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Brian Lumley – Necroscope 2 – Vampirblut (Lesung)

Die Wege von Harry Keogh, dem Nekroskopen, und Boris Dragosani, dem Nekromanten, kreuzen sich und die Konfrontation ist unausweichlich. Doch beide kämpfen nicht alleine, sondern mit Unterstützung unheimlicher Verbündeter.

Der Autor

Brian Lumley wurde 1937 in England geboren. 1981 beendete er seine Militär-Karriere. Seither arbeitet er als freier Schriftsteller. Seine ersten Veröffentlichungen standen ganz unter dem Einfluss von H. P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos. 1986 schuf Brian Lumley mit seiner Vampir-Saga „Necroscope“ eine der erfolgreichsten Horror-Serien der Welt. Alleine in den USA haben sich seine Bücher weit über 2 Millionen Mal verkauft. So wie Brian Lumley den Vampir darstellt, hat es noch kein Autor zuvor gewagt. Mittlerweile hat Brian Lumley mehr als 50 Bücher veröffentlicht und schreibt fleißig weiter. Er und seine Frau Barbara Ann leben in Devon, England. (Verlagsinfo)
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H. P. Lovecraft / Lin Carter / Robert E. Howard / D. R. Smith / Christian von Aster – Der Cthulhu-Mythos (Lesungen)

Zwei dieser Horror-Erzählungen begründeten den Cthulhu-Mythos, die anderen führen ihn weiter. Die inszenierte Lesung wird getragen von der beeindruckenden und (in Grenzen) wandlungsfähigen Stimme von Joachim Kerzel. Ein Schmankerl sind die Lebensbeschreibung und die Story-Einführungen von „H. P. Lovecraft selbst“, geschrieben von Verleger Frank Festa.

Dieses Produkt wurde zum „Besten Hörbuch/Hörspiel des Jahres 2002“ (|Deutscher Phantastik-Preis| 2003) gewählt.
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Lumley, Brian / Lansdale, Joe R. / Lovecraft, H. P. / Meyrink, Gustav / Laymon, Richard – Necrophobia 1

Sechs Horrorgeschichten versammelt dieses Hörbuch, darunter einige Spitzenkräfte des Genres wie etwa H. P. Lovecraft.

Es handelt sich um ein „inszeniertes Hörbuch“. Das heißt, es wurde mit Musik und dezenten Toneffekten wie Hall oder Stimmverzerrung produziert. Das Ergebnis ist fast ebenso perfekte Unterhaltung wie ein Film, nur viel näher am Original, wie es der Autor beabsichtigt hat.

_Die Autoren_

Brian Lumley wurde 1937 in England geboren. Seit 1981 seine Militärkarriere endete, lebt er als freier Schriftsteller. Zunächst eiferte er H. P. Lovecraft (s. u.) nach, doch mit seiner großen Vampir-Saga [„Necroscope“ 779 gelangte er zu Bestsellerehren.

Joe R. Lansdale, geboren 1951 in Texas, war zunächst Gelegenheitsarbeiter, bevor er sich 1981 ausschließlich dem Schreiben widmete. Er schrieb Western, Fantasy, Abenteuerbücher, Krimi, Horror und Thriller. Jedes seiner Werke sei originell und unverwechselbar, schreibt der Verlag. Aus dem Geheimtipp sei ein renommierter Erfolgsautor geworden. Leider ist er in Deutschland noch unterrepräsentiert.

H. P. Lovecraft (1890-1937) wird allgemein als Vater der modernen Horrorliteratur angesehen. Obwohl er nur etwa 55 Erzählungen schrieb, hat sein zentraler Mythos um die Großen Alten, eine außerirdische Rasse bösartiger Götter, weltweit viele Nachahmer und Fans, und zwar nicht nur auf Lovecrafts testamentarisch verfügten Wunsch hin.

Gustav Meyrink (1868-1932) zählt zu den Klassikern der deutschsprachigen Phantastik (und galt zu Lebzeiten als äußerst streitbar und politisch engagiert). Seine unheimlich-grotesken und esoterischen Werke wie „Der Golem“ und „Walpurgisnacht“ sind trotz vieler Nachahmungsversuche unerreicht geblieben.

Richard Laymon wurde 1947 in Chicago geboren. Erste kürzere Werke erschienen zu Beginn der 70er Jahre. Der Roman „The Cellar“ (1980) entwickelte sich zum weltweiten Bestseller. Laymon hatte etwa 50 Romane geschrieben, als er am Valentinstag, dem 14.2.2001, völlig unerwartet an einem Herzanfall starb.

Graham Masterton wurde 1946 im schottischen Edinburgh geboren. Zunächst arbeitete er als Journalist, seit 1970 lebt er als freier Schriftsteller. So veröffentlichte er sehr erfolgreiche Ratgeber zum Thema Sexualität und Partnerschaft. 1975 landete er mit dem unheimlichen Roman [„The Manitou“ 754 einen Bestsellererfolg, der auch verfilmt wurde. Seither hat er etwa 45 weitere Horrorromane veröffentlicht.

_Die Sprecher_

Joachim Kerzel ist der Synchronsprecher von Hollywoodstars wie Jack Nicholson und Dustin Hoffman. Durch zahlreiche Bestseller-Lesungen – etwa von Ken Follett und Stephen King – hat er sich einen Namen gemacht.

Lutz Riedel ist die deutsche Stimme von Timothy Dalton und stellt hier wieder mal seine herausragenden Sprecherqualitäten unter Beweis.

Nana Spier leiht neben „Buffy“ auch Drew Barrymore ihre Stimme und überzeugt durch völliges Eintauchen in die jeweilige Rolle.

David Nathan ist Regisseur und gilt zudem als einer der besten Synchronsprecher Deutschlands, u. a. von Johnny Depp. Schade, dass man ihn nur sehr kurz mit einer einzigen Story zu hören bekommt: mit „Mein toter Hund Bobby“.

_Die Geschichten_

– |Brian Lumley: In der letzten Reihe| (1988; 21:26 Min.): Ein alter Mann geht mal wieder in sein Lieblingskino, weil ihn das an seine verstorbene Frau erinnert. Doch diesmal kann er sich nicht auf den Film konzentrieren. In der Reihe hinter ihm ist ein junges Pärchen heftig mit Liebesdingen beschäftigt und zwar so laut und eindeutig, dass er sich schließlich umdreht, um die beiden zur Ruhe zu gemahnen. Was er als Antwort hört, ist jedoch ein warnendes Knurren! Erst am Schluss der Vorstellung wagt er wieder, sich den beiden Radaubrüdern zuzuwenden. Was er erblickt, lässt ihm das Blut in den Adern gefrieren. Aber die eigentliche Pointe erfolgt erst mit den letzten Wörtern der Story.

– |Joe R. Lansdale: Mein toter Hund Bobby| (1987, 3:46 Min.): Selten eine derart makabre Story gehört! Ein Junge spielt mit „seinem toten Hund Bobby“, genau, nur dass dieser wirklich tot ist und der Junge ziemlich üble Dinge mit ihm anstellt. Danach kommt der Hund wieder in die Gefriertruhe, wo schon die tote Mutti wartet …

– |H. P. Lovecraft: Pickmans Modell| (1927, 43:18 Min.): Der Großmeister des Horrors bemüht diesmal keine Großen Alten mit unaussprechlichen Namen, sondern ein paar simple Maler. Denkt man. Der Malerverein von Boston, Massachusetts, steht offenbar kurz davor, sein Mitglied Pickman auszuschließen. Seine Ansichten sind ja schon absonderlich, doch seine Motive sind – ja was? – grauenerregend. +++ Doch ein Kollege namens Thurber, der Ich-Erzähler, hält zu Pickman durch dick und dünn. Und so wird ihm die Ehre zuteil, Pickmans anderes Haus besuchen zu dürfen. Es liegt in einem uralten und verwinkelten Viertel, dem North Hill, nahe dem Copse Hill Friedhof. Man sagt, das Viertel stamme aus dem 17. Jahrhundert, als im nahen Salem die Hexen gehängt wurden. Pickmans Ahnin sei eine davon gewesen, bestätigt der Künstler. +++ Die Motive der Gemälde und Studien, die Thurber zu sehen bekommt, sind noch um einiges erschreckender als bislang Gesehene: Leichenfresser einer Spezies von Mischwesen aus Mensch, Hund und Ratte, die Schläfern auf der Brust hocken (à la Füßli) und sie würgen. +++ Das Beste wartet aber im Keller, wo sich ein alter Ziegelbrunnen befindet, der möglicherweise mit den alten Stollen und Tunneln verbunden ist, die North Hill und den Friedhof durchziehen. Hier fallen Revolverschüsse, und Thurber gelingt es, ein Foto zu erhaschen, das die Vorlage zu Pickmans neuestem Gemälde zeigt. Was Thurber bislang für Ausgeburten einer morbiden Fantasie gehalten hat, ist jedoch konkrete, unwiderlegbare Realität …

– |Gustav Meyrink: Das Präparat| (1913, 14:40): Im Prag der Jahrhundertwende besprechen zwei Freunde namens Ottokar und Sinclair das Problem, dass ihr Freund Axel verschwunden ist. Aber sie haben einen Hinweis darauf erhalten, wo er sich befinden könnte: im Haus eines persischen Anatomen. Der Entschluss ist schnell gefasst; mit einem Trick haben sie den Mediziner fortgelockt. Im Haus selbst finden sie Axel – oder vielmehr das, was von ihm noch übrig ist. Viktor Frankenstein wäre stolz auf dieses „Präparat“ gewesen. Herz, Lungen, Adern sind noch vorhanden. Und der Kopf kann sprechen. – Leider fehlt dieser Story irgendwie die Pointe.

– |Richard Laymon: Der Pelzmantel| (1994, 23:08). Anfang und Mitte der neunziger Jahre machten militante Tierfreunde Jagd auf Leute, die Pelze trugen. In dieser Story treten sie in Gestalt zweier rabiater Frauen auf, die Janet, eine 36-jährige Witwe angreifen, weil sie einen Hermelinpelzmantel trägt. Obwohl Janet diese kostbare Erinnerung an ihren geliebten verstorbenen Gatten mit Klauen und Zähnen verteidigt und eine lange Verfolgungsjagd liefert, unterliegt sie am Ende doch. Allerdings geben sich die beiden Verfolgerinenn nicht damit zufrieden, wie sonst den Pelzmantel und das Haar der Trägerin mit roter Farbe zu besprühen. Sie wollen mehr. Schließlich werden ja auch die Tiere, die um ihres Fells wegen getötet werden, letztendlich gehäutet … – Diese Story geht wirklich bis zum Äußersten, konsequent bis zur entscheidenden Andeutung.

– |Graham Masterton: Ein gefundenes Fressen| (1990, 31.21): Die Brüder David und Malcolm sind Schweinezüchter im Gebiet zwischen Nordengland und Südschottland. Allerdings läuft das Geschäft sehr schlecht. Als David aus der Stadt in den Stall zurückkehrt, schaltet er die Lichter und die Futtermaschine ein. Ein markerschütternder Schrei ertönt! Die Schreie hören nicht auf, denn sie kommen aus der Futtermühle, einem sehr zuverlässigen deutschen Fabrikat. Malcolm steckt darin, und ist, bis David den Stopp-Knopf findet, bereits halb von den Scherblättern zermahlen. +++ Statt in Schmerzen zu vergehen, behauptet Malcolm jedoch, himmlische Ekstase zu empfinden. David tut ihm den Gefallen, ihn vollständig zu zermahlen. Tage später fällt David den Zähnen des tückischen alten Ebers Jeffries zum Opfer. Hoffnungslos zerbissen und blutend sehnt er sich nach der Ekstase, die Malcolm im Augenblick des Sterbens erfahren hat. Leider erlebt er eine böse Überraschung. – Auch diese Story geht bis zum Äußersten, liefert aber noch eine witzige Pointe am Schluss.

_Die Sprecher_

Joachim Kerzel ist ein Meister, der die Kunst, eine effektvolle Pause an der richtigen Stelle zu machen, perfektioniert hat. Daher sind die Geschichten, die er vorträgt, von höchster Wirkung, der sich niemand entziehen kann.

Lutz Riedel verfügt über eine ähnlich tiefe Stimme wie Kerzel und vermag den entsprechenden Gruseleffekt mühelos hervorzurufen. Nana Spier liest die Geschichte „Der Pelzmantel“, in der fast nur Frauen auftreten, mit Überzeugungskraft und ohne Zögern bei den intimeren weiblichen Details – die Geschichte ist nämlich auch sehr erotisch. David Nathans Auftritt ist, wie gesagt, leider viel zu kurz, aber einwandfrei.

Andy Materns Musik wird den Texten selbst sehr dezent unterlegt. Leise Pianotöne setzen an den Stellen ein, in denen die Story auf die Zielgerade gelangt. Dies steht im krassen Gegensatz zur Pausenmusik, die bombastischen Horror beschwört. Na ja.

_Unterm Strich_

Ob dies wirklich „die besten Horrorgeschichten der Welt“ sind, weiß ich nicht, aber sie gehören sicherlich in die oberste Liga, allen voran die klassische Story „Pickmans Modell“ von Lovecraft. Man kann auch nicht sagen, es wäre eine schwache darunter, allenfalls Meyrinks Geschichte kommt in diese Region, denn die Pointe scheint zu fehlen.

Die zweite CD geht mit den beiden jüngsten Geschichten weg vom subtilen Psychohorror und richtig ans Eingemachte. Das Einzige, was die Blutrünstigkeit der Masterton-Story noch übertreffen könnte, wäre eine Story von Clive Barker, etwa „Jacqueline Ess – ihr Wille und Vermächtnis“ oder „Das Leben des Todes“ aus den [„Büchern des Blutes“. 538

Und wieder einmal fehlt eine Geschichte von einer Frau. „Die gelbe Tapete“ von der Amerikanerin Gilman wäre nicht schlecht.

|137 Minuten auf 2 CDs|

[Necrophobia 2 1073 erschien im März 2005.

Lovecraft, H. P. – Berge des Wahnsinns (Hörbuch)

_Warnung an die Welt: Horror in der Antarktis_

In Form eines Tagebuchs und in Dialogen mit seinem Professor zeichnet der Geologe William Dyer den Verlauf seiner letzten, unglückseligen Expedition in die Antarktis anno 1930/31 nach. Zunächst suchten er und sein Team, darunter ein Anthropologe, nach ungewöhnlichen Gesteinsarten. Doch dann türmt sich vor ihren Augen ein Gebirge von gewaltigen Ausmaßen auf, das seltsamerweise quaderförmige Auswüchse und eckige Höhlen aufweist.

In einer solchen Höhle macht der Anthropologe eine beunruhigende Entdeckung: vierzehn tonnenförmige Gebilde. Als der Funkkontakt zu dessen Lager abbricht, muss sich Dyer mit einem Suchtrupp dorthin begeben. Was sie vorfinden, lässt Dyers Studenten Danforth wahnsinnig werden …

Mit diesem Hörbuch liegt erstmals die ungekürzte Originalfassung in moderner deutscher Übersetzung als Lesung vor. Bislang gab es alte Übersetzungen und ein Hörspiel zu belauschen.

_Der Autor_

Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) wird allgemein als Vater der modernen Horrorliteratur angesehen. Obwohl er nur etwa 55 Erzählungen schrieb, hat sein zentraler Mythos um die Großen Alten, eine außerirdische Rasse bösartiger Götter, weltweit viele Nachahmer und Fans gefunden, und zwar nicht nur auf Lovecrafts testamentarisch verfügten Wunsch hin.

Aber Lovecrafts Grauen reicht weit über die Vorstellung von Hölle hinaus: Das Universum selbst ist eine Hölle, die den Menschen, dessen Gott schon lange tot ist, zu verschlingen droht. Auch keine Liebe rettet ihn, denn Frauen kommen in Lovecrafts Geschichten praktisch nur in ihrer biologischen Funktion vor, nicht aber als liebespendende Wesen oder gar als Akteure. Daher ist der (männliche) Mensch völlig schutzlos dem Hass der Großen Alten ausgeliefert, die ihre Welt, die sie einst besaßen, wiederhaben wollen.

Das versteht Lovecraft unter „kosmischem Grauen“. Die Welt ist kein gemütlicher Ort – und Einsteins Relativitätstheorie hat sie mit in diesen Zustand versetzt: Newtons Gott ist tot, die Evolution eine blinde Macht, und Erde und Sonne sind nur Staubkörnchen in einem schwarzen Ozean aus Unendlichkeit. Auf Einstein verweist HPL ausdrücklich in seinem Kurzroman [„Der Flüsterer im Dunkeln“. 1961

Mehr zu Lovecraft kann man in unserer [Rezension 345 seiner Biographie von Lyon Sprague de Camp nachlesen.

_Inszenierung_

David Nathan gilt als einer der besten Synchron-Sprecher Deutschlands. Seine herausragende Erzählkunst erweckt den Horror zum Leben. Im deutschsprachigen Kino erlebt man ihn als Stimmband-Vertretung von Johnny Depp und Christian Bale.

David Nathan leiht u. a. folgenden Schauspielern seine Stimme:

Johnny Depp (Stammsprecher)
Christian Bale (Stammsprecher)
Joaquin Phoenix („To Die For“, 1995 & „Für das Leben eines Fremden“, 1998 & „Quills – Macht der Besessenheit“, 2000)
Kevin Bacon („24 Stunden Angst“, 2002)
Jude Law („Gattaca“, 1997)
Matt Dillon („In & Out“, 1997)
Chris O’Donnell („Die Kammer“ & „In Love and War“, 1996)
Leonardo DiCaprio („Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa“, 1993 & „Total Eclipse“, 1995)

Nathan liest die ungekürzte Fassung.

Regie, Produktion und Grafik lagen in den Händen von Lars Peter Lueg. Die Musik und Tontechnik steuerte Andy Matern bei.

|Der Komponist|

Andy Matern wurde 1974 in Tirschenreuth, Bayern geboren. Nach seiner klassischen Klavier-Ausbildung arbeitete er einige Jahre als DJ in Clubs. Seit 1996 ist er als freiberuflicher Keyboarder, Produzent, Remixer, Songwriter und Arrangeur tätig. Er kann trotz seiner jungen Jahre bereits mehr als 120 kommerzielle CD-Veröffentlichungen vorweisen. Darunter finden sich nationale und internationale Chart-Platzierungen mit diversen Gold- und Platin-Auszeichnungen.

Bereits Andy Materns erste Hörbuch-Rhythmen erreichten schnell Kultstatus bei den Fans und der Fachpresse. Durch seine musikalische Mitarbeit wurde „Der Cthulhu-Mythos“ zum besten Hörbuch des Jahres gewählt (Deutscher Phantastik Preis 2003). Andy Matern lebt und arbeitet in München. (Verlagsinfos)

_Handlung_

Was geschah auf der Expedition in jenes Bergtal in der Antarktis, dass der Student Danforth dem Wahnsinn verfiel? Als der Expeditionsleiter William Dyer Danforth in der Nervenheilanstalt besucht, berichtet Danforth wieder von den Alten Wesen, die in Wahrheit seit jeher über die Erde geherrscht hätten. Dyer widerspricht ihm nicht, denn er hat sie ja selbst gesehen.

Genau deshalb besucht er einen Professor in Boston, um ihn zu bitten, dass die neuerliche Expedition, die Starkweather und Moore 1932 organisiert haben, in die Antarktis aufbricht. Er warnt ihn eindringlich vor den Gefahren, nicht zuletzt vor dem schier unaussprechlichen Horror, auf den er und Danforth dort gestoßen sind. Dyer warnt ebenso vor dem Versuch, die Eismassen abzuschmelzen oder gar Bohrungen vorzunehmen, waren diese doch seiner eigenen Expedition zum Verhängnis geworden. Da der Professor mehr und vor allem deutlichere Begründungen fordert, muss Dyer genauer berichten, was sich vor zwei Jahren, anno 1930, zugetragen hat …

|Dyers Expeditionsbericht|

Prof. William Dyer ist Geologe an der Miskatonic University von Arkham, unweit Boston. Da Prof. Frank Pabodie neuartige Bohrer hergestellt hat, sieht sich Dyer in der Lage, auch in der Antarktis nach ungewöhnlichen Gesteinen zu suchen. Er lädt den von ihm bewunderten Anthropologen Prof. Lake ein mitzukommen, und dieser sagt freundlich zu. Außerdem werden die drei Profs von ihren jeweiligen Assistenten begleitet, darunter Danforth, Moulton und Gedney. Lake hält Danforth für einen „Backfisch“, aber immerhin haben beiden das verfluchte Buch „Necronomicon“ des verrückten Arabers Abdul Alkazred gelesen, ein zweifelhaftes Vergnügen, das nicht jedem Menschen vergönnt ist, denn das Buch ist in einem verschlossenen Raum der Bibliothek der Miskatonic-Uni weggesperrt.

Die zwei Schiffe „Miskatonic“ und „Arkham“ gelangen schließlich unter dem Kommando von Kapitän Douglas ins Zielgebiet, dem Rossmeer. Hier ragt der immer noch aktive Vulkan Erebus empor, und der Rossschelfeisgletscher bricht hier ins Meer ab. Die Gegend gemahnt Danforth an die kalten Ebenen von Leng, über die er bei Alhazred gelesen hat. Er vermeint ein sonderbares Pfeifen zu hören, das sich mit dem Wind vermischt, der von den Perry-Bergen herunterbläst. Eine Luftspiegelung gaukelt ihm emporragende Burgen auf diesen steilen Höhen vor.

Am Monte Nansen weiter landeinwärts schlägt die Expedition ihr Basiscamp auf, und mit den vier Flugzeugen erkunden sie das Terrain ebenso wie mit Hundeschlitten. Schon bei den ersten Grabungen stößt Prof. Lake auf höchst ungewöhnliche Fossilien, die es hier gar nicht geben dürfte. Zwar ist bekannt, dass vor 50 Mio. Jahren die Erde sehr viel wärmer war und Dinosaurier auch Antarktika bewohnten, doch all dies endete vor spätestens 500.000 Jahren mit der ersten Eiszeit, der weitere folgten. Lake, dessen Funde bis ins Präkambrium zurückdatieren, setzt seinen Willen durch, noch weitere Stellen zu suchen. Auf einer weiteren Schlittenexkursion findet er mehr solche Fossilien, die es nicht geben dürfte.

|Lakes Expedition|

Am 24. Januar, mitten im Hochsommer der Südhalbkugel, startet Lake, um ein Camp 300 Kilometer entfernt auf einem Plateau zu errichten. Dem Expeditionsleiter berichtet er mit Hilfe des Funkgeräts. Seine Stimme ist gut zu verstehen. Sie mussten notlanden, und das Camp ist von quaderförmigen Strukturen und Höhlen umgeben. Eine Bohrung führt dazu, dass ihr Bohrer in eine Höhlung unter dem Eis fällt. Beim Eindringen in diese Höhle stoßen Lake und Moulton auf Specksteine, die fünf Zacken ausweisen, also eindeutig bearbeitet wurden – mitten zwischen Saurierknochen und Abdrücken von Palmblättern. Außerdem stoßen sie auf große tonnenförmige Gebilde, von denen sie vierzehn Stück bergen und aufs Plateau schaffen, um den Inhalt zu untersuchen.

Die Hunde reagieren sehr aggressiv auf diese Gebilde, und als Lake sie seziert, erinnern sie ihn an die Cthulhu-Wesen, die Alhazred beschrieb: ein fünfeckiger Kopf mit einem Kranz seitlich angebrachter Wimpern usw. Und es hat fünf Hirnareale. Lake erinnert sich: „Das ist nicht tot, was ewig liegt, bis dass die Zeit den Tod besiegt.“ In seiner letzten Nachricht berichtet Lake, die Köpfe seien von der Sonne aufgetaut worden. Dann meldet er sich nicht mehr.

|Die Rettungsexpedition|

Mit dem zurückgehaltenen fünften Flugzeug fliegt Dyer mit Danforth und Pabodie zu Lakes Camp. Sie finden entsetzliche Verwüstung vor. Alle Hunde wurden zerfleischt, von den Männern ist zunächst keiner zu sehen, obwohl überall Blut ist – und Gestank. Sie stoßen auf sechs Gräber, die sternförmig angelegt sind, aber wo sind die restlichen acht Wesen? Die Leichen von elf Männern sind zum Teil seziert, doch von einem Mann fehlt jede Spur: Gedney. Er hat auch einen Hund mitgenommen. Können sie ihn noch retten?

Dyer und Danforth machen sich auf den Weg, um die ausgedehnte fremde Stadt, die sich beim Anflug entdeckt haben, zu erkunden und vielleicht eine Spur von Gedney zu finden. Welches Wesen mag das Camp derartig verwüstet haben? Sie werden es herausfinden und wenn es sie den Verstand kostet …

_Mein Eindruck_

Lovecraft setzte mit diesem Kurzroman das Romanfragment [„Der Bericht des Arthur Gordon Pym“ 781 von Edgar Allan Poe fort. Wo Poes Romanfragment abbricht, greift er die Szenerie, wenn auch nicht die Figuren, wieder auf, insbesondere den unheimlichen Ruf „Tekeli-li! Tekeli-li!“ Diesen Ruf stoßen zwar bei Poe weiße Vögel aus, doch bei Lovecraft wird der Ruf einem weitaus gefährlichen Wesen zugewiesen. Um was es sich dabei handelt, wird nie hundertprozentig klar, denn es ist protoplasmisch und somit formlos.

Innerhalb des umfangreichen Cthulhu-Mythos über die Großen Alten nimmt „Berge des Wahnsinns“ eine nicht allzu herausragende Rolle ein, denn der Geschichtsentwurf, den Lovecraft hier präsentiert, unterscheidet sich nur in geringem Maße von dem in [„Schatten aus der Zeit“, 2358 „Der Flüsterer im Dunkeln“ und anderen Erzählungen. Aber die Geschichte an sich bietet dem Leser mehr spannende Unterhaltung als andere Storys und vor allem einen weitgespannten Hintergrund, der im Vordergrund der Aktionen zum Tragen kommt.

Durch ihre Necronomicon-Lektüre wissen Lake und Danforth schon, womit sie es zu tun haben: mit den Großen Alten und ihren Vorgängern, den Alten Wesen. Die Stadt ist die der Alten Wesen, die vor Jahrmillionen zuerst landeten und ihre Kultur auf der Erde errichteten. Seltsamerweise ist Dyer nur mäßig darüber erstaunt, dass er nun über ausgedehnte Überreste einer versunkenen, prähistorischen Zivilisation stolpert. In der ersten großen Halle sind jedoch so etwas wie Wandmalereien und Hieroglyphen, die ihm die Geschichte der Vorzeit erzählen. Diese ist so komplex, dass ich empfehle, sie selbst nachzulesen.

Für Dyer und Danforth wird die Lage jedoch brenzlig, als sie auf die enthaupteten Überreste der entkommenen Alten Wesen stoßen, die Professor Lake aus der Höhle unter dem Eis geholt hatte. Was hat die Wesen getötet? Gibt es einen Wächter in der Tiefe, ähnlich einem Balrog in den Tiefen der Minen von Moria? Na, und ob! Die spannende Frage ist nun, wie dieses Wesen aussieht und ob sie es vielleicht besiegen können. Der Anblick des Wesens lässt Danforth wahnsinnig werden und von einem Sieg kann keine Rede mehr sein. Was wiederum den Schluss aufzwingt, dass die Starkweather-Moore-Expedition dem Tod geweiht ist, sollte sie im gleichen Gebiet forschen.

Dieses Gefühl des Verhängnisses überschattet den gesamten Text und suggeriert dem Leser bzw. Hörer, dass er allein schon durch die Kenntnis dieses geheimen Wissens, das ihm Dyer mitteilt, vielleicht in Gefahr sein könnte. Zweifellos wusste Lovecraft aus Zeitschriften nicht nur über Einsteins Forschungsarbeiten Bescheid, sondern auch über das Bestreben der Physiker, dem Atom seine Geheimnisse zu entlocken. Die Experimente von Rutherford und Nils Bohr waren ihm vielleicht bekannt, aber dürfte kaum gewusst haben, dass Enrico Fermi an einem Atomreaktor baute und die deutschen Physiker von Hitler für eine ganz besondere Aufgabe engagiert wurden: den Bau der ersten Atombombe. Verbotenes Wissen – möglicherweise hat Lovecraft ganz konkret solche Kenntnisse und Experimente darunter verstanden.

Das erzählerische Brimborum, dessen er sich im Original bedient, kommt uns heute überladen und bis zur Grenze des Lächerlichen überzogen vor. Der von Poe erfundene Ruf „Tekeli-li! Tekeli-li!“ wird x-mal wiederholt, und im Buch bildet er sogar den Schluss des letzten Satzes. Das verleiht ihm eine schaurige Bedeutungsschwere, die ich nicht nachzuvollziehen mag. Aber bei genauerem Nachdenken ist der Ruf eben jenem Wächter in der Tiefe zuzuordnen, und dann wird erklärlich, warum Danforth diesen Ruf nicht vergessen kann. Denn er weiß, dass wenn dieser Ruf erneut ertönt, es für die Menschheit zu spät sein wird. „Das ist nicht tot, was ewig liegt …“

|Die Übersetzung|

A. F. Fischer besorgte diese neue Übersetzung, die die alten ablöst, die der |Suhrkamp|-Verlag bislang feilbot. Allein diese Ablösung ist bereits dankenswert. Die Diktion ist jetzt mehr dem modernen Sprachgebrauch angepasst, ohne an vielseitigem Vokabular und der HPL eigentümlichen Stilvielfalt einzubüßen.

|Der Sprecher|

David Nathan stellt wieder einmal seine Meisterschaft beim Vortragen unheimlicher Texte unter Beweis. Es ist nicht nur seine Flexibilität in Tonhöhe und Lautstärke: Er flüstert und krächzt, dass für Abwechslung gesorgt ist. Aber sein eigentlich effektvoller Kniff ist die winzige Verzögerungspause vor einem wichtigen Wort. Der Eindruck entsteht, als gebe es einen Zweifel an diesem Wort und als zöge dieser Zweifel ein gewisses Grauen nach sich oder leite sich daraus ab.

Es ist der Unglaube angesichts des Schreckens, der sich dem jeweiligen Betrachter bietet, welcher den Zuhörer in den Bann von Nathans Vortrag zieht. Es ist die hintergründig mitschwingende Frage: Kann das wirklich wahr sein? Und wenn es wahr ist, dann ist es grauenhaft! Es ist dieses Grauen, das die Figuren angesichts des unbeschreiblich Bösen erfasst, das wir über Nathans Vermittlung mit ihnen spüren können. Tolle Leistung.

Die Funksprüche Lakes trägt Nathan im verkürzenden Telegramm- und Berichtsstil vor. Dabei darf es sich Nathan erlauben, immer aufgeregter zu klingen, denn Lake berichtet ja schließlich von unglaublichen Entdeckungen: Fossilien und künstliche Objekte, die vor 500 Millionen Jahren auf der Erde entstanden, weit früher, als sich irgendjemand bislang vorzustellen wagte! Je aufgeregter Lake wirken soll, desto höher lässt Nathan seine Stimme steigen. Die elektrisierende Wirkung auf den Hörer kann nicht ausbleiben.

Zwischen den Kapiteln des Buches macht Nathan eine deutliche Pause, um zu signalisieren, dass jetzt ein Abschnitt beendet ist und ein neuer folgt – eine klare Zäsur. In der Pause ist leise auch Musik zu hören.

|Musik und Geräusche|

Es gibt zwar keine Geräusche, aber doch ein wenig Musik. Diese wird als Intro und Extro sowie in den Pausen zwischen den Kapiteln hörbar. Wie es sich gehört, stimmt sie den Hörer auf die unheimlich-angespannte Atmosphäre der Geschichte ein. Diesmal hat sich Matern dafür entschieden, unterschwellige, düstere Sounds und Harmonien einzusetzen, die mitunter mit Hall unterlegt sind.

Auch eine E-Gitarre meine ich gehört zu haben, als einer dieser düster-bedrohlichen Akkorde erklingt. Insgesamt verbinden die Harmonien, die besonders an ’spannenden‘ Stellen zu hören sind, das Bedrohliche mit dem Geheimnisvollen, mit dem Unnennbaren, das jenseits der Grenzen unseres Begriffsvermögens lauert, um dereinst – vielleicht – über uns herzufallen.

_Unterm Strich_

„Berge des Wahnsinns“ ist einer der bedeutenden Kurzromane, die Lovecraft am Ende seines Lebens – er starb ein Jahr nach der Veröffentlichung – innerhalb seiner Privatmythologie schrieb. Die Antarktis-Expedition des Geologen Dyer stößt auf eine uralte Stadt, die von einer außerirdischen, vormenschlichen Zivilisation errichtet wurde. Und Andeutungen legen nahe, dass auf dem Meeresgrund noch viele weitere solche Städte auf ihre Entdeckung warten. Ob das für die heutige Menschheit so gut wäre, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. In der Stadt unter dem Eis vertreibt ein unheimlicher Wächter die neugierigen Forscher, und solche könnte es auch in weiteren Ruinen geben. Dyers Assistent Danforth hat den Wächter und dessen Brut gesehen und ist darüber verrückt geworden …

Ähnlich wie in „Schatten aus der Zeit“ und „Der Flüsterer im Dunkeln“ entwirft Lovecraft die Grundzüge seiner Mythologie, wonach erst die Alten Wesen von den Sternen kamen und die Stadt unterm Eis bauten, bevor die Cthulhu-Wesen anlangten und mit ihnen einen Krieg führten, an dessen Ende Wasser und Land zwischen den Rassen aufgeteilt wurden. Überreste beider Zivilisationen sind für Expeditionen wie die Dyers noch aufzuspüren, natürlich nur an sehr verborgenen Orten.

