteck aus. Da steht auf einmal ein Mann ohne Gesicht im Halbdunkel. Er sagt, er sei hier in Hopkins Bend seit 1875 und habe die Gegend mit einem Fluch belegt. Der spinnt doch, der Typ, denkt Hoke. Doch dann zeigt ihm der Kerl in Schwarz sein Gesicht … Hoke fällt in Ohnmacht.
Mein Eindruck
Die Figuren kommen meist aus der Stadt und verirren sich mehr oder weniger im Hinterland, irgendwo zwischen New York und Nashville. Das könnte der Auftakt zu einem hübschen Slasher-Film mit diversen Mutanten sein, die auf dem Land durch Inzest entsprechend degeneriert sind. (Über West-Viriginia gibt es entsprechende Witze.) In diesem Roman ist es jedoch noch ein Dreh schlimmer. Der Teufel hat in Gestalt eines Halb-Dämons, dem „Kerl in Schwarz“, seine Herrschaft errichtet und lässt sich einmal im Jahr Opfer darbringen. Pech also für die Neuankömmlinge, dass sie gerade am Vorabend dieses Feier-Tages eintreffen. Sie werden sofort als Festbraten angesehen.
Oder auch nicht. Megan beispielsweise wird gleich vom Sheriff als Sklavin gefangengenommen und an ein Striplokal mit Bordellbetrieb, dem „Sin Den“ (Sündenpfuhl) verhökert. Sie ist selbst erstaunt, wie gut sie dort auftritt und den Kerlen vom Land ordentlich einheizt. Wow, sie entdeckt Seiten an sich, die sie noch gar nicht kannte. „Take a walk on the wild side, baby!“, sagt sie sich und macht weiter. Bis ihr die Kunden – etwa Undercover-Cops und Lesben – zu gewalttätig werden und sich mit ihrer neuen Freundin auf den Weg macht, ihre eigene Show im Web aufzuziehen.
Jede der Figuren, mit Ausnahme von Abby Maynard, erlebt ihren persönlichen Albtraum und verwandelt sich in etwas anderes. (Und wer gleich zu Beginn die drei Epiloge mit den Endergebnissen dieser Transformationen liest, bringt sich um das ganze Vergnügen.) Pete, Megans Freund, findet in Justine eine Freundin aus der Hölle, die ihn gleich dazu einspannt, Rache an den Degenerierten zu nehmen, die sie gefangen hielten. So kommt Pete auf die Idee, den Spieß umzudrehen und seinen Oberpeiniger wie einen Festbraten zu behandeln …
Die Ironie ist unterschwellig, aber durchaus vorhanden. Das trägt erheblich zum Unterhaltungswert des Buches bei. Manchmal sind sich die Figuren ihrer sogar bewusst und mokieren sich selbst über die lustigeren Aspekte der Auseinandersetzungen. Ich denke hier speziell an Jessica, Hokes Vergewaltigungsopfer, das sich nicht nur an ihm rächt, sondern an sämtlichen schrägen Typen, die sie wieder einfangen wollen.
Sie mutiert zu einer Killermaschine. Gelernt ist gelernt, sie ist Daddys braves Mädchen: Er hat ihr beigebracht, wie man eine 45er einsetzt, ohne eine lahme Schulter zu bekommen. Sie zählt definitiv zu den Überlebenden, und als sie schließlich Daddy herbeiruft, reitet alsbald die Kavallerie zu Hilfe, um aufzuräumen. Dessen Chefs haben eine ganz besondere Aufgabe für sie – in Afghanistan und anderswo.
Aber nicht gleich. Das Gegenbeispiel für einen Albtraum erlebt Abby Maynard. Sie wird zwar ebenfalls vergewaltigt – das passiert ungefähr jeder Figur – doch in Michelle, dem „Abendessen“, findet sie eine neue Gefährtin. Sie hofft, dass sich ihr Traum erfüllt, dieser Hölle aus degenerierten Kerlen und teuflischen alten Weibern entrinnen zu können. Doch Abbys Erwachen aus diesem Traum ist umso bitterer – die Realität in Michelles Kopf sieht keinen Platz für solche wie Abby vor.
Die Übersetzung
Zum größten Teil ist der Text der Übersetzung frei von Druckfehlern, und auch der sprachliche Stil ist einwandfrei gelungen. Es gibt aber ein paar Fehler und Aspekte, die nicht unerwähnt bleiben sollen.
