Schlagwort-Archive: Dracula

Knight, Mary-Jane / Blythe, Gary / Jacobs, Philip / Peterkin, Mike / Chidlow, Philip / Jacoby, Jenny – Vampire – Das furchterregende Tagebuch des Dr. Cornelius Van Helsing

Bilderbuch für neugierige Entdecker

Mai 1907. Der Vampirjäger Abraham van Helsing liegt krank danieder, und sein besorgter Bruder Cornelius macht sich mit seinem Diener Gustav de Wolff auf den Weg, um in Transsilvanien ein Heilmittel zu suchen. Doch das Unternehmen scheint ein Fehlschlag, denn inzwischen hat offenbar ein Vampir Jonathan Harker einen verhängnisvollen Besuch abgestattet.

Die Autorin
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Bram Stoker – Dracula (Gruselkabinett 16-19)

Die wackeren Vampirjäger in Transsylvanien

Im Jahr 1893 befindet sich das britische Weltreich auf dem Höhepunkt seiner Blüte. Doch Graf Dracula, der Fürst der Dunkelheit, verlegt seinen Wohnsitz nach London, um seine unstillbare Gier nach Blut zu befriedigen. Wird er das Imperium mit seiner untoten Brut zu Fall bringen? Doch nein. In einer dramatischen Jagd verfolgen der junge Dr. Seward und sein Lehrmeister Prof. van Helsing gemeinsam mit dem Anwalt Jonathan Harker und dessen Frau Mina den „Jäger der Nacht“ bis nach Transsylvanien, um seinem unheiligen Leben ein Ende zu bereiten.

Der Autor

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Elizabeth Kostova – Der Historiker. Ein Vampirroman

Ein junges Mädchen findet in der Bibliothek ihres Vaters ein Konvolut mit vergilbten Briefen. Das Geheimnis um den Vater und das Schicksal der Mutter verbinden sich zu einem Drama, das weit in die Vergangenheit zurückreicht. Die Briefe fragen nach der Herkunft von Vlad dem Pfähler, dem Urbild der Dracula-Legende. Eine atemberaubende Suche in Klöstern, Bibliotheken und Archiven beginnt, bei der Grausamkeiten Draculas zutage treten, die sich bis heute fortsetzen… (Verlagsinfo)
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Bram Stoker – Draculas Gast (3 Lesungen)

Diese Horror-Erzählungen können sich sehen (und hören!) lassen. In „Draculas Gast“ erlebt Jonathan Harker eine unheimliche Begegnung in der bayerischen Provinz, in „Das Haus des Richters“ wird der jugendliche Held zur Zielscheibe des Hasses einer Riesenratte, und in „Die Squaw“ vollzieht eine schwarze Katze, deren Junges mutwillig getötet wurde, blutige Rache am Übeltäter.

Der Autor

Bram Stoker ist der Künstlername des irischen Schriftstellers und Theatermanagers Abraham Stoker (1847-1912), dessen wichtigste Karriere mit der des berühmten Theaterschauspielers Henry Irving (der zwecks PR auch in „Die Squaw“ erwähnt wird!) verbunden war, der von 1838 bis 1905 lebte. Stoker begann schon 1872 mit dem Veröffentlichen seiner Erzählungen, was 1897 in der Publikation des Horrorklassikers [„Dracula“ 622 gipfelte, der aber 1901 kräftig revidiert wurde. Stoker schrieb noch ein paar weitere unheimliche Romane („The Lair of the White Worm“ wurde erst 1986 vollständig veröffentlicht und prompt verfilmt) und etliche Erzählungen.

Alle hier vertretenen Erzählungen erschienen posthum im Jahr 1914 in London. „Das Haus des Richters“ und „Die Squaw“ erschienen zuerst 1893 in „Holly Leaves“. Später wurde „Die Squaw“ in „The Black Cat“ umbenannt – keine glückliche Wahl, denn diesen Titel trägt bereits eine bekannte Erzählung von E. A. Poe.

Der Sprecher

Lutz Riedel ist ein hochkarätiger Synchron-Regisseur und die deutsche Stimmbandvertretung von „James Bond“ Timothy Dalton. Er war auch „Jan Tenner“ in der gleichnamigen Hörspielserie. Ich schätze besonders seine Interpretation von H. P. Lovecrafts Schauergeschichten wie etwa [„Das Ding auf der Schwelle“. 589

Die Texte wurden nicht gekürzt, was doch bemerkenswert ist.

Die Erzählung „Draculas Gast“

Diese Story war ursprünglich ein Teil des Bestsellers „Dracula“. Daher kommen hier die Hauptfiguren vor, besonders Jonathan Harker.

Jonathan Harker macht sich per Kutsche von München aus auf den Weg nach Transsylvanien, um Graf Dracula zu besuchen, der ihn eingeladen hat. Der Hotelbesitzer Delbrück warnt Jonathan, denn heute Nacht sei Walpurgisnacht, und man wisse ja, dass dabei der Teufel umgehe. Den vernünftigen Engländer kümmert das wenig. Er glaubt nicht an Teufel und Hexen. Wir sind ja nicht mehr im Mittelalter, oder?

Als Harker ein merkwürdig abgelegenes Tal erspäht, befiehlt er dem Kutscher Johann, abzubiegen und dort hinunter zu fahren. Doch Johann weigert sich. Mal von der Tatsache abgesehen, dass an dieser Kreuzung ein Selbstmörder begraben liegt, sollen unten im verlassenen Dorf lauter Vampire gelebt haben, weshalb es ja auch schon seit hundert Jahren verlassen sei. Was der Herr wohl dort wolle?

Wölfe heulen, und ein Schneesturm ist im Anzug. Allmählich wird es ungemütlich. Trotzdem schickt Harker in seinem jugendlichen Hochmut Johann zurück nach München. Als in diesem Moment ein Fremder auf dem Hügelkamm auftaucht, gehen die Pferde durch. Gleich darauf ist der Fremde verschwunden. Wohl oder übel muss Harker allein und zu Fuß ins Tal hinabgehen.

Er beeilt sich, denn der Schneesturm kann gleich losbrechen. Nachdem er im Dunkeln einen düsteren Zypressenhain durchquert hat, landet er auf einem Friedhof und zwar direkt vor einem weißen Grabmal aus Marmor. Doch es wurde seltsamerweise einer Selbstmörderin errichtet. In Kyrillisch ist der Satz eingemeißelt: „Die Toten reisen schnell.“ Sehr lustig. Als er im Grabmal vor dem Hagelsturm Zuflucht sucht, erblickt er im Schein eines Blitzes die Gestalt einer schönen Frau auf dem Grab. Sie scheint sich aufzurichten und ihn anzulächeln.

Während der Sturm heult, wird Harker ganz schwummrig. Als er für einen Moment erwacht, liegt ein riesiger Wolf auf ihm und, äh, leckt ihm die Kehle! Harker wird gleich wieder ohnmächtig. Seine Konstitution ist eben nicht die allerbeste …

Die Erzählung „Das Haus des Richters“

Der junge Malcolm Malcolmson ist ein englischer Student der Mathematik, der sich für das Büffeln auf sein Abschlussexamen in einen ruhigen Ort zurückziehen möchte, statt sich wie seine Kommilitonen zwecks Ablenkung ins Vergnügen zu stürzen. Sehr löblich! Der erste Ort im Zugfahrplan ist Benchurch, also steigt er dort aus und fragt die Gastwirtin am Ort nach Quartier. Er hat am Ort ein stattliches Herrenhaus erspäht, das aber leer zu stehen scheint. Ob man sich da wohl einmieten könne, fragt er.

Die gute Mrs. Witham ist ein Frauenzimmer, das das Herz auf dem rechten Fleck hat. Sie ist etwas entsetzt über Malcolms Plan, im „Haus des Richters“ gleich drei Monate zu verbringen. Dort wohnte vor mindestens hundert Jahren ein strenger und grausamer Richter. Immerhin hat das Haus eine Alarmglocke, falls dem armen Herrn Malcolmson irgendetwas, äh, nicht ganz in Ordnung vorkommen sollte. Tagsüber sorgt die gute Mrs. Dempster als Haushälterin für Essen und Sauberkeit. Sie hat kein Problem mit dem Haus.

Das liegt wohl daran, wie Malcolm feststellt, dass das Haus erst nachts zum Leben erwacht. Die Ratten veranstalten hinter der Wandvertäfelung einen Radau sondergleichen. Das stört den fleißig büffelnden Malcolm aber erst, als der Lärm abrupt aufhört. Er wundert sich und schaut sich um. Da sitzt doch tatsächlich eine riesige schwarze Ratte auf dem Stuhl neben dem Kamin und starrt ihn, Malcolm persönlich, mit bösen Augen an!

Doch bevor er sie mit dem Schürhaken erschlagen kann, rast sie schon das Seil der Alarmglocke, das neben dem Kamin baumelt, hinauf und verschwindet – ja, wo eigentlich? Nach der zweiten Nacht mit dem gleichen Erlebnis lässt Malcolm Licht darauf werfen: Es ist das Gemälde eines grausam und unerbittlich dreinblickenden Mannes, der genau auf jenem Stuhl sitzt, wo die Ratte saß: Es ist der Richter, dem das Haus gehörte. Und in dem Gemälde befindet sich das Loch, durch das die Ratte verschwindet und hartnäckig wieder erscheint.

Die brave Mrs. Witham ist vor Entsetzen schier einer Ohnmacht nahe, als Malcolm ihr minuziös von seinen nächtlichen Erlebnissen berichtet. Sie hat den guten Doktor Thornhill herbeigerufen, der Malcolm warnt. Jenes Glockenseil pflegte der Richter dazu zu verwenden, die Unglücklichen, die er verurteilte, daran aufzuhängen.

Die Nacht der Entscheidung ist gekommen. Zum dritten Mal dürfte die Riesenratte erscheinen, ahnt Malcom und trifft Vorbereitungen. In der letzten Nacht konnte nur die Bibel, die er nach ihr geworfen hatten, sie vertreiben. Doch was, wenn dies heute Nacht nicht ausreichen sollte?

Die Erzählung „Die Squaw“

Nürnberg, im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts, vor dem Touristenboom. Der Ich-Erzähler, ein Amerikaner, ist mit seiner jungen Frau Amelia auf seiner Hochzeitsreise in die mittelalterlich anmutende, nie eroberte oder zerstörte Stadt gekommen, um ihre pittoresken Schönheiten zu besichtigen. Begleitet werden sie von Elias P. Hutchison, einem wagemutigen Westmann, der von Karl May geschaffen sein könnte und sich ihnen einfach angeschlossen hat. Er unterhält sie mit Abenteuergeschichten aus dem Wilden Westen.

Die imposante und beherrschende Burg besuchen sie zuletzt, quasi als Höhepunkt ihres Aufenthalts. Sie verfügt über einen tiefen Burggraben, der nun mit Baumhainen und Cafés bedeckt ist. Herabblickend erspäht Hutchison mit seinem Adlerblick eine schwarze Katze, die mit ihrem Jungen spielt. Er will einen Stein hinabfallen lassen, um mit ihr zu spielen, natürlich nicht, um sie zu verletzen. Leider hat sich das Schicksal gegen ihn verschworen. Der Stein zerschmettert den Kopf des Kätzchens. Die empfindsame Amelia ist zutiefst entsetzt und fällt fast in Ohnmacht (was vielleicht auch an ihrem engen Korsett liegen mag).

Wütend springt die Katze an der Burgmauer hoch, doch sie schafft es nie bis zur Mauerkrone. In ihren Augen erblickt Amelia pure Mordlust. Der abgebrühte Hutchison lacht bloß darüber. Die Katze erinnere ihn an jene Squaw, deren Kind von einem Weißen getötet worden war und die dessen Mörder drei Jahre lang verfolgt und schließlich zur Strecke gebracht habe – nachdem sie ihn schrecklich gefoltert hatte. Hutchison erschoss die Frau. Als sich die Katze zu beruhigen scheint, hält er das für die Demut einer Squaw und vergisst die Katze.

Nicht so Amelia und ihr Mann. Sie bemerken bei ihrem Rundgang, wie die Katze ihnen nachschleicht, und gelangen schließlich zum Höhepunkt ihrer Tour: in den Folterturm. Alles ist noch genauso, wie es die Folterknechte und Scharfrichter vor Jahrhunderten zurückließen. Amelia kann einen zaghaften Schauder angesichts der blanken Richtschwerter, den Richtblocks und der unzähligen Marterinstrumente, mit denen man die Unglücklichen zum Geständnis bewegte, nicht unterdrücken.

Hutchison aber stürzt sich begierig auf das Herzstück der grotesken Sammlung: die berühmte Eiserne Jungfrau. Dieses sargähnliche Gebilde sieht keineswegs aus wie eine Frau, sondern eher so plump wie der Sarkophag eines Pharao. Nur das eine Ende trägt das Antlitz einer Frau, daher der Name. In diesen aufklappbaren Behälter wurde der gefesselte Delinquent gesteckt. Dann ließ man ganz langsam und schmerzhaft den an einem Halteseil und einem Flaschenzug befestigten Deckel hinab. Dessen Innenseite ist mit eisernen Stacheln versehen, die in die Augen, das Herz und in lebenswichtige Organe des Opfers eindringen …

Als der übermütige Hutchison sich vom Wächter fesseln und in die Eiserne Jungfrau stecken lässt, um die Top-Sensation seiner Reise zu erleben, taucht die rachedurstige Katze wieder auf …

Mein Eindruck

Das Hörbuch geht vom Bekannten und doch Neuen aus und steigert sich dann über eine interessante Zwischenstufe zu einem höchst blutigen Finale und Höhepunkt, das es mit dem Besten von Poe aufnehmen kann. Doch der Reihe nach.

Mein Eindruck von „Draculas Gast“

Jeder, der schon mal eine möglichst werkgetreue Verfilmung von Stokers „Dracula“ gesehen hat – am besten jene von Francis Ford Coppola -, wird sich sofort in die Lage von Jonathan Harker versetzen können, wird ihm vielleicht sogar das schmale, bleiche Gesicht von Keanu Reeves zuweisen. Harker hat ein morbides Interesse an allem Unheimlichen und verlangt daher sofort, in das Dorf der Vampire gefahren zu werden. Schließlich muss er doch laufen, begleitet von sämtlichen Vorboten des Unheils: ein am Kreuzweg begrabener Selbstmörder (in ungeweihter Erde bestattet), Sturm, Dunkelheit, Wolfsgeheul, Zypressen (typisch für südliche Gottesacker) und natürlich Gräber.

Natürlich bleibt das Unheil nicht aus. Blöd nur, dass Harker ständig das Bewusstsein verliert, was seiner Erzählung eine gewisse stroboskopartige Beleuchtung der laufenden Ereignisse verleiht. Ist aber vielleicht besser so, denn angesichts dessen, was Harker noch in Transsylvanien bei seinem Gastgeber erleben soll, darf der Autor nicht allzu viel vorwegnehmen, um die Spannung nicht zu verderben. Wir können nicht hundertprozentig sicher sein, dass Harker nicht doch von jenem Geisterwolf auf dem Friedhof gebissen wurde. Die Pointe kommt natürlich erst ganz am Schluss, als Harker ein seltsames Telegramm erhält …

Mein Eindruck von „Das Haus des Richters“

In dem alten Haus aus dem 17. Jahrhundert trifft die moderne Kultur auf die alte. Im 17. Jahrhundert wurde Irland, die Heimat des Autors, von Oliver Cromwell quasi ein zweites Mal unterworfen, mit verheerenden Folgen für die einheimische Bevölkerung. Der Richter, der sich in eine Riesenratte verwandelt, verkörpert dieses grausame Regime, das bis heute geisterhaft nachwirkt – und somit auch den neuesten Bewohner jenes verfluchten Gebäudes nicht verschont, in dem die Verurteilten gleich an Ort und Stelle gehängt wurden.