Das Motiv der „Lost Race“, das Lovecraft in nicht weniger als 18 Erzählungen verwendet, war schon 1936 nicht mehr neu und vielfach erprobt worden. Am kommerziell erfolgreichsten waren dabei wohl Edgar Rice Burroughs, der Schöpfer des Tarzan, und Henry Rider Haggard, der mit „König Salomons Minen“, „Allan Quatermain“ und „Sie“ einen sagenhaften Erfolg unter den Spätviktorianern verbuchte.

Ob Edgar Allan Poe mit seinem Romanfragment „Arthur Gordon Pym“ diese Mode schuf, als er seinen Titelhelden in der Antarktis eine unbekannte Zivilisation finden ließ, sei dahingestellt, aber sowohl Jules Verne mit „Eissphinx“ als auch Lovecraft mit „Berge des Wahnsinns“ folgten diesem Vorbild in den eisigen Süden. In letzter Zeit knüpfte auch Michael Marrak mit seinem Roman [„Imagon“ 480 erfolgreich an dieses Vorbild an.

Bei Lovecraft wird die Expedition zu einem Initiationsritus. Der moderne Mensch ist sowohl mit dem sehr Alten als auch mit dem Ungeheuerlichen konfrontiert, und beides scheint seinen Verstand zu übersteigen (siehe Danforths Wahnsinn). Unterschwellig vermittelt Lovecraft seinen Kulturpessimismus dadurch, dass er Dyer erkennen lässt, dass die Menschheit weder die erste Zivilisation auf diesem Planeten war, noch auch die letzte sein wird. Das wiederum könnte dem einen oder anderen Leser Schauer über den Rücken jagen. „Das ist nicht tot, was ewig liegt“ (oder „lügt“, denn das Verb „to lie“ ist doppeldeutig), wird immer wieder zitiert. Ein Menetekel, an das immer wieder mit dem Ruf „Tekeli-li! Tekeli-li!“ gemahnt wird.

|Das Hörbuch|

Das Hörbuch ist eine saubere Arbeit, wie ich sie von |LPL records| inzwischen erwarte. Der Titel passt ausgezeichnet in die bisherige Lovecraft-Reihe, ist aber hinsichtlich der wissenschaftlichen Terminologie, mit welcher der Autor um sich wirft, ganz schön anspruchsvoll. Wer weiß schon, was Gastropoden oder Cephalopoden sind?

David Nathan fesselt mit seinem nuancenreichen Vortrag den Hörer, aber an seine Aussprache von Prof. Pabodies Namen musste ich mich erst gewöhnen. Sie ist aber völlig korrekt, auch wenn der Hörer stets mit einem „Prof. Peabody“ rechnet.

|Originaltitel: At the mountains of madness, 1936 (gekürzt), 1939 ungekürzt
Aus dem US-Englischen übersetzt von A. F. Fischer
346 Minuten auf 5 CDs|
http://www.lpl.de
http://www.luebbe-audio.de

Hodgson, William Hope / Newman, Kim / Busson, Paul / Lovecraft, H. P. / Somtow, S. P. / Lueg, Lars P – Necrophobia 2

Symphonie des Grauens: Scherzo und Finale furioso

Wieder mal hat Lars Peter Lueg als Regisseur, Produzent und Dramaturg ein Fest für Horrorfans vorbereitet. Sein Adlatus Andy Matern steuerte die Musik, den Schnitt und die Tontechnik bei. Zu den Autoren der neuen Storys gehören die bekanntesten Vertreter des Genres, darunter der unsterbliche Magier aus Providence, H. P. Lovecraft, dann aber auch einige Neutöner wie etwa S. P. Somtow, dessen Story „Summertime“ den Hörer einfach umhaut.

Erzählung #1: William Hope Hodgson: Die Stimme aus dem Nichts

Der Autor

William Hope Hodgson (1877-1918) war ein englischer Autor, der von 1891-99 bei der Handelsmarine arbeitete. Viele seiner Storiys stützen sich daher auf seine Seefahrer-Erlebnisse, beziehen das Unheimliche oder Übernatürliche ein, seine Romane „Das Haus an der Grenze“ (1908) und „Das Nachtland“ (1912) sind herausragende Beispiele für unheimliche Visionen in eine erschreckende Zukunft der Erde. „Die Stimme aus dem Nichts“ erschien zuerst 1907 unter dem Titel „The Voice in the Night“.

Der Sprecher

Der Synchronsprecher Helmut Krauss schenkt seine sonore und imposante Stimme u. a. Marlon Brando und Samuel L. Jackson. Krauss wurde am 11. Juni 1941 in Augsburg geboren. Nach seiner Schauspielausbildung machte er an diversen Theatern erste Bühnenschritte, studierte nebenher Pädagogik. 1963 übersiedelte er nach Berlin und arbeitete beim Rundfunk. Es folgten Engagements bei Fernsehen, Theater, Musical, Kabarett, Film und Synchron. Seit 1980 hört und sieht man Krauss als Nachbar Paschulke in Peter Lustigs ZDF-Kinderserie „Löwenzahn“.

Handlung

Ein Segler ist im Pazifik in eine Flaute geraten. Die Langeweile an Bord wird durch penetranten Nebel noch verstärkt. Während sein Freund Will schläft, hört der Ich-Erzähler eine Stimme aus der Nacht erschallen: „Schiff ahoi!“ Doch der Besitzer der Stimme, offenbar ein alter Mann, will sich nicht zeigen, schon gar nicht im Lampenlicht, sondern bittet lediglich für sich und seine kranke Frau um Proviant.

Der wird ihm selbstverständlich gewährt, und so kehrt er in der nächsten Nacht zurück, um seine Geschichte zu erzählen. Und um diese geht es im Grunde. John erlitt mit dem Passagiersegler „Albatros“, der von Newcastle nach San Francisco unterwegs war, Schiffbruch. Nach vielen Strapazen und Fährnissen strandeten er und seine Verlobte an einer seltsamen Insel unweit der südamerikanischen Küste.

Deren Boden ist von einem merkwürdigen, grauweißen Pilz bedeckt: Dieser Pilz kann sich bewegen und menschlichen Formen wie etwa Arme bilden. Nach vier Monaten der Bekämpfung zeigt sich der erste Übergriff des Pilzes auf menschliches Gewebe. John ertappt seine Frau dabei, wie sie von dem Pilz isst, als ob er ihr wirklich schmecken würde. Nicht lange, und ihm geht es genauso. Eine Umwandlung beginnt …

Mein Eindruck

Die Atmosphäre ist von Anfang an etwas unheimlich, doch als der Unbekannte aus der Nacht mit seiner Geschichte auftaucht, nimmt die Stimmung eine eindeutig bedrohliche Note an. Pilze, die wie Menschen aussehen und sie übernehmen? Klingt nicht sehr lustig, und die allerletzte Zeile – die „punch-line“ – verpasst dem Leser denn auch einen ordentlichen Tiefschlag, eben einen „punch“.

Der Sprecher

Helmut Krauss bringt mit seiner tiefen Stimme das Grauen dieser Begebenheit zur vollen Wirkung. Es fängt ganz langsam an, wird aber dann immer bedrohlicher, bis der Schrecken mit der letzten Zeile unvermittelt zuschlägt.

Erzählung #2: Kim Newman: Der Mann, der Clive Barker sammelte

Der Autor

Kim Newman, geboren 1959, ist ein britischer Schriftsteller, Kritiker und Radiosprecher, der früher mal im Kabarett auftrat. Zum einen verfügt Newman über ein umfassendes Wissen über phantastische (Horror etc.) Filme, zum anderen über einen bissigen Humor. Und selbstverständlich kennt er alle wichtigen Genre-Autoren in seinem Land, von Clive Barker über Neil Gaiman bis hin zu Paul McAuley. „The Man Who Collected Clive Barker“ erschien 1990.

Die Sprecherin

Bekannt wurde Marianne Groß als die deutsche Stimme von Anjelica Huston und Cher. Außerdem ist sie laut Verlag eine herausragende Synchronregisseurin und Dialogbuch-Autorin. 2004 wurde sie zweifach mit dem Deutschen Synchronpreis ausgezeichnet.

Handlung

Salley Rhodes, eine von den Serienhelden des Autors, ist eine Privatdetektivin, die sich gerne mit unheimlichen und okkulten Dingen befasst. Im Auftrag des „Australiers“ besucht sie den Buchsammler David Ringham in seinen Geschäftsräumen. Diese sind hypermodern eingerichtet, was Sally reichlich verblüfft: Dave sammelt nämlich die alten Schwarten und Hefte, die man als „Pulp“ bezeichnet, also wirklich unterste Schublade. Wie kann er sich diese moderne Einrichtung bloß leisten?

Dave ist Sammler mit Leib und Seele, er kennt alle seine Autoren und behandelt selbst Pulphefte wie Heiligtümer. Das Herzstück seiner Sammlung bildet Clive Barker. Er hat einfach alles von ihm. Aber nicht nur die normalen Ausgaben, die Hinz und Kunz im Laden kaufen können, sondern die wirklich wertvollen Sonder-Sonderausgaben, Sie wissen schon: mit Widmung, Spezialausstattung und so. Da wäre beispielsweise jene Ausgabe der „Bücher des Blutes“, die ganz in Menschenhaut gebunden ist und – nebst einer Widmung des Autors – mit dessen Blut gekennzeichnet ist. Doch es ist nicht die Haut irgendeines x-beliebigen Menschen, nein, meine Lady, sondern die mexikanischen Spender der Haut haben sich vor ihrem Ableben die Titelseite in ihren Rücken eintätowieren lassen – das nennt man Hingabe, was! Leider ist die Buchbinderin seitdem spurlos verschwunden …

Sally Rhodes interveniert und zückt ihren Ausweis als Detektivin: „Wissen Sie, wo Clive Barker ist?“ fragt sie streng. Dave lässt sich jedoch nicht beirren. „Schauen Sie mal, was ich hier als Krönung meiner Sammlung habe …“

Mein Eindruck

David Ringham, der Sammler, ist der lebende Beweis dafür, dass Passion, also Leidenschaft, in Obsession, in Besessenheit, umschlagen kann, ohne dass es der Betroffene überhaupt merkt. Das Fiese an der Story ist ja, dass der Leser / Hörer schon eine Weile vor dem Ende merkt, wie der Hase läuft, aber einfach nicht glauben kann, dass es wirklich so ist: Wo ist Clive Barker? Mit Daves stolzem Blick schauen wir genau darauf … Die Story ist ein schlagendes Beispiel dafür, dass auch das Makabre bestens funktioniert, wenn nämlich der wider besseres Wissen ungläubige Leser / Hörer gnadenlos über die Kante des Abgrunds gezerrt wird.

Die Sprecherin

Marianne Groß vermittelt in gleichem Maße die wachsende Begeisterung des Sammlers für das Herz-Stück (sic?) seiner Sammlung, die einhergeht mit einer wachsenden Ungläubigkeit seitens Sally Rhodes‘, die schließlich in Entsetzen umschlägt. Genau so muss die Story gelesen werden. Da hilft es nicht, zimperlich zu sein und ins Stocken zu geraten, sondern der Hörer müssen volle Kanne mit auf die Fahrt in den Abgrund des Grauens mitgenommen werden. Bravourös!

Erzählung #3: Paul Busson: Rettungslos

Der Autor

Es liegen mir keine Informationen zum Autor vor. Die Geschichte erschien zuerst im Jahr 1903.

Der Sprecher

Lutz Riedel ist die deutsche Stimme von Timothy Dalton (James Bond u.a.). Er zeigt auf diesem Hörbuch seine „herausragenden Sprecherqualitäten, die den Hörer mit schauriger Gänsehaut verzaubern“. Er war auch „Jan Tenner“ in der gleichnamigen Hörspielserie.

Handlung

Schon zwei Tage liegt der Scheintote bei vollem Bewusstsein in diesem Sarg, kann sich aber weder rühren noch verständlich machen, wenn seine Gattin um ihn weint oder der Priester die letzte Ölung vornimmt. Dann wird der Sarg ins kühle, dunkle, stille Grab hinabgelassen und Erde daraufgeworfen. Endlich gelingt es dem Bestatteten, zwei Finger seiner rechten Hand zu bewegen. Ein ganz klein wenig zu spät.

Mein Eindruck

Tja, was würde ich tun, wenn ich scheintot, aber bei vollem Bewusstsein im Sarg läge? Ich würde wahrscheinlich (vergeblich) versuchen, mich in den Hintern zu treten, dass ich so blöd war, mich überhaupt in diese Lage zu bringen. Als ob das irgendwie helfen würde! Die Story hat mich nicht beeindruckt, vielleicht auch deswegen, weil sie so kurz ist. Sie passt genau an den Schluss der ersten CD, weswegen sie wohl ausgewählt wurde: als Füllsel.

Der Sprecher

Dennoch legt der Sprecher Lutz Riedel all seine beträchtliche Ausdruckskraft in den Vortrag der Geschichte. Wider Willen ist der Hörer fasziniert von der absonderlichen Situation des Lebendigbegrabenseins des Ich-Erzählers und ein leises Grauen beschleicht ihn. Über die Schlusspointe kann man entweder zusammenzucken oder laut auflachen, je nach Mentalität des Hörers.

Erzählung #4: H. P. Lovecraft: Der Außenseiter

Der Autor

Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) wird allgemein als Vater der modernen Horrorliteratur angesehen. Obwohl er nur etwa 55 Erzählungen schrieb, hat sein zentraler Mythos um die Großen Alten, eine außerirdische Rasse bösartiger Götter, weltweit viele Nachahmer und Fans gefunden, und zwar nicht nur auf Lovecrafts testamentarisch verfügten Wunsch hin. „The Outsider“ wurde 1926 veröffentlicht.

Der Sprecher

David Nathan gilt als einer der besten Synchronsprecher hierzulande. Seine Erzählkunst erweckt den Horror zum Leben. Im Kino erlebt man ihn als Stimmbandvertretung von Johnny Depp und Christian Bale.

Handlung

Der Story ist ein Motto von John Keats, einem englischen Dichter der Romantik, vorangestellt. – Ein unbekannter Ich-Erzähler berichtet uns, dass er sein bisheriges Leben tief unter der Erde in den Gewölben eines uralten Schlosses, ohne Kontakt mit der Außenwelt, verbracht hat.

„Ich weiß nicht, wo ich geboren wurde, außer dass das Schloss unendlich alt und unendlich grauenvoll war, voller dunkler Gänge und mit hohen Decken, an denen das Auge nur Spinnweben und Schatten wahrnehmen konnte. Die Steine in den verfallenden Korridoren schienen immer schrecklich feucht, und überall war ein widerwärtiger Geruch wie von den übereinander gestapelten Leichen toter Generationen. Nie war es hell, so dass ich manchmal Kerzen anzündete und sie still betrachtete, um mich zu trösten; auch schien draußen niemals die Sonne, denn die schrecklichen Bäume wuchsen weit über den höchsten zugänglichen Turm hinaus. Es gab einen einzigen schwarzen Turm, der über die Bäume hinaus in den unbekannten äußeren Himmel ragte, aber dieser war teilweise eine Ruine, und man konnte ihn nicht ersteigen, es sei denn, man hätte das schier Unmögliche vollbracht, Stein für Stein die senkrechten Wände emporzuklimmen.“

Letztlich beschließt der Außenseiter doch, seine Behausung zu verlassen und den finsteren Turm zu ersteigen. Er gelangt auf den festen Erdboden und befindet sich auf einem verlassenen Friedhof. Nach einer nächtlichen Wanderung erreicht er ein anderes Schloss, das ihm irgendwie bekannt vorkommt. Aus den offenen, erleuchteten Fenstern dringt ihm der fröhliche Lärm eines Festes entgegen.

Die plötzliche Erscheinung des Fremden versetzt die Festgesellschaft in panischen Schrecken, und sie ergreift in wilder Hast die Flucht. In einem Rahmen erblickt der Fremde ein dunkles Ungeheuer, das wie ein Kadaver aussieht, und erschrickt. Er taumelt und berührt das Monster an seiner Klaue, denn er hat noch nie in seinem Leben einen Spiegel gesehen …

Mein Eindruck

Bei keinem Zuhörer wird diese grausige Story ihre Wirkung verfehlen. Allein schon der Moment der Erkenntnis für den Fremden ist einfach purer Horror. Anfang und Stil der Geschichte erinnern an Edgar Allan Poe, bei dem ebenfalls Figuren und Erzähler vorkommen, die aus einem „uralten und dekadenten Geschlechte“ stammen. Sehr wirkungsvoll ist natürlich der Kunstgriff, die Geschichte aus der Perspektive des Phantoms – anscheinend ein auferstandener Leichnam oder ein Ghoul – zu erzählen.

Das Erscheinen des unheimlichen Gastes auf dem Fest ruft Assoziationen zu Poes klassischer Erzählung „Die Maske des roten Todes“ hervor. Bekanntlich bewunderte HPL Poe als Meister des Unheimlichen ohne Ende und eiferte ihm anfangs fleißig nach. Diese Story stammt aus dem Jahr 1926, also vom Ende der ersten zehnjährigen Schaffenszeit HPLs (die zweite dauerte von 1927 bis zu seinem Tod 1937).

Die albtraumhafte Erzählung lässt sich psychoanalytisch interpretieren, und Prof. Dirk Mosig hat dies im Sinne C. G. Jungs erfolgreich unternommen („The Four Faces of the Outsider“, in „Nyctalops“, Vol. II, 1974, S. 3-10); unter anderem regt er eine autobiografische Deutung an.

Wie auch immer man die Story auffasst: Sie gehört zu den wirkungsvollsten und am häufigsten abgedruckten Geschichten des Meisters aus Providence.

Der Sprecher

Zum Glück liegt der Lesung nicht die alte Übersetzung von H. C. Artmann zugrunde, sondern die moderne von Andreas Diesel und Frank Festa. So kann es gelingen, dass die unzähligen Adjektive wie unheilvoll, grausig, finster, düster, modrig usw. usf. nicht völlig veraltet daherkommen, sondern halbwegs modern. (Zudem hat Artmann nicht immer hundertprozentig werkgetreu übersetzt.)

Wie auch immer, jedenfalls klingt David Nathan an keiner Stelle wie Johnny Depp. Statt dessen relativ heller und sanfter Synchronstimme hat Nathan eine recht dunkle, tiefe Stimmlage gewählt, die besser zur der albtraumartigen Geschichte passt. Aufgrund der Struktur der Story dauert es aber eine ganze Weile, bis das Grauen ordentlich zuschlägt.

Erzählung #5: S. P. Somtow: Summertime

Der Autor

S. P. Somtow ist das Pseudonym des 1952 geborenen Thai-Schriftstellers, Komponisten und Filmemachers Somtow Papinian Sucharitkul. Unter diesem Namen schrieb er zunächst in den 1980ern Science-Fiction, danach schwenkte er zu Fantasy um, die von der „Encyclopedia of Fantasy“ als „originell“ bezeichnet wird. 1984 veröffentlichte er seinen ersten Horrorroman: „Vampire Junction“, der angeblich die Splatterpunk-Bewegung vorweggenommen hat. (Fortgesetzt in „Valentine“, 1992, und „Vanitas“, 1995.) Die Story erschien unter dem Titel „Fish are Jumping, and the Cotton is High“ (vgl. George Gershwin) erstmals 1996. Andreas Diesel hat sie in Deutsche übertragen.

Der Sprecher

Torsten Michaelis ist der Synchronsprecher von Wesley Snipes. Durch sein Spektrum an verschiedenen Klangfarben wird er für die unterschiedlichsten Rollen eingesetzt. Er kann auf über 400 synchronisierte Filme zurückblicken.

Handlung

Der zwölfjährige Jody und sein Dad sind wie jeden Sommer unterwegs, um Fische zu fangen. Diese besondere Spezies der Fische jedoch ist weiblich und geht auf zwei Beinen, trägt meist einen Minirock und ein winziges Handtäschchen. Man kann diese Fischart ziemlich leicht erspähen, und so ist die Jagd meist erfolgreich. Jody und Dad sind Menschenfischer, zwei moderne Apostel. Im Kofferraum begleitet sie Großmutter. Ihre Gebeine liegen in einem Koffer, so dass sie es stets schön warm hat.

In dem Städtchen Sweetwater werfen Jody und Dad den Köder aus, denn die Fische sind manchmal misstrauisch und hüpfen nicht gleich an den Haken. Sobald sich der Fisch über den scheinbar verwundeten Jody beugt, braust Dad mit seinem Wagen heran und fängt die Frau mit einem Lasso ein. Sie wird verschnürt und geknebelt, in der Scheune eines verlassenen Bauernhofes findet dann das Gericht statt.

Dabei liest Jody zunächst passende Stellen aus der heiligen Schrift vor, um der Sünderin klarzumachen, worum es überhaupt geht. Durch verschiedene handgreifliche Maßnahmen bringt sein Dad dann die Sünderin dazu, Gott um Vergebung anzuflehen. Dann erlöst er sie von ihrem Dasein und führt ihren Körper seiner natürlichen Bestimmung zu. Und wieder einmal erzählt er seinem Sohn, warum sie das Menschenfischen jeden Sommer unternehmen müssten und wie alles damit anfing, dass Dad seine Mutter beim Sündigen ertappte.

Leider klappt ihre Jagdmethode immer weniger gut, je weiter Jody und Dad ihr Jagdrevier durchstreifen und je mehr Aufsehen ihr Treiben erregt. Und so stoßen sie eines Tages auf einen sehr hübschen Fisch, der leider selbst ein Köder ist …

Mein Eindruck

Dass das Grauen auch furchtbar viel Spaß machen kann, beweist diese herrlich makabre Geschichte, bei der einem glatt das Lachen im Halse stecken bleibt, wenn man nicht die richtige Art von schwarzem Humor mitbringt. Außerdem sollte man ordentlich abgebrüht sein, was die Darstellung sinnlicher Details anbelangt, und wissen, was wohl mit der „Milch der Gnade“ gemeint ist, wenn zwei Männer davon reden …

Natürlich ist „Summertime“ – der Titel verweist auf Gershwins Idylle vom amerikanischen Süden – eine waschechte Satire. Ihr Ziel ist die frömmelnde Bigotterie, mit der fundamentalistische Christen gegen die Vertreter der Sünder, hier als „Hure von Babel“ bezeichnet, zu Felde ziehen. Der Autor spielt lediglich durch, wie es wäre, wenn es nicht mehr bei Hetzreden bliebe, sondern sich einer dieser Männer nach einem einschneidenden Erlebnis (à la Ödipus mit seiner Mutter) dazu berufen fühlte, selbst zur Tat zu schreiten.

Besonders makaber: Nur wenn das Opfer um Vergebung seiner Sünden fleht, kann ihm Erlösung gewährt werden. Alles andere ist hingegen Mord. So hat es Dad seinem Sohn beigebracht. Bis zu jenem verhängnisvollen Tag, als Jody quasi vom Glauben abfällt. Aber erst, nachdem Dad selbst den seinen schon verloren hat. Man sollte nun hoffen, dass Jody später geheilt werden kann. Aber alles, was weiblich ist und nach Fisch riecht, so beharrt seine Erinnerung, muss eine verkappte „Hure von Babel“ sein. Dieses Detail liefert denn auch noch einmal eine Pointe, die den Leser umhaut.

Wäre eigentlich nur noch die Frage zu klären, wie es kommt, dass Jody Dads leiblicher Sohn ist, wenn Dad doch alle Frauen als des Teufels betrachtet hat. Ob wohl die Gebeine von Großmutter in ihrem „Koffer“ die Antwort kennen? Ein Grund, den „Summertime Blues“ zu kriegen.

Der Sprecher

Torsten Michaelis vermag es ausgezeichnet, die enervierend makabre Geschichte mit völliger Aufrichtigkeit vorzutragen. Denn es ist der gläubige Jody, der sie uns erzählt. Dessen naive Einstellung spiegelt sich in seiner hellen Kinderstimme wider.

Dagegen nimmt sich die Stimme seines Dads, der schon lange auf der Fischjagd ist, viel dunkler, schleppender, unheilvoller aus. Wenn einmal ein „Fisch“ angebissen hat, so klingt auch die reichlich aus dem Häuschen geratene Lady entsprechend hoch und kreischend. (Nicht so jedoch der weibliche Köder.) Will heißen, dass der Hörer jederzeit klar unterscheiden kann, wer gerade spricht.

Unterm Strich

Eine „Symphonie des Grauens“ könnte man mit Murnau diese Sammlung von Horrorstorys nennen. Sie fängt ganz leise, verhalten und vielfältig (Scherzo inklusive) an, um dann auf der zweiten CD mit zwei Glanzstücken zu prunken, die in einem höchst makabren und actionreichen Finale enden. Man kann dem Hörer nur einen robusten Magen wünschen!

Besonders die zweite CD macht deshalb richtig Laune, und man möchte gleich wieder von vorne anfangen, um sich die Schmuckstückchen noch einmal in allen Details zu Gemüte zu führen. Wer jetzt noch kein Freund von Horror gewesen ist, wird es spätestens mit dieser schönen, vielseitigen Kollektion werden.

146 Minuten auf 2 CDs
ISBN-13: 9783785714836

www.lpl-records.de

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Lueg, Lars Peter / Richter, Devon / Frey, Nikola – Hexensabbat (Offenbarung 23, Folge 37)

Kurios: Königin Luises Wiederauferstehung

Ein paar Adelige aus der Prätorianer-Loge wollen Königin Luise wieder zum Leben erwecken – mit Pia von Boysen als Blutopfer! Dürfen Tom Baumann und Florian das zulassen? Selbstredend nicht!

„In einer Zeit, in der kein Geheimnis sicher ist vor unbarmherzigen Erpressern, rücksichtslosen Verschwörern, bestechlichen Behörden oder machthungrigen Geheimdiensten, kannst du nur dir selbst vertrauen. Wenn du die Wahrheit wirklich wissen willst, brauchst du Stärke und Mut. Niemand wird dir dafür danken, aber vielleicht kannst du die Welt verändern.

Was steckt hinter den Mysterien von Magie und Astrologie? Gibt es ein verborgenes Wissen, das niemand jemals ergründen darf? Kann es sein, dass es dort draußen mehr gibt als das, was man mit wissenschaftlichen Methoden erklären kann? Oder steckt eine einfache Erkenntnis hinter allem, was wir als ‚okkult‘ bezeichnen?“ (abgewandelte Verlagsinfo)
Lueg, Lars Peter / Richter, Devon / Frey, Nikola – Hexensabbat (Offenbarung 23, Folge 37) weiterlesen

Wilson, F. Paul – Handyman Jack – Die Gruft (Folge 3)

_Viel Action: Der Detektiv als Monsterjäger_

Wenn der Abfluss mal verstopft ist, sollte man Handyman Jack lieber nicht rufen. Jack repariert nämlich andere Sachen: Probleme, mit denen sonst niemand fertig wird. Er kümmert sich für gutes Geld darum, dass Unrecht bestraft wird. Dabei verlässt er sich auf eine Kombination aus Können und Dreistigkeit. Handyman Jack ist ein Held – aber auch ein Rätsel. Er lebt im Untergrund. Niemand kennt seine Identität. Jack verkörpert eine tödliche Mischung aus „Zorro“ und Bruce Willis.

Eigentlich hat Jack gar keine Zeit, für den Inder Kusum Bakti eine geraubte Halskette wiederzubeschaffen. Schließlich muss er sich um das Verschwinden der Tante seiner Freundin Gia kümmern. Und das ist vielleicht auch die letzte Chance, seine Beziehung zu Gia zu retten, deren Tochter Vicky er innig liebt. Gia hält freilich nicht viel von einem Mann, der zwar „Dinge in Ordnung bringt“, sich dabei jedoch außerhalb des Gesetzes bewegt und für die Regierung nicht existiert.

Aber dann stellt sich heraus, dass es um viel mehr als um eine Halskette geht. Auf einmal hat es Jack mit einem jahrhundertealten Fluch und einer Brut höllischer Wesen zu tun, die es ganz besonders auf Gias kleine Tochter abgesehen haben.

_Der Autor_

F. (Francis) Paul Wilson (geboren 1946) ist ein US-amerikanischer Besteller-Autor von Mystery-, Thriller- und Horror-Romanen. Wilson studierte Medizin am Kirksville College of Osteopathic Medicine und ist heute immer noch praktizierender Arzt. Wilsons bekannteste Romanfigur ist der Anti-Held Handyman-Jack (engl. Repairman-Jack). Neben Mystery-, Science-Fiction- und Horror-Romanen schreibt Wilson auch Medizin-Thriller. Außerdem ist er ein großer Fan von H. P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos und hat auch selbst ein paar Storys in Anlehnung an diesen Mythos geschrieben. F. Paul Wilson lebt mit seiner Frau, zwei Töchtern und drei Katzen an der Küste von New Jersey.

Stephen King ist laut Verlag der Präsident des Handyman-Jack-Fanclubs. „Allein in den USA wurden schon über sechs Millionen Handyman-Jack-Romane verkauft“, tönt der Verlag.

F. Paul Wilson auf |Buchwurm.info|:

[„Handyman Jack – Schmutzige Tricks“ 4939 (Folge 1)
[„Handyman Jack – Der letzte Ausweg“ 5129 (Folge 2)
[„Das Kastell“ 795
[„Tollwütig“ 2375
[„Die Gruft“ 4563

_Der Sprecher_

Detlef Bierstedt ist Schauspieler und Synchronsprecher. Als deutsche Stimme von George Clooney verleiht er diesem Lässigkeit und Charme. Seit 1984 hat er über 600 Synchron-Rollen gesprochen und war als Schauspieler in der TV-Serie „Tatort“ zu sehen. Als Spezialist für spannende Thriller hat er auch [„Diabolus“ 1115 von Dan Brown vorgetragen. Nun haucht er Handyman Jack Leben ein. (Verlagsinfo)

_Die Macher_

Für Regie, Produktion & Dramaturgie zeichnet Lars Peter Lueg verantwortlich, für Schnitt, Musik & Tontechnik Andy Matern.

Lars Peter Lueg ist der exzentrische Verlagsleiter von |LPL records|. Der finstere Hörbuchverleger hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, das Grauen aus kalten Kellern und feuchten Grüften hinaus in die Welt der Lebenden zu tragen. LPL produziert alle Hörbücher & Hörspiele selbst und führt auch Regie. Er erhielt als Produzent einen Preis für „Das beste Hörbuch/Hörspiel des Jahres 2003“. Eine seiner Regiearbeiten wurde vom renommierten |hörBücher|-Magazin mit dem Prädikat „Grandios“ ausgezeichnet. Außerdem erhielt er beim Hörspielpreis 2007 eine Auszeichnung für die „Beste Serienfolge“. (Verlagsinfo)

Andy Matern ist seit 1996 als freiberuflicher Keyboarder, Producer, Remixer, Songwriter und Arrangeur tätig. Er kann mehr als 150 kommerzielle CD-Veröffentlichungen vorweisen. Darunter finden sich nationale und internationale Chart-Platzierungen mit diversen Gold- und Platin-Auszeichnungen. Andy Matern wurde als „Bester Hörspielmusiker des Jahres 2005“ ausgezeichnet. Sein neuestes Edelmetall wurde ihm für die Musik zu den Dan-Brown-Hörbüchern „Illuminati“ (Doppel-Platin) und [„Sakrileg“ 2361 (Platin) verliehen. (Verlagsinfo)

_Handlung_

Seine Freundin Gia hat sich von Jack getrennt: Er ist ihr zu unheimlich mit seinem verdeckten Leben als „Handyman“, der „Dinge in Ordnung bringt“. Er hat ja noch nicht mal ein Bankkonto, geschweige denn eine Sozialversicherungsnummer, ist es zu fassen! Dass sie beim heimlichen Putzen in seinem Büro in einem Versteck ein ganzes Arsenal von Ballermännern samt Munition gefunden hat, gab ihrer Selbstbeherrschung den Rest.

Dennoch muss sie ihn jetzt anrufen, denn die Polizisten, die sie zuerst rief, haben sich nicht bemüht, ihre verschwundene Tante Grace wiederzufinden. New York ist eine große Stadt – die Cops haben Dringenderes zu tun, als eine 70 Jahre alte Lady, und sei sie noch so nett, zu suchen. Jack kommt denn auch wenig später. Obwohl er einen interessanten neuen Auftrag von einem Inder erhalten hat, nimmt er sich die Zeit, um für Gias kleine Tochter Vicky ein Geschenk zu kaufen, denn er liebt sie wirklich. Das einzige Interessante, das er in Tante Graces Zimmer findet, ist eine grüne Flasche mit undefinierbarem Inhalt, angeblich ein Abführmittel. Dieses Zeug gibt er einem Bekannten zur Analyse.

Abends begibt er sich auf die Straße, um seinen neuen Auftrag auszuführen. Der Inder Kusum Bakti hat ihm eine stattliche Summe vorausgezahlt, um ein eisernes Halsband mit zwei Edelsteinen wiederzubeschaffen, das seiner Großmutter gestohlen worden sei. Nun liege sie mit einer Verletzung im Krankenhaus, doch nur das Halsband könne sie retten. Wenn Jack es bis zum nächsten Morgen wiederbeschaffen kann. Den Täter zu finden und zu ködern, erweist sich als Kinderspiel. Jack muss nicht mal schießen.