S. 178: „Die Ränder seiner Traumbilder verschwommen allmählich.“ Korrekt wäre „verschwammen“.
S. 370: Ein ganz besonders perfider Fehler findet sich hier, denn nur der aufmerksame Leser, der mitdenkt, stolpert darüber:
>>Er [Pete] erhob sich und bot ihr [Justine] seine Hand an, um ihr aufzuhelfen. Sie erlaubte ihm, ihn (!!) hochzuziehen, und sie schlenderten …über den Strand zum Haus …<< Da er sie hochzieht und nicht umgekehrt, muss es statt „ihn“ richtig „sie“ heißen.
Dass das Buch an manchen scharfen Stellen auch vom Autor abgemildert wurde, belegt eine Stelle auf S. 171: Pete und Justine sind das erste Mal miteinander im Clinch, wobei sie eindeutig der dominante Partner ist. Dann heißt es auf S. 171 unten: „Sie warf ihn zu Boden setzte sich auf sein Gesicht. Das dauerte eine ganze Weile. Als es vorbei war, stieg sie von ihm herunter …“ Nun darf sich jeder Leser selber vorstellen, was an dieser Stelle wohl passiert sein könnte.
Ich will hier keine Spekulationen anstellen. Frank Festa, der deutsche Verleger, versichert, dass er keinerlei Zensur vornimmt, auch hier nicht.
Unterm Strich
„Cabin Fever“, „Wrong Turn“ und viele weitere Slasher-Nachahmungen des Hinterwäldler-vs. Städter-Klassikers „Beim Sterben ist jeder der erste“ (1972, mit Jon Voight und Burt Reynolds) standen auch bei diesem Horrorgarn Pate. Doch statt einem hohen Body Count auf der Seite der Neuankömmlinge verwandeln sich diese unter dem Druck der albtraumhaften Erlebnisse und zahlen es ihren Peinigern heim. Die Ironie dabei: Die Städter sind moralisch degenerierter und in der Gewaltanwendung wilder als die Landbevölkerung.
Einer der standardmäßigen Katalysatoren für solche Transformationen ist natürlich Sex. Reichlich und zahlreich wird hier Sex zelebriert, meist ordentlich zwischen Männlein und Weiblein, häufiger zwischen Lesben und mitunter auch – aber das wird nicht ausgemalt – zwischen Kerlen. Pete beispielsweise kann ein Lied davon singen. Sein Missbrauch zerbricht die dünne Schale der Zivilisiertheit und lässt ein Monster hervortreten, das sich mit den berühmtesten Serienkillern der Geschichte messen kann.
Obwohl also durch die Mutanten der Kincher-Farm, die auf den Einfluss eines Halb-Dömom zurückgehen, die amerikanische Landbevölkerung einen denkbar schlechten Ruf hat, so ist er doch nichts gegen die Amoralität der Städter, die auf dem Lande einfallen oder gefangengenommen werden. Der Auftritt der Sheriffstruppe als Zuhälter, Sklavenhalter und Sklavenhändler mag schockieren, ist aber nur eine konsequente Übertragung goreanischer Verhältnisse auf die Moderne. Und die Goreaner, wir wissen es auch mittlerweile 32 Bänden, haben ihre Sitten direktemang aus der irdischen Antike importiert, also von Rom und Athen abgeguckt.
„Verkommen“ ist also in dieser Hinsicht kein moralisches Urteil, sondern vielmehr die Umsetzung eines Anachronismus. Dass der „Anachronismus“ der Sklaverei inzwischen überall auf der Welt Millionen Opfer zu verzeichnen hat, kann der entsprechend informierte Leser assoziieren, doch vom Autor wird dies nicht angeregt. Das finde ich etwas schade. Seine Kritik an den Verhältnissen in den USA erfolgt unterschwellig und häufig durch Ironie. Es ist denn auch nur konsequent, dass der Teufel vom Lande, der als „Kerl in Schwarz“ auftritt, von einer Teufelin aus der Stadt ausgetrieben wird.
Auffällig ist, dass es vor allem weibliche Figuren sind, die in „Verkommen“ höchst aktiv und gewalttätig werden. Sie ergreifen stets die Initiative, gehen Risiken ein – und überleben auch meistens. Was man von den meisten männlichen Figuren nicht eben behaupten kann – den Teufel eingeschlossen.
Eine nähere Analyse dieser Darstellung der Geschlechterrollen könnte sich lohnen. Auf jeden Fall finden sich aktive Frauen als weltliche Dämoninnen auch in Smiths Romanen wie „Kayla and the Devil“ wieder. Das macht Smiths Horror wieder sympathisch.
Taschenbuch: 380 Seiten
Originaltitel: Depraved (2009)
Aus dem US-Englischen von Doris Hummel
ISBN-13: 978-3865521408
http://www.festa-verlag.de
Der Autor vergibt: