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Kim Newman – Das Quorum

Teufelspakt mit dem Medientycoon

1978. Mark Amphlett, Michael Dixon und Mickey Yeo sind jung und ehrgeizig. Und sie bekommen ein unwiderstehliches Angebot: Der Medientycoon Derek Leech bietet ihnen Ruhm, Glamour und Reichtum. Natürlich nicht umsonst. Denn alles hat seinen Preis, und Leechs Preis heißt Qual. Und es ist klar, wer ihn zahlen soll: Neil Martin, der keine Ahnung hat, welchen Handel seine Freunde hinter seinem Rücken abschließen. Doch diese wissen schon, was sie ihm bereiten werden – die Hölle auf Erden. (Verlagsinfo)

Der Autor
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Hodgson, William Hope / Newman, Kim / Busson, Paul / Lovecraft, H. P. / Somtow, S. P. / Lueg, Lars P – Necrophobia 2

Symphonie des Grauens: Scherzo und Finale furioso

Wieder mal hat Lars Peter Lueg als Regisseur, Produzent und Dramaturg ein Fest für Horrorfans vorbereitet. Sein Adlatus Andy Matern steuerte die Musik, den Schnitt und die Tontechnik bei. Zu den Autoren der neuen Storys gehören die bekanntesten Vertreter des Genres, darunter der unsterbliche Magier aus Providence, H. P. Lovecraft, dann aber auch einige Neutöner wie etwa S. P. Somtow, dessen Story „Summertime“ den Hörer einfach umhaut.

Erzählung #1: William Hope Hodgson: Die Stimme aus dem Nichts

Der Autor

William Hope Hodgson (1877-1918) war ein englischer Autor, der von 1891-99 bei der Handelsmarine arbeitete. Viele seiner Storiys stützen sich daher auf seine Seefahrer-Erlebnisse, beziehen das Unheimliche oder Übernatürliche ein, seine Romane „Das Haus an der Grenze“ (1908) und „Das Nachtland“ (1912) sind herausragende Beispiele für unheimliche Visionen in eine erschreckende Zukunft der Erde. „Die Stimme aus dem Nichts“ erschien zuerst 1907 unter dem Titel „The Voice in the Night“.

Der Sprecher

Der Synchronsprecher Helmut Krauss schenkt seine sonore und imposante Stimme u. a. Marlon Brando und Samuel L. Jackson. Krauss wurde am 11. Juni 1941 in Augsburg geboren. Nach seiner Schauspielausbildung machte er an diversen Theatern erste Bühnenschritte, studierte nebenher Pädagogik. 1963 übersiedelte er nach Berlin und arbeitete beim Rundfunk. Es folgten Engagements bei Fernsehen, Theater, Musical, Kabarett, Film und Synchron. Seit 1980 hört und sieht man Krauss als Nachbar Paschulke in Peter Lustigs ZDF-Kinderserie „Löwenzahn“.

Handlung

Ein Segler ist im Pazifik in eine Flaute geraten. Die Langeweile an Bord wird durch penetranten Nebel noch verstärkt. Während sein Freund Will schläft, hört der Ich-Erzähler eine Stimme aus der Nacht erschallen: „Schiff ahoi!“ Doch der Besitzer der Stimme, offenbar ein alter Mann, will sich nicht zeigen, schon gar nicht im Lampenlicht, sondern bittet lediglich für sich und seine kranke Frau um Proviant.

Der wird ihm selbstverständlich gewährt, und so kehrt er in der nächsten Nacht zurück, um seine Geschichte zu erzählen. Und um diese geht es im Grunde. John erlitt mit dem Passagiersegler „Albatros“, der von Newcastle nach San Francisco unterwegs war, Schiffbruch. Nach vielen Strapazen und Fährnissen strandeten er und seine Verlobte an einer seltsamen Insel unweit der südamerikanischen Küste.