Kusum Bakti legt die Kette seiner Großmutter um, die schon bald genest, wie er behauptet. Mit dem restlichen Entgelt kommt auch ein Versprechen: Bakti stehe in Jacks Schuld. Dabei outet sich der Inder als Anhänger der Todesgöttin Kali – interessant, findet Jack. Am nächsten Tag will ihn Baktis Schwester Kolabati treffen. In einem eleganten Restaurant sitzend, erweist sich Kolabati als eine betörende und höchst begehrenswerte Frau. Und sie trägt die bewusste eiserne Halskette.

Sie erzählt Jack, ihr Bruder sei Anführer einer fundamentalistischen Hindu-Bewegung, die großen Einfluss habe. Kusum arbeite nun als Diplomat bei der UNO. Jack erzählt ihr nur so viel von sich, wie sie wissen soll: Wie er seinen ersten Job als Handyman erledigte. Aber er sagt ihr nicht, wie seine Mutter ermordet wurde. Kolabati muss mehr von ihrer Familie erzählen. Als sie ihn streichelt, ist dies das Signal, zu ihr auf ein Schäferstündchen zu gehen.

Das Liebesspiel dauert die ganze Nacht und erschöpft ihn. Sie hat die ganze Zeit Regie geführt. Plötzlich bemerkt sie einen Geruch nach Schwefel und er glaubt, sie „Rakosh“ flüstern zu hören. „Nicht bewegen!“, befiehlt sie, während sie ihn mit ihrem Astralkörper bedeckt. Als er sich umsieht, ist da nichts. Kaum hat sich der Gestank wieder verzogen, zieht sie sich an und sagt, sie müsse sofort zu ihrem Bruder. Jack hat eine böse Vorahnung. Was geht da zwischen den beiden vor?

|Unterdessen …|

Während Kolabati ihren Bruder vergeblich in seiner Wohnung sucht, befindet er sich auf seinem Frachtschiff, das im Hafen vor Anker liegt. Mit Fackeln und einer Peitsche fährt Kusum in den nach Schwefel stinkenden Frachtraum, um seine Geschöpfe zu züchtigen: die Rakoshi. Die Mutter, ein zweieinhalb Meter hohes humanoides Wesen mit Reptilienhaut auf dem Rücken, hat versagt: Sie hat erstmals eine Witterung verloren. Wie konnte das nur geschehen?

Die Mutter schiebt ihr ältestes Junges vor, das sich demütig von Kusum züchtigen lässt, obwohl es viel stärker ist als er und über eindrucksvolle Reißzähne verfügt. Doch schließlich ist er der Vater des Jungen: „kakaji“. Doch diesmal verschont er die Mutter, die sich entsprechend geehrt und stolz fühlen darf. Beim nächsten Auftrag in New York wird sie sich mehr anstrengen, so viel ist gewiss. Kusum fährt wieder mit dem Aufzug nach oben, um in seine Kajüte zurückzukehren. Er rätselt weiterhin: Wie ist es Handyman Jack nur gelungen, der Rakosh-Mutter zu entkommen?

_Mein Eindruck_

„Die Gruft“ ist eine wirkungsvolle Mischung aus Detektiv- und Horrorstory. Wenn Jack als Detektiv auftritt, steigt die Spannung durch seine Ermittlung ebenso wie durch die horrormäßigen Schauereffekte, die durch die Rakoshi-Monster erzeugt werden. Es ist klar, dass die Suche nach Tante Grace etwas mit dem Auftreten der Ungeheuer in der Stadt zu tun haben muss. Doch der Zusammenhang ist für Jack, dem wir über die Schulter sehen, lange Zeit nicht ersichtlich.

Natürlich ist der Schlüssel zu allem und zur Lösung des Problems in der Vergangenheit zu finden. Auf einmal sieht man sich wie Jack mit Geschehnissen im 19. Jahrhundert konfrontiert, genauer gesagt mit der Erstürmung eines bengalischen Kali-Tempels im Jahr 1881 durch einen gewissen Captain Westphalen. Wie sich herausstellt, ist dieser Soldat der britischen Kolonialtruppen der Vorfahre von Grace, Nelly, Gia und Vicky – allesamt geborene Westphalens. Dreimal darf man nun raten, wer sich an den Westphalens rächen will.

Dass es mit Bakti und seiner Schwester zu tun haben muss, ist klar. Wenigstens logisch ist jedoch Kusums Behauptung, er selbst sei damals zugegen gewesen. Wie kann es sein, dass der Diplomat über 100 Jahre alt ist, fragt sich Jack verwundert. Die Erklärung, die Kusum und Kolabati in Puzzleteilchen liefern, ist höchst beunruhigend: Sie haben quasi eine Art Unsterblichkeit erlangt, oder doch zumindest Langlebigkeit. Der Schlüssel dazu ist die eiserne Halskette, die der Todesgöttin geweiht ist. Es dauert nicht lange, dann darf sich Jack über einige Spezialeffekte dieser Halskette wundern.

|Die Ungeheuer|

Doch was hat es nun mit den Rakoshi auf sich? Wer die Erzählungen in „Letzter Ausweg“ kennt, der hat schon Bekanntschaft mit einem Rakosh gemacht: Er fristet seine Tage im Zoo von New York City. Obwohl das Wesen wie ein reptilisches Ungeheuer auf zwei Beinen aussieht, zeugen seine Augen doch von menschlicher Intelligenz. Wie es zu der Verbindung zwischen Mensch (Kusum) und Ungeheuer gekommen ist, wird ebenfalls im Verlauf von Jacks Ermittlung aufgeklärt. Einer der besten Schockeffekte besteht darin, die Beziehung zwischen Kusum und seinen Monstern offenzulegen.

Jack wäre kein Amerikaner und schon gar kein Mann, der „Dinge in Ordnung bringt“, wenn er nicht nach einer Endlösung des Problems der Rakoshi strebte. Kusum hat nämlich auch seine kleine Vicky, die letzte der Westphalens, gekidnappt, um sie in einer großen Zeremonie den Rakoshi zu opfern. Kann es Jack dazu kommen lassen? Selbstredend nicht! Bewaffnet mit einem Flammenwerfer und einem Arsenal von Handgranaten betritt er Kusums Schiff, um dem Spuk der Rakoshi ein für allemal ein Ende zu bereiten.

|Der Sprecher|

Das Hörbuch wird von Detlef Bierstedt kompetent und deutlich artikuliert vorgetragen, so dass man dem Text mühelos folgen kann. Er muss sich nicht besonders anstrengen, denn die amerikanischen und indischen Namen auszusprechen, ist eigentlich kein großes Kunststück für einen Mann mit Allgemeinbildung.

Da sich die Anzahl der Figuren sich in Grenzen hält, gerät man nie in Gefahr, die Übersicht zu verlieren. Bierstedt versucht sein Möglichstes, die Figuren zu charakterisieren. Die wichtigste Figur ist natürlich Handyman Jack selbst, der Ich-Erzähler. Er klingt zwar nicht wie Bierstedts Synchronfigur George Clooney, aber doch einigermaßen cool und abgebrüht, wie ein Nachfahre von Philip Marlowe.

Sehr gelungen fand ich seine Darstellung der Verführerischen Kolabati: mit sanfter, betörender Stimme und einem tiefen Timbre würde sie mich jederzeit um den Finger wickeln. Ebenfalls beeindruckt war ich von der Darstellung Kusums als „kakaji“: Ein extrem gutturaler Klang verleiht diesem Wort eine unheilvolle Bedeutung wie auch eine bedrohliche Autorität. So erwacht der „Vater“ der Monster zum Leben. Klasse!

Bei so wenig Abwechslung in den Stimmlagen kommt es darauf an, die stimmliche Expressivität der jeweiligen Szene anzupassen und so den Ausdruck emotionaler und abwechslungsreicher zu gestalten. Dies gelingt dem Sprecher erfolgreich, und so kann sich der Hörer über Jammern, Verzweiflung, Hysterie, Schniefen, Stammeln, Verlegenheit, Angst, Spott, Arroganz, Verachtung, Nervosität, Erleichterung, Erschütterung, Aufregung, Besorgnis, Freude und viele andere Gefühlsausdrücke freuen. Ganz eindeutig ist dies Bierstedts eigentliche Stärke. Hörbar macht ihm dieser Aspekt seiner Arbeit am meisten Spaß.

|Musik|

Das Intro stimmt den Hörer bereits auf eine spannende, dynamische Handlung ein und erinnert von fern an Film-noir-Musiken. Das Outro entspricht dem Intro. Dazwischen hören wir immer wieder Musik, um die Pausen zu füllen, beispielsweise, um einen Szenenwechsel anzudeuten. Die Musik Andy Materns kann eine dynamische, einen angespannte oder auch eine relaxte Stimmung erzeugen, ganz nach Bedarf.

|Warnung!|

So etwas wie Hintergrundmusik ist nur in inszenierten Lesungen und Hörspielen üblich, wird daher auch hier nicht praktiziert – oder nur dergestalt, dass die Hintergrund- zur Vordergrundmusik wird, während der Vortrag endet. Der leicht zu verstörende Hörer sei vor den sehr tiefen Bässen an manchen Stellen gewarnt. Diese Bässe warnen vor kommenden Unheil.

_Unterm Strich_

Von der fulminanten Schlusssequenz war ich doch stark an die Standardszene in fast allen „Alien“-Filmen erinnert: das Verbrennen der Alien-Brut. Es ist eine so archetypische Szene, dass sie im ganzen Horrorgenre der Achtzigerjahre variiert wird: der Triumph des (männlichen bzw. mütterlichen) Menschen, der sein reinigendes Feuer gegen die feindliche Wildnis einsetzt. (Nur Mütter haben die weibliche Lizenz zum Töten.) Es ist, als wären wir immer noch Jäger und Sammler, die sich irgendwo in der Jungsteinzeit gegen Säbelzahntiger zur Wehr setzen müssten.

Dieses horrormäßige Fundament wird aber überlagert von der indischen Vergangenheit und ihren Implikationen und dann verknüpft mit dem modernen Großstadtleben. Der moderne Detektiv wird auf den Prüfstand gestellt, um mal zu sehen, ob er sich auch als Monsterjäger bewährt. Das tut er einwandfrei, denn schließlich geht es darum, die Liebe zu Vicky und Gia zu retten, also die Zukunft in Gestalt einer Familie.

Da stört es nicht, dass Kusum zu indischen Fundamentalisten gehört. Im Gegenteil: Angesichts der Unruhen im aktuellen Indien und der Terroranschläge in Mumbai erscheint Kusums Fanatismus sogar noch plausibler. Mystisch wird er lediglich durch die Langlebigkeit und die Verbindung zur Todesgöttin Kali. Diese wurde ja schon von Rudyard Kipling in dessen Erzählung „Die Gespenster-Rikscha“ beschworen, die kürzlich als |Gruselkabinett|-Hörspiel wirkungsvoll produziert worden ist.

|Das Hörbuch|

Das Hörbuch wird von Detlef Bierstedt in gewohnter Weise kompetent gestaltet, bietet aber ansonsten keine Zutaten wie etwa Musikuntermalung oder gar eine Geräuschkulisse. Musik füllt lediglich die Pausen für die Szenenwechsel, ist aber passend und im In- und Outro auch unterhaltsam. Gewarnt sei vor den sehr tiefen Bässen an manchen Stellen. Wohl dem, der ein robustes Nervenkostüm besitzt.

|372 Minuten auf 5 CDs
ISBN-13: 978-3-7857-3710-1|
http://www.lpl.de
http://www.luebbe-audio.de
http://www.festa-verlag.de
http://www.andymatern.de

Lovecraft, H. P. / Orchester der Schatten – Wälder der Finsternis (Der Ruf des Dämon 2) [inszenierte Lesung

Stimmungsvoll: von Kannibalen und Außerirdischen

„Der Ruf des Dämon 2“: Auch in der zweiten Produktion des ‚Orchesters‘ werden Texte von HPL präsentiert, jedoch melden sich hier weder Cthulhu noch andere Persönlichkeiten aus seinem Kosmos des Grauens zu Wort, auch das Necronomicon bleibt dieses eine Mal verschlossen. Das Grauen erscheint vielmehr als Monstrum in Menschengestalt bzw. in Form einer mitleidslosen wie unpersönlichen Macht aus dem All, die es nicht nötig hat, sich einen Namen zu geben, und dadurch umso beängstigender wirkt.

INHALT

– Das Bild im Haus (gesprochen von Torsten Sense);
– Astrophobos / The Messenger / The House (poems; gesprochen von Simon Newby);
– Die Farbe aus dem All (gesprochen von Simon Jäger)

[Rezension zum ersten Teil 1823

Der Autor

Howard Phillips Lovecraft, 1890-1937, hatte ein Leben voller Rätsel. Zu Lebzeiten wurde er als Schriftsteller völlig verkannt. Erst Jahre nach seinem Tod entwickelte er sich zu einem der größten Horror-Autoren. Unzählige Schriftsteller und Filmemacher haben sich von ihm inspirieren lassen.

Howard Phillips Lovecraft wurde am 20. August 1890 in Providence, Rhode Island, geboren. Als Howard acht Jahre alt war, starb sein Vater und Howard wurde von seiner Mutter, seinen zwei Tanten und seinem Großvater großgezogen. Nach dem Tod des Großvaters 1904 musste die Familie wegen finanzieller Schwierigkeiten ihr viktorianisches Heim aufgeben. Lovecrafts Mutter starb am 24. Mai 1921 nach einem Nervenzusammenbruch. Am 3. März 1924 heiratete Lovecraft die sieben Jahre ältere Sonia Haft Greene und zog nach Brooklyn, New York City. 1929 wurde die Ehe, auch wegen der Nichtakzeptanz Sonias durch Howards Tanten, geschieden. Am 10. März 1937 wurde Lovecraft ins Jane Brown Memorial Krankenhaus eingeliefert, wo er fünf Tage später starb. Am 18. März 1937 wurde er im Familiengrab der Phillips beigesetzt. Nach seinem Tod entwickelte er sich bemerkenswerterweise zu einem der größten Autoren von Horrorgeschichten in den USA und dem Rest der Welt. Sein Stil ist unvergleichlich und fand viele Nachahmer. (abgewandelte Verlagsinfo)

Aber Lovecrafts Grauen reicht weit über die Vorstellung von Hölle hinaus: Das Universum selbst ist eine Hölle, die den Menschen, dessen Gott schon lange tot ist, zu verschlingen droht. Auch keine Liebe rettet ihn, denn Frauen kommen in Lovecrafts Geschichten praktisch nur in ihrer biologischen Funktion vor, nicht aber als liebespendende Wesen oder gar als Akteure. Daher ist der (männliche) Mensch völlig schutzlos dem Hass der Großen Alten ausgeliefert, die ihre Welt, die sie einst besaßen, wiederhaben wollen. Das versteht Lovecraft unter „kosmischem Grauen“. Die Welt ist kein gemütlicher Ort – und Einsteins Relativitätstheorie hat sie mit in diesen Zustand versetzt: Newtons Gott ist tot, die Evolution eine blinde Macht, und Erde und Sonne sind nur Staubkörnchen in einem schwarzen Ozean aus Unendlichkeit. Auf Einstein verweist HPL ausdrücklich in seinem Kurzroman [„Der Flüsterer im Dunkeln“. 1961

Kurz und bündig mehr über Lovecraft: http://www.orchesterderschatten.de/autor.htm

Die Sprecher/Die Musiker

Simon Jäger, geboren 1972 in Berlin. Seit 1982 arbeitet er als Synchronsprecher bei Film und TV. Er lieh u. a. Josh Hartnett, James Duvall, Balthazar Getty und River Phoenix seine Stimme, aber auch „Grisu der kleine Drache“, und war auch in TV-Serien wie „Waltons“ oder „Emergency Room“ zu hören. Seit 1998 arbeitet er zudem als Autor und Dialogregisseur. (Homepage-Info)

Simon Newby, geboren 1961 in Long Eaton, England, studierte an der Guildhall School of Music & Drama (Bachelor-Abschluss in Dramatic Arts). Seit 1990 erledigte er zahlreiche Regiearbeiten an verschiedenen Bühnen Berlins, war als Voice-Over- und Synchronsprecher sowie als Dialog-Coach tätig, seine Hobbys sind Trompetespielen und Tauchen. Zu seinen Sprachkenntnissen zählt er: „Englisch (Britisch und Amerikanisch), Deutsch (perfekt)“.

Torsten Sense, Sprecher, ist Schauspieler und Komponist für moderne Kammermusik, Musiktheater und Filmmusik. Von 1972 bis 1990 spielte er an diversen Theatern, darüber hinaus lieh er als Synchronsprecher Val Kilmer in „The Doors“ und „Batman Forever“ sowie Kyle McLachlan in „Twin Peaks“ seine Stimme.

Das „Orchester der Schatten“:

„Das Orchester der Schatten präsentiert klassische Geschichten von Kultautoren wie H. P. Lovecraft und E. A. Poe, die mit ihren bizarren Welten des Grauens schon Generationen von Lesern begeistert haben. Ohne vordergründige Effekte wird von Mythen, fremden Mächten oder einfach von dem Horror erzählt, der sich in der menschlichen Seele verbirgt. Begleitet werden die Erzählungen vom Orchester der Schatten, dessen Live-‚Filmmusik‘ komponierte Scores, Klangeffekte und improvisierte Elemente vereint.“ (Homepage-Info)

Matthias Manzke:
*4.10.1971; Jazzstudium an der HdK Berlin sowie an der New School New York; Unterricht u. a. bei David Friedman, Peter Weniger, Richie Beirach, und Jane-Ira Bloom; Rumänien-Tournee 1997; Teilnahme am Jazzfestival Hradec Kralove, Engagements bei Theater- und Filmproduktionen; CD-Aufnahmen mit der Berliner Big Band JayJayBeCe (BIT-Verlag 1997), mit dem Sänger Robert Metcalf (Dt. Grammophon 1998) sowie mit dem FRAW FRAW Saxophon4tett (2002); zzt. regelmäßige Konzerttäigkeit mit dem FRAW FRAW Saxophonquartett in ganz Deutschland und mit Projekten im Berliner Planetarium am Insulaner

Stephan Wolff:
1956 in Berlin geboren; Jurastudium; Dirigierstudium, Kompositions-Unterricht bei N. Badinski; Tätig als Komponist, Dirigent, Keyboarder; seit 1994 Lehrtätigkeit an der Leo-Borchard-Musikschule; Stilübergreifende Kompositionen zwischen Klassik, Jazz und Pop. Produktion und Mitgestaltung diverser Live-Elektronik-Projekte, u. a. „Dialogues“ (1998), „Losing One’s Head“ (1999), Filmmusiken, Bühnenmusiken, Traumspiel-Oper „Abaddon“ (1998/2001); Zahlreiche Songs und Lieder, auch für Kinder, z. B. „Erdenklang & Sternenbilder“ (1996), „Songs aus dem All“ (2000/2001), „Cool & Cosi“ (2000)

Torsten Sense:
Komponist für moderne Kammermusik, Musiktheater und Filmmusik sowie Schauspieler. Er veröffentlichte vier Musiktheaterstücke, vier Orchesterwerke, 24 Kammermusikstücke, zwei Orgelwerke, 13 Bühnenmusiken sowie ca. 60 Film- und Fernsehmusiken. Er wirkte an unzähligen Synchronisationen mit, so lieh er beispielsweise Val Kilmer in „Doors“ seine Stimme und Kyle McLachlan in „Twin Peaks“.

Und andere. Mehr Info: http://www.orchesterderschatten.de.

Handlung von „Das Bild im Haus“ (gesprochen von Torsten Sense)

Ein junger Archäologe interessiert sich für die unheimlichen einsamen Gehöfte, die in Neu-England verlassen und überwuchert vor sich hin schlummern. Doch sie bergen das Grauen und das Groteske. Und ihre Fenster blicken wie Augen auf den ahnungslosen Besucher, sie erinnern sich an Unaussprechliches …

Es ist November 1896, als der junge Ich-Erzähler Zuflucht vor einem Wolkenbruch sucht. Er ist durch das Miskatonic Valley nahe Arkham (= Salem/Massachusetts) geradelt. Ein Haus unter Ulmen bietet ihm Obdach, niemand antwortet auf seine Rufe, die Tür ist offen, und der Besucher tritt in eine andere Zeit.

Zuerst fällt ihm ein widerlicher Geruch auf. Sie entsteigt dem Inventar, das offenbar aus der Zeit vor 1776 stammt, als der amerikanische Unabhängigkeitskrieg ausbrach. Auf dem Tisch fällt ihm ein aufgeschlagenes Buch aus dem 16. Jahrhundert auf, das den Titel „Beschreibung des Kongo“ trägt und auf der Tafel 12 aufgeschlagen ist. Es zeigt den Metzgerladen von Menschenfressern auf drastische Weise. Daneben steht ein Buch von Cotton Mather, der puritanischen Hauptfigur der Hexenprozesse von Salem.

Da hört er Schritte, die von oben kommen. Es ist ein alter, weißbärtiger Mann, doch erscheint er überraschend stämmig und kräftig, seine blauen Augen blicken wach, wenn auch ein wenig blutunterlaufen. Nur will sein lumpenartiges Äußeres gar nicht dazu passen. Der Besucher ist abgestoßen und verspürt Beklommenheit. Der Alte bietet höflich einen Stuhl an und erwähnt, es würden keine Postkutschen mehr von Arkham kommen und der Bezirkslehrer sei seit anno ’84 verschwunden. Er setzt eine alte Brille mit achteckigen Gläsern auf. Dann bittet er seinen Besucher, aus dem „Regnum Congo“, das in Latein geschrieben ist, zu übersetzen.

Seine freundliche Geschwätzigkeit vermag das gierige Glitzern in den Augen kaum zu verbergen, mit dem er seinen Gast belauert. Während des folgenden bizarren Gesprächs wächst in unserem jungen Besucher nicht nur der Ekel vor den sonderbaren Ausführungen seines Gastgebers, sondern auch die Gewissheit, dass der Alte ein böses Spiel mit ihm treibt und sein Opfer bereits in der Falle weiß …

Mein Eindruck

Diese frühe Erzählung aus dem Jahr 1920 wird selten abgedruckt, denn sie rührt an ein Tabu, das sehr unappetitlich ist: Kannibalismus. Der Alte verschlingt seine ahnungslosen Opfer, nach dem Vorbild der Bewohner des Kongo. Degeneration – ein häufig wiederkehrendes Motiv in Lovecrafts Erzählungen. Degeneration nicht so sehr im körperlichen Sinne (der Alte ist unnatürlich kräftig und gesund), sondern vielmehr im moralischen. Die Grenze zwischen Tier und Mensch existiert für den Alten nicht mehr.

Eingebettet in das Bild vom Haus des Menschenfressers ist die Warnung vor der unheiligen Vergangenheit Neu-Englands – der Verweis auf Cotton Mather spricht für den Eingeweihten Bände. Lovecraft entführt den Leser bzw. Hörer in diese andere Zeit, um ihn mit schaurigen Phänomenen zu konfrontieren und davor zu warnen.

Archäologen sind in dieser Phase seine bevorzugten Protagonisten – beispielsweise in „Der Hund“ in „Ruf des Dämon 1“, aber auch in vielen weiteren Erzählungen. Sie begegnen schrecklichen verbotenen Geheimnissen, denen ihr säkularisierter Verstand, der Gott entsagt hat, nichts entgegenzusetzen hat. Anfällig für alle Arten von „unheiligen“, blasphemischen und sonstigen Dingen, leisten sie auch selten Gegenwehr gegen die Großen Alten, von denen in der nächsten Geschichte die Rede sein soll.


Handlung von „Die Farbe aus dem All“ (gesprochen von Simon Jäger)

Es gibt eine Gegend am Miskatonic westlich von Arkham, wo die Berge steil emporsteigen, die man die „Verfluchte Heide“ nennt. Die früheren Bewohner sind fortgezogen, und Fremde werden hier nicht heimisch, weil schlechte Träume sie heimsuchen. Nur der alte Ammi Pierce, der unweit Arkhams lebt, spricht über das, was hier einst blühte und gedieh, an der alten Straße, wo die Farm von Nahum Gardner lag. Die neue Straße macht einen großen Bogen nach Süden um dieses Gebiet herum.

Möge der geplante Stausee bald die verfluchte Heide bedecken und die seltsam unnatürlichen Farben auslöschen, in denen sie funkelt. Aber ob man vom Wasser dieses Sees trinken sollte, fragt sich der Landvermesser, der diese Gegend zuerst besucht hat. Die Heide mit ihrem stinkenden Moder, den verkrüppelten Bäumen und dem verdorrten Gras breitet sich jedes Jahr weiter aus.

Folgendes erfuhr er von Ammi Pierce, dem besten Freund der Familie Gardner: Dort, wo einst die florierende Farm von Nahum Gardner stand, umgeben von fruchtbarem Weideland und Obstanbau, existiert nur noch toter Staub, der das Sonnenlicht in merkwürdigen, unirdischen Farben reflektiert.

Alles begann, nachdem 1882 der Meteorit sich in der Nähe von Nahums Brunnen in die Erde gegraben hatte. Ammi ist überzeugt: Eine fremde Macht aus dem All versank in der Erde, kurz darauf setzten rätselhafte Veränderungen bei Tieren und Pflanzen ein. Die Natur schien aus dem Gleichgewicht, die armen Menschen – zuerst Mrs Gardner – wurden von einem Wahnsinn ergriffen oder verschwanden spurlos, und alle Dinge weit und breit begannen, in unbeschreiblichen, widerwärtigen Farben zu leuchten – bis heute …

Mein Eindruck

Dies ist eine der besten Geschichten des Meisters aus Providence. Sie besticht den Leser bzw. Hörer durch ihre reportagehafte Genauigkeit, die Kühlheit ihrer genauen Beschreibungen, die trotz des horriblen Inhalts dennoch von der Vernunft gesteuert werden, als habe Edgar Allan Poe selbst die Feder des Schreibers geführt. Auch die „Einheit der Wirkung“, eine zentrale Forderung Poes von der Kurzgeschichte, ist vollständig und vorbildlich erfüllt.

Diese Geschichte steigert sich in Stufen und mit Verschnaufpausen bis zu einem solch phantasmagorischen Moment kosmischen Schreckens, dass es ein Wunder wäre, wenn der Leser bzw. Hörer nicht davon ergriffen würde. Zuerst zeigen sich nur leise Andeutungen, die sich zunehmend verdichten, je schwerer die Beeinträchtigung von Nahum Gardners Farm wird. Ammi Pierce ruft auch Wissenschaftler der Miskatonic Universität herbei, die aber auch nicht allzu viel ausrichten können. Sie finden allerdings Kugeln in einer unirdischen Farbe, und es ist anzunehmen, dass diese Substanzen ihren Weg in den Brunnen und somit ins Trinkwasser der Gardners finden.

Schon bald ändert sich der Geisteszustand von Mrs Gardner. Ihr Mann sperrt sie auf den Dachboden, ihr folgen ihre drei Söhne. Das menschliche Drama nimmt seinen Lauf, bis selbst der Alte vom Wahnsinn ergriffen wird. Erst als Ammie Pierce Nachbarn und besorgte Bürger mobilisiert, um nach ihm zu sehen, erreicht der Horror seinen Höhepunkt. Sie blicken aus dem Farmhaus hinaus auf eine Vision der Hölle. Denn nun wächst das Grauen um eine weitere Dimension: das Grauen wird kosmisch. Es kommt von den Sternen und es kehrt zu den Sternen zurück, allerdings nicht ohne ein sinistres Erbe zu hinterlassen: die sich ausbreitende „verfluchte Heide“.

Diese Heide birgt etwas, das nicht nur physisch existiert, sondern auch die Träume des Heidebesuchers heimsucht. Wie schon Nahum Gardner sagte: „Es zieht einen an, man kommt nicht weg.“ Und deswegen blieb er auf seiner Farm bis zum bitteren Ende, ähnlich wie Ammi Pierce. Und ob der Landvermesser je davon loskommt, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden.

Die Gedichte (gesprochen von Simon Newby)

Astrophobos

Das lyrische Ich beobachtet einen golden scheinenden Stern in der Nähe des Polarsterns und fabuliert von Schönheit, Heiterkeit, ja von himmlischer Herrlichkeit. Doch die Schönheit stellt sich als Trugbild heraus, als sich ein roter Schein darüber legt. Aus Hoffnung wird Hohn, aus Schönheit ein Zerrbild und aus Vergnügen Wahnsinn. Der Stern mag verschwinden, doch der Horror bleibt „forevermore“.

Das Gedicht hat in seiner gedanklichen und bildlichen Abfolge starke Ähnlichkeit mit Poes Gedicht „The Haunted Palace“, das in der Erzählung [„Der Untergang des Hauses Usher“ 2347 nachzulesen ist.

Simon Newbys langsamer und gut verständlicher Vortrag erscheint mir sowohl falsch betont als auch falsch intoniert. Der Ton müsste nicht erschreckt klingen, sondern zunächst verzückt und in der zweiten Hälfte verrückt. Über die Aussprache der altertümlichen Wörter bin ich mit ihm als Anglist ebenfalls nicht einer Meinung.

The Messenger (Der Bote)

Dieses Gedicht lässt sich nur als Replik auf einen Journalisten verstehen. Bertrand Kelton Hart lebte fröhlich in Providence, Rhode Island, und arbeitete als Autor einer Kolumne für das Providence Journal, als er entdecken musste, dass das Wohnhaus der Figur Wilcox in HPLs berühmter Story „The Call of Cthulhu“ sein eigenes in Thomas Street Nr. 7 war.

Hart war nicht auf den Kopf gefallen und revanchierte sich in seiner Kolumne mit der Drohung, HPL in dessen Domizil in der Barnes Street einen Geist oder Ghoul auf den Hals zu schicken, der ihn täglich morgens um drei mit dem Rasseln von Ketten wecken sollte.

Im Gedicht ist das lyrische Ich also vorgewarnt, glaubt aber nicht so recht an das Erscheinen des Gespenstes. Er fühlt sich vom Kreuz der Kirche (dem Elder Sign) beschützt. Die Kirchturmuhr schlägt drei, als auf einmal an der Tür ein Klirren und Rasseln von Ketten anhebt …

Simon Newby intoniert das Gedicht melodramatisch, doch ein koketter, zynischer Ton hätte zu der Haltung des Autors wohl besser gepasst.

The House

Gemeint ist das konkrete Haus auf Nr. 135 Benefit Street in Providence, Rhode Island. Dies hat HPL auch zu seiner bekannten und verfilmten Erzählung „The Shunned House“ (Das gemiedene Haus) inspiriert.

Wie so viele Gruselhäuser in der Schauerliteratur ist auch dieses Haus entsprechend ausstaffiert, doch wird es lediglich von außen gezeigt, als wäre es ein bewusstes Wesen von unermesslichem Alter, vor dem man sich fürchten sollte. Die Pointe ist jedoch die Haltung des Betrachters in der vierten Strophe. Ähnlich wie die Hauptfigur in der Story „Der Außenseiter“ wird sich der Betrachter bewusst, dass er schon einmal hier war, und zwar vor ziemlich langer Zeit. Wer oder was ist er?

Mein Eindruck

Diese Gedichte sind keine Balladen von Goethe („Erlkönig“ lässt sich auch als Grusel interpretieren) oder Schiller (der hatte mit „Der Geisterseher“ richtig guten Grusel-Trash geschrieben), sondern (außer in „The Messenger“) eine Art pseudoviktorianische Dekadenzlyrik, wie man sie vielleicht von einem Epigonen Baudelaires oder Poes erwarten könnte. Baudelaire schrieb richtig gute Vampirstorys in seinen Gedichten, die ab 1861 in [„Die Blumen des Bösen“ 553 veröffentlicht wurden.

Furcht vor den kalten und wankelmütigen Sternen gehört ebenso zu HPLs Standardrepertoire wie verfallende, sinistre Häuser und Geister. Die Gedichte bieten dem Kenner nichts Neues. Neu ist jedoch die Tatsache, dass sie erstmals in der Originalsprache auf einem deutschen Medium präsentiert werden, noch dazu von jemandem, der der englischen Sprache sehr gut mächtig ist.

Das Booklet

Das achtseitige Booklet wartet mit umfangreichen, ausreichenden Informationen zu Autor, Orchester, den Machern und mit den Gedichttexten auf. Die zweite Seite listet sämtliche Kapitelüberschriften auf, und das kann bei der langen Erzählung „Die Farbe aus dem All“ recht hilfreich bei der Orientierung sein.

Die Sprecher

Simon Jäger, die deutsche Stimme von Heath Ledger und Josh Hartnett, ist ein sehr fähiger Sprecher für diese gruseligen Texte. Genauso wie sein Kollege Torsten Sense, der „Das Bild im Haus“ liest, lässt er sich jede Menge Zeit, spricht deutlich und kitzelt die unterschwelligen Bedeutungen des Textes hervor. So entsteht ein deutliches Bild der Jahre überspannenden Vorgänge in „Die Farbe aus dem All“.

Ich konnte nur einen Fehler entdecken. Jäger liest „eine Vision von Fuseli“ [sic] statt „eine Vision wie von Füeßli“, denn Lovecraft meint den Schweizer Maler schauriger Motive wie „Der Nachtmahr“, das wohl sein bekanntestes Bild ist (ein dunkler Gnom sitzt auf dem Bauch einer ohnmächtigen, weißgewandeten jungen Frau, und hinterm Vorhang lugt ein weiterer Dämon hervor).

Auch Simon Newby, der in viel größerem Maße als Jäger als Schauspieler tätig gewesen ist, verfügt über eine ausdrucksstarke Stimme, die es ihm erlaubt, auch so schwierige Texte wie die auf alt getrimmten Gedichte HPLs vorzutragen. Über die korrekte Aussprache solcher exotischen Ausdrücke wie „Cacodaemons“ und „ere“ (= bevor) lässt sich wohl streiten.

Die Musik

Da es keinerlei Geräuschkulisse außer ein paar Spezialeffekten (Wind etc.) gibt, beruht die emotionale Wirkung der Akustik einzig und allein auf dem Vortrag des Sprechers und auf der Musik. Die Musik stellt so etwas wie ein experimentelles Novum dar (wie so einiges auf dem Hörbuch). Sie wurde nicht von einem einzelnen Komponisten zwecks Aufführung durch ein Orchester geliefert, sondern wird von einem Musikerkollektiv erstellt und zugleich aufgeführt: dem „Orchester der Schatten“.

In „Ruf des Dämon“ setzten die Komponisten noch jazzbasierte Instrumente und Musikmotive ein. Diese wurden nun durch eine mehr klassische Orchestrierung ersetzt, die dem traditionellen Feeling, das man mit Lovecraft verbindet, mehr entgegenkommt. Besonders gefielen mir die tiefen Bässe, seien sie nun vom Kontrabass, vom Cello oder dem Piano erzeugt. Ihren Gegenpart spielen häufig hohe Geigen, die durch Dissonanzen eine unheimliche Atmosphäre der Beklommenheit erzeugen. Dieses Muster wird zwecks An- und Entspannung variiert. Die Hintergrundmusik wird durch Pausenmusik ergänzt. Insgesamt bildet die Musik eine stilistische Einheit mit dem Inhalt der zwei Erzählungen. Grusel ist garantiert, vielleicht sogar Lovecrafts Markenzeichen: „kosmisches Grauen“.

Unterm Strich

„Der Ruf des Dämon 2: Wälder der Finsternis“ ist als Titel wohl eher eine Missinterpretation, denn weder in „Das Bild im Haus“ noch in „Die Farbe aus dem All“ stehen Wälder im Vordergrund, sondern eher am Rande des Geschehens. Besonders die zweite, sehr lange Erzählung ist ein Meisterstück HPLs, das jeder Fan kennen sollte. Es steht in einer Reihe mit Grundpfeilern des Lovecraftschen Werkes wie „Der Schatten aus der Zeit“ (1934) oder [„Schatten über Innsmouth“ 506 (1936), obwohl es bereits 1927 entstand. Meines Wissens ist dies die erste Veröffentlichung dieser zwei Erzählungen im Hörbuch.

Das Audiobook bietet dem Liebhaber gepflegten Grusels aus dem Hause Lovecraft eine interessante Mischung aus total Traditionellem – die Storys und Gedichte – und innovativ Neuem: die einfühlsame akustische Untermalung durch das „Orchester der Schatten“. Insgesamt also mehr etwas für Spezialisten.

151 Minuten auf 2 CDs
Aus dem US-Englischen übersetzt von Anke Püttmann (Bild im Haus), Matthias Manzke (Farbe aus dem All)

http://www.eichborn-lido.de/ (ohne Gewähr)

Lovecraft, H. P. – Der Flüsterer im Dunkeln (Lesung)

_Dagmar Berghoff: ein Gewinn für die Hörbuchszene_

Schauderhafte Kadaver außerirdischer Kreaturen in den Bergen Neuenglands?! Was wollen die Aliens auf der Erde? Die umfassende Korrespondenz zwischen dem Erzähler Wilmarth und Mr. Akeley fesselt den Zuhörer. Man fühlt, wie der Wahnsinn leise hereinkriecht. Der unterschwellige suggestive Horror dieser Erzählung lässt einen stellenweise den Atem anhalten. Spannend ohne Entspannung – bis zum grausigen Höhepunkt. Aber „besser als jeder Horrorfilm“, wie die Verlagsinfo behauptet? Mal sehn.

|Der Autor|

Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) wird allgemein als Vater der modernen Horrorliteratur angesehen. Obwohl er nur etwa 55 Erzählungen schrieb, hat sein zentraler Mythos um die Großen Alten, eine außerirdische Rasse bösartiger Götter, weltweit viele Nachahmer und Fans gefunden, und zwar nicht nur auf Lovecrafts testamentarisch verfügten Wunsch hin.

Aber Lovecrafts Grauen reicht weit über die Vorstellung von Hölle hinaus: Das Universum selbst ist eine Hölle, die den Menschen, dessen Gott schon lange tot ist, zu verschlingen droht. Auch keine Liebe rettet ihn, denn Frauen kommen in Lovecrafts Geschichten praktisch nur in ihrer biologischen Funktion vor, nicht aber als liebespendende Wesen oder gar als Akteure. Daher ist der (männliche) Mensch völlig schutzlos dem Hass der Großen Alten ausgeliefert, die ihre Welt, die sie einst besaßen, wiederhaben wollen. Das versteht Lovecraft unter „kosmischem Grauen“. Die Welt ist kein gemütlicher Ort – und Einsteins Relativitätstheorie hat sie mit in diesen Zustand versetzt: Newtons Gott ist tot, die Evolution eine blinde Macht, und Erde und Sonne nur Staubkörnchen in einem schwarzen Ozean aus Unendlichkeit. Auf Einstein verweist HPL ausdrücklich in seinem Kurzroman „Der Flüsterer im Dunkeln“.

|Die Sprecher|

David Nathan, geboren 1971 in Berlin, gilt laut Verlag als einer der besten Synchronsprecher Deutschlands. Er leiht seine Stimme Darstellern wie Johnny Depp, Christian Bale und Leonardo DiCaprio. In „Der Flüsterer im Dunkeln“ erweckt er die Spannung und den Horror zum Leben.

Torsten Michaelis ist der Synchronsprecher von Wesley Snipes. Durch sein Spektrum an verschiedenen Klangfarben wird er für die unterschiedlichsten Rollen eingesetzt. Er kann auf über 400 synchronisierte Filme zurückblicken.

|Die Sprecherin|

Dagmar Berghoff erlangte große Bekanntheit als die erste „Tagesschau“-Sprecherin Deutschlands. Von 1995 bis zum 31.12.1999 war sie die Chef-Sprecherin der ARD-Nachrichtensendung. Die gelernte Schauspielerin wurde zweimal mit dem „Bambi“ und einmal mit der „Goldenen Kamera“ ausgezeichnet.

|Regie, Produktion & Dramaturgie| übernahm Lars Peter Lueg, seines Zeichens Verlagsleiter von |LPL records|.

|Schnitt, Musik und Tontechnik| lagen in den kompetenten Händen von Andy Matern.

_Handlung_

Man schreibt das Jahr 1927, als große Hochwasser die Flüsse des bergigen US-Bundesstaates Vermont anschwellen lassen. Dabei werden merkwürdige Kadaver angeschwemmt, die vage an Krebse mit Schwingen erinnern. Die Zeitungen sind voll von Spekulationen, doch der Ich-Erzähler Albert Wilmarth, seines Zeichens Uni-Dozent in Arkham, will sich diesen Spinnereien nicht anschließen. Dennoch zählt er gewissenhaft all die einheimischen Legenden sowohl der Kolonisten wie auch der Indianer auf. Demnach haben sich in den unzugänglichen Bergen Außerirdische niedergelassen, um nach Metall zu schürfen, das sie sonst nirgendwo bekommen.

Im April 1928 erhält Wilmarth den ersten Brief von Henry Wentworth Akeley, einem geachteten Privatgelehrten aus uralter angesehener Familie. Er bestätigt, dass diese Berichte und Legenden einen Funken Wahrheit enthielten. In einem zweiten Brief schickt er Dokumente wie etwa Fotos sowie einen schwarzen Stein mit einer unbekannten Inschrift mit. Der Höhepunkt ist jedoch ein Tondokument, das eines der Phänomene wiedergibt, die in jener Gegend am Dark Mountain wahrzunehmen waren: Eine menschliche Stimme und eine summende, nichtmenschliche Stimme preisen ein Wesen namens Shub-Niggurath, die „Schwarze Ziege aus den Wäldern mit den tausend Jungen“.

Wilmarth läuft ein kalter Schauder den Rücken hinunter und ein namenloses Grauen erfasst sein Herz. Soll er den Phänomenen auf den Grund gehen? Der immer ausgedehnter werdende Briefwechsel mit Akeley drängt ihn dazu, sich in größte Lebensgefahr zu begeben. In den Bergen um den Dark Mountain wartet man bereits auf sein Erscheinen, und es wird denn auch durch Akeleys seltsamen letzten Brief ausgelöst.

Akeley äußert sich darin voller Verständnis und keineswegs mehr grauenerfüllt gegenüber den Außerirdischen, verrät sogar einige ihrer Geheimnisse: Sie hätten eine Operationsbasis auf dem Planeten Yuggoth errichtet, der jenseits des Neptun seine Kreisbahn ziehe und von irdischen Astronomen erst in Kürze entdeckt werde (der Pluto). Akeley drängt Wilmarth, schnellstens zu kommen und dabei keinesfalls sämtliche Beweisstücke zu vergessen. Diese würden noch gebraucht. Wilmarth nimmt den Zug und wird am Zielbahnhof von einem schweigsamen jungen Mann abgeholt.

Um Akeleys Haus herrscht zwar eine Grabesstille – keine Spur von Vieh oder Wachhunden – doch der Mann selbst lebt noch, wenn er auch unter einem asthmatischen Fieber leidet und so stark vermummt ist, dass nur sein Gesicht aus dem Halbdunkel hervorschaut, in das das Zimmer getaucht ist.

Mit wachsender Verwunderung lauscht Wilmarth dem halb gesummten Monolog Akeleys, während eine seltsame Vibration sein Gehirn erfüllt. Dann schlägt die Verwunderung in wachsendes Grauen um.

_Bonusmaterial_

|- Muriel E. Eddy: Eine persönliche Erinnerung an Howard Phillips Lovecraft (veröffentlicht 1996) (ca. 27:00 Minuten).|

Es war im heißen August 1923, als die Chronistin Eddy mit ihrem Mann den „Gentleman alter Schule“ Howard Phillips Lovecraft persönlich kennen lernte. Eddy erinnert sich an dunkelbraune Augen und fast schwarzes Haar. Er hatte ein Paket Manuskripte dabei, denn er schrieb – kostenlos – für diverse Amateurmagazine. Die Eddys sind Lyriker, und HPL ist so freundlich, ihnen ein paar Tipps zu geben. Da Mr. Eddy zudem die Horrorstory „The Beloved Dead“ (Die geliebten Toten) schrieb, gerät man bald ins Fachsimpeln. Lovecraft schreibt seit seinem vierzehnten Lebensjahr, und er zeigt ihnen seine Story „The lurking fear“. Dabei erklärt seine Ästhetik: Es komme darauf an, die Vorstellungs- und Einbildungskraft des Lesers anzuregen, aber niemals banale Fakten aufzutischen.

Bei seinem nächsten Besuch brachte er die Geschichte [„Die Ratten im Gemäuer“ 589 mit und las sie selbst vor. Das wurde für Muriel Eddy zu einem unvergesslichen Erlebnis, denn Lovecraft steigerte sich in das Vorlesen hinein, als ob er selbst bei den erzählten Geschehnissen dabei gewesen sei. Da wurde Muriel klar, dass sie es mit einem Genie vom Kaliber eines Edgar Allan Poe zu tun hatte.

Vor seiner Eheschließung mit der Schriftstellerin Sonia Haft Greene, die im Frühjahr 1924 stattfand, unterrichtete er die Eddys kaum davon, und dass er von Providence nach New York City zog, kam auch etwas überraschend. Aus seinen Briefen wurden Postkarten, und seltsamerweise kamen diese von allen möglichen Orten. Lief es mit seiner Ehe etwa nicht so gut? (Sonia wurden von HPLs Tanten abgelehnt, die ein strenges Regiment führten.) Nach seiner Scheidung 1929 bringt er aus New York nur die wunderbare Erzählung „Das Grauen von Red Hook“ mit, die er seinen Freunden vorliest. Muriel Eddy hält sie für eine seiner besten Geschichten.

Lovecraft ist als Korrektor, Lektor und sogar als Ghostwriter für Prominente wie Harry Houdini, den Zauberkünstler, tätig. Er geht sehr sparsam mit Papier um, was es für Muriel Eddy, die seine Handschriftmanuskripte abtippte (er fasste weder Schreibmaschine noch Telefon an) schwierig machte, seine Anweisungen zu entziffern. Einmal verlor er sogar am Bahnhof ein getipptes Manuskript für Houdini, aber zum Glück hatte er noch das Original.

Im März 1937 erhielten die Eddys die Nachricht von seinem Tod und besuchten den Trauergottesdienst auf dem Swan Point Friedhof mit seinen anderen Freunden. Ein zweideutiger Wunsch zum Schluss: „Möge der Geist (!) von Howard Phillips Lovecraft, Gentleman, lange leben!“

|- „Soundtrack des Schreckens“ (14:40 Minuten) umfasst zehn Tracks, darunter „Der Cthulhu-Mythos“, „Der Flüsterer im Dunkeln“, „Die Sprechmaschine“, „Von einem anderen Stern“, „Am Gipfel des Dark Mountain“ und „Mr. Akeley’s Sessel“.|

Die meisten dieser Stücke sind nur ein bis zwei Minuten lang und eignen sich dadurch am besten als Intros, Extros und Pausenfüller. Manche sind komplexer, polyphon und mit Stimmen versehen, andere hingegen sehr einfach. Während der Erzählung selbst werden sie nicht als Pausenfüller eingesetzt, daher ist ihre Zusammenfassung auf der Bonus-CD willkommen.

_Mein Eindruck_

Der Übergang von der Horrorstory zur Science-Fiction-Erzählung ist – wie in „Die Farbe aus dem All“ – fließend. Wie schon oben erwähnt, handelt es sich bei den Monstren auf Akeleys Grundstück und in den Bergen ringsum tatsächlich um Außerirdische. Sie haben, so erfährt Wilmarth aus dem letzten merkwürdigen Brief Akeleys, eine Basis auf dem Planeten Pluto errichtet, den sie Yuggoth nennen.

Und sie haben eine Technik entwickelt, um das Gehirn vom restlichen Körper abzutrennen und auf Reisen schicken zu können. Tatsächlich begegnet Wilmarth in Akeleys Haus einem dieser mobilen Gehirne, das mittels dreier Schaltungen zu sprechen, zu sehen und zu riechen in der Lage ist. Akeley offeriert Wilmarth, sein Gehirn auf diese Weise zu mobilisieren und zu unbekannten, immens weit entfernten Welten mitzunehmen. Wilmarth fasst dies als Drohung auf: Will man ihn erst seines Körpers und dann seiner Menschlichkeit berauben? Eine ähnliche Anordnung habe ich auch bei Stanislaw Lem gelesen, allerdings als erkenntnistheoretisches Experiment.

Die Story ist so ungemein geschickt erzählt, dass die Pointe erst ganz am Schluss, im letzten Satz, gesetzt wird, so dass sie den Leser mit voller Wucht trifft. Allerdings ist die Erzählweise nicht kunstvoll genug, um den Leser daran zu hindern, schon frühzeitig die richtigen Schlüsse zu ziehen. Der Schluss kommt also für den gewieften Leser nicht allzu überraschend.

Es gibt auch einen kleinen Insiderwitz, den ich meinem Leser nicht vorenthalten möchte. Im letzten Drittel erwähnt Akeley einen „Hohepriester Klarkash-ton“. Damit ist kein anderer als Clark Ashton-Smith gemeint, einer der engsten Schriftstellerfreunde von H. P. Lovecraft. Die großen Jungs machten sich ein Späßchen daraus, einander in ihre jeweiligen Geschichten einzubauen, denn Kunst und Leben waren für sie eins.

|Bonusmaterial|

Während die Musik eine nette Zugabe darstellt, so liefert die „Erinnerung an H. P. Lovecraft“ wertvolle Informationen für denjenigen Leser, der noch nichts bis wenig über den Menschen Lovecraft weiß. Der Gentleman scheint zwar ein netter Zeitgenosse gewesen zu sein, aber warum, um Himmels willen, hat er solch schreckliche Geschichten geschrieben? Das erfahren wir leider nicht.

Aufgrund von Muriel Eddys Angaben können wir allenfalls spekulieren, dass Lovecraft meist ein sehr einsamer Mensch war, um dessen Gesundheit es nie zum Besten stand. Er litt unter der Kälte – einmal brach er sogar auf der Straße zusammen, doch Mr. Eddy rettete ihn. Dass HPL Katzen über alles liebte, erklärt deren häufiges Auftauchen in seinen Storys, so etwa in „Die Ratten im Gemäuer“ und natürlich in „Die Katzen von Ulthar“.

Weil der Cthulhu-Mythos, der ihn unsterblich gemacht hat, mit keinem Wort erwähnt wird, erhalten wir ein Bild von ihm, das ihn uns als sympathischen Anachronismus belächeln lässt: den romantischen Lovecraft, der mit dem Kurzroman „Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath“ den Höhepunkt seiner ersten Schaffensphase erreichte (auch davon kein Wort). Lovecraft lehnte die Technik der Moderne ab: keine Schreibmaschine, kein Telefon, kein Auto wollte er benutzen (höchstens im Notfall). Dass seine Außerirdischen solche Teufelsdinger benutzen – wie etwa die Sprechmaschine in „Flüsterer im Dunkeln“ – passt genau ins Bild: Es charakterisiert sie als böse und menschenfeindlich.

|Zur Übersetzung|

Der erste deutsche Übersetzer Lovecrafts war H. C. Artmann in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Doch sie ist heute obsolet. Ein Vergleich mit Andreas Diesels Übersetzung etwa von „Cthulhus Ruf“ zeigt, dass Artmanns Fassung unvollständig, altertümelnd (absichtlich?) und stellenweise sogar verfälschend ist. Für moderne Leser, die ohne Vorbereitung darauf stoßen, ist sie stellenweise wohl unverständlich.

Zum Glück liegen mit Festas und Diesels Fassungen mittlerweile praktisch alle Lovecraft-Erzählungen in lesbarer, moderner Diktion vor. So kann es gelingen, dass die unzähligen Adjektive wie unheilvoll, grausig, finster, düster, modrig usw. usf. nicht völlig veraltet daherkommen, sondern halbwegs modern. Nun stellt sich dem Leser zumindest kein Sprachproblem mehr entgegen. Der Inhalt ist natürlich etwas anderes.

|Die Sprecher|

David Nathan: Er spricht den Ich-Erzähler Albert Wilmarth. Wie so oft gelingt es Nathan auch diesmal, die Bedeutungshöhepunkte des Textes mit großem Gespür herauszuarbeiten. Wo also Action angesagt ist und Autorität, da spricht er flüssig und laut. Doch wo es um eine höchst zwielichtige Versammlung der Außerirdischen und ihrer Schergen geht, sinkt sein Vortrag fast zu einem Flüstern ab, so dass die Anspannung im Leser unwillkürlich steigt. Hier ist offensichtlich Verbotenes zu vernehmen, das nicht für Wilmarths, d. h. unsere Ohren bestimmt ist, und tatsächlich fallen die Namen diverser Großer Alter wie Nyarlathotep und Azathotep. (Warum diese Namen an sich bereits „blasphemisch“, also gotteslästerlich sein sollen, wird nicht ohne Weiteres klar. Dazu muss man wohl schon ein streng gläubiger Christenmensch sein. Jedenfalls klingt das Wort „blasphemisch“ schon ziemlich horrormäßig.)

Torsten Michaelis: Er spricht den titelgebenden Flüsterer, also Mr. Henry Akeley. Oder doch nicht? Das ist eben die Pointe der Story, und die darf nicht verraten werden. Jedenfalls jagte mir seine krächzende Sprechweise Schauder über den Rücken. Akeley hält einen ellenlangen Vortrag über die Geschenke der Außerirdischen, die sie nicht nur Akeley gemacht haben, sondern auch Wilmarth anbieten. Aber nach dem antiken Motto „Timeo Danaos et dona ferentes“ (Ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen) ist Wilmarth das Angebot nicht ganz geheuer, und wie ihm seine finale Entdeckung enthüllt, liegt er damit ganz richtig.

Dagmar Berghoff: Mit ihrer samtweichen, melodiösen und relativ tiefen Stimme eignet sich Berghoff als Sprecherin von Texten, die besonders mit menschlichen Schicksalen zu tun haben. Daher wirkt es auch keineswegs peinlich, wenn sich Muriel Eddy am Schluss zu ein wenig Pathos aufschwingt und der Besuch des Trauergottesdienstes zu einer Manifestation der Ehrerbietung gegenüber einem literarischen „Genie“, wie sie HPL nennt, wird. Ich könnte mir daher Berghoff nicht als Interpretin eines knallharten Sexualmord-Thrillers vorstellen (wahrscheinlich bekäme ich Mitleid mit dem Killer). Iris Böhm erledigt diesen Job bereits auf eindrucksvolle Weise.

Berghoff bemüht sich redlich, die zahlreichen englischsprachigen Bezeichnungen und Namen des Textes korrekt auszusprechen, und in 99,99 % aller Fälle gelingt ihr dies auch. Allerdings nicht im Falle von „The lurking fear“. Dieser Storytitel kommt zweimal vor, und beide Male spricht sie das Wort „lurking“ nicht korrekt aus. Das U spricht sie wie ein A aus statt wie ein offenes Ö. Auch langjährige Profis lernen eben nicht aus.

_Unterm Strich_

Die Erzählung ist einer der Höhepunkte im Zyklus um den „Cthulhu-Mythos“, auch wenn sie meiner Ansicht nach schwächer ist als etwa [„Schatten über Innsmouth“. 424 Das liegt zum Teil daran, dass Wilmarth nicht vorbelastet, sondern im Gegenteil geradezu ein Saubermann ist. So bleibt die Grenzlinie zwischen uns (Wilmarth & Co.) und Denen (Aliens & Handlanger) durchweg aufrechterhalten, wohingegen sie in „Schatten über Innsmouth“ komplett zusammenbricht, was doch einen beträchtlich größeren Horroreffekt auf den Leser ausübt.

Während „Innsmouth“ den Alien IN UNS aufspürt, zeigt uns Akeley den Alien da DRAUSSEN. Dort draußen, das ist Yuggoth alias Pluto, wo die Aliens ihren Stützpunkt errichtet haben, quasi einen Umsteigebahnhof für reisende Gehirne, aber auch Umschlagplatz für auf Erden abgebautes Eisenerz. Deshalb ist der Science-Fiction-Aspekt in dieser Erzählung viel gewichtiger als in den anderen Cthulhu-Storys. Wie bei den mobilen Hirnen (vgl. St. Lem) nimmt auch die Idee einer Alien-Operationsbasis viele spätere Space-Operas vorweg.

Wie kam HPL auf solche visionären Einfälle? Aus der „Erinnerung an HPL“ erfahren wir es nicht, aber diese Reminiszenz ist dennoch von einem gewissen Reiz. Neulinge im Lovecraft-Universum lernen den Autor solcher Horrorschocker wie „Die Ratten im Gemäuer“ als einen netten „Gentleman alter Schule“ kennen, der nur ein wenig verschroben auftritt, aber ansonsten ein sehr umgänglicher und zuvorkommender Zeitgenosse war, der, nach Muriel Eddys Worten, keinen Neid kannte, sondern allen Freunden auf selbstlose Weise half.

Die drei Sprecher erweisen sich als kompetente Ausführende in diesem ausgezeichnet und professionell produzierten Hörbuch. Berghoff, Nathan und Michaelis decken drei verschiedene Aspekte aller Texte ab (s. o.) und ergänzen sich somit in optimaler Weise. Berghoff als Sprecherin im Hörbuchbereich zu gewinnen, ist nicht nur ein Geniestreich, sondern eine echte Bereicherung der Szene.

|Originaltitel: The Whisperer in the Dark, 1931; Howard Phillips Lovecraft: A Reminiscence“, 1996, Necronomicon Press, USA
Aus dem US-Englischen übersetzt von Andreas Diesel und Frank Festa
243 Minuten auf 4 CDs|

Brian Lumley- Necroscope 4 – Untot (Lesung)

Young & reckless: der Herr der Frauen

In England versammelt Harry Keoghs neuer Feind seine Vampyre um sich. Yulian Bodescu verwandelt das Haus seiner Ahnen immer mehr in einen Ort des Schreckens. Wird Harry vom Vampyr Thibor Ferenczy ein Geheimnis erfahren, um die Gefahr zu bannen? Eine Konfrontation scheint unausweichlich …

Der Autor

Brian Lumley wurde 1937 in England geboren. 1981 beendete er seine Militär-Karriere. Seither arbeitet er als freier Schriftsteller. Seine ersten Veröffentlichungen standen ganz unter dem Einfluss von H. P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos. 1986 schuf Brian Lumley mit seiner Vampyr-Saga »Necroscope« eine der erfolgreichsten Horror-Serien der Welt.

Alleine in den USA haben sich seine Bücher weit über zwei Millionen Mal verkauft. So wie Brian Lumley den Vampyr darstellt, hat es noch kein Autor zuvor gewagt. Mittlerweile hat Brian Lumley mehr als 50 Bücher veröffentlicht und schreibt fleißig weiter. Er und seine Frau Barbara Ann leben in Devon, England. (Verlagsinfo)

Der Sprecher

Lutz Riedel, geboren 1947, ist ein hochkarätiger Synchron-Regisseur und die deutsche Stimmbandvertretung von „James Bond“ Timothy Dalton. Er war auch „Jan Tenner“ in der gleichnamigen Hörspielserie. Ich schätze besonders seine Interpretation von H. P. Lovecrafts Schauergeschichten wie etwa [„Das Ding auf der Schwelle“. 589 Er zeigt hier seine herausragenden Sprecher-Qualitäten, die den Hörer mit schauriger Gänsehaut verzaubern.

Der Berliner Schauspieler hat u. a. Timothy Dalton (James Bond) und Richard Hatch (Kampfstern Galactica) synchronisiert. Auch Richard Gere, Samuel L. Jackson und Christopher Walken hat er schon gesprochen. Lutz Riedel ist mit seiner Kollegin Marianne Groß verheiratet.

Riedel liest einen von Frank Festa bearbeiteten und gekürzten Text.
Für Regie, Produktion und Dramaturgie zeichnet Lars Peter Lueg verantwortlich, für Schnitt, Musik und Tontechnik Andy Matern.

Der Regisseur Lars Peter Lueg

Der Verlag LPL in eigenen Worten: „Nach 10 erfolgreichen Jahren in der Musik- und Medienbranche als Musikproduzent, Künstlermanager, Leiter von Multimediaprojekten und Tontechniker in verschiedenen Tonstudios war es an der Zeit, die vorhandenen Kontakte und Erfahrungen zu nutzen, um eine vollkommen neue und andersartige Firma zu gründen.

Ein kompetentes Netzwerk von ca. 20 spezialisierten Unternehmen lässt LPL sehr effektiv und unabhängig arbeiten. Durch eine Passion für Filme, (Hör)Bücher und (Hör)Spiele, die sich dem Thema Horror verschrieben haben, sind Lars Peter Lueg und seine Partner mit viel Herzblut dabei. LPL stellt ausschließlich Produkte her, hinter denen der Verlagsleiter auch zu 100 % steht.“

Der Komponist

Andy Matern wurde 1974 in Tirschenreuth, Bayern geboren. Nach seiner klassischen Klavier-Ausbildung arbeitete er einige Jahre als DJ in Clubs. Seit 1996 ist er als freiberuflicher Keyboarder, Produzent, Remixer, Songwriter und Arrangeur tätig. Er kann trotz seiner jungen Jahre bereits mehr als 120 kommerzielle CD-Veröffentlichungen vorweisen. Darunter finden sich nationale und internationale Chart-Platzierungen mit diversen Gold- und Platin-Auszeichnungen.

Bereits Andy Materns erste Hörbuch-Rhythmen erreichten schnell Kultstatus bei den Fans und der Fachpresse. Durch seine musikalische Mitarbeit wurde [„Der Cthulhu-Mythos“ 524 zum besten Hörbuch des Jahres gewählt (Deutscher Phantastik Preis 2003). Für seine Arbeiten an den Hörbüchrn zu „Illuminati“ und „Sakrileg“ erhielt er ebenfalls Gold und Platin. Andy Matern lebt und arbeitet in München. (Verlagsinfos)

Handlung

Die Handlung läuft in dieser Episode wie so oft auf mehreren Ebenen ab. Es gibt aber genügend Integrationsmomente, um alle Stränge zusammenzuhalten. Das Jahr ist immer noch 1977.

Der JungVampyr Yulian Bodescu, ein „Nachkomme“ von OberVampyr Thibor Ferenczy, hat in einem Landhaus im englischen Devonshire seine blutige Herrschaft errichtet und misst seine Kräfte mit Widerstand aus verschiedenen Richtungen. Nur noch Onkel George stellt sich ihm in seinem eigenen Haus den Weg. Doch George ist nicht mehr nur der gute alte George, sondern von einem Vampyr in seinem Inneren besessen. Daher verfügt er über weit größere Kräfte und Widerstandskraft, als Yulian angenommen hat. Sein hasserfüllter Angriff, als Yulian den Keller betritt, trifft den Herrscher des Hauses daher etwas unvorbereitet …

Yulian bemerkt von seinem Schlafzimmer aus, wo ihm Kusine Helen zu Willen ist, eine telepathische Bedrohung. Ein neugieriger Besucher? Er schaut durchs Fenster, und tatsächlich: Da blitzt etwas an der Hecke auf. Doch gerade, als Yulian seine telepathischen Fühler in den Geist des Beobachters ausstreckt, fährt dieser eine mentale Barriere hoch. Aha, jemand weiß, dass Yulian eine Telepath ist und hat Vosichtsmaßnahmen getroffen. Wie interessant! Yulian ruft seinen schwarzen Schäferhund Vlad und begibt sich auf die Jagd nach diesem seltsamen Wild in seiner Hecke …

Genua, Abend, am gleichen Tag

Andy Kyle, der Chef des ESP-Geheimdienstes Ihrer Majestät, sitzt mit seinen Gästen in einer Genueser Hafenkascheme und fragt, ob sein Beobachter in Devonshire wohl den Vampyr aufgespürt und ein paar brauchbare Informationen in das dortige Hauptquartier gebracht hat. Auf telepathischem Weg lässt sich Kyle über die Entwicklung der Lage berichten. Yulian Bodescu darf auf keinen Fall den Ring der Beobachtung durchbrechen. Aber wozu genau ist der junge Mann in der Lage? Um dies herauszufinden, sitzt Kyle jetzt in „Frankie’s Franchise“ – mit den Russen.

Dies ist ein Geheimtreffen, denn es herrscht immer noch tiefster Kalter Krieg, und was hinter dem Eisernen Vorhang vor sich geht, sollte die Briten eigentlich nicht interessen. Tut es aber: Woher kam Yulian Bodescu, und stellt sein „Vater“ Thibor Ferenczy immer noch eine Gefahr dar? Kyle und sein Kollege Quint, beide Esper (von ESP: außersinnliche Wahrnehmung), sitzen den Genossen Krakowitsch und Sergei Gulharov gegenüber. Nur Krakowitsch ist ebenfalls ein Esper. Er hat den Krieg, den der britischer Esper Harry Keogh in der Hochburg der sowjetischen E-Spionage entfesselt hat, am eigenen Leib erfahren. Der Nekromant (Totenbefrager) Boris Dragosani kam dabei gewissermaßen um, doch gelang es seinem Geist, sich nach Rumänien zum Grab von Thibor Ferenczy durchzuschlagen.

Briten und Sowjets haben also das gleiche Interesse: Wozu sind diese Vampyre noch in der Lage? Ist weiterhin mit ihrer unheimlichen Macht, die sie unsterblich werden ließ, zu rechnen? Nachdem sie einen oder zwei Beobachter abgeschüttelt haben, fliegen sie nach Rumänien, um der Sache auf den Grund zu gehen. Dort besucht sie Harry Keogh in seiner gegenwärtigen, postmortalen Erscheinungsform. Er warnt sie telepathisch, dass sowohl von Yulian als auch von Thibor Gefahr drohe. Sie sollten sich bei beiden beeilen, denn es gebe noch einen großen Vampyr: Thibors „Erzeuger“ Fetor Ferenczy …

Rumänien. Die Kreuzhügel in den mittleren Karpaten

Harry Keogh kann sich in dem Medium, das er das Möbius-Universum nennt, zwischen Orten und Zeiten beliebig bewegen. Und so besuchte er Thibor Ferenczy, um dessen restliche Lebensgeschichte zur erfahren. Fetor Ferenczy hat ihn vor 1000 Jahren zu einem unsterblichen Vampyr gemacht, doch wie gelang es ihm, die Versklavung durch Fetor abzuschütteln? Das ist in der Tat eine spannende Story …

Nun sucht Harry weitere Informationen über diesen Fetor, und über das Kontaktnetzwerk der Toten stößt er auf ihn beziehungsweise auf seinen Geist. Fetor erzählt seine eigene, 1300 Jahre dauernde Lebensgeschichte in geraffter Form. Und es überrascht Harry nicht wenig, dass Fetor von Dragosani, Thibor und sogar Yulian Bodescu weiß. Fetor verrät ihm, dass Thibor lediglich einen kurzen Besuch von Yulian brauche, um in dessen Körper wieder zu alter Macht aufzuerstehen.

Harry warnt seine Ex-Kollegen Kyle und Quint. Diese Vereinigung muss auf jeden Fall verhindert werden!

Mein Eindruck

Dieser vierte Band der vielbändigen Vampyr-Saga erweckt in mir den Verdacht, dass hier nur zwei Vampirbiografien kolpotiert werden sollen. Die eine gehört Thibor, die andere Fetor Ferenczy. Doch es ist keineswegs so, als wären diese Lebensgeschichten blass oder langweilig, ganz im Gegenteil: Das Leben der Blutsauger, die von den seltsamen raupenförmigen Wamphyr-Kreaturen erfüllt und besessen sind, verläuft alles andere als gewaltfrei.

Thibor hat seine Erzählung in Band 3 begonnen und schildert, wie die Begegnung mit dem seinerzeit dreihundert Jahre alten Vampyr aus dem Walachenkrieger Thibor einen Unsterblichen macht. Die Verwandlung, die in Band 3 erfolgte, zeigt nun ihre Folgen. Doch Thibor steht nicht der Sinn danach, in einem Kerker als Rattenfutter zu enden oder einem anderen als Sklave zu dienen. Und so kommt es zu einem packenden Showdown auf den Zinnen der Burg, die Fetor in den Karpatenschluchten errichten hat. Und wer genau aufpasst, merkt, dass ein wenig von Fetors Substanz in den Trümmern dieser Burg zurückgeblieben ist. Und wer weiß, was daraus noch entstehen mag …

Fetor überlebt die Niederlage und sinnt daher auf Rache. Doch bis er die richtige Gelegenheit dazu erhält, vergehen rund tausend Jahre, denn es verschlägt ihn im 13. Jahrhundert in die Mongolei und von dort wieder mit der Mongoleninvasion nach Russland. Wie es dazu kommt, dass er Thibor besiegt und selbst den körperlichen Tod findet, schildert er ebenfalls. Seinen „Tod“ schilderte bereits Band 1 ausgiebig.

Die Rahmenhandlung um Andy Kyle und Harry Keogh macht diese Biografien erst dadurch relevant, dass Thibors Nachkomme Yulian Bodescu sich anschickt, seinen Herrschaftsbereich von seinem Stammsitz auf die Umgebung auszuweiten.

Doch wie lange wird Harry noch in der Lage sein, seine Ex-Kollegen zu warnen? Ein wenig albern wirkt es schon, wenn wir erzählt bekommen, dass seine geistige Substanz allmählich von seinem Sohnemann, in dem er weiterexistiert, absorbiert wird. Der Piepmatz ist erst ein paar Monate alt und hat von Vampyren und ihren Machenschaften noch nie etwas gehört. Doch wer weiß, welche Fähigkeiten er noch entwickeln könnte.

Der Sprecher

Lutz Riedel liefert eine tolle, überragende Leistung ab. Sein modulationsreicher, dramatischer Vortrag hat mich sehr beeindruckt. Wer mit dem Geist zu sehen vermag, kann sich das Entsetzen der entsprechenden Szenen lebhaft und geradezu wie einen Film vorstellen. Einfach fabelhaft. Sehr witzig und gelungen fand ich auch, wie Riedel Frauen intoniert: Seine Stimme klettert in ungeahnte Höhen, ohne dabei jedoch irgendwie tuntenhaft zu klingen.

Die Musik

Geräusche gibt es keine, aber dafür eine Menge Musik. Diese ist nicht in den Hintergrund verbannt, sondern dient (außer als Intro und Extro) der Abgrenzung der einzelnen Kapitel wie auch deren Unterabschnitte. Diese Abschnitte sind aufgrund der nichtlinearen Erzählstruktur oftmals mit Rückblenden durchsetzt. Man kann ja auch die beiden Binnenhandlungen als sehr umfangreiche Rückblenden auffassen.

In meinen Notizen habe ich überall das Auftreten von Pausenmusik eingetragen, und dabei stellt sich ein deutliches Muster heraus. Sobald eine Szene ihren Höhepunkt erreicht hat, wird sie oftmals abgebrochen, damit sie sich in der Vorstellung des Lesers bzw. Hörers fortspinnen lässt. Sofort setzt Musik ein, die diesen Vorgang auf emotionaler Ebene steuert und stützt. Auf einer geistigen Ebene tritt hier allerdings eine kleine Verschnaufpause ein.

Man sollte auch bedenken, dass wir es diesmal mit einer stark gekürzten Fassung zu tun haben. Statt der vorherigen sechs CDs sind es diesmal nur noch vier. Abgebrochene Szenen sind zwar mitunter sehr wirkungsvoll, aber wer weiß, was dabei alles verschwiegen wird.

Das Titelbild ist mal wieder recht passend: ein geöffneter Sarg vor düsterem Hintergrund. Es ist nicht irgendein Sarg, den hirnlose Vampirzombies anfertigen würden (man denke an den Tischler in „Tanz der Vampire“), sondern ein Eichenmonster von feinster Verarbeitung, ausgeschlagen mit weißer Seide. Darin möchte man es sich doch gleich fürs untote Nachleben gemütlich machen.

Unterm Strich

Die beste Story dieses Bandes ist Thibor Ferenczys Kampf mit seinem „Erzeuger“, dem uralten Vampyr Fetor in dessen Karpatenburg. Danach flacht das Geschichtengewebe merklich ab, und auch Fetors Biografie liefert nur noch einen etwas lahmen Nachschlag, der erklärt, wie diesen beiden Vampyre ihr Ende fanden. Der Einstieg ist allerdings auch nicht ohne: Der Nachwuchsvampyr Yulian Bodescu gebietet über nicht weniger als drei Frauen in seinem Haus und „benutzt“ sie der Reihe nach. Deshalb würde ich das Hörbuch erst ab 16 Jahren empfehlen.

Der Band 4 setzt die Kenntnis von Band 3 zwingend voraus, um die grundlegenden Voraussetzungen für die Geschichte überhaupt zu verstehen. Noch besser wäre es, auch Band 1 und 2 zu kennen, denn dann bildet die Geschichte von Harry und Dragosani nicht mehr ein Buch mit sieben Siegeln.

Der Sprecher Lutz Riedel stellt wieder einmal seine Engagiertheit für die Horrorliteratur unter Beweis, ebenso wie die Flexibilität seines Sprechorgans und seiner Darstellungskraft. Dies bringt dem Hörbuch einen dicken Pluspunkt ein.

306 Minuten auf 4 CDs
Aus dem Englischen übersetzt von Hans Gerwien

https://www.audible.de/search?searchProvider=LPL+records
http://www.luebbe-audio.de
http://www.festa-verlag.de
http://www.andymatern.de/

Doyle, Arthur Conan / Gustavus, Frank – vergessene Welt, Die

_Edel-Hörspiel eines Abenteuerklassikers_

Der verschrobene Wissenschaftler Professor Challenger behauptet, auf einem Hochplateau im südamerikanischen Dschungel lebendige Dinosaurier entdeckt zu haben. Obwohl seine Kollegen ihn für verrückt halten, wird eine Expedition zum Amazonas gesandt. Die Teilnehmer entdecken dort tatsächlich urzeitliches Leben und müssen die haarsträubendsten Abenteuer bestehen: Sie werden von Flugechsen angegriffen, von fleischfressenden Dinosauriern gejagt und geraten in die Fänge blutrünstiger Affenmenschen. (Verlagsinfo)

_Der Autor, das Buch_

„DIE VERGESSENE WELT“ (The Lost World) aus der Feder von Sherlock Holmes-Erfinder Sir Arthur Conan Doyle wurde im Jahr 1912 zunächst als Fortsetzungsroman im britischen „Strand Magazine“ veröffentlicht, eroberte kurz darauf als Buch die Bestsellerlisten und gilt heute zusammen mit Werken wie Jules Vernes [„20.000 Meilen unter den Meeren“ 518 und H. G. Wells’ „Die Zeitmaschine“ als Meilenstein der Phantastischen Literatur und des SciFi-Genres. Die GREAT BRITAIN OXFORD PRESS nennt „The Lost World“ eine der größten Abenteuergeschichten, die je geschrieben wurden. Conan Doyles Urzeitriesenspektakel war außerdem Inspirationsquelle für Werke wie „King Kong“ und „Jurassic Park“. (Verlagsinfo)

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Sprecher in der Reihenfolge ihres Auftretens:

Maple White: Robert Missler
Blondell: Thomas Nicolai
McArdle: Jochen Schröder
Edward D. Malone: Timmo Niesner (dt. Stimme von Elijah Wood)
Der alte Malone (Erzähler): Peter Weis
Professor Summerlee: Jürgen Thormann (dt. Stimme von Michael Caine)
Dr. Illingworth: Lothar Blumhagen
Professor Challenger: Klaus Sonnenschein (dt. Stimme von Bob Hoskins)
Lord Roxton: Ronald Nitschke (dt. Stimme von Tommy Lee Jones)
Sir Douglas: Friedrich Schoenfelder
Affenmenschen und Indianer: Die Maulhelden

Die Macher:

Musik und Sounddesign: Jan-Peter Pflug
Geräusche: Martin Langenbach
Technik Berlin: Ahmed Chouraqui und Max von Werder
Technik Hamburg: Fabian Küttner
Regieassistenz: Antje Seibel/Kai Lüftner
Hörspielbearbeitung, Produktion und Regie: Frank Gustavus
Aufgenommen im On Air Studio Berlin, April 2005
Hörsaalaufnahmen: Museum für Völkerkunde Hamburg, Mai 2005
Gemischt im Eimsbütteler Tonstudio Hamburg, Juli/August 2005

_Handlung_

Etwas hat überlebt … und es ist ein Amerikaner. Man schreibt das Jahr 1910, und die erste Challenger-Expedition in die Verlorene Welt ist gescheitert. Noch hetzt der Amerikaner auf seiner Flucht durch die urzeitliche Vegetation. Doch unheimliche Geräusche der Verfolger nähern sich ihm unaufhaltsam. Ein Schrei, der abrupt abbricht …

|Die Herausforderung|

London im Jahr 1912. Bei Redakteur McArdle von der „Daily Gazette“ taucht dieser junge Journalist namens Edward Dunne Malone auf, der natürlich unbedingt die Riesenstory liefern will. Er habe zwar eine Verlobte namens Gladys, doch die wolle ihn erst heiraten, wenn er eine Heldentat vorzuweisen habe. Leider ist für Helden und Ritter im Jahr 1912 kein Platz mehr, weshalb die Chancen für die Heirat mit Gladys schlecht stehen.

Aber man kann ja nie wissen, und so gibt McArdle Malone den Auftrag, diesem Hochstapler namens Prof. Challenger auf den Zahn zu fühlen und ihn möglichst zu entlarven. Der Mann kam vor zwei Jahren mit einem Foto aus dem Dschungel Südamerikas zurück. Das Foto soll angeblich einen Flugsaurier zeigen. Einfach absurd! Aber der Prof ist rabiat in der Abwehr von Schnüfflern, also sollte Malone die Gelegenheit ergreifen, den Prof bei einer Veranstaltung in der Halle des Zoologischen Gartens zu erwischen.

Dort hält Dr. Charles Illingworth einen Vortrag über die Zeitalter der Erde. Da platzt Challenger herein und widerspricht ihm: Die Dinosaurier seien noch nicht ausgestorben und als Beweis präsentiert er einen „Flügelknochen eines Pteranodon“, eines Flugsauriers. Garantiert eine Fälschung, ruft Illingworth. Challenger macht seinem Namen („Herausforderer“) alle Ehre und ruft zu einer Expedition an den Amazonas auf, die den Beweis für seine Behauptung erbringen werde.

Lord Roxton, der Großwildjäger, stimmt sofort begeistert zu. Malone, der rasende Reporter, will natürlich ebenfalls mit – möge Gladys ihm gnädig sein. Challenger lädt auch Prof. Summerlee, den Direktor der Zoologischen Sammlung, ein, der einwilligt, nachdem Lord Douglas, der Förderer im Hintergrund, zugesagt, hat die Kosten zu decken. Redakteur McArdle ist begeistert: Er sieht sich schon auf dem Sessel des Ressortleiters.

|Die Expedition|

Dass die Expedition unter keinem guten Stern steht, enthüllen Malones Berichte spätestens dann, als die Gruppe der Forscher den Abgrund zwischen bekannten Teil der Welt und dem Hochplateau überwinden muss. Am Fuß der Klippe hatten sie bereits das Skelett eines abgestürzten Amerikaners gefunden, neben dem eine Taschenuhr lag. Und ein Flugsaurier hatte sich ihr Abendessen geschnappt, doch Roxton verfehlte das Flattervieh.

Nun stehen sie an der Kluft, und mit Hilfe eines gefällten Baumes, der sie überspannt, können sie auf die andere Seite gelangen. Aber nicht mehr zurück! Der Mestize Gomez, ihr Führer, will sich an Roxton für dessen Ermordung seines Bruders rächen und wirft den Baum in den Abgrund. Roxton erschieß zwar Gomez postwendend, aber der Rückweg ist versperrt. Wenn sie nichts zu essen finden, werden sie zugrunde gehen. Sofern die Saurier sie nicht vorher aufspüren …

|Ein gefährliches Plateau|

Sie richten sich in etwas ein, das sie großspurig ihr „Fort“ nennen, und erkunden die Gegend. Die Iguanodons sind ja ganz niedlich (weil Pflanzenfresser), aber mit den Pteranodons, die sich ein riesiges Nest in einem Vulkankrater eingerichtet haben, ist nicht zu spaßen. Malones Nerven werden schwer von einem Allosaurus strapaziert, der ihn verfolgt. Er stürzt in eine Fallgrube und verfehlt um Haaresbreite einen zugespitzten Pfahl.

Nanu, wer ist denn in dieser unzugänglichen Gegend noch auf der Jagd? Könnte es sich um das Wesen handeln, das ihr Fort verwüstet hat – jenes Wesen, das ihr Indioführer als „Dschungelteufel“ bezeichnet hat?

_Mein Eindruck_

Diese Version des altbekannten und schon x-mal verfilmten Klassikers hält sich als eine der wenigen eng an die literarische Vorlage aus dem Jahr 1912 (siehe oben unter „Autor“). Deshalb ist auch das „Vorspiel“ ziemlich ausgedehnt, etwas, was sich ein Kinofilm nicht leisten kann. Aber es gibt auch eine bedeutende Abweichung von der beachtlichen TV-Verfilmung, in der Bob Hoskins den Prof. Challenger spielt: Im Original nimmt keine Frau an der Expedition teil. Frauenzimmer hatten auf gefährlichen Expeditionen ins Unbekannte nichts zu suchen. Auch die gute Gladys erfüllt alle Klischees der Zeit: Sie geht auf Nummer Sicher (ohne Zweifel von ihrer Mutter dazu ermahnt) und heiratet einen Buchhalter.

Ein zweiter Unterschied: Malones Berichte werden von McArdle, Illingworth und Lord Douglas kommentiert. (Die Antwort auf die Frage, auf welchem Wege Malone die Nachrichten vom Plateau nach England übermitteln konnte, bleibt ziemlich im Dunkeln.) Anhand der Kommentare der beiden Wissenschaftler zeichnet sich ab, dass Prof. Summerlee wohl die längste Zeit seinen Posten innegehabt hat: Es geht einfach nicht, dass ein Beamter mit einem offensichtlich Verrückten in den Urwald verschwindet, ganz egal, ob er dabei Erfolg hat und überlebt oder nicht. Ergo: Den Buchhaltern wird die Welt gehören, nicht aber den Abenteurern. Der Autor übt hier doch handfeste Kritik an den Bürokraten des British Empire und an seiner eigenen Kultur.

((Vorsicht: Spoiler!))

Ein dritter Unterschied, der mich ziemlich unangenehm berührte: Die Affenmenschen, die Challenger & Co. vorfinden, sind die erbitterten Feinde der Indios aus dem Tiefland. Die Opfer werden offenbar auch nicht als Mahlzeit verschmäht. Das hat noch nichts Schlimmes zu besagen, bis wir erfahren, dass Challenger aufgrund seiner starken Behaarung etc. von den Affenmenschen als einer der Ihren akzeptiert und auf den Thron gesetzt wird!

Die Implikationen sind ziemlich beunruhigend. Man braucht nur 2 und 2 zusammenzuzählen, dann wird klar, dass Challenger als potenzieller Kannibale hingestellt wird – und dies als ein Bürger des British Empire. Dass Challenger dies überhaupt nicht kapiert und auch Malone in seinen Berichten geflissentlich darüber hinwegsieht, ist doch recht bedenklich. Hält es der Autor wirklich für möglich, dass ein Mensch der Neuzeit einen atavistischen Rückfall erleidet und wieder in die brutalen Rituale seiner Urväter zurückkehrt? Sieht man sich die Geschichte der Weltkriege an, die kurz nach 1912 ausbrechen, so erscheint diese (von diversen Philosophen geteilte) These – leider Gottes – nicht allzuweit hergeholt.

|Jurassic Humanoids|

Natürlich ist das Plateau der „Vergessenen Welt“ das Paradies für alle großen Jungs. Wer könnte anderes erwarten, wenn es um Dinosaurier geht? Aber Pteranodons und Allosaurier sind relativ gefährliche Spielgefährten, wie Malone herausfindet. Doch sie sind Welpen im Vergleich zu den Affenmenschen, die über so etwas wie Intelligenz verfügen. Und so kommt es, dass es andere Menschen sind, die die gut bewaffneten Eindringlinge überwältigen. Dadurch wird die Spannung noch einmal erhöht, denn nun steht Malones Leben und das seiner Gefährten wirklich auf dem Spiel.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Wir erleben in dieser ersten deutschen Hörspielfassung des Klassikers die gefährlichen Erlebnisse der Gefährten so hautnah, wie es unser Gehör und unsere Vorstellungskraft erlauben – und das kann ganz schön nah sein! Man braucht nur die Lautsprecher ordentlich aufdrehen und kann die Illusion erleben, dass ein Allosaurus direkt auf einen zukommt. Die erste CD bricht genau in dem Moment ab, als Roxton nach dem Professor, der ins Flugsauriernest geklettert ist, schreit: „Challenger!“ Schüsse fallen … Na, wer wollte da nicht sofort weiterhören?

Der wichtigste Grund, warum die Authentizität so beeindruckend gelungen ist, sind nicht nur die Sprecher und die filmische Musik, sondern vor allem die ungemein realistisch gestalteten Geräusche, die an jeder passenden Stelle eingesetzt werden, so dass ein Klangteppich entsteht, wie man das von einem visuellen Film gewöhnt ist. Dieser Mittelpart, wo die meiste Action stattfindet, ist denn auch der Höhepunkt des Hörspiels und macht am meisten Spaß. Und natürlich kabbeln sich die Wissenschaftler: War das nun ein Allo- oder ein Megalosaurus, was uns da verfolgt hat?

|Das „Booklet“|

Es gibt keines der gewöhnlichen zusammengehefteten Booklet von vier, acht oder zwölf Seiten Umfang. Dafür liefert Ripper Records etwas viel Witzigeres: eine gefaltete Ausgabe der „Daily Gazette“ von 23. August 2005: „London’s Number One Newspaper“. Das ist einfach ein cooler Einfall. Neben dem Titelbild in der Manier alter Stiche finden sich weitere Bilder im gleichen Stil: die vier wichtigsten Sprecher (Klaus Sonnenschein, Jürgen Thormann, Ronald Nitschke und Timmo Niesner) – in passendem Forscher-Outfit – und Frank Gustavus, der Dramaturg/Produzent/Regisseur.

Zwei kurze Artikel klären darüber auf, wie es dem Stoff des Klassikers in der Filmwelt erging – von der ersten Verfilmung 1925, an der der Autor selbst in einer Nebenrolle teilnahm und in der am Schluss ein Brontosaurus durch Londons Straßen stapft – bis hin zu Spielbergs Verfilmungen zweier Romane von Michael Crichton. Im Hörspiel gab es lediglich 1997 eine „amerikanische Bühnenversion“, schreibt Gustavus.

Er hat zwei Änderungen am Text vorgenommen. Aus dem gansgroßen Pterodactylus ist ein gigantischer Pteranodon geworden, und die Gefährten entkommen nicht durch ein Höhlenlabyrinth, sondern mit Hilfe eines Ballons.

Die restlichen Seiten des Faltblatts listen die Kapitelüberschriften auf und weisen auf die vier anderen Hörbücher aus dem Hause [Ripper Records]http://www.ripperrecords.de/ hin. Der Verlag heißt so, weil alles mit einem Hörspiel über Jack the Ripper anfing.

_Unterm Strich_

|Ripper Records| hat aus dem bekannten Abenteuerklassiker ein lebhaften Stück Kino für die Ohren gestaltet. Es nimmt die Aufmerksamkeit des Hörers schon bald gefangen und wartet besonders im Mittelteil mit aufregender Action auf. Allerdings wird die Begegnung mit den Affenmenschen doch reichlich ungemütlich – und so ist der Zuhörer ziemlich erleichtert, dass das Abenteuer auf dem Plateau einen guten Ausgang nimmt. Dass sich die Welt außerhalb der „Vergessenen Welt“ weitergedreht hat, verwundert nicht: Aber da kommen noch einige Überraschungen. Very clever, Sir Arthur.

Die Sprecher, die Musik und der Soundteppich der Geräusche bildet eine perfekte Illusion. Man möchte am liebsten selbst gleich zu einer abenteuerlichen Expedition aufbrechen, vielleicht nach Jakutien oder Kamtschatka. Hier sind jedenfalls Profis am Werk gewesen, die an alles gedacht haben. Da solch eine Produktion nicht bloß eine Kleinigkeit kostet, erscheint mir der Preis von rund 20 Euro durchaus vertretbar. Diese Doppel-CD ist ein Sammlerstück.

|Originaltitel: The Lost World, 1912
2 CDs, 122 Minuten|

Ligotti, Th. / Quiroga, Horacio / Stein, Leonard / Long, A. R. / Strobl, K.-H. / de Maupassant, Guy – Vampirric Collector\’s Box

_Neuverpackung: gut für Sammler und Ahnungslose_

Der Schweizer Multimediakünstler HR Giger ist am besten bekannt für seine Kreation des Alien-Monsters in Ridley Scotts gleichnamigen Science-Fiction-Horror-Film. Sein Museum befindet sich in Gruyères in der Schweizer – und natürlich auch im Internet: http://www.hrgigermuseum.com.

Giger, laut Verlag einer der bedeutendsten modernen Künstler, wurde 1940 in Chur, Schweiz, geboren. Im zweiten Stock des Elternhauses befand sich sein legendäres schwarzes Zimmer. Die fortschreitende Transformation aus einem Jugendzimmer zu einer Werkstätte, in eine Waffenschmiede, bis hin zu einer ägyptischen Grabkammer wurde zur ersten Kostprobe der Kreativität Gigers.

1977 erscheint sein Bildband „Giger´s Necronomicon“. Daraufhin folgt der weltweite Durchbruch. 1980: Oscar für „Alien“. Seit 1981: Arbeit an Projekten wie „Poltergeist 2“, „Species“ und „Alien 3“. 1988: Eröffnung der Giger-Bar in Tokio. 1991: Sein Bildband „ARh+“ erscheint in sieben Sprachen.

Seit Mitte der neunziger Jahre arbeitet HR Giger unermüdlich an seinem Museum. Dies befindet sich im mittelalterlichen Schloss Saint-Germain in Gruyères, Schweiz. Das Museum beherbergt Gigers persönliche Kunstsammlung, seine eigenen Bilder und Skulpturen. Das jetzige Museum ist die erste Stufe eines umfassenden Gesamtkunstwerks.

Inhalt in der Reihenfolge der CDs:

CD #1:
Thomas Ligotti: „Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts“
Horacio Quiroga: „Das Federkissen“
CD #2:
Leonhard Stein: „Der Vampyr“
Amelia Reynolds Long: „Der Untote“
CD #3:
Karl-Hans Strobl: „Das Grabmal auf dem Père Lachaise“
CD #4:
Guy de Maupassant: „Der Horla“

_Vampirric CD #1_

In der ersten Folge von HR Gigers vierteiliger „Vampirric“-Reihe finden sich folgende zwei Vampir-Geschichten: „Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts“ von Thomas Ligotti und „Das Federkissen“ von Horacio Quiroga. Beide Storys liest Lutz Riedel. Die Vorworte spricht HR Giger.

|Autor #1|

Thomas Ligotti, geboren 1953, hat sich mit seiner speziellen Machart des Horrors eine treue Anhängerschaft erschrieben. Seine erste Story erschien 1981, die erste Storysammlung „Songs of a Drad Dreamer“ 1986. Obwohl das Thema meist der Gothic-Fantasy angehört, ist seine Wahrnehmungsweise vielmehr die des Surrealismus (ohne den Thesen von Breton etc. zu gehorchen): Die meisten Szenen werden durch die verzerrte Perspektive des todgeweihten Erzählers betrachtet. Genau dies trifft auch auf die vorliegende Erzählung zu. Ligotti verdankt viele Impulse dem expressionistischen deutschen Film der 1920er Jahre, so etwa „Das Kabinett des Dr. Caligari“, aber natürlich auch den Großen des Horror.

HR GIGER: „Ach, Thomas Ligotti – mein Prinz der Nacht … Lauschen wir dankbar seiner Erzählung über eine Familie, die WIRKLICH seltsam ist. Lauschen Sie und kommen sie dem Wahnsinn ein Stück näher – und näher – und näher …“

|Handlung von „Zwielicht“|

In seiner Geschichte „Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts“ geht es um einen jungen Mann namens André, der als Maler in einem einsamen Herrenhaus am Ufer eines amerikanischen Sees lebt. Seine Nenn-Tante besorgt den Haushalt, ein alter Diener tischt auf. André hat offenbar ausgesorgt. Trotzdem macht er sich schwere Sorgen. Besuch hat sich angesagt.

Der Besuch kommt aus Frankreich, der Heimat seiner Mutter. Doch diese Duvals haben vor zwanzig Jahren seiner Mutter Leid zugefügt. Bei Andrés Geburt war sein amerikanischer Vater bereits tot, die Tante Thérèse rettete das Neugeborene und brachte es zurück in die USA. Nun fürchtet André die Verwandten, die ihn auf seine Ungefährlichkeit prüfen wollen.

Leider weiß er selbst nicht, wie es um seine Beschaffenheit bestellt ist. Er weiß nur, dass er die Wahrheit im besonderen Zwielicht gefunden – und zu malen versucht – hat, das sich auf den Wassern des Sees spiegelt. Die Nacht, als die Duvals ankommen, ist in der Tat denkwürdig, denn ein Hexensabbat ist dagegen harmlos. Danach wird André das Zwielicht hassen, kündigt es doch den Hunger der Nacht an …

|Mein Eindruck|

Lutz Riedel liest „Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts“ in rund vierzig Minuten mit leiser, Unheil verkündender Stimme. Lange wird der Hörer auf die Folter gespannt, was denn nun mit der Hauptfigur Sache ist. Auch die historischen Exkursionen in die französische Vergangenheit neigen eher dazu, zu verwirren statt zu erhellen. Dieser Teil ist daher mehrmals zu hören. Erst dann ist das Finale in seiner ganzen Tragweite zu erfassen. Hier bricht das Grauen mit ungebremster Wucht über die Welt des Erzählers herein, bis er selbst transformiert ist. –

Eine Erzählung, die uns Ligotti als großen Erzähler der Zwischentöne präsentiert. Als erste Story des Vampirric-Zyklus signalisiert sie einen hohen, literarischen Anspruch. Splatterfreunde sind hier an der falschen Adresse.

_Zweite Story: Horacio Quiroga: „Das Federkissen“_

|Autor #2|

Horacio Quiroga, 1878-1932, war ein urugaisch-argentinischer Erzähler, dessen Leben durch tragische Unfälle und Niederlagen geprägt war. Mehrere ihm vertraute Menschen begingen in seinem Beisein Selbstmord, und er verschuldete durch Unachtsamkeit den Tod eines Freundes. Ohne diese Biografie und die Kenntnis von Darwin, Kipling und Poe, seine Lieblingsautoren, sind seine Erzählungen kaum zu verstehen. Darin treten Menschen auf, die gegen eine überlegene Naturgewalt ankämpfen. 1917 erschienen seine „Geschichten von Liebe, Irrsinn und Tod“ (deutsch bei Suhrkamp 1985), 1921 die Sammlung „Anaconda“, deutsch als „Der Aufruhr der Schlangen“ 1985 veröffentlicht.

HR GIGER: „Mit meiner Auswahl von Geschichten in Vampirric möchte ich zeigen, dass ein Vampir in vielen verschiedenen Formen auftreten kann. Ich wette, die nun folgende kleine Geschichte wird Sie überraschen …“

|Handlung von „Das Federkissen“|

Die zweite Geschichte aus der Feder von Horacio Quiroga erzählt von einem Brautpaar, das gerade mal drei Monate verheiratet ist. Jordan und Alicia lieben einander innig, als sie in einen verwunschenen Palast einziehen, der sich zunehmend kalt und unbehaglich präsentiert. Und ungesund.

Alicia magert ab und erkrankt an Grippe. Anderntags muss sie wegen Schwäche im Bett bleiben. Während Jordan noch hofft, das werde schon wieder, verstärkt sich die Blässe von Alicias Gesicht. Sie wiederum halluziniert von einem höhnisch lachenden Menschenaffen. Alicias unerklärliche Blutarmut führt schließlich zu ihrem vorzeitigen Ableben, das Jordan untröstlich zurücklässt.

Seltsamerweise finden sich in ihrem Kopfkissen Blutflecken, auch das Gewicht des Kissens ist erstaunlich groß, und was es enthält, scheint nicht von dieser Welt zu stammen …

|Mein Eindruck|

Lange Zeit, den Großteil der 34 Minuten, wartet der Hörer vergeblich darauf, dass sich etwas Schlimmes ereignet. Doch dabei ist das Böse bereits am Werke, und zwar im titelgebenden Bettzeug. Die arme Alicia hat mich stark an Poes zum Tode kränkelnde Heldinnen erinnert, die wie seine eigene junge Frau Virginia an Tuberkulose oder ähnlichem starben. Doch die Ursache des Übels ist pures Lateinamerika.

|Der Sprecher|

Lutz Riedel ist ein hochkarätiger Synchron-Regisseur und die deutsche Stimme von Timothy Dalton. Er zeigt hier seine herausragenden Sprecher-Qualitäten, die den Hörer mit schauriger Gänsehaut verzaubern. Er war auch „Jan Tenner“ in der gleichnamigen Hörspiel-Serie. Lutz Riedel ist einer der besten Sprecher von Schauergeschichten à la Edgar Allan Poe. Er hat ja auch schon H. P. Lovecraft gelesen und mir damit kalte Schauer über den Rücken gejagt: „Das Ding auf der Schwelle“ und ganz besonders „Die Ratten im Gemäuer“. Sie sind beide von |LPL records| kongenial produziert worden.

|Unterm Strich|

Die Ligotti-Erzählung (ca. 40 Minuten) ist hohe literarische Kunst und wird Splatter- und Actionfreunde nicht zufrieden stellen. Das Grauen naht sich sozusagen nur aus der Erinnerung des Erzählers. Nur allmählich wird klar, dass dieser hoffnungsvolle Maler eigentlich todgeweiht ist (siehe meine Worte über den Autor) und das Potenzial in sich trägt, zu einem schrecklichen Ungeheuer erweckt zu werden – das Erbe des „alten Europa“, das er nicht abstreifen kann, befindet es sich doch in seinem Blut.

„Das Federkissen“ ist eine stimmungsvolle Geschichte (ca. 34 Minuten), die nur von einem einzigen Effekt getragen wird: der nagenden Ungewissheit und dem Ausgeliefertsein an ein namenloses Übel, das sich erst nach vollbrachter Tat offenbart. Genauso stellte sich der Autor seine eigene biografische Situation vor. Er hat seine Erfahrung in literarischer Form sublimiert und eine wirkungsvolle Erzählung geschaffen.

_Vampirric CD #2_

In der zweiten Folge von HR Giger´s „Vampirric“ finden sich die Vampir-Geschichten: „Der Vampyr“ von Leonhard Stein und „Der Untote“ von Amelia Reynolds Long. Beide Storys liest Helmut Krauss. Die Vorworte spricht wieder HR Giger.

|Autor #3|

HR GIGER über DER VAMPYR: „Zwischen 1918 und 1920 erschienen einige Erzählungen eines gewissen Leonhard Stein. Niemand weiß bis heute, wer dieser Autor war, vielleicht war der Name sogar ein Pseudonym, wer weiß. Auf jeden Fall werden Sie seine Geschichte über ein recht seltsames Arbeitsverhältnis nie vergessen, da bin ich mir sicher!“

_Erzählung Nr. 3: Handlung von „Der Vampyr“_

Den Anfang macht mit „Der Vampyr“ eine fast schon kafkaeske Horrorgeschichte, die sich auch als Parabel auf die Arbeitswelten der modernen Zivilisation lesen lässt.

Die Hauptfigur ist Herr Samassa, ein „schöner Mann“ und Genussmensch, der in der Anwaltskanzlei Dr. Herzfeld arbeitet. Er plant, demnächst die schöne Klara Gärtner zu ehelichen und eine Familie zu gründen. Privat wie beruflich dürfte ihm der Erfolg sicher sein.

Doch es soll anders kommen. Er lehnt die Annäherungsversuche der neuen Tippse ab, ist sie doch viel zu unansehnlich, schlecht gekleidet und verhärmt: ein Inbild des Misserfolgs. Zu seinem Verdruss muss er feststellen, dass sie in die Wohnung neben seiner eingezogen ist. Wie kann sie sich die denn leisten? Sie hat rotes Haar und betörende grüne Augen, die ihn, als sie im Nachthemd auftritt, in Versuchung führen. In einem Alptraum, so kommt’s ihm vor, saugt sie ihm das Blut aus den Adern. Er fühlt seltsamerweise keinen Schmerz, nur eine „tiefe Ermattung“. Schlaf und ein gutes Steak bringen Erhohlung, doch fortan wiederholt sich das nächtliche Phänomen.

Während die Tippse schön und proper gedeiht, verblasst ihr Wirt zusehends. Vergeblich bittet er um Entlassung des Vampirs, wird aber abschlägig beschieden. Nach einem Zusammenbruch bei Klara wird er ins Hospital eingeliefert. Er sieht nur einen Ausweg aus der Misere: Kurz vor seiner Hochzeit mit Klara quartiert er sie zwischen seiner Wohnung und der des Vampirs ein. Nachdem Klara den Löffel abgegeben hat, ist Samassa wieder an der Reihe. In dem Kollegen Iglseder findet er einen würdigen Nachfolger für die arme Klara.

Doch der Strom der Opfer, die er dem Vampir zuführen muss, um selbst überleben zu können, reißt nicht ab und nimmt Formen an, die eines Jack the Ripper würdig wären. Bevor er von der Polizei gestellt wird, sieht er nur noch einen Ausweg: Der Vampir muss dran glauben. Doch wie tötet man einen Unsterblichen?

|Mein Eindruck|

Der Vampir in Gestalt der hexenhaft gezeichneten Frau ist das genaue Gegenteil der wohlanständigen Heiratskandidatin Klara Gärtner, nämlich das Inbild hemmungsloser Lust und Sinnlichkeit. Diese Lust kennt jedoch keine Grenze, als wäre sie ein Traumbild. Vielmehr ist ihr Hunger unersättlich und erfordert immer neue Opfer. Bis schließlich nichts mehr ausreicht, will der Träumer Samassa nicht seine körperliche Existenz vollends verlieren. Ergo muss der Vampir sterben. Dass Samassa einen Teil von sich tötet, dürfte klar sein. Die Folgen sind dementsprechend.

Ein Hörer hat die Geschichte als Reflektion der modernen Zivilisation und ihrer Arbeitsverhältnisse interpretiert. Ein Marxist und Sozialtheoretiker könnte dies tun, würde aber dabei die psychoanalytischen Erkenntnisse eines gewissen Sigmund Freud sowie von dessen Schüler C. G. Jung außer Acht lassen. Der bekannte Wiener Arzt hat ja gerade solche Traumbilder und Extreme ebenso untersucht, wie Jung Archetypen postuliert hat. Eine rothaarige, grünäugige Frau von verlockender Sinnlichkeit und unersättlichem Blutdurst dürfte sämtliche Klischees furchterfüllter Männer mit Kastrationsangst befriedigen. So kommt man dem Kern der Sache schon näher, wie mir scheint. Und ein bajuwarisch-austriakischer Name wie Iglseder verlegt den Schauplatz sehr wahrscheinlich in die gleiche Großstadt, in der Freud wirkte: Wien.

Ähnlich wie „Der Golem“ von Gustav Meyrink oder die Romane „Nachts unter der steinernen Brücke“ und „Zwischen neun und neun“ von Leo Perutz baut die Geschichte sorgfältig ein Spannungsfeld auf zwischen Alltag und Normalität einerseits und nächtlichem Irrsinn andererseits auf. Dass diese Entwicklung in eine Katastrophe münden muss, erscheint folgerichtig. Sie spiegelt die Katastrophe des 1. Weltkriegs wider, der den Untergang der alten Monarchien zur Folge hatte.

_Erzählung Nr. 4: Amelia Reynolds Long: „Der Untote“_

|Autorin #4|

Über das Leben und Werk der Autorin Amelia Reynolds Long ist mir nichts bekannt. Ihre Geschichte folgt klassischen Mustern englischer Spukgeschichten.

HR GIGER über DER UNTOTE: „Während der Arbeit an Vampirric habe ich viel über das Thema Vampire nachgedacht – und über Blut. Ich erinnere mich an eine merkwürdige Vision während einer Autofahrt durch Zürich …“

|Handlung von „Der Untote“|

Henry Thorne erzählt seinem Besucher (und Ich-Erzähler) Michael, der der „Gesellschaft für psychologische Forschung“ angehört, zunächst von seinem verstorbenen Halbbruder, dem Baronet James Thorne, dann von seinem zurückgezogen in einem Turm des Herrenhauses lebenden Bruder George Thorne. Henry selbst hat ein nervöses Leiden, das er kuriert zu haben wünscht. Er fühle sich nämlich bedroht vom Schatten einer großen Fledermaus, von der ihm träume.

Dem Manne kann geholfen werden, denkt Michael. Er erwacht eines Nachts, erblickt auf dem Gang eine Gestalt, die in einen Lederumhang gehüllt ist und eine Laterne trägt. Vor allem ihr weißes Gesicht verstört Michael und er folgt der Gestalt, die in der Bibliothek verschwindet. Doch gleich nebenan liegt Sir Henrys Schlafzimmer. Dort beugt sich das Schattenwesen über den Schlafenden, doch Michaels Eintreten verscheucht es.

Anderntags werden zwei Tote in der Umgebung gefunden: ein Irrer und ein Junge. Handelt es sich um Opfer eines Vampirs? Michael schwant nichts Gutes und stellt dem nächtlichen Eindringling eine Falle.

|Mein Eindruck|

Die Zutaten der Kurzgeschichte von Amelia Reynolds Long sind derart klassisch, dass die Geschichte abläuft, als handle es sich um ein Uhrwerk. Allzu vorhersehbar sind die nächsten Ereignisse, als dass sie dem Kenner noch einen Anreiz bieten würden, neugierig das Ende zu erwarten. Es gibt keinerlei Überraschungen für den, der zwei und zwei zusammenzählen kann und nicht auf fünf kommt.

Selbst Helmut Krauss mit seiner charismatischen Stimme kann nicht viel mehr aus der Geschichte herausholen. Giger selbst, der Herausgeber, trägt nichts Erhellendes oder Reizvolles bei, denn seine Einleitung ist irrelevant.

|Der Sprecher|

Helmut Krauss ist seit Jahrzehnten ein viel beschäftigter Schauspieler. Sie kennen ihn als einen begnadeten Sprecher für fesselnde Hörspiele & prickelnde Literatur. In Hollywood-Filmen schenkt er Marlon Brando & Samuel L. Jackson sonore und beeindruckende Stimmen. Sein männlicher Sound lässt jeden Kino-Saal erbeben.

Helmut Krauss erweist sich als wahres Stimmwunder, wenn er nicht nur Stimmungen und Atmosphäre in seinen rauchigen, getragenen Vortrag legt, sondern er erweckt tatsächlich einen Charakter zum Leben, erschafft eine ganze Stadt um ihn herum und schickt ihm und dem Hörer dann einen fleischgewordenen Albtraum hinzu.

|Unterm Strich|

„Der Vampyr“ ist eine ganz besondere Geschichte für alle Freunde älterer Horrorkunst, die noch ohne viel Blutvergießen auskam. Giger hat hier eine echte Perle ausgegraben.

Nicht ganz so überzeugend wie die erste CD der „Vampiric“-Reihe, ist das Hörbuch doch immer noch weit jenseits der allermeisten anderen Horror-Hörbuchproduktionen und auf alle Fälle ein Kauftipp. Mit der titelgebenden Geschichte hat Giger eine wahre Meistererzählung vor dem Vergessen bewahrt. Dass „Der Untote“ den äußerst positiven Gesamteindruck schmälert, fällt da eigentlich nicht weiter ins Gewicht.

_Vampirric CD #3_

In der dritten Folge von HR Giger´s Vampirric findet sich nur eine Vampirgeschichte, aber die hat es in sich: „Das Grabmal auf dem Père Lachaise“ von Karl Hans Strobl. Es liest David Nathan. Das Vorwort spricht HR Giger. „Es ist eine unvergessliche Horrorgeschichte über Gier, Wahnsinn und Alpträume, die sich jeder selber macht“, behauptet der Verlag.

|Der Autor #5|

HR GIGER: „Dieses Mal erwartet Sie bei Vampirric eine Geschichte von Karl Hans Strobl, der zu Lebzeiten einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren war. Strobl, ein Österreicher, der zusammen mit Meyrink und Ewers zu den wichtigsten deutschen Phantasten des frühen 20. Jahrhunderts zählt, starb 1946. Es ist eine Geschichte über die teuflische Gier, das menschliche Übermaß und den Wahnsinn. Zu welchen Taten den Mensch ein wenig schnöder Mammon nur treiben kann! … Eine wirklich böse Story! Und ich mag böse Storys – Sie nicht auch?“

|Handlung von Erzählung Nr. 5|

„Das Grabmal auf dem Père Lachaise“ besteht im Wesentlichen aus den Tagebuchauszügen des Wissenschaftlers Ernest, der sich, da er bettelarm ist, auf einen äußerst merkwürdigen Deal einlässt: Die am 13.3.1913 – also wenige Jahre zuvor – verstorbene Gräfin Anna Feodorowna Wassilska hat in ihrem Testament verfügt, dass demjenigen Mann zweimal hunderttausend Franken aus ihrem Nachlass gegeben werden sollen, der es schafft, ein Jahr in ihrem marmornen Grabmal auf dem bekannten Pariser Friedhof Père Lachaise zu leben. Hier sind ja etliche Künstler begraben, darunter nicht zuletzt auch Jim Morrison.

Wir brauchen aber für Ernest, den Ich-Erzähler, keinerlei Mitleid zu hegen, denn er ist ein von sich selbst sehr überzeugter Jünger der optischen Physik. Im Grabmal schreibt er sein erstes Buch, das unter anderem auf seinen Aufzeichnungen im Grabmal basieren soll. Hier will er eine Theorie des Lichts aufstellen und untermauern. Von dem nicht unbeträchtlichen Lohn plant er eine Vortragsreise sowie einen Urlaub mit seiner Frau Margause zu finanzieren.

Um Verpflegung während des einen Jahres braucht er sich keine Sorgen zu machen. Iwan, ein „borstiger Tatar“, hässlich wie die Nacht und seiner nun toten Herrin noch immer treu ergeben, versorgt Ernest mit den exquisitesten Speisen, doch soll dies gemäß Testamentsbestimmungen der einzige Kontakt sein, den der Wissenschaftler pflegen darf. Schon bald nimmt der Leibesumfang des Grabbewohners erheblich zu. Soll er etwa gemästet werden? Der Tatar gibt keinen Piep von sich. Er erinnert Ernest lieber an die Geschichte vom nekrophilen Sergeanten, der auf dem Friedhof sein Unwesen treiben soll.

Doch auch das in der Gruft bestattete Frauenzimmer verdient unser Mitgefühl nicht. Ein Vamp bleibt eben ein Vamp. Die Madame Wassilska muss nach dem Bild, das Ernest uns zeichnet, nicht nur mannstoll wie Katharina die Große gewesen sein, sondern obendrein reichlich brutal und grausam. Einen Bäckerlehrling biss sie beispielsweise zweimal, so dass er lieber Reißaus nahm. Ihren Bediensteten, etwa wehrlosen Kammerzofen, trieb sie Nadeln ins Fleisch. Auf ihrem Foto fallen Ernst die ungewöhnlich „grausam weißen“ Zähne auf …

In der Gruft ereignen sich unerklärliche Phänomene. Obwohl kein Wind ging, sind Ernests zahlreiche und wohlsortierte Notizzettel durcheinander gewirbelt. Ein grünliches Leuchten geht vom Stein des eigentliches Grabes und der bronzenen Grabplatte aus – sehr interessant, gerade für einen Optophysiker. Handelt es sich etwa um Röntgenstrahlen oder gar um den mysteriösen Äther? Wirken hier intermolekulare Kräfte? Die Steinstruktur selbst scheint sich regelmäßig um Mitternacht in Gallert zu verwandeln. Der Gallert brennt auf der Haut. Das ist für Ernest aber auch nichts Neues, denn polnische Experimente im galizischen Lemberg beschreiben ein ähnliches Phänomen.

Richtig ernst wird’s für Ernest aber erst, als er nicht mehr durch den schmalen Zugang zur Gruft passt: Er ist so gemästet worden, dass er zum Gefangenen der Gruft geworden ist. Nach dem Allerseelentag stellt er fest, dass er gebissen und ausgesaugt wurde. Geradezu elend fühlt er sich, als er einen Zettel findet, auf dem eine Botschaft steht: „Der Atem der Katechana“.

Iwan verrät ihm auf seinen Drängen hin, dass es sich bei der „Katechana“ um die Gräfin handelt: „eine, die nie genug haben kann vom Opfer der Mannheit, bis jenseits des Todes“. Ernest beschleicht ein übler Verdacht: Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Verflüssigung der Grababdeckung, dem grünen Leuchten und den allnächtlich wiederkehrenden Bissen in seinem Hals?

|Mein Eindruck|

Na, servus! Mit Physik hat dies wohl weniger zu tun als vielmehr mit Metaphysik. Schon solche antiquierten Begriffe wie der noch um 1900 herum postulierte „Äther“ als universelles Trägermedium kennzeichnen den Wissensstand des „Helden“ als einen Physiker, der immer noch auf der Schwelle zur Metaphysik steht. Und wenn es nicht um sehr viel Geld ginge, das ihn korrumpiert, hätte er sich wohl kaum auf eine solch makabre Forschungsstätte eingelassen, die eines echten Physikers schwerlich würdig ist.

Der eng umgrenzte Raum des Grabmals ist ein exzellentes Experimentierfeld: Hier treffen zwei Zeiten und Kulturen aufeinander. An der Nahtstelle zwischen modernem Leben und uralter Totenkultur treffen sich der wissenschaftlich-rational orientierte Westen mit dem weitaus mysteriöseren Osten des europäischen Kontinents, mit den alten legenden Asiens von den Vampyri. Von diesen Wesen hat Ernst offensichtlich noch nichts gehört, denn alle seine Erklärungsversuche und haltlosen Theorien betreffen nur Bildungsbruchstücke, gehen aber an dem eigentlichen Phänomen weit vorbei. Umso genauer treffen sie den Leser bzw. Hörer, der sich allmählich seinen eigenen Reim darauf machen muss. Umso wirkungsvoller ist das Grauen, das sich im Hörer unterschwellig breitmacht.

Bereits die Charakterisierung der Gräfin sollte Ernest einen wichtigen Hinweis liefern: eine männermordende Nymphomanin mit grausamen Zügen; mit „grausam weißen“ Zähnen und „Fingern wie Klauen“. Dazu passen die klassischen Versatzstücke wie etwa die Gruft, Nekrophilie, ewiger Hunger über den Tod hinaus, Bissmale, sich zersetzende Materie, der stumme Diener, ein Todeshauch, unheimliches Leuchten und dergleichen mehr. Doch der Vampir selbst ist, wie sich zeigt, weit mehr als nur ein materielles Phänomen. Er dringt in den Verstand seines Opfers und beschwört allerlei Trugbilder.

Ernst ist jedoch beileibe kein tumbes Opferlamm. Natürlich darf zwar der actionreiche Schluss nicht verraten werden, aber der als Opfer Auserkorene weiß sich durchaus wirkungsvoll seiner lädierten Haut zu wehren. Obwohl die Ereignisse im Grabmal auf eine Krise zutreiben, so verblüfft doch das Ausmaß der nun gebotenen Action den auf sachten Grusel eingestimmten Zuhörer.

|Der Sprecher|

David Nathan ist Regisseur und gilt außerdem als einer der besten Synchronsprecher Deutschlands. Im deutschsprachigen Kino erlebt man ihn als Synchronstimme von Johnny Depp, „Spike“ oder Christian Bale. Auch auf den Webseiten zu den „Drei ???“ findet man seinen Namen einschlägig erwähnt. Nathan hat für LPL records bereits eine Erzählung auf der Hör-Anthologie „Necrophobia 1“ gesprochen, außerdem tritt er auf „Das Ding auf der Schwelle“ und „Der Schatten über Innsmouth“ in Erscheinung. „Das Grabmal“ wird von ihm souverän und mit einer zunehmenden Eindringlichkeit vorgetragen, der man sich nur sehr schwer entziehen kann.

Ich konnte nur einen Aussprachefehler feststellen: Müsste der Name des bekannten Physikers und Mathematikers Henri Poincaré nicht französisch statt englisch ausgesprochen werden?

|Unterm Strich|

In seinem Aufbau ist „Das Grabmal“ offensichtlich an viele der Frauenerzählungen von Edgar Allan Poe angelehnt. Ob nun die vampireske Lady Ligeia, Morella, Eleonora oder wie sie alle heißen – es ist eine unheimliche Frauengestalt, die durch ihren Bann den ihr psychisch oder emotional ausgelieferten Mann erst um den Verstand und dann um sein armseliges Leben bringen wird. Das psychische Band ist jedoch bei Strobl durch physikalische bzw. metaphysische Phänomene ersetzt, was die Story zwar moderner, aber weitaus weniger romantisch macht.

Die andere Komponente, die Poe entspricht, ist die Bemühung der Hauptfigur, all die seltsamen Phänomene, die er beobachtet oder am eigenen Leib erfährt, wegzurationalisieren (im Sinne von „ratiocination“ à la Auguste Dupin), indem er die Erkenntnisse der Naturwissenschaft anführt. Diese geistigen Waffen gegen Geister einzusetzen, erweist sich selbstverständlich (und ironischerweise) als völlig zwecklos. Die immaterielle Welt obsiegt über die kläglichen Versuche, sie mit Erkenntnissen aus der materiellen Welt zu erklären. Insofern ist diese Erzählung wiederum zutiefst romantisch.

Stellt man Modernität und Romantizismus nebeneinander, so ergibt sich der Eindruck einer Erzählung, die einer Zeit des Übergangs entspricht. Gut möglich, dass sie unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs entstand, als die alte, so wohlgeordnet erscheinende Welt der Monarchien und des Großbürgertums unter den Stiefeltritten faschistischer und kommunistischer Bewegungen verschwand. Es dürfte wohl kein Zufall sein, dass die Gräfin Wassilska als Vertreter eines absolut herrschenden Adels genau im Vorjahr des Kriegsausbruches das Zeitliche segnete und fortan ihre Grabinsassen als Vampir beehrt – böser Schatten einer versunkenen Welt. Adieu, belle epoque!

Das Hörbuchs inszeniert diese reichhaltige Erzählung mit angemessenen Mittels. Besonders der Sprecher David Nathan vermittelt die unterschwellige Botschaft ausgezeichnet mit seinem Vortrag.

_Vampirric CD #4_

In der vierten Folge von HR Giger´s Vampirric findet sich die Vampir-Geschichte „Der Horla“ von Guy de Maupassant. Es liest Torsten Michaelis. H. R. Giger spricht wie auf den vorigen CDs persönlich das Vorwort und läutet so auf seine ganz persönliche Art das Grauen ein.

|Der Autor #6|

Guy de Maupassant lebte von 1850 bis 1893. „Der aus lothringischem Adel stammende, in der Normandie aufgewachsene Maupassant war nach Jurastudium und Teilnahme am Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 im Marine-, dann im Unterrichtsministerium tätig. Nach dem Erfolg der Novelle „Boule de suif“ (1880, dt. „Fettklößchen“, 1900) widmete er sich ganz der Schriftstellerei.

Die Bandbreite seiner fast 300 Novellen reicht von traditionellen schwankhaften Dreiecksgeschichten über die seit der Romantik beliebten Schauernovellen und phantastischen Erzählungen, meist tragisch endende Liebesgeschichten bis hin zu sozialkritischen Novellen. Er veröffentlichte sechs Romane, von denen „Bel Ami“ (1885) verfilmt wurde. In seinem Stilwillen und seiner Freiraum lassenden Erzählhaltung kommt Maupassant seinem literarischen Ziehvater Gustave Flaubert nahe, mit dem er auch die pessimistische Weltsicht teilt.“ (zitiert nach: Harenbergs Lexikon der Weltliteratur, S. 1945/46).

|Der Sprecher|

Ich kenne Torsten Michaelis als den Synchronsprecher von Wesley Snipes. Durch sein Spektrum an verschiedenen Klangfarben wird er für die unterschiedlichsten Rollen eingesetzt. Er kann auf über 400 synchronisierte Filme zurückblicken.

|Handlung von Erzählung Nr. 6|

Die Geschichte folgt der Form eines Tagebuchs. Der erzählte Zeitraum erstreckt sich über einen Sommer, von Mai bis September. Der Ich-Erzähler erzählt am 8. Mai von seiner ländlichen Heimat in der Nähe von Rouen, von wo er die Glocken der großen Kathedrale läuten hört. Unweit der idyllischen Ufer der Seine befindet sich der elterliche Landsitz. Auf der Seine betrachtet er die schönen Schiffe, darunter welche aus dem fernen Brasilien …

Nur wenige Tage später verspürt er eine seltsame Traurigkeit, Gereiztheit und später Fieber. Ihn beschleicht das Gefühl drohender Gefahr und er macht sich Gedanken um das „Mysterium des Unsichtbaren“: Der Mensch kann weder das unsichtbar Kleine, etwa Mikroben, noch das unendlich weit Entfernte sehen, etwa Galaxien.

Nach einem ergebnislosen Arztbesuch hat er einen Albtraum, dass ihn ein Dämon würgt, der ihm auf der Brust sitzt und den er nicht abzuschütteln vermag. Dies wiederholt sich Nacht für Nacht, bis ihn sogar tagsüber das Gefühl beschleicht, verfolgt zu werden. Wird er wahnsinnig?

Auf einer Kurreise zum Mont St. Michel erzählt ihm ein Mönch von Geisterstimmen. Nach der Rückkehr – es ist Anfang Juli – geht der Albtraum von Neuem los. Als er bemerkt, dass seine Wasserkaraffe am nächsten Morgen leer ist, fragt er sich, ob er nicht selbst ein Schlafwandler ist. Einfache Versuche mit der Karaffe bestätigen ihm jedoch, dass es ein anderes Wesen sein muss, das das Gefäß leert.

Doch welche Art von Wesen vermag zugleich unsichtbar zu sein und ihm die Lebenskraft auszusaugen?

|Mein Eindruck|

Die berühmte Erzählung thematisiert den Horror, der damit verbunden ist, dass eine unsichtbare, fremde Macht parasitär Besitz von einem Menschen ergreift und ihn zu Taten zwingt, die er gar nicht begehen will. Wohlgemerkt, hier geht es nicht nur um den Entzug von Lebenskraft, wie ihn der altbekannte, inzwischen schon heimelig wirkende Vampir praktiziert. Hier geht es vielmehr auch um die Inbesitznahme von Willen und Verstand des Opfers. Der solcherart Besessene wird quasi ferngesteuert, nur mit dem Unterschied, dass der Steuernde im Kopf seines Instrumentes sitzt.

Der Autor zieht die damals bekannten Techniken der psychischen Steuerung heran, nämlich die als Mesmerismus etc. bekannte Hypnose, insbesondere den posthypnotischen Befehl, etwas zu einem bestimmten Zeitpunkt auszuführen. Der Erzähler wird selbst Zeuge eines solchen Psycho-Experiments an seiner Schwester, als er in Paris weilt, wo man den Dingen des Unsichtbaren normalerweise abgeklärt gegenübersteht. Als er seine eigene Notlage erklären will, um Hilfe zu erlangen, wird er daher ausgelacht.

Auf sich selbst zurückgeworfen, muss er umso angestrengter danach trachten, seinen Meister, den er inzwischen den „Horla“ nennt, zu besiegen. Sein Anstrengungen kann man einfach nur heldenhaft und einfallsreich nennen, wenn sie auch auf tragische Weise Neben-Opfer fordern. Was aber, wenn der Horla unsterblich ist und selbst den letzten Vernichtungsversuch überleben könnte?

Ein Aspekt, der in meinen Augen diese Geschichte aus dem Umfeld der Vampirstorys heraushebt, ist die Überlegung, dass der Horla a) der Nachfolger der Spezies Mensch auf der Erde ist und b) von den Sternen kommt. Beide Vorstellungen sind bislang der Science-Fiction vorbehalten geblieben, doch Maupassant hat sie bereits geäußert, lange bevor H. G. Wells 1898 seinen Invasionsroman „Krieg der Welten“ veröffentlichte, der fortan das Klischee vom Alien-Monster bestimmen sollte.

|Der Sprecher|

Manche Sprecher lesen eine Geschichte nur vor, manche aber spielen sie vor. Torsten Michaelis gehört mit „Der Horla“ zur zweiten Kategorie. Da der Schurke im Stück ja unsichtbar und quasi un(an)greifbar ist, gehört eine Menge Darstellungsvermögen dazu, die Reaktionen auf dieses Un-Wesen herauszustellen, um wenigstens auf diesem indirekten Wege den Horror, den es verbreitet, zu vermitteln. Und Michaelis gelingt dies auf sehr eindringliche Weise.

Man würde auch nicht unbedingt annehmen, dass sich die Form des Tagebuchs für eine dramatische Schilderung von Horror eignet. Doch hier ist eben der Knackpunkt: Der Horror ist rein psychologisch statt äußerlich (außer an einer Stelle). Deshalb ist es umso wirkungsvoller, dass Michaelis bestimmte Passagen im Tempo ebenso moduliert wie in der Tonlage und der Tonstärke. Mal liest er langsam, mal schnell, dann wieder leise oder laut. Auf diese Weise erzielt er nicht nur den gewünschten eindringlichen Effekt, sondern hält auch unsere Aufmerksamkeit wach.

|Unterm Strich|

Die beiden wirkungsvollsten und besten Erzählungen in der Vampirric-Reihe sind zweifellos „Das Grabmal auf dem Père Lachaise“ und „Der Horla“. Welche von den beiden nun die „bessere“ ist, hängt von der individuellen Vorliebe des Hörers ab. „Das Grabmal“ ist anschaulicher, szenischer aufgebaut und bedient weitaus mehr Klischees aus der Vampirliteratur.

Mit Vampiren dieser Art hat „Der Horla“ nichts am Hut. Auch die Bezeichnung „Vampir“ fällt kein einziges Mal. Und doch geht „Der Horla“ weiter als „Das Grabmal“, indem er den Horror, der von der Besessenheit durch ein Fremdwesen von den Sternen ausgeht, nicht nur zu einem globalen, aber weltimmanenten Grauen aufbauscht, sondern es sogar zu einem kosmischen Grauen à la Lovecraft ausbaut. Die Horlas werden Menschen ablösen – gibt es eine größere Horrovision? Und all dies ist mit einer Stilsicherheit erzählt und mit anschaulichen Beispielen gespickt, dass auch der Durchschnittsleser noch etwas damit anfangen kann (sofern er nicht Splatterfan ist).

Der Sprecher Torsten Michaelis macht mit seiner Präsentationskunst „Der Horla“ praktisch schon zu einem Hörspiel, und Geräusche und Musik kann man sich leicht hinzu denken, denn die Erzählung ist dafür anschaulich genug. Schaurig, so vermittelt es der Sprecher, ist auch das Finale der Novelle, wenn der Erzähler die letzte Konsequenz aus dem Erfahrenen erkennt und zieht. Das hat Klasse.

_Fazit_

Die vier CDs bieten reichlich Abwechslung in Sachen Vampirismus und Untote. Für Freunde des gepflegten Grusels dürfte dies sicherlich das Richtige sein. Lediglich die ersten beiden CDs sind etwas schwächer geraten, die CDs 3 und 4 hingegen umso besser.

Für denjenigen, der bereits die ersten Ausgaben von „Vampirric“ besitzt, bietet die Sammlerbox allenfalls Platzersparnis, denn es handelt sich lediglich um ein Repackaging der gleichen CDs in einem anderen Design, nämlich dem der |LPL-records|-Reihe: ein Dunkelrot in Kombination mit Schwarz und Gelb. Man vergleiche dies beispielsweise mit der „Necrophobia“- und „Necroscope“-Reihe.

Der Preis ist mit rund 25 Euronen angesichts dieser Recycling-Methode doch etwas happig geraten. Nur für denjenigen, der noch keine einzige Vampirric-CD hat, erscheint er wohl akzeptabel.

|4 CDs, 307 Minuten|

Howard Phillips Lovecraft – Der Schatten über Innsmouth. Hörspiel

Klassiker des Cthulhu-Mythos

„Die atmosphärische Dichte dieser Novelle steigert sich vom anfänglichen Grauen bis hin zu blankem Entsetzen und endet im Wahnsinn“, schreibt der Festa-Verlag (oder LPL records oder Lübbe Audio) auf dem hinteren Einleger.

Der Autor
Howard Phillips Lovecraft – Der Schatten über Innsmouth. Hörspiel weiterlesen

Lovecraft, H. P. – Das Ding auf der Schwelle & Die Ratten im Gemäuer

Das Hörbuch kombiniert zwei bekannte und sehr wirkungsvolle Horror-Erzählungen: „Das Ding auf der Schwelle“ (1937) und „Die Ratten im Gemäuer“ (1924). Wie schon bei „Der Schatten über Innsmouth“ spricht Lars Riedel die Rolle des Erzählers. Seine Intonation wird dem Hörer unweigerlich kalte Schauder über den Rücken jagen.

|Der Autor|

Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) wird allgemein als Vater der modernen Horrorliteratur angesehen. Obwohl er nur etwa 55 Erzählungen schrieb, hat sein zentraler Mythos um die |Großen Alten|, eine außerirdische Rasse bösartiger Götter, weltweit viele Nachahmer und Fans gefunden, und zwar nicht nur auf Lovecrafts testamentarisch verfügten Wunsch hin.

Aber wie in den Zusatztexten zu „Innsmouth“ zu erfahren war, reicht Lovecrafts Grauen weit über die landläufige Vorstellung von Hölle hinaus: Das Universum selbst ist eine Hölle, die den Menschen, dessen Gott schon lange tot ist, zu verschlingen droht. Auch keine Liebe rettet ihn, denn Frauen kommen in Lovecrafts Geschichten praktisch nur in ihrer biologischen Funktion vor, nicht aber als Liebe spendende Wesen oder gar als Akteure. Daher ist der (männliche) Mensch völlig schutzlos dem Hass der Großen Alten ausgeliefert, die ihre Welt, die sie einst besaßen, wiederhaben wollen. Das versteht Lovecraft unter „kosmischem Grauen“. Die Welt ist kein gemütlicher Ort – und Einsteins Relativitätstheorie hat sie mit in diesen Zustand versetzt: Newtons Gott ist tot, die Evolution eine blinde Macht, und Erde und Sonne nur Staubkörnchen in einem schwarzen Ozean aus Unendlichkeit.

|Der Sprecher|

Lutz Riedel ist die deutsche Stimme von Timothy Dalton („James Bond“ u. a.). Er zeigt auf diesem Hörbuch seine „herausragenden Sprecherqualitäten, die den Hörer mit schauriger Gänsehaut verzaubern“. Er war auch „Jan Tenner“ in der gleichnamigen Hörspielserie.

_Die Erzählungen_

a) |Das Ding auf der Schwelle|

„Es ist wahr, dass ich meinem besten Freund sechs Kugeln durch den Kopf gejagt habe, und dennoch hoffe ich mit dieser Aussage zu beweisen, dass nicht ich sein Mörder bin. Zunächst wird man mich einen Wahnsinnigen nennen – wahnsinniger noch als der Mann, den ich in seiner Zelle in der Heilanstalt von Arkham niedergeschossen habe.“

Also spricht Daniel Upton, der Berichterstatter des grausigen Unglücks, das seinem Jugendfreund Edward Pickman Derby zugestoßen ist. Dieser Dichter des Absonderlichen und Student des Okkulten weist, wie etwa auch Charles Dexter Ward, autobiografische Züge auf. Auch er wurde verhätschelt und in eine seltsame Familie geboren. Er trieb sich lieber mit den Bohemiens und Säufern von der verrufenen |Miskatonic Uni| in Arkham herum, statt einem ordentlichen Beruf nachzugehen.

Jedenfalls solange, bis er mit 38 die Frau seines Lebens (oder seines Todes?) traf und heiratete: Asenath White ist die Tochter des alten Hexenmeisters Ephraim White aus dem verrufenen Innsmouth, wo man um 1850 einen Pakt mit seltsamen Wesen aus dem Meer geschlossen hatte (vgl. dazu unbedingt [„Der Schatten über Innsmouth“ 424 ). Daniel Upton erinnert sich an White als „wölfisch“ und „gestorben im Wahnsinn“. Asenath, gerade mal 23 Jahre alt, scheint dessen Kräfte geerbt zu haben. Insbesondere als Hypnotiseurin leistet sie Ungewöhnliches, nämlich den Austausch der Persönlichkeit des Hypnotisierten, so dass dieser sich selbst durch Asenaths Augen sehen kann.

In Ed Derby hat sie ihr ideales Opfer gefunden. Sie hypnotisiert ihn und bemächtigt sich zeitweilig seines Körpers. Das geht über Jahre hinweg, und beide verändern sich so stark, dass sich Upton wundert: Während sich Derby von einem schlaffen Lethargiker zu einem dynamischen, lebensfrohen Macher entwickelt, sieht Asenath von Jahr zu Jahr älter aus. Doch die Wirklichkeit ist weitaus grauenerregender. Denn es ist nicht Asenath, die ihren Körper bewohnt, sondern ihr Vater, der sie schon im Kindesalter übernommen hat. Und dieser bemächtigt sich wiederum des Körpers ihres Mannes, Ed Derby. Sein Ziel besteht darin, wieder zum Mann und unsterblich zu werden, damit er in Kooperation mit den Großen Alten, die im Untergrund des hintersten Berglandes hausen, weiterhin seine okkulte Herrschaft ausüben kann.

Doch diesen Persönlichkeitsverlust verkraftet das zeitweilig übernommene Opfer nicht lange. Nach einem schrecklichen Zusammenbruch vertraut sich Derby seinem Freund an. Aus Verzweiflung erschlägt er schließlich seine Frau. Doch dies ist nicht ihr Ende. Aus dem Keller heraus, in dem er sie verstaut hat, zwingt sie ihn, den Körper mit ihr zu tauschen. Nun gelingt es Derby gerade noch, als „das Ding auf der Türschwelle“ bei seinem Freund zu erscheinen und ihm einen warnenden Brief zu geben, mit einer dringenden Bitte: „Töte das Wesen, das in der Heilanstalt von Arkham als Edward Derby gilt.“

b) |Die Ratten im Gemäuer|

Ein Amerikaner aus Massachusetts hat in England das seit alters her verfluchte Gemäuer der Exham-Priorei wieder bezogen. Es ist der 16. Juli 1926. De La Poer, vormals Delapore, ist der Letzte seines Geschlechts, das in der Priorei seit dem 13. Jahrhundert gelebt hatte, bis Walter de la Poer im 17. Jahrhundert (genauer: 1610) nach Virginia auswandern musste. Dort nahm die Familie die Namensform Delapore an, denn Adlige waren in der neuen Demokratie nicht gern gesehen …

Doch die Grundmauern der Priorei sind weitaus älter als das 13. Jahrhundert. Sie stammen, wie der letzte Spross herausfindet, sogar noch von den Römern des 2. Jahrhunderts. Wie an Inschriften abzulesen, wurden hier abscheuliche Riten für die „magna mater“, die Fruchtbarkeitsgöttin Kybele, und für den dunklen Gott Atys abgehalten. Wie De la Poer herausfindet, stammen die ältesten Mauern noch aus jungsteinzeitlicher, „druidischer“ Zeit, und wer weiß, was damals im Tempel alles geopfert wurde …

Nach einer Woche hört De la Poer bzw. sein treuer Kater „Nigger“ das erste Trapsen und Trippeln in den Mauern seines Schlafgemachs. Auch alle neuen Katzen sind aufgeregt. Zusammen mit seinem Nachbarn Captain Norrys untersucht er den Keller und stößt auf den Altarstein der Kybele. Doch Norrys entdeckt, dass darunter noch eine Etage sein muss. Mit mehreren Gelehrten, darunter „Archeologen“, erforscht man den Tunnel unter dem Altarstein. Massenhaft Skelette, die Knochen von Ratten zernagt, bedecken die Treppe.

Doch das Schlimmste kommt erst noch: eine unterirdische Stadt aus uralter Zeit, in der nicht Menschen, sondern die Ratten das Kommando hatten. Angeführt werden sie von Nyarlathotep, einem der Großen Alten, der im bodenlosen Abgrund haust und nun auch auf de la Poer seinen Einfluss ausübt …

Wie „Schatten über Innsmouth“ ist „Ratten“ eine Geschichte über Degeneration in einer Familie (genau wie in HPLs eigener) und was daraus wurde. Nur verstößt die Form der Degeneration gegen so große und viele Tabus, dass man es hier nicht wiedergeben kann. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes unaussprechlich.

_Mein Eindruck_

In diesen, seinen besten Geschichten befolgt Lovecraft konsequent die Forderung Edgar Allan Poes, wonach eine „short story“ in allen ihren Teilen auf die Erzielung eines einzigen Effektes ausgerichtet („unity of effect“) sein solle, egal ob es sich um die Beschreibung eines Schauplatzes, von Figuren oder um die Schilderung der Aktionen handele, die den Höhepunkt ausmachen (können).

Um die Glaubwürdigkeit des berichteten Geschehens und der Berichterstatter zu erhöhen, flicht Lovecraft zahlreiche – verbürgte oder meist gut erfundene – Quellen ein, die beim weniger gebildeten Leser den Unglauben aufheben sollen. Erst dann ist die Erzielung kosmischen Grauens möglich, das sich Lovecraft wünschte. In den meisten Erzählungen gelingt ihm dies, und daher rührt auch seine anhaltende Wirkung auf die Schriftsteller weltweit. Erfolgreiche Serien wie Brian Lumleys „Necroscope“ oder Hohlbeins [„Hexer von Salem“ 249 wären ohne Poe und Lovecraft wohl nie entstanden.

Das heißt aber nicht, dass Lovecraft keine negativen Aspekte eingebracht hätte. Als gesellschaftlicher Außenseiter, der nur intensiv mit einer Clique Gleichgesinnter kommunizierte (er schrieb Briefe wie andere Leute E-Mails), ist ihm alles Fremde suspekt und verursacht ihm Angst: Xenophobie nennt man dieses Phänomen. Darüber hinaus hegte er zunächst rassistische und antisemitische Vorurteile (wie leider viele seiner Zeitgenossen), so dass er von kultureller Dekadenz und genetischer Degeneration schrieb. Degeneration ist das Hauptthema in „Grauen von Dunwich“ und „Schatten über Innsmouth“, aber auch in den beiden hier gesammelten Erzählungen.

Edward Derby ist der dekadente Sprössling, der sich dem verderblichen Einfluss schwarzer Magie zuwendet und so an Asenath White bzw. ihren Vater Ephraim, den unsterblichen Hexenmeister, gerät. Der Letzte der de la Poer stößt, wie der Protagonist in „Innsmouth“, unversehens auf die schrecklichen Wurzeln seiner eigenen Familie, allerdings natürlich nicht in der Neuen, sondern in der Alten Welt, in England. Immer wieder wird bei Lovecraft das Grauen importiert: von anderen Weltgegenden, aber wichtiger noch – aus der alten Zeit. Denn in grauer Vorzeit, so HPLs Privatmythos, herrschten die Großen Alten auf der Erde, bevor sie vertrieben wurden. Daher bleiben von ihnen nur Spuren ihres Einflusses. Und wer lange genug nach seinen eigenen Wurzeln sucht, wird auf diese Wurzeln stoßen. Das „kosmische Grauen“ verschlingt den unseligen Sucher.

Ähnlich passiert dies auch Edward Derby, aber auf ganz andere Weise. Denn die verhängnisvollen Wurzeln verbergen sich in seiner Gattin Asenath, die wiederum von ihrem Vater besessen ist. Dieser wiederum ist ein Diener der Großen Alten, denen er die Unsterblichkeit per Seelenübertragung durch Körpertausch verdankt. Für den armen Ed kommt jede Hilfe, die ihm sein entsetzter Freund, unser Reporter vor Ort, gewähren könnte, häufig zu spät. Mit zwei Ausnahmen: Als Ed aus den Bergen und Wäldern Maines taumelt, fährt Dan ihn nach Hause, wobei Ed ihm die (vermutete) Wahrheit erzählt – bis zu einem gewissen Punkt, an dem Asenaths Geist ihn wieder übernimmt, sozusagen per Fernsteuerung. Die andere Ausnahme ist natürlich der Gnadenschuss für Edward Derby, das heißt: für seinen Körper.

|Der Sprecher|

Lutz Riedel liefert eine tolle, überragende Leistung ab. Sein modulationsreicher, dramatischer Vortrag hat mich sehr beeindruckt. Beide Erzählungen steigern sich in ihrer Wirkung allmählich zu einem Höhepunkt, „Die Ratten im Gemäuer“ sogar noch eindeutiger, unkomplizierter als „Das Ding auf der Schwelle“. Am Höhepunkt steigert sich Riedels Stimme in solche Höhen, dass ich sie einem Mann nicht zugetraut hätte. Doch dieses Stilmittel ist – nur in diesem Augenblick – völlig angemessen. Wer mit dem Geist zu sehen vermag, kann sich das Entsetzen der entsprechenden Szene lebhaft und geradezu wie einen Film vorstellen. Einfach fabelhaft. (Ich stelle mir dazu gerne einen schwarzweißen Stummfilm aus der Ära von Bela Lugosi und Boris Karloff vor.)

Die Musik von Andy Matern und die Ansage durch Helmut Krauss entsprechen dem Motto des Verlegers, Regisseurs, Produzenten und Dramaturgen Lars Peter Lueg ebenfalls in vollkommener Weise: „Gänsehaut für die Ohren“ hat man selten wirkungsvoller erlebt – mit Ausnahme der anderen LPL-Produktionen wie etwa „Necroscope“.

_Unterm Strich_

Ist „Das Ding auf der Schwelle“ auch vielschichtiger aufgebaut als die frühe Erzählung „Die Ratten im Gemäuer“, so bieten beide doch garantiert Grauen höchster Qualität und Wirkung, wie man es nur in den besten Erzählungen von Autoren wie Lovecraft finden kann. Ist „Das Ding …“ eine Art längerer Sinfonie, die sich in Phasen der An- und Entspannung dem Finale nähert, so besticht „Ratten“ durch die strenge Ausrichtung auf die sich stetig steigernde, absolut einheitliche Wirkung, ohne lange nach rechts oder links abzuschweifen. Die Wirkung auf mich war entsprechend größer: wie ein Schlag in die Magengrube (ich wollte gar nicht mehr hinhören!). Der Hörer sollte sie sich als krönenden Abschluss des Hörbuchs gönnen – denn Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude.

Lutz Riedel erweist sich als optimaler Sprecher der unterschiedlichen Stimmungen in den beiden Erzählungen. Seine stimmliche Modulationsfähigkeit ist wirklich beeindruckend und verhilft den Geschichten zu optimaler Wirkung. Die Aufnahmequalität ist ausgezeichnet, die Umrahmung angemessen düster. |LPL records| hat wieder einmal eine sehr gelungene Produktion vorgelegt, die sich jedem Lovecraft- und Horror-Freund bedenkenlos empfehlen lässt.

|Hinweis|

Ein umfangreiches zweites Booklet stellt die weiteren LPL-Produktionen vor, zu denen auch eine Reihe von Erzählungen gehört, die „Alien“-Schöpfer H.R. Giger unter dem Label [„Vampirric“ 581 zusammenstellte. Diese Erzählungen stammen von bekannten Autoren wie Guy de Maupassant („Der Horla“, ein echter Klassiker) und Thomas Ligotti, einem modernen Amerikaner, der stark von Poe und HPL beeinflusst ist („Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts“). Das Design der Hörbücher ist, einem Giger angemessen, bizarr und düster.

|Umfang: 153 Minuten auf 2 CDs|

Taylor, Stephen B. / Lueg, Lars Peter – Gruselmärchen mit Alptraumgarantie

_Der wahre Horror der Brüder Grimm_

Sechs „Gruselmärchen“ trägt der junge Schriftsteller seinem Gastgeber vor, und sie erzählen von den Entbehrungen, denen unsere Vorfahren in Zeiten des Hungers, der Armut und des Krieges ausgesetzt waren. Hier treten auf: Engel, Teufel, Ungetüme, Menschenfresser, Untote und – wie könnte es anders sein? – der TOD.

_Die Autoren_

Als Autoren führt das Booklet lediglich Stephen B. Taylor und Lars Peter Lueg auf. Doch werden wenigstens die Brüder Grimm als Inspirationsquelle genannt. Aber das erweist sich als trügerisch, denn die beiden Brüder, die die bekannten „Kinder- und Hausmärchen“ im Jahr 1812 veröffentlichten, griffen ja ihrerseits auf die mündliche Überlieferung zurück, die sie auf ihrer Suche nach „unverfälscht deutschem“ Märchen- und Sagengut sammelten. Und diese Erzähler sind in den seltensten Fällen festzustellen.

_Der Sprecher_: Stéphane Bittoun; den „Gastgeber“ spricht der bekannte Hörbuchproduzent Lars Peter Lueg. Die Musik steuerte die Band Mountain Birds bei. Ein Booklet enthält einen kleinen Einführungstext sowie diverse Kinderzeichnungen mit gruseligen Motiven (siehe auch das Titelbild). Die Gesamtspielzeit der zwei CDs beträgt immerhin 131:52 Minuten, also über zwei Stunden.

_Die Rahmenhandlung_

Ein junger Schriftsteller bleibt eines Nachts während eines Unwetters mit dem Auto liegen. Er findet Zuflucht in dem Haus eines netten kultivierten Mannes, der in dieser Gewitternacht keinen Schlaf finden kann. Aus Dankbarkeit für das warme (und trockene) Plätzchen am Kamin liest ihm der junge Autor aus seinem neuesten Manuskript vor. Die Märchen, die er darin zusammengetragen hat, hörte noch nie ein Mensch zuvor. Doch ahnt der junge Autor nicht, wer sein Gastgeber in Wahrheit ist …

_Die „Gruselmärchen“_

|Eine Nacht auf dem See|

Der alte Fischer fährt um Mitternacht noch einmal auf den See hinaus. Nach einer Weile fällt ihm auf, dass es vollkommen still ist. Er staunt nicht schlecht, als mehrere große Fische in sein Boot hüpfen, als flöhen sie in Panik vor etwas. Bekanntlich ist Schrecken ansteckend, und so rudert der Fischer flugs zurück zum Ufer. Keinen Augenblick zu spät, denn hinter sich kann er im Mondlicht einen monströsen Schatten erkennen, der ihm folgt.

An einem Nagel verletzt er sich, doch stolpernd kann er sich zur nahen Fischerhütte retten. Im Schein der Laterne erblickt er ein Ungetüm, das sich über den Blutfleck auf dem Gras beugt und den Lebenssaft aufleckt. Sofort verriegelt der Fischer Tür und Fensterläden, doch zu spät – das Ungetüm hat ihn erspäht und rüttelt schon bald mit Macht an den Barrieren. Er flieht aus dem anderen Fenster und in den nahen Wald.

Während seine Hütte niederbrennt – die Laterne setzte mit ihrem Öl das Holz in Brand – gerät er auf die Landstraße, wo er das Licht eines Fuhrgespanns erblickt. Dass der Bauer mit seinen Ochsen noch so spät unterwegs ist, stört unseren Fischer nicht, denn er ist froh, den „Wegelagerern“, wie behauptet, entronnen zu sein. Der Fuhrmann fragt ihn nur, ob er vielleicht seinen Bruder gesehen habe, denn ihrer beider Mutter mache sich allmählich Sorgen um dessen Verbleib.

Da stoppt der Fuhrmann sein Gespann, denn auf der Straße vor ihnen liegt ein Mann am Boden. Als unser Fischer den Zustand der Leiche erkennt, kommen ihm erste Zweifel, ob dieses nächtliche Abenteuer für ihn gut ausgehen wird …

|Der Trank|

Eine Prinzessin im heiratsfähigen Alter, die von der perfekten Liebe träumt, hat schon viele Freier abgewiesen. Sie hauen meist sogar freiwillig ab, denn die Bedingung, die sie stellt, ist abschreckend: Der Ehemann soll ihr im Falle ihres Todes in die Gruft folgen. Das hält einen Prinz nicht ab, um sie zu freien, und so wird schon bald Hochzeit gefeiert.

Der Prinz ist jedoch nicht dumm und besorgt sich bei einem Alchemisten in der Stadt ein Elixier, mit dem sich Tote wiedererwecken lassen. Der Haken bei der Sache: Das Elixier fördert das wahre Wesen des Toten zutage. Doch Jahre vergehen, ohne dass sich der Prinz darum zu sorgen braucht. Als aber die Pprinzessin einer Krankheit zum Opfer fällt, wird auch der Prinz mit ihr in eine vorbereitete Zelle im Weinkeller eingemauert.

Der weise König hat zwei Wachen davor aufstellen lassen. Ihnen fällt fast die Lanze aus der Hand, als sie einen Tag und eine Nacht später lautes Rufen und Klopfen aus der Gruft vernehmen. Sie befreien Prinz und Prinzessin, welche wundersamerweise immer noch – oder schon wieder ? – quicklebendig sind. Darüber ist der König zunächst sehr froh, doch seine Freude verwandelt sich in Entsetzen, als er einen Tag später mit dem Prinzen ins Gemach seiner Tochter tritt: Der Mönch, der der Genesenden Beistand leistete, liegt zerfleischt in seinem Blut, doch von der Tochter findet sich keine Spur.

Wochen später kommen dem Prinzen die ersten Berichte zu Ohren, dass eine Hexe im Wald Kinder hole und sie fresse. Seine schlimmsten Befürchtungen sollen sich bestätigen …

|Gevatter Tod|

Ein armer Mann ist mit einem wahren Kinderreichtum gesegnet: Zwölf Kinder hat ihm sein Weib schon geboren, doch er hat seinen Job verloren und der Winter steht vor der Tür. Wie soll er die Brut nur ernähren? Die Geburt eines dreizehnten Kindes, eines Sohnes, lässt ihn vom Glauben an Gott abfallen, und Wochen später raubt er das Kindchen heimlich aus der Wiege und bringt es zum alten Friedhof, der schon längst aufgegeben worden ist.

Gerade als er dem Söhnchen, das ihn beständig anschaut, den Dolch auf die Brust setzt, meint er eine Stimme zu hören, die ihm Einhalt gebietet. Doch er vertreibt den Engel des Herrn, der um die Seele des Kleinen bittet. Als eine weitere Stimme von weitaus finsterer Natur um das Kind bittet, weiß der gute Mann auch den Versucher aus der Hölle zu vertreiben. Allerdings hat er vor Schreck seinen Dolch fallen lassen, der sein Kind im Gesicht verletzt hat. Sofort blutet die Wunde heftig.

Da ertönt eine dritte Stimme, und ihrem Klang kann sich der Mann nicht verschließen. Er blickt in das Gesicht des Wesens, das von einer Kapuze nur halb verdeckt ist: Es ist ein junger Mann, allerdings mit einer Narbe im Gesicht. Da willigt der Vater ein, dem TOD seinen Sohn zu überlassen, welcher ihn mit Vergessen seiner Tat besänftigt. Nur in unruhigen Träumen ahnt er, dass er seine eigene Nemesis geschaffen hat …

|Frisches Fleisch|

Es war einmal ein fahrender Händler, der neben Töpfen und Pfannen auch diverse Giftstoffe unters Volk zu bringen wusste. Es ist tiefer Winter, als er sein Fuhrwerk durch den Wald lenkt. Der Pfeil eines Wegelagerers tötet sein Pferd und ein weiterer verwundet den Händler, der unter seinem Pferd begraben wird, so dass eine Flucht unmöglich ist …

Wenig später taucht der Wegelagerer in der Verkleidung als wohlhabender Händler auf einem Bauernhof auf. Die tüchtige Bauerstochter namens Maria begrüßt den Neuankömmling freundlich und bittet ihn ins Haus. Dort macht er sich mit Klatsch aus der Stadt beliebt, doch er kann den Stallknecht nicht täuschen, der sein Gesicht noch aus der Dorfschenke kennt. Als der Knecht ihn heimlich zu erpressen versucht, wird er Opfer eines unglücklichen Sturzes von der Treppe.

Nach dem Begräbnis des armen Knechtes wundert sich der Wegelagerer beim Leichenschmaus, wie es diese armen Bauern geschafft haben, in so kurzer Zeit so viel Fleisch aufzutischen. Vorsichtshalber schaut er im Sarg nach, der ihm eh schon auffallend leicht vorkam. Tatsächlich ist die letzte Ruhestätte leer, und ein schrecklicher Verdacht beschleicht den Wegelagerer. Doch für eine Flucht ist es bereits zu spät.

|Bruder Lukas|

Lukas ging zu den Soldaten, um seinem Landesfürsten zu dienen, wunder was träumend, wie tapfer er sich gegen den Feind schlagen würde. In der ersten Schlacht starrt er entsetzt auf das Gemetzel, das unter seinen Kameraden angerichtet wird. Er fleht zu Gott, dass dieser Irrsinn enden möge, und anscheinend wird sein Gebet erhört: Obwohl die Pfeile dicht fallen wie Hagel, verfehlen sie ihn doch allesamt, und er kann unversehrt vom Schlachtfeld taumeln. Der Anblick eines Ritters in schwarzer Rüstung jagt ihm Grauen ein.

In einer niedergebrannten Hütte an einem See findet Lukas endlich Rast und Ruhe. Am nächsten Morgen taucht ein Junge auf, dem er erzählt, er wolle Prediger bei den Dominikanern werden, war doch sein Gebet auf wundersame Weise erhört worden. Vielleicht könnte er unter den Menschen noch viel Gutes tun. Als der schwarze Ritter erscheint, bringt die Furcht Lukas dazu, ihn fortzuschicken.

Doch weder der Ritter noch Lukas‘ Zustand erweisen sich als das, was sie zu sein scheinen. Er zeigt sich als Engel des Herrn und behauptet, Lukas sei bereits tot. Was für ein Unsinn, denkt Lukas. Doch da vernimmt er eine Grauen erregende Stimme hinter sich: „Nun gehörst du mir!“

|Furcht|

Diesmal berichtet der Autor eines Tagebuchs, wie er als Halbwaise zufrieden auf einem Bauernhof aufwuchs, bis er in einer nebligen Herbstnacht eine Stimme vernahm: „Ich fürchte nichts.“ Die Stimme behauptet, seinem unbekannten Bruder zu gehören. Er sei unter dem Holzstapel an der Scheune von seinem Vater eingesperrt worden. Ob sein Bruder wohl bitte die Tür öffnen könne? So blöd ist sein Bruder denn doch nicht, sondern öffnet nur eine enge Luftklappe. In dem Schacht dahinter sind zwei „brennende Augen“ zu erkennen. Ihn schaudert es.

Durch seine Unvorsichtigkeit konnte der Insasse des Verlieses jedoch den Holzstapel umkippen und entkommen. In dem bestialisch stinkenden Verlies findet unser Berichterstatter nicht weniger als sechs Leichen. Sie tragen allesamt einen Strick um den Hals: Gehängte!

Als er aus dem Verlies emporkriecht, ist es auf dem Bauernhof auffallend still. Wo ist sein Vater, damit er ihn vor seinem Bruder warnen kann? Denn dieser würde doch sicher Rache an seinem Vater üben wollen, oder? In der Schlachtkammer erkennt er, dass sein Bruder bereits zugeschlagen hat. Er ahnt noch nichts vom traurigen Schicksal, dass sein Bruder für ihn selbst bereithält …

_Mein Eindruck_

Wer dachte, er hätte schon alles gelesen, was die Brüder Grimm Anfang des 19. Jahrhundert gesammelt haben, wird eines Besseren belehrt, wenn er die vorliegenden „Grüselmärchen“ zu hören bekommt. Diesmal winkt dem Fischer jedoch nich nicht das Glück eines fetten Fangs mit drei freien Wünschen („Der Fischer un sine Fru“), sondern die Entdeckung einer ganzen Familie von „Ungetümen“ erweist sich als Ursache seines vorzeitigen Ablebens. Anklänge an die Ungeheuer im „Beowulf“-Epos sind unverkennbar, doch weit und breit ist hier kein Recke zu entdecken, der Grendel und seine Mutter erschlägt.

Ebenso schwarzen Humor legt auch die Geschichte um das wundersame Elixier an den Tag. Klingt die Handlung zunächst ähnlich wie das letzte Drittel von Shakespeares „Romeo und Julia“, in dem ja ein Scheintod künstlich herbeigeführt wird, so schlägt die Angelegenheit nach Wiedererweckung der Lady definitiv in finsterste Gefilde der Horror-Fantasy um: Oh ja, von menschenfressenden Hexen, die im Wald unschuldigen Kindern auflauern, meinen wir schon etwas gehört zu haben („Hänsel und Gretel“). Aber noch nie in so brutaler Eindeutigkeit. Und was noch schlimmer ist: Es gibt offenbar kein Ende des Schreckens, denn der Held versagt.

Dass kein gottgegebenes Schicksal ist, sondern vielmehr ein „Geschenk“ des Teufels sein kann, belegt die Geschichte „Gevatter Tod“. Diese Titelfigur mag ja auch gern in GROSSBUCHSTABEN sprechen, bloß hört man das relativ schlecht. Ungewöhnlich ist vielmehr das Konzept, dass jeder Mensch seinen „persönlichen Tod“ hat und – unter gewissen Bedingungen – sogar dessen Gesicht sehen kann. Und dieser Tod hat auch keinen trockenen Humor wie Pratchetts Sensenmann, sondern bietet sogar seine Hilfe an, wo Engel und Dämonen abgewiesen werden. Neu ist mir auch, dass der Tod Vergessen spenden kann (was keineswegs abwegig erscheint).

Da aber das hier ausnahmsweise einmal das genretypische Prinzip gilt, dass keine Untat unbestraft bleiben soll, muss selbst der bedauernswerte arme Mann büßen. Als der verlorene 13. Sohn zurückkehrt, artet seine Rachemaßnahme jedoch in ein Grand-Guignol-Theaterstück von makabrem Geschmack aus – als wär’s ein Stück von Clive Barker (der Grand Guignol als eine seiner Inspirationen nennt). Die Pointe kann man sich fast denken, kommt dann aber doch wie ein Tiefschlag. So viel Unglück auf einmal – darf das sein?

Dass der Tunichtgut seine gerechte Strafe erhält, indem er unter die Kannibalen gerät, ist ja – im Vergleich dazu – schon fast wieder eine aufbauende moralische Botschaft. Stephen King und Clive Barker lassen grüßen: Der Körper ist letzten Endes der soziale Kriegsschauplatz, den das Verbrechen hervorruft.

„Bruder Lukas“ bedient sich des gleichen erzählerischen „conceits“ wie der bekannte Gruselschocker „The Others“. Das Leben der Toten unterscheidet sich im Grunde keineswegs von dem der Lebenden, nur sind seine grundlegenden Bedingungen ein klein wenig anders. Doch unser Dominikanermönchlein in spe hat leider ein kleinen fatalen Fehler: Er hat sein Gottvertrauen doch ein ganz klein wenig eingebüßt und verkennt die Gestalt des schwarzen Ritters. Für ihn ist dieser nicht etwa ein Sendbotte Gottes, sondern einer aus der Hölle. Schwärzeste Ironie ist es daher, dass er durch seinen Irrtum eben dieser Hölle anheimfällt.

Die letzte Geschichte ist offensicht die ehrgeizigste und folglich auch die längste der Sammlung. Dennoch – oder deshalb? – hatte ich meine Mühe damit. Die erste Hälfte spielt, wie oben skizziert, auf dem Bauernhof des Erzählers, eines jungen Burschen. Für die vermeintliche Ermordung seines Vaters wird er (evtl. durch Anschwärzen herbeigeführt) verhaftet und in den Kerker geworfen.

Nein, falsch, dies ist nicht der Kerker, wie er erwartet hat, sondern seltsamerweise das Irrenhaus. Doch die Situation ähnelt sehr jener, in der sich sein Bruder im Verlies befand, als er unfreiwillig sechs Gehängten Gesellschaft leisten durfte. Nach einem halben Jahr im Irrenhaus-Verlies versteht unser Berichterstatter endlich, warum sein Bruder keine Furcht kannte, wie er behauptete: Furchtlosigkeit sieht genauso aus und fühlt sich wohl genauso an wie ein anderer Geisteszustand: Wahnsinn …

Die Spiegelstruktur der Story ist nicht auf Anhieb zu entdecken, sondern erst nach zwei- oder dreimaligem Anhören. Es fällt auf, dass der Schluss nur scheinbar offen ist, sondern aufgrund der reflexiven Umkehrung lediglich der Beginn eines weiteren Zyklus von Vergeltung unter Brüdern. Diese kreisförmige Struktur ist bereits bei „Gevatter Tod“ zu beobachten. Merke: Richtig schlimmes Unglück wie etwa Armut oder Wahnsinn haben keine Ende, sondern besteht in nicht beendbaren Schrecken, deren Kreislauf stets erneut Opfer fordert.

Den Schluss der Rahmenhandlung kann ich nicht kommentieren, ohne die Pointe zu verraten und lasse es daher lieber bleiben. Aber man geht sicher nicht fehl in der Annahme, dass es mit unserem jungen hoffnungsvollen Schriftsteller, aus dessen Feder all diese Geschichten flossen, kein gutes Ende nehmen wird. Fehlt eigentlich nur, dass sein Gastgeber eine Augenklappe und einen schwarzen Umhang trägt.

|Die Sprecher|

Den Erzähler Stéphane Bittoun kenne ich zwar nicht, aber an seinem Vortrag gibt es nichts auszusetzen. An Stellen, an denen diese Stilmittel angebracht sind, bedient er sich einer (künstlich?) tiefen Stimme, dann auch wiederum einer derangierten, „durchgeknallten“ Stimme, schließlich eines unheimlichen Flüsterns. Bittouns Kollege Lars Peter Lueg erweist sich als weit weniger sprachgewandt, und es scheint mir eine gute Sache zu sein, dass er sich zurückhält. Sein Part in der Rahmenhandlung ist auf wenige Sätze begrenzt.

Hin und wieder erklingt am Ende einer Story Babygeschrei oder ein hämisches Kichern (wie von einer Hexe), dann auch wieder Schreie. Obwohl es sich um Stimmen handelt, so stammen sie doch nicht vom Sprecher, sondern kommen vom Band. Sie sind eher der Kategorie „Soundeffekte“ zuzuordnen.

|Geräusche und Musik|

Es handelt sich nicht um ein Hörspiel, jedenfalls nicht im landläufigen Sinne, sondern um eine inszenierte Lesung. Dies ist am besten an der Rahmenhandlung festzustellen: Donnergrollen deutet ein Gewitter an, eine tickende Uhr macht sich durchweg im Hintergrund ebenso bemerkbar wie ein leise knisterndes Kaminfeuer.

In den Storys selbst wird weitgehend auf solche dekorativen Geräusche verzichtet, denn sie würden mit der Musik interferieren, die das hauptsächliche Mittel darstellt, um die Emotionen des Hörers zu stimulieren und zu steuern. Wenn’s richtig unheimlich werden soll, geht eben nichts über einen tief rumpelnden Bass. Die Instrumentierung ist nicht klassisch, verzichtet also weitgehend auf Streicher und Bläser, sondern ist modern, setzt also die Keyboards mit entsprechenden Effekten ein.

_Unterm Strich_

So hat man sich die Grimmschen Haus- und Kindermärchen sicher noch nicht vorgestellt. Engel, Teufel, Ungetüme, Menschenfresser, Untote, Wahnsinnige, Gehängte, Hexen und obendrein der Tod himself feiern ein schwarzhumoriges Stelldichein in diesen sieben Storys plus einer Rahmenhandlung von ähnlich makabrer Qualität. Durchweg ist jedoch ein relativ hohes Niveau im überraschungsreichen Verlauf der Story wie auch in den auftretenden Kalamitäten für die Opfer der diversen Schrecken festzustellen.

Obwohl die Figuren märchentypisch überhaupt nicht charakterisiert werden (allenfalls Bruder Lukas ein wenig), kann sich der Gruselfreund dennoch an den Schrecken (= terror) erfreuen, die nicht nur in der Story selbst auftauchen, sondern allzuoft auch am Grauen (= horror) nach deren Ende. Hier hat jemand den Unterschied zwischen terror und horror kapiert und dementsprechend erzählt.

Die Inszenierung verrät keinen allzu hohen Aufwand seitens der Produktion: Samples wie Donnern, Babygeschrei oder Kichern kommen wohl vom Band, und auch die Musik ist nicht die einfallsreichste. Aber dies macht der Sprecher Stéphane Bittoun wieder durch seinen genau auf den Inhalt abgestimmten Vortrag wett. Dafür, dass es sich um Lars Peter Luegs „Erstlingswerk“ handelt, ist das Hörbuch doch eine gelungene Sache, die sich der Gruselfreund mal zu Gemüte führen sollte. Nicht nur aufgrund der Grimmschen Quellen.

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Maupassant, Guy de – HR Giger\’s Vampirric 4 – Der Horla

In der vierten Folge von HR Giger´s Vampirric findet sich die Vampir-Geschichte „Der Horla“ von Guy de Maupassant. Es liest Torsten Michaelis. H. R. Giger spricht persönlich das Vorwort und läutet so auf seine ganz persönliche Art das Grauen ein.

_Der Autor_

Guy de Maupassant lebte von 1850 bis 1893. „Der aus lothringischem Adel stammende, in der Normandie aufgewachsene Maupassant war nach Jurastudium und Teilnahme am Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 im Marine-, dann im Unterrichtsministerium tätig. Nach dem Erfolg der Novelle „Boule de suif“ (1880, dt. „Fettklößchen“, 1900) widmete er sich ganz der Schriftstellerei.

Die Bandbreite seiner fast 300 Novellen reicht von traditionellen schwankhaften Dreiecksgeschichten über die seit der Romantik beliebten Schauernovellen und phantastischen Erzählungen, meist tragisch endende Liebesgeschichten bis hin zu sozialkritischen Novellen. Er veröffentlichte sechs Romane, von denen „Bel Ami“ (1885) verfilmt wurde. In seinem Stilwillen und seiner Freiraum lassenden Erzählhaltung kommt Maupassant seinem literarischen Ziehvater Gustave Flaubert nahe, mit dem er auch die pessimistische Weltsicht teilt.“ (zitiert nach: Harenbergs Lexikon der Weltliteratur, S. 1945/46). Er fürchtete sich vor einem eingebildeten Doppelgänger und schrieb darüber in der Novelle „Lui“. Auch „Der Horla“ weist in diese Richtung.

|Der Sprecher|

Ich kenne Torsten Michaelis als den Synchronsprecher von Wesley Snipes. Durch sein Spektrum an verschiedenen Klangfarben wird er für die unterschiedlichsten Rollen eingesetzt. Er kann auf über 400 synchronisierte Filme zurückblicken.