Das Seil, das vermaledeite Seil! Es spielt eine zentrale und umkämpfte Rolle im Zweikampf zwischen dem jungen Malcolm und der Riesenratte. Allzu leicht lässt sich daraus nämlich eine Henkersschlinge knüpfen. Symbolisch verbindet es die Last der Vergangenheit, und ganz buchstäblich wird dem jungen vorwitzigen Bewohner „ein Strick daraus gedreht“. Dieser wehrt sich zunächst, lächerlich genug, mit dem Werfen von Matheüchern. Doch erst das fünfte trifft und vertreibt die Ratte: Es ist die Familienbibel. Das bedeutet zweierlei: Die Kraft des Glaubens schützt den jungen Mann ebenso wie die Verankerung in die Familie, die Tradition. Als er dies – warum auch immer – nicht tut, ist er verloren.

Es hat mich aber schon ein wenig misstrauisch gemacht, dass Malcolm alles mit sich anstellen lässt, sobald ihn der hypnotische Blick des leibhaftig auferstandenen Richters gebannt hat. Er ist quasi wie gelähmt – das ideale Opfer, wie das Kaninchen vor der Schlange. Es ist übrigens erwähnenswert, dass es keiner der braven Bürger des fiktiven Ortes Benchurch – von der namengebenden Kirche wird absolut nichts erwähnt – es für notwendig erachtet, Malcolm beizustehen. Über entsetztes Händezusammenschlagen und eine ernsthafte Warnung geht die „Hilfe“ aber leider nicht hinaus. Die Zugehfrau Mrs. Dempster darf ihr Armenhaus nächtens nicht verlassen – ein Hinweis auf die üblen Zustände an diesem Ort. Malcolm wird nicht nur ein Opfer der Vergangenheit, sondern auch der Gegenwart: kein gutes Omen für die Zukunft.

Mein Eindruck von „Die Squaw“

Die Vergangenheit schlägt mit voller Härte zu, als den Missetäter in „Die Squaw“ im mittelalterlichen Nürnberg die gerechte Strafe dafür ereilt, dass er das Kätzchen getötet hat. So wie er dessen Köpfchen zerschmettert hat, so wird auch ihm der Schädel traktiert – von jener teuflischen Foltervorrichtung, der einige weibliche Attribute gegeben werden. Dazu gehört zunächst der Name: „Eiserne Jungfrau“, dann das eingravierte Gesicht, zudem die Aufnahme in den Apparat wie in einen Mutterschoß.

Auffällig ist die durch den Titel hervorgehobene Parallele zu Hutchisons Ermordung der Squaw, die sich an einem Weißen für die Ermordung ihres Kindes gerächt hatte. Sein grausiger Tod ist also nicht nur die Strafe für das tote Kätzchen, sondern auch für die tote Indianerin. In beiden Fällen spielt der Aspekt verachteter Mutterliebe eine große Rolle. Wie ironisch und passend dann Hutchisons Tod im Mutterschoß der Eisernen Jungfrau! Der Mann glaubte sich dort sicher, weil er bereits einmal Ähnliches mit einem Pferd praktiziert hatte. Er versteckte sich in dessen Bauchhöhle, um sich vor anrückenden Indianern zu verstecken.

Hutchison verkörpert das lebensfeindliche Prinzip, das bei der Eroberung der Neuen Welt waltet. Die junge Frau des Erzählers, Amelia, ist wohl auch deshalb so angeekelt und entsetzt von Hutchisons Verhalten, weil ihre natürliche Rolle in der gerade erst eingegangenen Ehe die der Mutter ist. Man darf sogar mit Fug und Recht annehmen, dass sie bereits schwanger ist – die häufigen Ohnmachtsanfälle legen dies nahe. Wie abstoßend muss ihr daher Hutchisons Verhalten vorkommen, das sich unter anderem darin manifestiert, dass er eine Brieftasche aus Menschenhaut bei sich trägt.

Von allen drei Geschichten endet „Die Squaw“ am blutigsten und brutalsten. Das ist ein echter Tiefschlag für das Nervenkostüm des unvorbereiten Zuhörers, daher ist an dieser Stelle eine ernstgemeinte Warnung angebracht.

Der Sprecher

Lutz Riedel liefert eine tolle, überragende Leistung ab. Sein modulationsreicher, dramatischer Vortrag hat mich sehr beeindruckt. Die drei Erzählungen steigern sich in ihrer Wirkung allmählich zu einem Höhepunkt, wie bereits erwähnt. Wer mit dem Geist zu sehen vermag, kann sich das Entsetzen der entsprechenden Szenen lebhaft und geradezu wie einen Film vorstellen. Einfach fabelhaft. Sehr witzig und gelungen fand ich auch, wie Riedel Frauen intoniert: Seine Stimme klettert in ungeahnte Höhen, ohne dabei jedoch irgendwie tuntenhaft zu klingen.

Die Musik von Andy Matern erklingt jeweils am Anfang und Ende einer CD sowie zwischen den Texten, passend in düsteren Klängen. Die Musik und die Ansage durch Helmut Krauss entsprechen dem Motto des Verlegers, Regisseurs, Produzenten und Dramaturgen Lars Peter Lueg ebenfalls in vollkommener Weise: „Gänsehaut für die Ohren“ hat man selten wirkungsvoller erlebt – mit Ausnahme der anderen LPL-Produktionen wie etwa [„Necroscope“ 779 oder „Necrophobia“.

Unterm Strich

|LPL records|, |Festa|-Verlag und |Lübbe Audio| produzieren ausgezeichnete Horror-Hörbücher, so auch das vorliegende. Passende Musik und ein jeweils hervorragender Sprecher gehen eine wirkungsvolle Verbindung ein, die das Grauen langsam vorbereitet, um schließlich im Finale vollen Schrecken zu entfalten. So muss solider Horror sein. Die sich steigernden drei Geschichten in „Draculas Gast“ liefern den schlagenden Beweis dafür.

Dennoch ist dies keine Kost für jedermann. Sie ist meines Erachtens erst für Jugendliche ab 15 Jahren geeignet. Das gilt besonders für „Die Squaw“. Katzenfreunde kommen hier keineswegs auf ihre Kosten, sondern seien besonders davor gewarnt, was ihren Lieblingen hier angetan wird.

132 Minuten auf 2 CDs.
ISBN-13: ‎978-3785714829

www.luebbe.de/luebbe-audio

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Bram Stoker / Oliver Rohrbeck – Dracula (Hörspiel)

Blutsaugergrusel: Ideal als Geschenk zu Halloween

Im Jahr 1891 befindet sich das britische Weltreich auf dem Höhepunkt seiner Blüte. Doch Graf Dracula, der Fürst der Dunkelheit, verlegt seinen Wohnsitz nach London, um seine unstillbare Gier nach Blut zu befriedigen. Wird er das Imperium mit seiner untoten Brut zu Fall bringen? Doch nein. In einer dramatischen Jagd verfolgen der junge Dr. Seward und sein Lehrmeister Prof. van Helsing gemeinsam mit dem Anwalt Jonathan Harker und dessen Frau Mina den „Jäger der Nacht“ bis nach Transsylvanien, um seinem unheiligen Leben ein Ende zu bereiten.

Der Autor
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Holt, Ian / Stoker, Dacre – Dracula – Die Wiederkehr

Eigentlich müsste sich Bram Stoker, wäre er noch am Leben, geehrt fühlen. Denn auch nach über 100 Jahren Rezeptionsgeschichte zeigt sein wohl berühmtester Schurke, der untote Vampir Dracula, keine Ermüdungserscheinungen. Immer noch arbeiten sich Schriftsteller und Filmemacher an dem Thema ab und beleuchten den bluttrinkenden Transsilvanier von jeder erdenklichen Seite. Und natürlich gibt es auch Dutzende Fortsetzungen der Geschichte, denn wie meinte schon Buffy so treffend, als sie Dracula ins Jenseits beförderte: „Glauben Sie, ich hab Ihre Filme nicht gesehen? Sie kommen immer zurück.“ Die Frage nach dem „was wäre, wenn“ treibt also weiterhin Autoren um.

Und nun gibt es mit „Dracula – Die Wiederkehr“ eine weitere Fortsetzung des Romanstoffes, diesmal aus der Feder des Urgroßneffen Stokers. Deswegen darf sich der Roman wohl auch „offizielle Fortsetzung“ nennen. Daran, dass Bram Stoker selbst das Buch abgesegnet hat, wird es schließlich nicht gelegen haben. Was bewegt also einen obskuren Urgroßneffen namens Dacre Stoker (hoffentlich ein Pseudonym), literarisch ein unbeschriebenes Blatt („Die Wiederkehr“ ist sein Romandebüt), sich an so ein großes Thema zu wagen? Die Gründe sind wohl eher prosaischer Natur – scheinbar hat es der gesamte Stoker-Clan auch nach über 100 Jahren nicht verwunden, dass sich die kreative Welt am Hirnschmalz ihres Vorfahren bereichert. In Nordamerika ist das Copyright für „Dracula“ bereits 1899 (also nur zwei Jahre nach der Erstveröffentlichung) erloschen und die Dollarnoten, die nicht in die Taschen der Stoker-Familie fließen, sind wohl ein kollektives Trauma. Dem will Stoker mit seinem „Dracula – Die Wiederkehr“ nun abhelfen. Es gibt hehrere Ziele, die man als Autor verfolgen kann und meistens produzieren diese dann auch die lesenswerteren Bücher.

Worum geht es also? Der Roman setzt 25 Jahre nach „Dracula“ ein und führt uns das gesamte Personal des Romans noch einmal vor Augen. Leider ist die Zeit an keinem der früheren Helden spurlos vorüber gegangen: Jack Seward ist ein morphiumsüchtiger Spinner, van Helsing ein alter Kauz mit Herzproblemen, die Ehe von Mina und Jonathan ist zerrütet und deren Sohn Quincey, der eigentlich an der Sorbonne Recht studieren soll, tut sich lieber als Schauspieler hervor. So trifft dieser auch auf den berühmten rumänischen Schauspieler Basarab, der in Paris ein Gastspiel gibt. Die beiden freunden sich an, doch sind Basarabs Beweggründe natürlich nicht nur uneigennützig.

Gleichzeitig schwebt eine neue Gefahr ein, nämlich die Blutgräfin Báthory. Diese stellt sich als Erzfeindin Draculas heraus (der natürlich nicht tot ist, logisch) und metzelt nur so aus Vergnügen in London ein paar Leute dahin, unter anderem einen Teil von Stokers Originalfiguren. Das bringt die Polizei in Form des Inspektors Cotford auf den Plan, der davon ausgeht, dass es sich um Ripper-Morde handelt. Jack the Ripper ist wieder da und es ist an Cotford, ihn zu stoppen – wie praktisch, dass einer der damaligen Hauptverdächtigen, nämlich kein geringerer als Abraham van Helsing, nun zufällig wieder in London weilt.

Und so nehmen die Dinge ihren Lauf. Dracula und die Báthory bekriegen sich. Dracula gesteht Mina seine ewige Liebe. Quincey Harker ist hitzköpfig und dumm. Viele, viele Charaktere sterben und wer am Schluss noch übrig bleibt, darf mit der Titanic in Richtung Neue Welt in See stechen.

Man kann Dacre Stoker nicht vorwerfen, dass er nichts über sein Thema wüsste. Offensichtlich hat er so ziemlich alles an Fachliteratur gelesen und auch jeden Vampirfilm gesehen. Doch hätte der Ratschlag, dass weniger manchmal mehr ist, bei einem Buch wie „Dracula – Die Wiederkehr“ vielleicht Wunder wirken und dem Plot Geradlinigkeit verschaffen können. Statt dessen liest sich der Roman wie ein vollkommen ratloses Sammelsurium an Vampir-Paraphernalia. Da gibt es Dracula, Vlad den Pfähler, die ungarische Blutgräfin Báthory (deren Anwesenheit prompt damit begründet wird, dass sie mit Dracula verwandt sei – irgendwie entfernt jedenfalls), Jack the Ripper, Bram Stoker höchstselbst und etliche Versatzstücke, die aus Filmen abgekupfert wurden. Das einzige, was hier noch fehlt, sind Werwölfe und vielleicht der Vampir von Hannover, Fritz Haarmann. Und für alle, denen das noch nicht bunt genug ist, hält Dacre Stoker auch noch einen Dr. Langella und die Polizisten Lee und Price parat. Wie würde Buffy sagen: Obvious much?

Um das alles irgendwie zusammenwurschteln zu können, muss Stoker ziemlich wirbeln. Er erklärt kurzerhand vieles aus dem Roman seines Vorfahren für nichtig oder schlicht falsch und ist auch sonst nicht zickig, wenn es darum geht, Bram Stoker zu diskreditieren. Gleich mehreren Charakteren räumt er das Recht ein, Stokers Roman in Verruf zu bringen. Basarab sagt zu Bram Stoker im Roman: „In Wahrheit haben Sie sich der üblen Nachrede schuldig gemacht.“ Und Van Helsing behauptet später: „Stattdessen hat Stoker eine Farce verfasst, die der Wahrheit Hohn spricht.“ Das ist ziemlich starker Tobak, vor allem aus der Feder eines Autors, der sich respektlos an den Figuren und Ideen seines Vorfahren bedient und mit ihnen sicherlich hofft, ein hübsches Sümmchen einzufahren.

Denn in „Dracula – Die Wiederkehr“ ist nichts, wie es mal war. Alle Figuren erscheinen wie durch den Fleischwolf gedreht. Mina und Dracula wird eine heiße Affäre angedichtet, die Dacre Stoker wohl aus Francis Ford Coppolas Verfilmung entwendet hat, die Stokers Text jedoch keineswegs stützt. Auch Dracula selbst ist zum Hänfling mutiert. Er sei gar nicht so böse gewesen, denn seine bisherigen Taten hätten nur dazu dienen sollen, Mina und ihre Lieben vor der Báthory zu beschützen. Draculas neu gefundene Moralvorstellungen kulminieren dann in dem abschließenden Satz: „Er war über fünfhundert Jahre alt, und er hatte noch immer nicht gelernt, sein wahres Erbe anzunehmen, ohne Schuldgefühle zu verspüren.“ Dracula, der noch bei Stoker das ultimativ Böse war, der Erzfeind, dem nur an Zerstörung gelegen war, wird hier nun endgültig zum Anne Riceschen Moralapostel. Ach nö.

Und so laviert sich Dacre Stoker mehr schlecht als recht durch seine eigene Romanhandlung. Sein als Protagonist konzipierter Quincey Harker ist ein kindischer Laffe und seine überböse Báthory ist eine männermordende Kampflesbe. Dacre Stoker verwendet unglaublich viel Zeit darauf, die Vergangenheit der Báthory zu beleuchten, um dem Leser in einer platten Gleichung von „wurde in ihrer Jugend von ihrem Mann misshandelt und hasst nun alle Männer“ die Beweggründe der Báthory zu erklären. Das bleibt jedoch im Oberflächlichen stecken, wohl weil es Dacre Stoker an der literarischen Finesse mangelt und er sich lieber auf den Showeffekt von spritzendem Blut verlässt. Ihn jedoch immer wieder dabei beobachten zu müssen wie er sich genüsslich in der vordergründigen Homosexualität der Báthory und ihrem schier endlosen Männerhass wälzt, wird für den Leser erst langweilig und dann abstoßend.

Wer Bram Stokers Roman mochte, der wird in Dacre Stokers Fortzsetzung kaum etwas finden, mit dem er sich identifizieren kann. Mit Brachialgewalt hat dieser die Vorlage uminterpretiert, um sie seinen Vorstellungen anzupassen. Diese Vorstellungen scheinen hauptsächlich vom Film geprägt, wobei das natürlich auch der Einfluss des Koautors Ian Holts sein kann, seines Zeichens Drehbuchautor. Und damit wird auch klar, warum sich der Roman über weite Strecken wie ein reichlich uninspirierter Slasher-Film liest. Auf Charaktertiefe wird wenig Wert gelegt. Statt dessen agieren die Figuren holzschnittartig in wechselnden Actionsettings. Da dürfen auch schon mal Kutschen explodieren und holde Jungfrauen à la „Hostel“ über einer Badewanne ausbluten. Das hat Dracula wirklich nicht verdient.

|Originaltitel: Dracula: The Un-Dead
Ins Deutsche übertragen von Hannes Riffel
592 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-8025-8220-2|
http://www.egmont-lyx.de

Stoker, Bram / Halver, Konrad – Dracula – Jagd der Vampire (Europa-Originale 48)

_Besetzung_

Sprecher – Hans Paetsch
Dracula – Charles Renier
Wirtin – Katharina Brauren
Jonathan Harker – Michael Poelchau
Postillon – Rudolf Fenner
1. Vampirbraut – Heike Kintzel
2. Vampirbraut – Hella v. d. Osten-Sacken
3. Vampirbraut – Ingeborg Kallweit
Professor van Helsing – Werner Hinz
Mina Murray – Reinhilt Schneider
Lucy Westenraa – Herma Koehn

_Story_

Jonathan Harker reist eines Tages auf Einladung des Grafen Dracula nach Transsilvanien und quartiert sich für einige Tage in dessen Schloss ein. Doch bereits die Begleitumstände seiner Reise nach Siebenbürgen geben ihm zu denken; allerlei seltsame Ereignisse säumen seinen Weg, und auch der Herr des Schlosses scheint ein seltsamer, wenn auch interessanter Eigenbrötler zu sein. Erst während seines Aufenthalts lernt er Dracula und dessen wahre Herkunft jedoch von der richtigen Seite kennen und entkommt so gerade noch mit dem Leben, bevor der Blutsauger und seine Vampirbräute sein Blut anzapfen können.

Zurück in England, findet Harker aber weiterhin keinen Frieden. Der Vampirfürst ist ihm gefolgt und macht sich an der unschuldigen Mina Murray zu schaffen. Als er schließlich auch noch Jonathans Verlobte Lucy in seine Gemächer entführt, bleibt Harker keine Wahl. Er muss erneut nach Transsilvanien reisen und sich ein weiteres Mal Dracula stellen.

_Persönlicher Eindruck_

Bram Stokers Legende hat im vergangenen Jahrhundert eine ganze Reihe prominenter Regisseure dazu veranlasst, eine cineastische Adaption der Story um den berüchtigten Vampir zu arrangieren. Auch im Hörspiel-Bereich ist die Welt des Grafen Dracula in der Vergangenheit häufig besucht worden, unter anderem 2007 im umfassenden [Paket 3489 in der Bearbeitung von Marc Gruppe, welches |Titania Medien| in ihrer „Gruselkabinett“-Reihe veröffentlicht haben, im Jahr zuvor in der Hörspielumsetzung von Oliver Rohrbeck und seiner |LauscherLounge|, und 2004 veröffentlichte |Der Hörverlag| eine Fassung von Sven Stricker.

Auch bei |Europa| wurde das Thema dereinst aufgegriffen und von Konrad Halver für ein weiteres Klassiker-Hörspiel verwendet. Unter dem Titel „Jagd der Vampire“ ließen allerhand bekannte Sprecher die Geschichte um den Blutsauger neu aufleben, vermochten es aber leider nicht, die Atmosphäre des Originals in irgendeiner Form heraufzubeschwören. Ganz im Gegenteil: Das völlig gleichgültig inszenierte Hörspiel ist ein mittelschweres Desaster …

Dennoch hat man sich im Hause |Europa| nicht davon abbringen lassen, das rund dreiviertelstündige Szenenspiel in die fünfte Staffel der „Europa-Originale“ zu packen. Doch auch in der Reproduktion des Stoffes steckt verständlicherweise nicht mehr Potenzial als im Erstwerk aus dem Jahre 1970. Das Problem des Hörspiels ist dabei ganz schnell auf den Punkt gebracht: Es fehlt an spürbaren Ambitionen. Leute wie Michael Poelchau als Jonathan Harker hat man selten so lustlos bei der Arbeit erlebt. Die Art und Weise, wie sie Emotionen wiedergeben, Tragik vermitteln und Schicksalsschläge reflektieren, ist geradezu lächerlich dröge, was der eigentlich erwarteten Dramaturgie natürlich alsbald zum Hindernis wird. Die Szenen im Schloss entbehren jeglicher Spannung, und auch wenn offenbar wird, dass Dracula es langfristig doch auf das Blut seines Gastes abgesehen hat, ist in den betreffenden Szenen von einer sich steigernden Dynamik nichts zu spüren. Mit der Flucht Jonathans hätte die Story womöglich ein halbwegs versöhnliches Ende finden können, jedoch ist dies natürlich aus historischen Gründen nicht möglich.

Trotzdem wirkt der zwischenzeitliche Cut der Story, also die Rückkehr nach England, in etwa wie ein kompletter Stimmungsabfall, der quasi eine neue, unabhängige Sekundärhandlung einleitet. Und genau hier wirkt die Hörspiel-Inszenierung dann auch nicht mehr glaubwürdig, weil sie nicht imstande ist, die Zusammenhänge adäquat aufzuarbeiten und transparent zu machen. Alles verharrt als Stückwerk und entwickelt sich in keiner Weise mehr zur Gruselerzählung, die man sich an dieser Stelle gewünscht hätte.

Möglicherweise muss man an dieser Stelle auch sagen, dass eine umfassende Handlung, wie sie dem Original nun mal zugrunde liegt, sicherlich auch einer etwas opulenteren Form untergeordnet werden muss, um sich entsprechend entfalten zu können. Dies ist aber im Rahmen des zeitlich ziemlich knapp bemessenen Hörspiels absolut nicht gewährleistet. Stattdessen werden nur die wesentlichsten Fragmente der Story einbezogen und aneinandergereiht, dies jedoch weder fließend noch mitreißend und erst recht nicht innerhalb eines dichten, atmosphärischen Rahmens. Würde Hans Paetsch seine Sprecherrolle nicht trotz allem so fabelhaft bewältigen, wäre ein Komplettverriss dieses richtig schwachen Hörspiels absolut berechtigt. Aber auch unter Berücksichtigung dieses kaum gewichtigen Qualitätsmerkmals ist diese Geschichte in der |Europa|-Umsetzung von Konrad Halver alles andere als ein Genuss, mitunter sogar der stimmungsmäßige Tiefpunkt aller fünf Staffeln.

http://www.natuerlichvoneuropa.de

Stoker, Bram – Draculas Gast

Bei |LPL records| kennt man sich mit gepflegtem Grusel ja aus. In schöner Regelmäßigkeit werden dort ansprechende Hörbücher mit hochkarätigen Sprechern produziert und der Slogan von LPL, „Gänsehaut für die Ohren“, ist keineswegs ein leeres Versprechen. Bei LPL hat man schon Lovecraft oder Lumley auf CD gebannt, den Zuhörer mit Gruselmärchen unterhalten und HR Giger für eine Zusammenarbeit gewonnen. Bei so viel Gruselpotenzial darf natürlich auch ein Altmeister des gotischen Grauens nicht fehlen: Bram Stoker, wohl am besten (und fast ausschließlich) für seinen [„Dracula“ 210 bekannt, hat eine durchaus stolze Anzahl Romane und Kurzgeschichten geschrieben. Es gibt also keinen Grund, dem Hörer noch eine Interpretation des „Dracula“ zu bieten (die gibt es schon zur Genüge), stattdessen hat man sich bei LPL für drei Kurzgeschichten entschieden.

In „Draculas Gast“, der titelgebenden Geschichte, treffen wir auf Jonathan Harker, der auf seiner Reise nach Transsilvanien gerade einen Stopp in München einlegt. Von der Abenteuerlust gepackt, begibt er sich auf eine Ausfahrt, um die Gegend zu erkunden – die Warnungen seines Kutschers nicht beachtend. Dieser nämlich stirbt fast vor Angst, ist doch grad Walpurgisnacht. Dem Engländer allerdings bedeutet der kontinentale Volksglauben im katholischen Bayern überhaupt nichts, und so treibt er seine Erkundungstour nötigenfalls auch ohne den schlotternden Kutscher voran. Allerdings nicht, bevor dieser ihm eine unheimliche Geschichte von einem verlassenen Dorf ganz in der Nähe erzählt hat, dessen Bewohner offensichtlich Vampiren zum Opfer fielen. Jonathan lacht dem Kutscher – und der Gefahr – ins Gesicht, schickt die Kutsche zurück zum Hotel und geht zu Fuß weiter. Bald trifft er auf einen Friedhof, auf ein seltsames Grab, auf einen starken Schneesturm und und einen viel zu zutraulichen Wolf … Selbst dem überhaupt nicht abergläubischen Jonathan wird es da mulmig.

„Draculas Gast“ ist eigentlich das verworfene erste Kapitel von Stokers großem Roman über den Grafen der Vampyre und damit merkt man der Geschichte den Expositionscharakter auch an. Eigentlich wirft die Geschichte nämlich mehr Fragen auf als sie klärt, besonders nach dem ominösen Schluss (der hier natürlich nicht verraten wird). Stoker nimmt sich viel Zeit, seinen Handlungsort zu schildern und den Leser auf die kommenden unheimlichen Ereignisse einzustimmen. Und auch hier, stärker noch als später im Roman, wird dem Protagonisten seine überhebliche Haltung gegenüber dem Glauben und den Gebräuchen seines Reiselandes zum Verhängnis – offensichtlich ein beliebtes Thema für Stoker, wie die beiden anderen Kurzgeschichten zeigen werden. Zu Hochform läuft Stoker auf, wenn er die aufgewühlte Natur während des Schneesturms beschreibt. Wald und Wetter werden zum personifizierten Gegner, zu einem Charakter innerhalb der Geschichte, der zu großen Teilen für das Unwohlsein seines Zuhörers verantwortlich ist. Harker dagegen ist nur ein Spielball größerer Mächten – sein aufgeklärter Rationalismus hilft ihm angesichts solcher Ereignisse nicht weiter.

In „Das Haus des Richters“ geht es traditioneller und geordneter zu. Der Student Malcolm Malcolmson zieht sich aufs Land, genauer ins Städtchen Benchurch, zurück, um dort ungestört für sein Mathematikexamen lernen zu können. Er mietet sich in einem leer stehenden Haus ein, das im Ort nur als „das Haus des Richters“ bekannt ist, was bei der Gastwirtin hysterische Anfälle auslöst, ohne dass sie erklären könnte, was es mit dem Haus genau auf sich hat. Doch Malcolm, genauso rational veranlagt wie Jonathan Harker, lässt sich von einem neurotischen Frauenzimmer nicht schrecken und macht es sich in dem Haus bequem. Zunächst kommt er mit dem Lernen auch gut zurecht und lässt sich selbst von den zahlreich vorhandenen Ratten nicht stören (er ist eben sehr stoisch). Zwar befindet sich unter den Ratten auch ein besonders großes Exemplar, das sich ganz selbstverständlich auf einem Sessel niederlässt, doch kann er das Tier vertreiben, indem er es mit Büchern bewirft (was für eine Taktik). Nun sollte ihm zu denken geben, dass seine Mathematikbücher keine Wirkung zeigten und die Ratte sich nur durch die geworfene Familienbibel vertreiben ließ – doch Malcolm ist wie gesagt Rationalist und fröhnt keinesfalls dem Aberglauben.

Natürlich wird ihm letztendlich genau diese Einstellung zum Verhängnis und das Haus des Richters macht seinem Namen alle Ehre. Und so hat der arme Malcolmson ganz umsonst für sein Examen gelernt, stellt sich doch letztendlich heraus, dass die riesige Ratte gar keine Ratte ist.

„Das Haus des Richters“ ist eine klassische Gruselgeschichte über ein Spukhaus, das dennoch (oder gerade deswegen) seine Wirkung nicht verfehlt. Zwar bleiben einige Fragen offen, doch überzeugt Stoker gerade in der Beschreibung der Abgeschiedenheit seines Handlungsortes. Und natürlich läuft sein Protagonist Malcolmson sehenden Auges in sein Unglück, sodass man nur begrenztes Mitleid für ihn entwickeln mag.

Die dritte Geschichte, „Die Sqaw“, ist gleichzeitig der makabre Höhepunkt des Hörbuchs. Ein Ehepaar in den Flitterwochen (doch ihre romantischen Neigungen halten sich in Grenzen) befinden sich auf Sightseeingtour in Nürnberg. Ihnen schließt sich der Amerikaner Hutcheson an, der das Ehepaar durch seine Anwesenheit fortan nicht nur vom Streiten abhält, sondern es auch mit Abenteuergeschichten unterhält. Die beiden fressen, aus irgendeinem unverständlichen Grund, sofort einen Narren am laustarken und überheblichen Hutcheson, der beweist, dass das Stereotyp des unverdient selbstbewussten Amerikaners nicht erst eine Erfindung des 20. Jahrhunderts ist. Und so stellt sich Hutcheson selbst zwar als liebenswürdig und empfindsam dar, beschreibt die Indianer seiner Heimat aber als brutale Barbaren und ist sich nicht zu schade, eine Geldbörse aus Menschenhaut bei sich zu tragen. Kurzum: Dem Leser stößt Hutcheson mehr und mehr auf. Und das geht auch einer Katze so, auf die das Trio auf der Nürnberger Burg stößt. Hutcheson erschlägt – ganz aus Versehen natürlich – deren Junges mit einem Stein und spätestens seit Poe wissen wir, dass mit Katzen nicht zu scherzen ist. Hutcheson wird sein Ende finden, und es wird besonders blutig und besonders unangenehm sein.

Wieder ereilt den Protagonisten, der unfähig ist, andere Kulturen zu verstehen und zu akzeptieren, ein tödliches Schicksal. Doch wo Harker und Malcolmson noch Sympathien beim Leser hervorrufen konnten, da sieht man sich in „Die Sqaw“ unversehens auf der Seite der Katze wieder, die geschickt Rache an Hutcheson nimmt und so den Tod ihres Nachwuchses rächt. Das Ende, das Hutcheson ereilt, wird von Stoker lange und genüsslich vorbereitet und der Leser weiß längst, welchen Ausgang die Geschichte nehmen wird, als Hutcheson sich noch lautstark amüsiert.

Es ist wirklich eine Bereicherung, mal etwas anderes von Stoker genießen zu können als immer nur „Dracula“, wenn natürlich, der Gerechtigkeit halber, hinzugefügt werden muss, dass „Dracula“ sein bestes und suggestivstes Werk bleiben wird. Doch Stokers gotische Kurzgeschichtenschrecken vermögen auch heute wohlige Schauer hervorzurufen, gerade wenn sie von einem so patenten Sprecher wie Lutz Riedel vorgetragen werden. Mit Freude arbeitet er jeweils auf den Höhepunkt der Geschichte hin, um diesen dann ausgiebigst auszukosten. Billige Effekte braucht es da nicht. Stimme und Wortgewalt reichen vollkommen aus. Abgerundet wird das Hörbuch wie immer durch die Musik von Andy Matern, dessen dräuende Melodien dem Hörer wohlige Schauer über den Rücken laufen lassen werden. Mal wieder ist |LPL| damit ein Treffer ins Schwarze gelungen!

Stoker, Bram – Dracula (Hörspiel)

Bram Stokers „Dracula“ als Hörspiel auf zwei CDs – eigentlich müsste das Liebhaber des viktorianischen Briefromans von 1897 ärgern, da es mit Sicherheit dazu führen wird, dass noch mehr Interessierte ihr Wissen über den untoten Grafen aus allem, nur nicht dem originären [Buch 210 beziehen werden. Doch auch wenn das Coverartwork der CDs der Verfilmung von Francis Ford Coppola entnommen ist, vermeidet das Hörspiel den Kardinalfehler des Films (nämlich die Liebesgeschichte zwischen Dracula und Mina) und hält sich erfreulich dicht an die Romanvorlage. Das wird schon in der Form deutlich, denn die Tagebucheintragungen und Briefe, die den Roman ausmachen, werden auch in der Hörspielbearbeitung von Sven Stricker übernommen.

Wir folgen also zunächst Jonathan Harker (gesprochen von Konstantin Graudus) nach Transilvanien, um dem exzentrischen Grafen Dracula (Felix von Manteuffel) ein Grundstück in London zu verkaufen. Gleichzeitig (ein Handlungsstrang, der für das Hörspiel vorverlegt wurde) lernen wir den Irrenarzt John Seward (Andreas Fröhlich) kennen, dem sein Patient Renfield Rätsel aufgibt. Harker wird es derweil auf Draculas Schloss immer mulmiger, bis der Graf sich auf die Reise nach London begibt und Harker in den Fängen von drei Vampirbräuten zurücklässt, die ihm sinnlich, aber trotzdem endgültig den Garaus machen sollen.

In London angekommen, verbeißt sich Dracula nun zunächst in die frisch verlobte Lucy (Anna Carlsson). Seward wird herangezogen, da Lucy immer blasser und schwächer wird. Doch da Seward keinen Rat weiß, benachrichtigt er seinen alten Mentor van Helsing (Gerd Baltus), der extra aus Amsterdam anreist, um sich das junge hübsche Ding anzuschauen. Gerade als der Kampf um Lucys Leben in die Endphase gerät, erhält ihre Freundin Mina (Céline Fontanges) Nachricht von ihrem Verlobten (Harker nämlich) und reist zu ihm nach Budapest, da er aus Draculas Schloss entkommen konnte und nun an einem starken Nervenfieber erkrankt ist. Als sie als frisch verheiratete Mina Harker wieder nach London kommt, ist Lucy bereits vollkommen vampirisiert und greift als „Blutige Lady“ kleine Kinder auf Spielplätzen an, um ihnen die Eckzähne in den Hals zu schlagen.

Den Männern um van Helsing bleibt nur die rituelle Pfählung, doch kaum ist das geschafft, macht sich Dracula an Mina ran. Auch sie wird gebissen, auch sie wird immer schwächer. Doch mittlerweile wissen die Jäger, mit was für einem Wesen sie es zu tun haben. Um die holde Mina zu retten, müssen sie nun Geld, Kombinationsgabe, Wissen und Glauben einsetzen, um den Grafen endgültig ins Jenseits zu schicken.

Die Hörspielfassung von Sven Stricker schafft es, die starken sexuellen Konnotationen des Romans von Bram Stoker fast vollständig zu eliminieren. Die heftig flirtende Lucy, die eigentlich am liebsten drei Männer heiraten würde, ist im Hörspiel überzeugend in Arthur Holmwood verliebt. Der Vampirismus, bei Stoker sowohl ein unbewusstes Symbol für weibliche Lust (außer Dracula selbst trifft es nur Frauen) als auch homoerotische Neigungen der männlichen Personage des Romans (Dracula beendet die Verführung Harkers durch die Vampirbräute mit einem kraftvollen „Dieser Mann gehört mir!“), ist im Hörspiel nur das: Vampirismus. Die Gewichtung liegt demnach auf der Darstellung der Grausamkeit des Vampirs und seiner Verfolgung und schließlichen Vernichtung. Dabei kann das Hörspiel einige Längen des Romans, vor allem gegen Ende, verhindern. Die ausführlichen Beschreibungen der Informationsgewinnung, die bei Stoker Seite um Seite füllen, werden hier effektiv zusammengekürzt, was dazu führt, dass die Handlung flotter voranschreitet. Allerdings führt es auch dazu, dass eine der wichtigsten Personen des Romans, Mina Harker nämlich, zur Damsel in Distress reduziert wird, wohingegen sie bei Stoker die männlich dominierte Romanwelt erfolgreich unterwandert, indem sie es ist, die die durchschlagenden Ideen liefert, die zum Sieg über den Vampir führen. Im Hörspiel ist dies nur noch durch ihr Dasein als Medium präsent, als sie durch ihre telepathische Verbindung mit Dracula die Verfolger auf die richtige Spur führen kann.

Unterschiede zwischen Roman und Hörspiel sind natürlich nicht zu vermeiden. Der auffallendste für den Romankenner ist wohl die Tatsache, dass Quincey Morris, amerikanischer Lebemann mit immensen finanziellen Mitteln, hier nicht vorkommt. Diese „Einsparung“ wird dem unbedarften Hörer jedoch nicht auffallen und es überrascht zu sehen, dass die Geschichte auch ohne Morris perfekt funktioniert. Der Hörer muss weniger Stimmen auseinanderhalten und die Handlung leidet darunter nicht.

Insgesamt ist Strickers Bearbeitung des Romanstoffes daher durchaus gelungen. Demjenigen, der sich nicht näher mit „Dracula“ beschäftigt hat, werden die beiden CDs einen solideren Einstieg vermitteln als jeder auf dem Markt befindliche Film, der behauptet, auf Stokers Roman zu fußen. Sowohl im Ton als auch in der Handlung bleibt das Hörspiel sehr dicht an der Vorlage und kann dabei noch mit gruseltauglichen Effekten überzeugen. Überblendungen, unheilschwangere Musik von Jan-Peter Pflug, heulende Wölfe und kreischende Vampirladies: Das alles macht das Hörspiel zu einem Ohrenschmaus. Und wem die Effekte gut gefallen, der kann sie sich über die Enhanced-Funktion der CD auch als „Realtone“ fürs Handy runterladen. In jedem Fall schicker als tanzende Nashörner!

Auch die Sprecher schaffen es ohne Ausnahme, ihren Charakteren Leben einzuhauchen. Besonders zu nennen sind hier Jörg Pleva, der Renfields zunehmenden Wahnsinn überzeugend darzustellen vermag, und Andreas Fröhlich, der als John Seward den Hörer über weite Strecken durch die Handlung führt. Auch Gerd Baltus, der seinen van Helsing als väterlich besorgten Freund anlegt, sollte hier Erwähnung getan werden.

„Dracula“ als Hörspiel lohnt sich, so einfach lässt sich das zusammenfassen. Die Bearbeitung ist rund und schafft es sogar, einige Längen des Romans auszubügeln. Wem die freudianische Interpretation des Romans egal ist (und das werden die meisten sein …), der wird an Sven Strickers Gewichtung der Themen nichts auszusetzen wissen. Er hat es geschafft, die besondere Stimmung, die den Roman ausmacht, in das Hörspiel zu transportieren und so bleibt die Faszination des Dracula-Stoffes auch in diesem Medium erhalten.

Stoker, Bram – Dracula

Seit dem ersten Erscheinen des Romans 1897 hat „Dracula“ mittlerweile über 100 Jahre Zeit gehabt, um sich einen festen Platz in der heutigen Popkultur zu sichern, was dazu führte, dass Dracula und Vampir synonyme Wörter geworden sind. Zwar gab es bereits vor Stokers Roman Vampirgeschichten und -romane, doch hat keiner je wieder solch umfassende und weitreichende Nachwirkungen gehabt: Unzählige Verfilmungen haben sich Draculas angenommen und ebenso ungezählte nachfolgende Erzählungen und Romane haben versucht, dem Dracula-Stoff neues Leben einzuhauchen. So hat beispielsweise Freda Warrington mit „Dracula kehrt zurück“ eine moderne Fortsetzung geschrieben, die die Reise der Freunde um das Ehepaar Harker nach Transilvanien beschreibt, die am Ende von Stokers Roman erwähnt wird.

Doch worum geht es nun in „Dracula“? Der junge Anwaltsgehilfe Jonathan Harker wird nach Transilvanien geschickt, um dort mit dem Grafen Dracula den Ankauf eines Grundstücks in London abzuschließen. Einmal in dem baufälligen und mit sehr viel gotischer Atmosphäre ausgestattenen Schloss Draculas angekommen, wird Harker mit der Zeit immer misstrauischer gegenüber dem geheimnisvollen und exzentrischen Grafen. Nie sieht er ihn essend, nie sieht er ihn tagsüber und eines Nachts entdeckt er gar, wie Dracula auf allen Vieren die Hauswand hinunterklettert. Bald bestätigen sich Harkers Ängste, denn Dracula reist nach London ab, während er Harker als Gefangenen in seinem Schloss zurücklässt – bewacht von dessen drei Vampirbräuten.

Währenddessen ist Harkers Verlobte Mina zu Besuch bei ihrer reichen Freundin Lucy in der Hafenstadt Whitby. Lucy beginnt, nachts ihre alte Gewohnheit des Schlafwandelns wieder aufzunehmen und Mina ist ständig beschäftigt, sie wieder „einzufangen“. Eines Nachts jedoch entwischt Lucy in diesem Zustand nach draußen und wird von Dracula angegriffen, der zuvor mit dem Schiff in Whitby eingefallen ist. Lucys sich daraufhin rapide verschlechternder gesundheitlicher Zustand ruft eine ganze Schar von Männern auf den Plan (angeführt von ihrem Verlobten Holmwood), die versuchen, die Ursache ihrer Schwäche herauszufinden. Doch auch der eilig herbeigerufene Holländer van Helsing kann Lucys Leben nicht mehr retten. Den Männern bleibt nur, Lucy postmortem zu pfählen und zu köpfen, um zu verhindern, dass sie als Vampir umgeht. Kaum hat die heldenhafte Männerschar Lucy den ewigen Frieden geschenkt, schnappt sich Dracula Mina. Um wenigstens ihr Leben zu retten, müssen die Männer den Grafen bis nach Transilvanien verfolgen, um ihn endgültig unschädlich machen zu können.

Der irische Autor Bram Stoker (eigentlich eher ein Theatermann, da er Agent des damals berühmtesten Shakespeare-Darstellers Henry Irving war) soll sehr pikiert darüber gewesen sein, dass sein „Dracula“ in der Erstausgabe in gelbem Einband erschien – der Farbe, die damals pornographische Literatur kennzeichnete. Tatsächlich lassen sich in „Dracula“ ohne große Mühe vielerlei kaum verhüllte sexuelle Anspielungen finden, denn die wirkliche Gefahr, die von dem Vampir ausgeht ist nicht etwa, dass er seinen Opfern den (Un)Tod bringt. Stattdessen verwandelt er die Frauen, die er anfällt (und als Nahrungsquelle wählt er nur Frauen) von sittsamen und angepassten Frauenzimmern in wolllüstige und laszive Femmes Fatales – eine Tatsache, die im viktorianischen Zeitalter natürlich nicht ungeahndet bleiben darf. Im Schlagabtausch mit van Helsing kämpft Dracula um die Vorherrschaft über die von ihm gebissenen Frauen – und muss in beiden Fällen als Verlierer hervorgehen, damit die westliche, englische Moral am Ende des Romans wieder hergestellt ist.

Nicht unerwähnt darf bleiben, dass „Dracula“ darum wirbt, als authentisches Dokument betrachtet zu werden. Der Roman setzt sich komplett aus Tagebucheintragungen der handelnden Personen, Briefen, Notizen und Zeitungsartikeln zusammen. Somit wird die Geschichte von multiplen Erzählern vorgetragen, der einzige, der vollkommen stumm bleibt, ist der Titelheld selbst. Dracula erscheint immer nur gefiltert durch die Sichtweise eines der Protagonisten. Dabei schildert ihn Harker im ersten, in Transilvanien spielenden, Teil des Romans am eindrucksvollsten. Dracula agiert hier vor unterschiedlichen gotischen Kulissen – düsteren Wäldern, dem monströsen Schloss, den heulenden Wölfen und immer wieder in Beziehung zum Mond. Stokers Landschaftsbeschreibungen setzen die Stimmung für das gesamte Buch und das, obwohl er Transilvanien nie gesehen hat. In den Jahren, die er an „Dracula“ gearbeitet hat, verfiel er von seinem ursprünglichen Schauplatz, der Steiermark, auf Transilvanien als Heimat des Vampirs, als er alte Dokumente über Vlad Dracula fand. Bis dahin sollte sein Roman einfach „The Un-Dead“ heißen, doch Dracula war schon als historische Persönlichkeit so eindrucksvoll, dass sie leicht als Titelheld herhalten konnte. Vergleicht man Stokers Beschreibung Draculas mit den Gemälden, die von Vlad Dracula bekannt sind, so wird man eine frappierende Ähnlichkeit ohne weiteres feststellen können.

Wirklich fürchten wird sich ein heutiger Leser bei der Lektüre wohl nicht mehr. Zu bekannt ist dafür die Mähr vom Vampir und wie man ihn besiegen kann, sodass man van Helsing und seinen Mannen unter Umständen zurufen möchte: „Seht doch hin! Ein Vampir!“ Trotzdem lohnt es sich auch heute noch, den Roman zur Hand zu nehmen, denn selten hat man einen so eindrücklichen Bösewicht wie hier gesehen – und das, obwohl Dracula selbst hauptsächlich durch Abwesenheit glänzt. Doch sein Schatten hängt unmissverständlich über der gesamten Erzählung, wie es der Titel ja auch verspricht. Wer also auch nur das geringste Interesse an Horror hat, der sollte „Dracula“ zur Hand nehmen. Ohne ihn ist die gesamte folgende Vampirliteratur nicht denkbar; ganz abgesehen von dem Genre des Vampirfilms, das sein ganz eigenes Dracula-Bild entwickelt hat (entweder Bela Lugosi mit Theatercape oder Christopher Lee mit blutroten Augen). Van Helsings wilde Jagd auf den untoten Grafen wirkt auch heute noch faszinierend und lohnt damit unbedingt die Lektüre!

|Siehe ergänzend dazu auch:|
Michael Matzers [Rezension 3489 anhand der Hörspielfassung von |Titania Medien|
Michaela Dittrichs [Rezension]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=622 der Hörspielfassung des |Hörverlags|