Deren Boden ist von einem merkwürdigen, grauweißen Pilz bedeckt: Dieser Pilz kann sich bewegen und menschlichen Formen wie etwa Arme bilden. Nach vier Monaten der Bekämpfung zeigt sich der erste Übergriff des Pilzes auf menschliches Gewebe. John ertappt seine Frau dabei, wie sie von dem Pilz isst, als ob er ihr wirklich schmecken würde. Nicht lange, und ihm geht es genauso. Eine Umwandlung beginnt …

Mein Eindruck

Die Atmosphäre ist von Anfang an etwas unheimlich, doch als der Unbekannte aus der Nacht mit seiner Geschichte auftaucht, nimmt die Stimmung eine eindeutig bedrohliche Note an. Pilze, die wie Menschen aussehen und sie übernehmen? Klingt nicht sehr lustig, und die allerletzte Zeile – die „punch-line“ – verpasst dem Leser denn auch einen ordentlichen Tiefschlag, eben einen „punch“.

Der Sprecher

Helmut Krauss bringt mit seiner tiefen Stimme das Grauen dieser Begebenheit zur vollen Wirkung. Es fängt ganz langsam an, wird aber dann immer bedrohlicher, bis der Schrecken mit der letzten Zeile unvermittelt zuschlägt.

Erzählung #2: Kim Newman: Der Mann, der Clive Barker sammelte

Der Autor

Kim Newman, geboren 1959, ist ein britischer Schriftsteller, Kritiker und Radiosprecher, der früher mal im Kabarett auftrat. Zum einen verfügt Newman über ein umfassendes Wissen über phantastische (Horror etc.) Filme, zum anderen über einen bissigen Humor. Und selbstverständlich kennt er alle wichtigen Genre-Autoren in seinem Land, von Clive Barker über Neil Gaiman bis hin zu Paul McAuley. „The Man Who Collected Clive Barker“ erschien 1990.

Die Sprecherin

Bekannt wurde Marianne Groß als die deutsche Stimme von Anjelica Huston und Cher. Außerdem ist sie laut Verlag eine herausragende Synchronregisseurin und Dialogbuch-Autorin. 2004 wurde sie zweifach mit dem Deutschen Synchronpreis ausgezeichnet.

Handlung

Salley Rhodes, eine von den Serienhelden des Autors, ist eine Privatdetektivin, die sich gerne mit unheimlichen und okkulten Dingen befasst. Im Auftrag des „Australiers“ besucht sie den Buchsammler David Ringham in seinen Geschäftsräumen. Diese sind hypermodern eingerichtet, was Sally reichlich verblüfft: Dave sammelt nämlich die alten Schwarten und Hefte, die man als „Pulp“ bezeichnet, also wirklich unterste Schublade. Wie kann er sich diese moderne Einrichtung bloß leisten?

Dave ist Sammler mit Leib und Seele, er kennt alle seine Autoren und behandelt selbst Pulphefte wie Heiligtümer. Das Herzstück seiner Sammlung bildet Clive Barker. Er hat einfach alles von ihm. Aber nicht nur die normalen Ausgaben, die Hinz und Kunz im Laden kaufen können, sondern die wirklich wertvollen Sonder-Sonderausgaben, Sie wissen schon: mit Widmung, Spezialausstattung und so. Da wäre beispielsweise jene Ausgabe der „Bücher des Blutes“, die ganz in Menschenhaut gebunden ist und – nebst einer Widmung des Autors – mit dessen Blut gekennzeichnet ist. Doch es ist nicht die Haut irgendeines x-beliebigen Menschen, nein, meine Lady, sondern die mexikanischen Spender der Haut haben sich vor ihrem Ableben die Titelseite in ihren Rücken eintätowieren lassen – das nennt man Hingabe, was! Leider ist die Buchbinderin seitdem spurlos verschwunden …

Sally Rhodes interveniert und zückt ihren Ausweis als Detektivin: „Wissen Sie, wo Clive Barker ist?“ fragt sie streng. Dave lässt sich jedoch nicht beirren. „Schauen Sie mal, was ich hier als Krönung meiner Sammlung habe …“

Mein Eindruck

David Ringham, der Sammler, ist der lebende Beweis dafür, dass Passion, also Leidenschaft, in Obsession, in Besessenheit, umschlagen kann, ohne dass es der Betroffene überhaupt merkt. Das Fiese an der Story ist ja, dass der Leser / Hörer schon eine Weile vor dem Ende merkt, wie der Hase läuft, aber einfach nicht glauben kann, dass es wirklich so ist: Wo ist Clive Barker? Mit Daves stolzem Blick schauen wir genau darauf … Die Story ist ein schlagendes Beispiel dafür, dass auch das Makabre bestens funktioniert, wenn nämlich der wider besseres Wissen ungläubige Leser / Hörer gnadenlos über die Kante des Abgrunds gezerrt wird.

Die Sprecherin

Marianne Groß vermittelt in gleichem Maße die wachsende Begeisterung des Sammlers für das Herz-Stück (sic?) seiner Sammlung, die einhergeht mit einer wachsenden Ungläubigkeit seitens Sally Rhodes‘, die schließlich in Entsetzen umschlägt. Genau so muss die Story gelesen werden. Da hilft es nicht, zimperlich zu sein und ins Stocken zu geraten, sondern der Hörer müssen volle Kanne mit auf die Fahrt in den Abgrund des Grauens mitgenommen werden. Bravourös!

Erzählung #3: Paul Busson: Rettungslos

Der Autor

Es liegen mir keine Informationen zum Autor vor. Die Geschichte erschien zuerst im Jahr 1903.

Der Sprecher

Lutz Riedel ist die deutsche Stimme von Timothy Dalton (James Bond u.a.). Er zeigt auf diesem Hörbuch seine „herausragenden Sprecherqualitäten, die den Hörer mit schauriger Gänsehaut verzaubern“. Er war auch „Jan Tenner“ in der gleichnamigen Hörspielserie.

Handlung

Schon zwei Tage liegt der Scheintote bei vollem Bewusstsein in diesem Sarg, kann sich aber weder rühren noch verständlich machen, wenn seine Gattin um ihn weint oder der Priester die letzte Ölung vornimmt. Dann wird der Sarg ins kühle, dunkle, stille Grab hinabgelassen und Erde daraufgeworfen. Endlich gelingt es dem Bestatteten, zwei Finger seiner rechten Hand zu bewegen. Ein ganz klein wenig zu spät.

Mein Eindruck

Tja, was würde ich tun, wenn ich scheintot, aber bei vollem Bewusstsein im Sarg läge? Ich würde wahrscheinlich (vergeblich) versuchen, mich in den Hintern zu treten, dass ich so blöd war, mich überhaupt in diese Lage zu bringen. Als ob das irgendwie helfen würde! Die Story hat mich nicht beeindruckt, vielleicht auch deswegen, weil sie so kurz ist. Sie passt genau an den Schluss der ersten CD, weswegen sie wohl ausgewählt wurde: als Füllsel.

Der Sprecher

Dennoch legt der Sprecher Lutz Riedel all seine beträchtliche Ausdruckskraft in den Vortrag der Geschichte. Wider Willen ist der Hörer fasziniert von der absonderlichen Situation des Lebendigbegrabenseins des Ich-Erzählers und ein leises Grauen beschleicht ihn. Über die Schlusspointe kann man entweder zusammenzucken oder laut auflachen, je nach Mentalität des Hörers.

Erzählung #4: H. P. Lovecraft: Der Außenseiter

Der Autor

Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) wird allgemein als Vater der modernen Horrorliteratur angesehen. Obwohl er nur etwa 55 Erzählungen schrieb, hat sein zentraler Mythos um die Großen Alten, eine außerirdische Rasse bösartiger Götter, weltweit viele Nachahmer und Fans gefunden, und zwar nicht nur auf Lovecrafts testamentarisch verfügten Wunsch hin. „The Outsider“ wurde 1926 veröffentlicht.

Der Sprecher

David Nathan gilt als einer der besten Synchronsprecher hierzulande. Seine Erzählkunst erweckt den Horror zum Leben. Im Kino erlebt man ihn als Stimmbandvertretung von Johnny Depp und Christian Bale.

Handlung

Der Story ist ein Motto von John Keats, einem englischen Dichter der Romantik, vorangestellt. – Ein unbekannter Ich-Erzähler berichtet uns, dass er sein bisheriges Leben tief unter der Erde in den Gewölben eines uralten Schlosses, ohne Kontakt mit der Außenwelt, verbracht hat.

„Ich weiß nicht, wo ich geboren wurde, außer dass das Schloss unendlich alt und unendlich grauenvoll war, voller dunkler Gänge und mit hohen Decken, an denen das Auge nur Spinnweben und Schatten wahrnehmen konnte. Die Steine in den verfallenden Korridoren schienen immer schrecklich feucht, und überall war ein widerwärtiger Geruch wie von den übereinander gestapelten Leichen toter Generationen. Nie war es hell, so dass ich manchmal Kerzen anzündete und sie still betrachtete, um mich zu trösten; auch schien draußen niemals die Sonne, denn die schrecklichen Bäume wuchsen weit über den höchsten zugänglichen Turm hinaus. Es gab einen einzigen schwarzen Turm, der über die Bäume hinaus in den unbekannten äußeren Himmel ragte, aber dieser war teilweise eine Ruine, und man konnte ihn nicht ersteigen, es sei denn, man hätte das schier Unmögliche vollbracht, Stein für Stein die senkrechten Wände emporzuklimmen.“

Letztlich beschließt der Außenseiter doch, seine Behausung zu verlassen und den finsteren Turm zu ersteigen. Er gelangt auf den festen Erdboden und befindet sich auf einem verlassenen Friedhof. Nach einer nächtlichen Wanderung erreicht er ein anderes Schloss, das ihm irgendwie bekannt vorkommt. Aus den offenen, erleuchteten Fenstern dringt ihm der fröhliche Lärm eines Festes entgegen.

Die plötzliche Erscheinung des Fremden versetzt die Festgesellschaft in panischen Schrecken, und sie ergreift in wilder Hast die Flucht. In einem Rahmen erblickt der Fremde ein dunkles Ungeheuer, das wie ein Kadaver aussieht, und erschrickt. Er taumelt und berührt das Monster an seiner Klaue, denn er hat noch nie in seinem Leben einen Spiegel gesehen …

Mein Eindruck

Bei keinem Zuhörer wird diese grausige Story ihre Wirkung verfehlen. Allein schon der Moment der Erkenntnis für den Fremden ist einfach purer Horror. Anfang und Stil der Geschichte erinnern an Edgar Allan Poe, bei dem ebenfalls Figuren und Erzähler vorkommen, die aus einem „uralten und dekadenten Geschlechte“ stammen. Sehr wirkungsvoll ist natürlich der Kunstgriff, die Geschichte aus der Perspektive des Phantoms – anscheinend ein auferstandener Leichnam oder ein Ghoul – zu erzählen.

Das Erscheinen des unheimlichen Gastes auf dem Fest ruft Assoziationen zu Poes klassischer Erzählung „Die Maske des roten Todes“ hervor. Bekanntlich bewunderte HPL Poe als Meister des Unheimlichen ohne Ende und eiferte ihm anfangs fleißig nach. Diese Story stammt aus dem Jahr 1926, also vom Ende der ersten zehnjährigen Schaffenszeit HPLs (die zweite dauerte von 1927 bis zu seinem Tod 1937).

Die albtraumhafte Erzählung lässt sich psychoanalytisch interpretieren, und Prof. Dirk Mosig hat dies im Sinne C. G. Jungs erfolgreich unternommen („The Four Faces of the Outsider“, in „Nyctalops“, Vol. II, 1974, S. 3-10); unter anderem regt er eine autobiografische Deutung an.

Wie auch immer man die Story auffasst: Sie gehört zu den wirkungsvollsten und am häufigsten abgedruckten Geschichten des Meisters aus Providence.

Der Sprecher

Zum Glück liegt der Lesung nicht die alte Übersetzung von H. C. Artmann zugrunde, sondern die moderne von Andreas Diesel und Frank Festa. So kann es gelingen, dass die unzähligen Adjektive wie unheilvoll, grausig, finster, düster, modrig usw. usf. nicht völlig veraltet daherkommen, sondern halbwegs modern. (Zudem hat Artmann nicht immer hundertprozentig werkgetreu übersetzt.)

Wie auch immer, jedenfalls klingt David Nathan an keiner Stelle wie Johnny Depp. Statt dessen relativ heller und sanfter Synchronstimme hat Nathan eine recht dunkle, tiefe Stimmlage gewählt, die besser zur der albtraumartigen Geschichte passt. Aufgrund der Struktur der Story dauert es aber eine ganze Weile, bis das Grauen ordentlich zuschlägt.

Erzählung #5: S. P. Somtow: Summertime

Der Autor

S. P. Somtow ist das Pseudonym des 1952 geborenen Thai-Schriftstellers, Komponisten und Filmemachers Somtow Papinian Sucharitkul. Unter diesem Namen schrieb er zunächst in den 1980ern Science-Fiction, danach schwenkte er zu Fantasy um, die von der „Encyclopedia of Fantasy“ als „originell“ bezeichnet wird. 1984 veröffentlichte er seinen ersten Horrorroman: „Vampire Junction“, der angeblich die Splatterpunk-Bewegung vorweggenommen hat. (Fortgesetzt in „Valentine“, 1992, und „Vanitas“, 1995.) Die Story erschien unter dem Titel „Fish are Jumping, and the Cotton is High“ (vgl. George Gershwin) erstmals 1996. Andreas Diesel hat sie in Deutsche übertragen.

Der Sprecher

Torsten Michaelis ist der Synchronsprecher von Wesley Snipes. Durch sein Spektrum an verschiedenen Klangfarben wird er für die unterschiedlichsten Rollen eingesetzt. Er kann auf über 400 synchronisierte Filme zurückblicken.

Handlung

Der zwölfjährige Jody und sein Dad sind wie jeden Sommer unterwegs, um Fische zu fangen. Diese besondere Spezies der Fische jedoch ist weiblich und geht auf zwei Beinen, trägt meist einen Minirock und ein winziges Handtäschchen. Man kann diese Fischart ziemlich leicht erspähen, und so ist die Jagd meist erfolgreich. Jody und Dad sind Menschenfischer, zwei moderne Apostel. Im Kofferraum begleitet sie Großmutter. Ihre Gebeine liegen in einem Koffer, so dass sie es stets schön warm hat.

In dem Städtchen Sweetwater werfen Jody und Dad den Köder aus, denn die Fische sind manchmal misstrauisch und hüpfen nicht gleich an den Haken. Sobald sich der Fisch über den scheinbar verwundeten Jody beugt, braust Dad mit seinem Wagen heran und fängt die Frau mit einem Lasso ein. Sie wird verschnürt und geknebelt, in der Scheune eines verlassenen Bauernhofes findet dann das Gericht statt.

Dabei liest Jody zunächst passende Stellen aus der heiligen Schrift vor, um der Sünderin klarzumachen, worum es überhaupt geht. Durch verschiedene handgreifliche Maßnahmen bringt sein Dad dann die Sünderin dazu, Gott um Vergebung anzuflehen. Dann erlöst er sie von ihrem Dasein und führt ihren Körper seiner natürlichen Bestimmung zu. Und wieder einmal erzählt er seinem Sohn, warum sie das Menschenfischen jeden Sommer unternehmen müssten und wie alles damit anfing, dass Dad seine Mutter beim Sündigen ertappte.

Leider klappt ihre Jagdmethode immer weniger gut, je weiter Jody und Dad ihr Jagdrevier durchstreifen und je mehr Aufsehen ihr Treiben erregt. Und so stoßen sie eines Tages auf einen sehr hübschen Fisch, der leider selbst ein Köder ist …

Mein Eindruck

Dass das Grauen auch furchtbar viel Spaß machen kann, beweist diese herrlich makabre Geschichte, bei der einem glatt das Lachen im Halse stecken bleibt, wenn man nicht die richtige Art von schwarzem Humor mitbringt. Außerdem sollte man ordentlich abgebrüht sein, was die Darstellung sinnlicher Details anbelangt, und wissen, was wohl mit der „Milch der Gnade“ gemeint ist, wenn zwei Männer davon reden …

Natürlich ist „Summertime“ – der Titel verweist auf Gershwins Idylle vom amerikanischen Süden – eine waschechte Satire. Ihr Ziel ist die frömmelnde Bigotterie, mit der fundamentalistische Christen gegen die Vertreter der Sünder, hier als „Hure von Babel“ bezeichnet, zu Felde ziehen. Der Autor spielt lediglich durch, wie es wäre, wenn es nicht mehr bei Hetzreden bliebe, sondern sich einer dieser Männer nach einem einschneidenden Erlebnis (à la Ödipus mit seiner Mutter) dazu berufen fühlte, selbst zur Tat zu schreiten.

Besonders makaber: Nur wenn das Opfer um Vergebung seiner Sünden fleht, kann ihm Erlösung gewährt werden. Alles andere ist hingegen Mord. So hat es Dad seinem Sohn beigebracht. Bis zu jenem verhängnisvollen Tag, als Jody quasi vom Glauben abfällt. Aber erst, nachdem Dad selbst den seinen schon verloren hat. Man sollte nun hoffen, dass Jody später geheilt werden kann. Aber alles, was weiblich ist und nach Fisch riecht, so beharrt seine Erinnerung, muss eine verkappte „Hure von Babel“ sein. Dieses Detail liefert denn auch noch einmal eine Pointe, die den Leser umhaut.

Wäre eigentlich nur noch die Frage zu klären, wie es kommt, dass Jody Dads leiblicher Sohn ist, wenn Dad doch alle Frauen als des Teufels betrachtet hat. Ob wohl die Gebeine von Großmutter in ihrem „Koffer“ die Antwort kennen? Ein Grund, den „Summertime Blues“ zu kriegen.

Der Sprecher

Torsten Michaelis vermag es ausgezeichnet, die enervierend makabre Geschichte mit völliger Aufrichtigkeit vorzutragen. Denn es ist der gläubige Jody, der sie uns erzählt. Dessen naive Einstellung spiegelt sich in seiner hellen Kinderstimme wider.

Dagegen nimmt sich die Stimme seines Dads, der schon lange auf der Fischjagd ist, viel dunkler, schleppender, unheilvoller aus. Wenn einmal ein „Fisch“ angebissen hat, so klingt auch die reichlich aus dem Häuschen geratene Lady entsprechend hoch und kreischend. (Nicht so jedoch der weibliche Köder.) Will heißen, dass der Hörer jederzeit klar unterscheiden kann, wer gerade spricht.

Unterm Strich

Eine „Symphonie des Grauens“ könnte man mit Murnau diese Sammlung von Horrorstorys nennen. Sie fängt ganz leise, verhalten und vielfältig (Scherzo inklusive) an, um dann auf der zweiten CD mit zwei Glanzstücken zu prunken, die in einem höchst makabren und actionreichen Finale enden. Man kann dem Hörer nur einen robusten Magen wünschen!

Besonders die zweite CD macht deshalb richtig Laune, und man möchte gleich wieder von vorne anfangen, um sich die Schmuckstückchen noch einmal in allen Details zu Gemüte zu führen. Wer jetzt noch kein Freund von Horror gewesen ist, wird es spätestens mit dieser schönen, vielseitigen Kollektion werden.

146 Minuten auf 2 CDs
ISBN-13: 9783785714836

www.lpl-records.de

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Hodgson, William Hope / Newman, Kim / Busson, Paul / Lovecraft, H. P. / Somtow, S. P. / Lueg, Lars P – Necrophobia 2

Bereits zum zweiten Mal spielt Andy Materns Jingle zu „Necrophobia“ auf und lädt den geneigten Hörer ein, sich die „besten Horrorgeschichten der Welt“ zu Gehör zu führen. 2003 enthielt die erste Ausgabe von [„Necrophobia“ 1103 Geschichten von Lovecraft und Laymon und auch 2005 hat Mastermind Lars Peter Lueg wieder eine illustre Mischung auf zwei CDs gebannt. Fünf Geschichten darf der Hörer genießen, deren Bandbreite so groß ist, dass für jeden etwas dabei sein dürfte: eine gruselige Seemannsgeschichte, ein fanatischer Sammler, ein lebendig Begrabener, ein wandelndes Monster und ein religiöser Serienmörder haben in „Necrophobia“ ihren großen Auftritt.

Den Anfang macht William Hope Hodgons „Die Stimme der Nacht“ („The Voice in the Night“, 1914) mit einem durchaus interessanten Setting. Zwei Seeleute machen in einer finstren und nebligen Nacht eine außergewöhnliche Begegnung. Durch den Nebel hören die beiden ein „Schiff Ahoi“ auf sie zutreiben und machen kurz darauf in der Dunkelheit der Nacht ein Boot aus. Der Insasse weigert sich standhaft, nähert ans Licht zu kommen, bittet aber um etwas Proviant für die Dame, die er auf der Insel zurückließ. Die beiden Seemänner haben Mitleid, lassen ihm frische Früchte zukommen und im Gegenzug erzählt der mysteriöse Fremde seine Geschichte. So konnte er sich nämlich mit seiner Frau gerade so von einem sinkenden Schiff retten. Doch die Insel, auf die sie sich retten konnten, scheint von einem seltsamen und abstoßenden Pilz überwuchert zu sein, der vor nichts Halt macht. Die beiden harren zwar zwangsweise auf der Insel aus, doch sind sie dort gefangen und dem Pilz hoffnungslos ausgeliefert …

Hodgons Erzählung mäandert etwas dahin und bietet kaum unerwartete Überraschungen. Sie lebt vielmehr von dem beunruhigenden Gefühl, in völliger Freiheit eingesperrt zu sein und keine Hoffnung auf Rettung zu haben. Das junge Ehepaar kann nirgendwohin ausweichen, ihr Feind verfolgt sie überallhin. Und auch wenn sie es nicht wissen, als sie die Insel betreten, so sind sie doch bereits zum Tode verurteilt, als sie den Fuß auf den Strand setzen. Die Geschichte spielt mit der alten Frage, was sich alles da draußen in dieser Welt befindet; welche Schätze und Grauen noch nicht entdeckt sind. Und auch wenn wir heute meinen, uns die Welt untertan gemacht zu haben, so gibt es immer noch Flecken wie diese Insel, die böse Überraschungen bereithalten können.

Helmut Krauss bildet den Anfang als Sprecher auf dieser Höranthologie. Krauss (Synchronsprecher von Marlon Brando & Samuel L. Jackson) liest oft und viel für LPL und seine tiefe dräuende Stimme verfehlt nie ihre Wirkung. Hier überzeugt er vor allem als krächzender und lebensmüder Erzähler, dem man die Verzweilfung und Hoffnunslosigkeit anhört.