Neben Wesley Snipes leiht er seine markante Stimme auch Martin Lawrence, Sean Bean, Don Cheadle, Thomas C. Howell, Jason Scott Lee, Salvatore Marino, Sergio Rubini, James Russo, Chris Tucker, Brandon Lee. Kein Scherz – das steht in seiner Selbstbeschreibung.

_Handlung_

Die Geschichte folgt der Form eines Tagebuchs. Der erzählte Zeitraum erstreckt sich über einen Sommer, von Mai bis September. Der Ich-Erzähler erzählt am 8. Mai von seiner ländlichen Heimat in der Nähe von Rouen, von wo er die Glocken der großen Kathedrale läuten hört. Unweit der idyllischen Ufer der Seine befindet sich der elterliche Landsitz. Auf der Seine betrachtet er die schönen Schiffe, darunter welche aus dem fernen Brasilien …

Nur wenige Tage später verspürt er eine seltsame Traurigkeit, Gereiztheit und später Fieber. Ihn beschleicht das Gefühl drohender Gefahr und er macht sich Gedanken um das „Mysterium des Unsichtbaren“: Der Mensch kann weder das unsichtbar Kleine, etwa Mikroben, noch das unendlich weit Entfernte sehen, etwa Galaxien.

Nach einem ergebnislosen Arztbesuch hat er einen Albtraum, dass ihn ein Dämon würgt, der ihm auf der Brust sitzt und den er nicht abzuschütteln vermag. Dies wiederholt sich Nacht für Nacht, bis ihn sogar tagsüber das Gefühl beschleicht, verfolgt zu werden. Wird er wahnsinnig?

Auf einer Kurreise zum Mont St. Michel erzählt ihm ein Mönch von Geisterstimmen. Nach der Rückkehr – es ist Anfang Juli – geht der Albtraum von Neuem los. Als er bemerkt, dass seine Wasserkaraffe am nächsten Morgen leer ist, fragt er sich, ob er nicht selbst ein Schlafwandler ist. Einfache Versuche mit der Karaffe bestätigen ihm jedoch, dass es ein anderes Wesen sein muss, das das Gefäß leert.

Doch welche Art von Wesen vermag zugleich unsichtbar zu sein und ihm die Lebenskraft auszusaugen?

_Mein Eindruck_

Die berühmte Erzählung thematisiert den Horror, der damit verbunden ist, dass eine unsichtbare, fremde Macht parasitär Besitz von einem Menschen ergreift und ihn zu Taten zwingt, die er gar nicht begehen will. Wohlgemerkt, hier geht es nicht nur um den Entzug von Lebenskraft, wie ihn der altbekannte, inzwischen schon heimelig wirkende Vampir praktiziert. Hier geht es vielmehr auch um die Inbesitznahme von Willen und Verstand des Opfers. Der solcherart Besessene wird quasi ferngesteuert, nur mit dem Unterschied, dass der Steuernde im Kopf seines Instrumentes sitzt.

Der Autor zieht die damals bekannten Techniken der psychischen Steuerung heran, nämlich die als Mesmerismus etc. bekannte Hypnose, insbesondere den posthypnotischen Befehl, etwas zu einem bestimmten Zeitpunkt auszuführen. Der Erzähler wird selbst Zeuge eines solchen Psycho-Experiments an seiner Schwester, als er in Paris weilt, wo man den Dingen des Unsichtbaren normalerweise abgeklärt gegenübersteht. Als er seine eigene Notlage erklären will, um Hilfe zu erlangen, wird er daher ausgelacht.

Auf sich selbst zurückgeworfen, muss er umso angestrengter danach trachten, seinen Meister, den er inzwischen den „Horla“ nennt, zu besiegen. Sein Anstrengungen kann man einfach nur heldenhaft und einfallsreich nennen, wenn sie auch auf tragische Weise Neben-Opfer fordern. Was aber, wenn der Horla unsterblich ist und selbst den letzten Vernichtungsversuch überleben könnte?

Ein Aspekt, der in meinen Augen diese Geschichte aus dem Umfeld der Vampirstorys heraushebt, ist die Überlegung, dass der Horla a) der Nachfolger der Spezies Mensch auf der Erde ist und b) von den Sternen kommt. Beide Vorstellungen sind bislang der Science-Fiction vorbehalten geblieben, doch Maupassant hat sie bereits geäußert, lange bevor H. G. Wells 1898 seinen Invasionsroman „Krieg der Welten“ veröffentlichte, der fortan das Klischee vom Alien-Monster bestimmen sollte.

|Der Sprecher|

Manche Sprecher lesen eine Geschichte nur vor, manche aber spielen sie vor. Torsten Michaelis gehört mit „Der Horla“ zur zweiten Kategorie. Da der Schurke im Stück ja unsichtbar und quasi un(an)greifbar ist, gehört eine Menge Darstellungsvermögen dazu, die Reaktionen auf dieses Un-Wesen herauszustellen, um wenigstens auf diesem indirekten Wege den Horror, den es verbreitet, zu vermitteln. Und Michaelis gelingt dies auf sehr eindringliche Weise.

Man würde auch nicht unbedingt annehmen, dass sich die Form des Tagebuchs für eine dramatische Schilderung von Horror eignet. Doch hier ist eben der Knackpunkt: Der Horror ist rein psychologisch statt äußerlich (außer an einer Stelle). Deshalb ist es umso wirkungsvoller, dass Michaelis bestimmte Passagen im Tempo ebenso moduliert wie in der Tonlage und der Tonstärke. Mal liest er langsam, mal schnell, dann wieder leise oder laut. Auf diese Weise erzielt er nicht nur den gewünschten eindringlichen Effekt, sondern hält auch unsere Aufmerksamkeit wach.

_Unterm Strich_

Die beiden wirkungsvollsten und besten Erzählungen in der Vampirric-Reihe sind zweifellos [„Das Grabmal auf dem Père Lachaise“ 583 und „Der Horla“. Welche von den beiden nun die „bessere“ ist, hängt von der individuellen Vorliebe des Hörers ab. „Das Grabmal“ ist anschaulicher, szenischer aufgebaut und bedient weitaus mehr Klischees aus der Vampirliteratur.

Mit Vampiren dieser Art hat „Der Horla“ nichts am Hut. Auch die Bezeichnung „Vampir“ fällt kein einziges Mal. Und doch geht „Der Horla“ weiter als „Das Grabmal“, indem er den Horror, der von der Besessenheit durch ein Fremdwesen von den Sternen ausgeht, nicht nur zu einem globalen, aber weltimmanenten Grauen aufbauscht, sondern es sogar zu einem kosmischen Grauen à la Lovecraft ausbaut. Die Horlas werden Menschen ablösen – gibt es eine größere Horrovision? Und all dies ist mit einer Stilsicherheit erzählt und mit anschaulichen Beispielen gespickt, dass auch der Durchschnittsleser noch etwas damit anfangen kann (sofern er nicht Splatterfan ist).

Der Sprecher Torsten Michaelis macht mit seiner Präsentationskunst „Der Horla“ praktisch schon zu einem Hörspiel, und Geräusche und Musik kann man sich leicht hinzu denken, denn die Erzählung ist dafür anschaulich genug. Schaurig, so vermittelt es der Sprecher, ist auch das Finale der Novelle, wenn der Erzähler die letzte Konsequenz aus dem Erfahrenen erkennt und zieht. Das hat Klasse.

_Der Herausgeber_

HR Giger wurde 1940 in Chur, Schweiz, geboren. Im zweiten Stock des Elternhauses befand sich sein legendäres schwarzes Zimmer. Die fortschreitende Transformation aus einem Jugendzimmer zu einer Werkstätte, in eine Waffenschmiede, bis hin zu einer ägyptischen Grabkammer wurde zur ersten Kostprobe der Kreativität Gigers. 1977 erscheint sein Bildband „Giger´s Necronomicon“. Daraufhin folgt der weltweite Durchbruch. 1980: Oscar für „Alien“. Seit 1981: Arbeit an Projekten wie Poltergeist 2, Species und Alien 3. 1988: Eröffnung der Giger-Bar in Tokio. 1991: Sein Bildband ARh+ erscheint in sieben Sprachen. Seit Mitte der Neunziger Jahre arbeitet HR Giger unermüdlich an seinem Museum. Dies befindet sich im mittelalterlichen Schloss Saint-Germain in Gruyères, Schweiz. Das Museum beherbergt Gigers persönliche Kunst-Sammlung, seine eigenen Bilder und Skulpturen. Das jetzige Museum ist die erste Stufe eines umfassenden Gesamt-Kunstwerkes. HR Giger ist einer der bedeutendsten modernen Künstler weltweit. (Verlagsinformation)

|Umfang: 78:32 Minuten auf 1 CD|

Strobl, Karl Hans – HR Giger\’s Vampirric 3 – Das Grabmal auf dem Père Lachaise

In der dritten Folge von HR Giger´s Vampirric findet sich nur eine Vampirgeschichte, aber die hat es in sich: „Das Grabmal auf dem Père Lachaise“ von Karl Hans Strobl. Es liest David Nathan. Das Vorwort spricht HR Giger. „Es ist eine unvergessliche Horrorgeschichte über Gier, Wahnsinn und Alpträume, die sich jeder selber macht“, behauptet der |Festa|-Verlag.

_Der Autor_

HR GIGER: „Dieses Mal erwartet Sie bei Vampirric eine Geschichte von Karl Hans Strobl, der zu Lebzeiten einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren war. Strobl, ein Österreicher, der zusammen mit Meyrink und Ewers zu den wichtigsten deutschen Phantasten des frühen 20. Jahrhunderts zählt, starb 1946. Es ist eine Geschichte über die teuflische Gier, das menschliche Übermaß und den Wahnsinn. Zu welchen Taten den Mensch ein wenig schnöder Mammon nur treiben kann! … Eine wirklich böse Story! Und ich mag böse Storys – Sie nicht auch?“

Zum Herausgeber schreibe ich am Schluss etwas.

_Handlung_

„Das Grabmal auf dem Père Lachaise“ besteht im Wesentlichen aus den Tagebuchauszügen des Wissenschaftlers Ernest, der sich, da er bettelarm ist, auf einen äußerst merkwürdigen Deal einlässt: Die am 13.3.1913 – also wenige Jahre zuvor – verstorbene Gräfin Anna Feodorowna Wassilska hat in ihrem Testament verfügt, dass demjenigen Mann zweimal hunderttausend Franken aus ihrem Nachlass gegeben werden sollen, der es schafft, ein Jahr in ihrem marmornen Grabmal auf dem bekannten Pariser Friedhof Père Lachaise zu leben. Hier sind ja etliche Künstler begraben, darunter nicht zuletzt auch Jim Morrison.

Wir brauchen aber für Ernest, den Ich-Erzähler, keinerlei Mitleid zu hegen, denn er ist ein von sich selbst sehr überzeugter Jünger der optischen Physik. Im Grabmal schreibt er sein erstes Buch, das unter anderem auf seinen Aufzeichnungen im Grabmal basieren soll. Hier will er eine Theorie des Lichts aufstellen und untermauern. Von dem nicht unbeträchtlichen Lohn plant er eine Vortragsreise sowie einen Urlaub mit seiner Frau Margause zu finanzieren.

Um Verpflegung während des einen Jahres braucht er sich keine Sorgen zu machen. Iwan, ein „borstiger Tatar“, hässlich wie die Nacht und seiner nun toten Herrin noch immer treu ergeben, versorgt Ernest mit den exquisitesten Speisen, doch soll dies gemäß Testamentsbestimmungen der einzige Kontakt sein, den der Wissenschaftler pflegen darf. Schon bald nimmt der Leibesumfang des Grabbewohners erheblich zu. Soll er etwa gemästet werden? Der Tatar gibt keinen Piep von sich. Er erinnert Ernest lieber an die Geschichte vom nekrophilen Sergeanten, der auf dem Friedhof sein Unwesen treiben soll.

Doch auch das in der Gruft bestattete Frauenzimmer verdient unser Mitgefühl nicht. Ein Vamp bleibt eben ein Vamp. Die Madame Wassilska muss nach dem Bild, das Ernest uns zeichnet, nicht nur mannstoll wie Katharina die Große gewesen sein, sondern obendrein reichlich brutal und grausam. Einen Bäckerlehrling biss sie beispielsweise zweimal, so dass er lieber Reißaus nahm. Ihren Bediensteten, etwa wehrlosen Kammerzofen, trieb sie Nadeln ins Fleisch. Auf ihrem Foto fallen Ernst die ungewöhnlich „grausam weißen“ Zähne auf …

In der Gruft ereignen sich unerklärliche Phänomene. Obwohl kein Wind ging, sind Ernests zahlreiche und wohlsortierte Notizzettel durcheinander gewirbelt. Ein grünliches Leuchten geht vom Stein des eigentliches Grabes und der bronzenen Grabplatte aus – sehr interessant, gerade für einen Optophysiker. Handelt es sich etwa um Röntgenstrahlen oder gar um den mysteriösen Äther? Wirken hier intermolekulare Kräfte? Die Steinstruktur selbst scheint sich regelmäßig um Mitternacht in Gallert zu verwandeln. Der Gallert brennt auf der Haut. Das ist für Ernest aber auch nichts Neues, denn polnische Experimente im galizischen Lemberg beschreiben ein ähnliches Phänomen.

Richtig ernst wird’s für Ernest aber erst, als er nicht mehr durch den schmalen Zugang zur Gruft passt: Er ist so gemästet worden, dass er zum Gefangenen der Gruft geworden ist. Nach dem Allerseelentag stellt er fest, dass er gebissen und ausgesaugt wurde. Geradezu elend fühlt er sich, als er einen Zettel findet, auf dem eine Botschaft steht: „Der Atem der Katechana“.

Iwan verrät ihm auf seinen Drängen hin, dass es sich bei der „Katechana“ um die Gräfin handelt: „eine, die nie genug haben kann vom Opfer der Mannheit, bis jenseits des Todes“. Ernest beschleicht ein übler Verdacht: Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Verflüssigung der Grababdeckung, dem grünen Leuchten und den allnächtlich wiederkehrenden Bissen in seinem Hals?

_Mein Eindruck_

Na, servus! Mit Physik hat dies wohl weniger zu tun als vielmehr mit Metaphysik. Schon solche antiquierten Begriffe wie der noch um 1900 herum postulierte „Äther“ als universelles Trägermedium kennzeichnen den Wissensstand des „Helden“ als einen Physiker, der immer noch auf der Schwelle zur Metaphysik steht. Und wenn es nicht um sehr viel Geld ginge, das ihn korrumpiert, hätte er sich wohl kaum auf eine solch makabre Forschungsstätte eingelassen, die eines echten Physikers schwerlich würdig ist.

Der eng umgrenzte Raum des Grabmals ist ein exzellentes Experimentierfeld: Hier treffen zwei Zeiten und Kulturen aufeinander. An der Nahtstelle zwischen modernem Leben und uralter Totenkultur treffen sich der wissenschaftlich-rational orientierte Westen mit dem weitaus mysteriöseren Osten des europäischen Kontinents, mit den alten legenden Asiens von den Vampyri. Von diesen Wesen hat Ernst offensichtlich noch nichts gehört, denn alle seine Erklärungsversuche und haltlosen Theorien betreffen nur Bildungsbruchstücke, gehen aber an dem eigentlichen Phänomen weit vorbei. Umso genauer treffen sie den Leser bzw. Hörer, der sich allmählich seinen eigenen Reim darauf machen muss. Umso wirkungsvoller ist das Grauen, das sich im Hörer unterschwellig breitmacht.

Bereits die Charakterisierung der Gräfin sollte Ernest einen wichtigen Hinweis liefern: eine männermordende Nymphomanin mit grausamen Zügen; mit „grausam weißen“ Zähnen und „Fingern wie Klauen“. Dazu passen die klassischen Versatzstücke wie etwa die Gruft, Nekrophilie, ewiger Hunger über den Tod hinaus, Bissmale, sich zersetzende Materie, der stumme Diener, ein Todeshauch, unheimliches Leuchten und dergleichen mehr. Doch der Vampir selbst ist, wie sich zeigt, weit mehr als nur ein materielles Phänomen. Er dringt in den Verstand seines Opfers und beschwört allerlei Trugbilder.

Ernst ist jedoch beileibe kein tumbes Opferlamm. Natürlich darf zwar der actionreiche Schluss nicht verraten werden, aber der als Opfer Auserkorene weiß sich durchaus wirkungsvoll seiner lädierten Haut zu wehren. Obwohl die Ereignisse im Grabmal auf eine Krise zutreiben, so verblüfft doch das Ausmaß der nun gebotenen Action den auf sachten Grusel eingestimmten Zuhörer.

|Der Sprecher|

David Nathan ist Regisseur und gilt außerdem als einer der besten Synchronsprecher Deutschlands. Im deutschsprachigen Kino erlebt man ihn als Synchronstimme von Johnny Depp, „Spike“ oder Christian Bale. Auch auf den Webseiten zu den „Drei ???“ findet man seinen Namen einschlägig erwähnt. Nathan hat für |LPL records| bereits eine Erzählung auf der Hör-Anthologie „Necrophobia 1“ gesprochen, außerdem tritt er auf „Das Ding auf der Schwelle“ und „Der Schatten über Innsmouth“ in Erscheinung. „Das Grabmal“ wird von ihm souverän und mit einer zunehmenden Eindringlichkeit vorgetragen, der man sich nur sehr schwer entziehen kann.

Ich konnte nur einen Aussprachefehler feststellen: Müsste der Name des bekannten Physikers und Mathematikers Henri Poincaré nicht französisch statt englisch ausgesprochen werden?

_Unterm Strich_

In seinem Aufbau ist „Das Grabmal“ offensichtlich an viele der Frauenerzählungen von Edgar Allan Poe angelehnt. Ob nun die vampireske Lady Ligeia, Morella, Eleonora oder wie sie alle heißen – es ist eine unheimliche Frauengestalt, die durch ihren Bann den ihr psychisch oder emotional ausgelieferten Mann erst um den Verstand und dann um sein armseliges Leben bringen wird. Das psychische Band ist jedoch bei Strobl durch physikalische bzw. metaphysische Phänomene ersetzt, was die Story zwar moderner, aber weitaus weniger romantisch macht.

Die andere Komponente, die Poe entspricht, ist die Bemühung der Hauptfigur, all die seltsamen Phänomene, die er beobachtet oder am eigenen Leib erfährt, wegzurationalisieren (im Sinne von „ratiocination“ à la Auguste Dupin), indem er die Erkenntnisse der Naturwissenschaft anführt. Diese geistigen Waffen gegen Geister einzusetzen, erweist sich selbstverständlich (und ironischerweise) als völlig zwecklos. Die immaterielle Welt obsiegt über die kläglichen Versuche, sie mit Erkenntnissen aus der materiellen Welt zu erklären. Insofern ist diese Erzählung wiederum zutiefst romantisch.

Stellt man Modernität und Romantizismus nebeneinander, so ergibt sich der Eindruck einer Erzählung, die einer Zeit des Übergangs entspricht. Gut möglich, dass sie unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs entstand, als die alte, so wohlgeordnet erscheinende Welt der Monarchien und des Großbürgertums unter den Stiefeltritten faschistischer und kommunistischer Bewegungen verschwand. Es dürfte wohl kein Zufall sein, dass die Gräfin Wassilska als Vertreter eines absolut herrschenden Adels genau im Vorjahr des Kriegsausbruches das Zeitliche segnete und fortan ihre Grabinsassen als Vampir beehrt – böser Schatten einer versunkenen Welt. Adieu, belle epoque!

Das Hörbuchs inszeniert diese reichhaltige Erzählung mit angemessenen Mittels. Besonders der Sprecher David Nathan vermittelt die unterschwellige Botschaft ausgezeichnet mit seinem Vortrag.

Innerhalb der Vampirric-Serie ist „Das Grabmal …“ mit Sicherheit ein Höhepunkt. Noch besser gefiel mir allerdings [„Der Horla“, 584 weil dort die horrible Vision des Autors geradezu kosmische Dimensionen annimmt.

_Der Herausgeber_

HR Giger wurde 1940 in Chur, Schweiz, geboren. Im zweiten Stock des Elternhauses befand sich sein legendäres schwarzes Zimmer. Die fortschreitende Transformation aus einem Jugendzimmer zu einer Werkstätte, in eine Waffenschmiede, bis hin zu einer ägyptischen Grabkammer wurde zur ersten Kostprobe der Kreativität Gigers. 1977 erscheint sein Bildband „Giger´s Necronomicon“. Daraufhin folgt der weltweite Durchbruch. 1980: Oscar für „Alien“. Seit 1981: Arbeit an Projekten wie Poltergeist 2, Species und Alien 3. 1988: Eröffnung der Giger-Bar in Tokio. 1991: Sein Bildband ARh+ erscheint in sieben Sprachen. Seit Mitte der Neunziger Jahre arbeitet HR Giger unermüdlich an seinem Museum. Dies befindet sich im mittelalterlichen Schloss Saint-Germain in Gruyères, Schweiz. Das Museum beherbergt Gigers persönliche Kunst-Sammlung, seine eigenen Bilder und Skulpturen. Das jetzige Museum ist die erste Stufe eines umfassenden Gesamt-Kunstwerkes. HR Giger ist einer der bedeutendsten modernen Künstler weltweit. (Verlagsinfo)

|Umfang: 78:22 Minuten auf 1 CD|

Stein, Leonhard / Long, Amelia Reynolds – HR Giger\’s Vampirric 2 – Der Vampyr / Der Untote

In der zweiten Folge von HR Giger´s Vampirric finden sich die Vampir-Geschichten: „Der Vampyr“ von Leonhard Stein und „Der Untote“ von Amelia Reynolds Long. Beide Storys liest Helmut Krauss. Die Vorworte spricht wieder HR Giger. (Mehr zum Herausgeber am Schluss.)

_Autor #1_

HR GIGER über DER VAMPYR: „Zwischen 1918 und 1920 erschienen einige Erzählungen eines gewissen Leonhard Stein. Niemand weiß bis heute, wer dieser Autor war, vielleicht war der Name sogar ein Pseudonym, wer weiß. Auf jeden Fall werden Sie seine Geschichte über ein recht seltsames Arbeitsverhältnis nie vergessen, da bin ich mir sicher!“

_Handlung von „Der Vampyr“_

Den Anfang macht mit „Der Vampyr“ eine fast schon kafkaeske Horrorgeschichte, die sich auch als Parabel auf die Arbeitswelten der modernen Zivilisation lesen lässt.

Die Hauptfigur ist Herr Samassa, ein „schöner Mann“ und Genussmensch, der in der Anwaltskanzlei Dr. Herzfeld arbeitet. Er plant, demnächst die schöne Klara Gärtner zu ehelichen und eine Familie zu gründen. Privat wie beruflich dürfte ihm der Erfolg sicher sein.

Doch es soll anders kommen. Er lehnt die Annäherungsversuche der neuen Tippse ab, ist sie doch viel zu unansehnlich, schlecht gekleidet und verhärmt: ein Inbild des Misserfolgs. Zu seinem Verdruss muss er feststellen, dass sie in die Wohnung neben seiner eingezogen ist. Wie kann sie sich die denn leisten? Sie hat rotes Haar und betörende grüne Augen, die ihn, als sie im Nachthemd auftritt, in Versuchung führen. In einem Alptraum, so kommt’s ihm vor, saugt sie ihm das Blut aus den Adern. Er fühlt seltsamerweise keinen Schmerz, nur eine „tiefe Ermattung“. Schlaf und ein gutes Steak bringen Erhohlung, doch fortan wiederholt sich das nächtliche Phänomen.

Während die Tippse schön und proper gedeiht, verblasst ihr Wirt zusehends. Vergeblich bittet er um Entlassung des Vampirs, wird aber abschlägig beschieden. Nach einem Zusammenbruch bei Klara wird er ins Hospital eingeliefert. Er sieht nur einen Ausweg aus der Misere: Kurz vor seiner Hochzeit mit Klara quartiert er sie zwischen seiner Wohnung und der des Vampirs ein. Nachdem Klara den Löffel abgegeben hat, ist Samassa wieder an der Reihe. In dem Kollegen Iglseder findet er einen würdigen Nachfolger für die arme Klara.

Doch der Strom der Opfer, die er dem Vampir zuführen muss, um selbst überleben zu können, reißt nicht ab und nimmt Formen an, die eines Jack the Ripper würdig wären. Bevor er von der Polizei gestellt wird, sieht er nur noch einen Ausweg: Der Vampir muss dran glauben. Doch wie tötet man einen Unsterblichen?

_Mein Eindruck_

Der Vampir in Gestalt der hexenhaft gezeichneten Frau ist das genaue Gegenteil der wohlanständigen Heiratskandidatin Klara Gärtner, nämlich das Inbild hemmungsloser Lust und Sinnlichkeit. Diese Lust kennt jedoch keine Grenze, als wäre sie ein Traumbild. Vielmehr ist ihr Hunger unersättlich und erfordert immer neue Opfer. Bis schließlich nichts mehr ausreicht, will der Träumer Samassa nicht seine körperliche Existenz vollends verlieren. Ergo muss der Vampir sterben. Dass Samassa einen Teil von sich tötet, dürfte klar sein. Die Folgen sind dementsprechend.

Ein Hörer hat die Geschichte als Reflektion der modernen Zivilisation und ihrer Arbeitsverhältnisse interpretiert. Ein Marxist und Sozialtheoretiker könnte dies tun, würde aber dabei die psychoanalytischen Erkenntnisse eines gewissen Sigmund Freud sowie von dessen Schüler C. G. Jung außer Acht lassen. Der bekannte Wiener Arzt hat ja gerade solche Traumbilder und Extreme ebenso untersucht, wie Jung Archetypen postuliert hat. Eine rothaarige, grünäugige Frau von verlockender Sinnlichkeit und unersättlichem Blutdurst dürfte sämtliche Klischees furchterfüllter Männer mit Kastrationsangst befriedigen. So kommt man dem Kern der Sache schon näher, wie mir scheint. Und ein bajuwarisch-austriakischer Name wie Iglseder verlegt den Schauplatz sehr wahrscheinlich in die gleiche Großstadt, in der Freud wirkte: Wien.

Ähnlich wie „Der Golem“ von Gustav Meyrink oder die Romane „Nachts unter der steinernen Brücke“ und „Zwischen neun und neun“ von Leo Perutz baut die Geschichte sorgfältig ein Spannungsfeld auf zwischen Alltag und Normalität einerseits und nächtlichem Irrsinn andererseits auf. Dass diese Entwicklung in eine Katastrophe münden muss, erscheint folgerichtig. Sie spiegelt die Katastrophe des 1. Weltkriegs wider, der den Untergang der alten Monarchien zur Folge hatte.

|Zweite Story: Amelia Reynolds Long: „Der Untote“|

_Autorin #2:_

Über das Leben und Werk der Autorin Amelia Reynolds Long ist mir nichts bekannt. Ihre Geschichte folgt klassischen Mustern englischer Spukgeschichten.

HR GIGER über DER UNTOTE: „Während der Arbeit an Vampirric habe ich viel über das Thema Vampire nachgedacht – und über Blut. Ich erinnere mich an eine merkwürdige Vision während einer Autofahrt durch Zürich …“

_Handlung von „Der Untote“_

Henry Thorne erzählt seinem Besucher (und Ich-Erzähler) Michael, der der „Gesellschaft für psychologische Forschung“ angehört, zunächst von seinem verstorbenen Halbbruder, dem Baronet James Thorne, dann von seinem zurückgezogen in einem Turm des Herrenhauses lebenden Bruder George Thorne. Henry selbst hat ein nervöses Leiden, das er kuriert zu haben wünscht. Er fühle sich nämlich bedroht vom Schatten einer großen Fledermaus, von der ihm träume.

Dem Manne kann geholfen werden, denkt Michael. Er erwacht eines Nachts, erblickt auf dem Gang eine Gestalt, die in einen Lederumhang gehüllt ist und eine Laterne trägt. Vor allem ihr weißes Gesicht verstört Michael und er folgt der Gestalt, die in der Bibliothek verschwindet. Doch gleich nebenan liegt Sir Henrys Schlafzimmer. Dort beugt sich das Schattenwesen über den Schlafenden, doch Michaels Eintreten verscheucht es.

Anderntags werden zwei Tote in der Umgebung gefunden: ein Irrer und ein Junge. Handelt es sich um Opfer eines Vampirs? Michael schwant nichts Gutes und stellt dem nächtlichen Eindringling eine Falle.

_Mein Eindruck_

Die Zutaten der Kurzgeschichte von Amelia Reynolds Long sind derart klassisch, dass die Geschichte abläuft, als handle es sich um ein Uhrwerk. Allzu vorhersehbar sind die nächsten Ereignisse, als dass sie dem Kenner noch einen Anreiz bieten würden, neugierig das Ende zu erwarten. Es gibt keinerlei Überraschungen für den, der zwei und zwei zusammenzählen kann und nicht auf fünf kommt.

Selbst Helmut Krauss mit seiner charismatischen Stimme kann nicht viel mehr aus der Geschichte herausholen. Giger selbst, der Herausgeber, trägt nichts Erhellendes oder Reizvolles bei, denn seine Einleitung ist irrelevant.

_Der Sprecher_

Helmut Krauss ist seit Jahrzehnten ein vielbeschäftigter Schauspieler. In Filmen schenkt er Marlon Brando und Samuel L. Jackson seine sonore, beeindruckende Stimme.

Helmut Krauss erweist sich als wahres Stimmwunder, wenn er nicht nur Stimmungen und Atmosphäre in seine rauchigen, getragenen Vortrag legt, sondern er erweckt tatsächlich einen Charakter zum Leben, erschafft eine ganze Stadt um ihn herum und schickt ihm und den Hörer dann einen fleischgewordenen Alptraum hinzu.

_Unterm Strich_

„Der Vampyr“ ist eine ganz besondere Geschichte für alle Freunde älterer Horrorkunst, die noch ohne viel Blutvergießen auskam. Giger hat hier eine echte Perle ausgegraben.

Nicht ganz so überzeugend wie die [erste CD 581 der „Vampiric“-Reihe, ist das Hörbuch doch immer noch weit jenseits der allermeisten anderen Horror-Hörbuchproduktionen und auf alle Fälle ein Kauftipp. Mit der titelgebenden Geschichte hat Giger eine wahre Meistererzählung vor dem Vergessen bewahrt. Dass „Der Untote“ den äußerst positiven Gesamteindruck schmälert, fällt da eigentlich nicht weiter ins Gewicht.

_Der Herausgeber_

HR Giger wurde 1940 in Chur, Schweiz geboren. Im zweiten Stock des Elternhauses befand sich sein legendäres schwarzes Zimmer. Die fortschreitende Transformation aus einem Jugendzimmer zu einer Werkstätte, in eine Waffenschmiede, bis hin zu einer ägyptischen Grabkammer wurde zur ersten Kostprobe der Kreativität Gigers. 1977 erscheint sein Bildband Giger´s Necronomicon. Daraufhin folgt der weltweite Durchbruch. 1980: Oscar für „Alien“. Seit 1981: Arbeit an Projekten wie Poltergeist 2, Species und Alien 3. 1988: Eröffnung der Giger-Bar in Tokio. 1991: Sein Bildband ARh+ erscheint in sieben Sprachen. Seit Mitte der Neunziger Jahre arbeitet HR Giger unermüdlich an seinem Museum. Dies befindet sich im mittelalterlichen Schloss Saint-Germain in Gruyères, Schweiz. Das Museum beherbergt Gigers persönliche Kunst-Sammlung, seine eigenen Bilder und Skulpturen. Das jetzige Museum ist die erste Stufe eines umfassenden Gesamt-Kunstwerkes. HR Giger ist einer der bedeutendsten modernen Künstler weltweit.

|Umfang: 78:32 Minuten auf 1 CD|

Thomas Ligotti / Horacio Quiroga – H. R. Giger’s Vampirric 1 – Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts

Der Schweizer Multimediakünstler H.R. Giger ist am besten bekannt für seine Kreation des Alien-Monsters in Ridley Scotts gleichnamigen Science-Fiction-Horror-Film. Sein Museum befindet sich in Gruyères in der Schweiz – und natürlich auch im Internet. Siehe auch den Schluss dieses Artikels.

In der ersten Folge von H.R. Gigers vierteiliger „Vampirric“-Reihe finden sich folgende zwei Vampir-Geschichten: „Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts“ von Thomas Ligotti und „Das Federkissen“ von Horacio Quiroga. Beide Storys liest Lutz Riedel. Die Vorworte spricht HR Giger.

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Thomas Ligotti / Horacio Quiroga – HR Giger’s Vampirric 1 – Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts

HR Gigers Zusammenstellung von Vampirkurzgeschichten, die 2003 unter dem Titel „HR Giger’s Vampirric“ in Buchform bei Festa erschienen ist, ist nun auch in vier einzeln erhältlichen Hörbüchern bei LPL records auf den Markt gekommen. Eine Auswahl von insgesamt sechs Erzählungen (also eine Art „Best-of“ der Anthologie) soll beim Hörer für gepflegten Grusel sorgen – der Slogan des Verlags lautet schließlich nicht umsonst „Gänsehaut für die Ohren“. Zwei dieser Kurzgeschichten finden sich auf dieser ersten CD: „Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts“ (amerik. „The Lost Art of Twilight“, 1989) von Thomas Ligotti und „Das Federkissen“ (dem Band „Cuentos de Amour, de Locura y de Muerte“ von 1917 entnommen) von Horacio Quiroga. Eingeleitet werden beide Geschichten jeweils von einem kurzen Vorwort des „Meisters“ Giger selbst.

Thomas Ligotti / Horacio Quiroga – HR Giger’s Vampirric 1 – Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts weiterlesen