Weiter geht es mit dem totalen Gegenprogramm, Kim Newmans „Der Mann, der Clive Barker sammelte“ („The Man who collected Barker“, 1990), einer Erzählung, die zwischen böser Parodie und wohl temperiertem Schrecken hin und her pendelt. Die Ich-Erzählerin trifft auf einen Mann, dessen Lebensinhalt das Sammeln von Pulp-Autoren ist. Erstausgaben, signiert, mit persönlicher Widmung schmücken seine Privatbibliothek, die so eingerichtet ist, dass die Bücher möglichst nicht verblassen oder sonstwie Schaden nehmen. Der Sammler stellt sich schnell als fanatischer Spinner heraus (daher ja auch das Wort „fan“ von „fanatic“) und Kim Newman zielt und platziert genüsslich einen Seitenhieb nach dem anderen auf all die Berufsfans da draußen, diese Geeks, die so weit in ihrem Fandom aufgehen, dass sie darüberhinaus kein Leben haben. Newman schreibt damit das genaue Gegenprogramm zu Nick Hornbys Hymne an Fans und Sammler und Geeks moderner Popkultur, und dass er zunächst in seiner Beschreibung des Sammlers kaum überzeichnet, setzt der ganzen Sache die Krone auf. Doch als er die Ich-Erzählerin in den Schrein für Clive-Barker-Erstausgaben führt, wird es zusehends abstruser. Da gibt es Ausgaben in Menschenhaut gebunden, auf Papyrus gedruckt und mit Blut signiert. Eine Sonder-Sonderausgabe ist grauenhafter als die nächste und die Krönung seiner Sammlung ist die Ausgabe … doch das soll hier natürlich nicht verraten sein.

Newmans Erzählung ist eine wunderbar spritzige und dabei bitterböse Abrechnung mit fanatischen Fans aller Art. Die gesammelten Objekte sind ein Fetisch, ein Kunstwerk in sich und es wäre ein Sakrileg, würde der Sammler sie aus dem Regal nehmen und tatsächlich lesen. Ja, er habe sich Barkers [„Bücher des Blutes“ 538 mal aus der Bibliothek ausgeliehen und die Geschichten seien auch gut gewesen. Aber gehen wir lieber zu dieser Sonder-Sonderausgabe über … Das Objekt der Begierde kann vollkommen willkürlich gewählt sein, denn es scheint nicht, dass unser Sammler eine besondere Vorliebe für Pulp hat – offensichtlich liest er ja nicht mal. Doch wenn das Objekt erst einmal gewählt wurde, dann muss es besessen und beherrscht werden.

Marianne Groß (bekannt als Synchronstimme von Angelica Huston, Merryl Streep, Whoopie Goldberg) ist neu als Sprecherin bei LPL und nach ihrem Debüt auf „Necrophobia“ möchte man doch hoffen, dass sie den Hörbuchfans lange erhalten bleibt. Mit spitzer Zunge referiert sie die gesammelten Absurditäten der Barker-Sammlung und man hört ihr die Verachtung für derartiges Fanverhalten geradezu an. Ein wahres Fest!

Abgeschlossen wird CD1 mit einer kurzen Erzählung über ein altes Thema: „Rettungslos“ (1903) von Paul Busson beschreibt aus der Ich-Perspektive einen Mann, der lebendig begraben wurde. Neu ist an dieser Idee kaum etwas, doch schafft es Busson zumindest, das Grauen durch seinen Stil greifbar zu machen. Da dem Protagonisten nur noch sein Gehör zur Verfügung steht, schildert er hauptsächlich diese Eindrücke. Das Schließen des Sargdeckels, das Geräusch, als die Trauernden Erde auf den Sarg fallen gelassen wird – und erst dann, begraben unter ein Paar Metern Erde, kann er endlich zwei seiner Finger wieder bewegen. Doch natürlich zu spät.

Lutz Riedel, ebenfalls seit langem für LPL tätig, liest „Rettungslos“. Leider ist die Geschichte so schnell vorbei, dass man sich kaum eingehört hat. Doch Riedel (Stimme u. a. von Timothy Dalton; mit Marianne Groß liiert) schafft es, den eindringlichen Bewusstseinsstrom des Protagonisten ebenso eindringlich wiederzugeben. Ein beunruhigendes Finale für die erste CD der Anthologie.

Auf CD2 geht es mit dem Altmeister subtilen Horrors weiter, nämlich mit „Der Außenseiter“ („The Outsider“, 1926) von H.P. Lovecraft. Wer nicht ohnehin schon die Lovecraft-Hörbuchreihe von LPL im Regal stehen hat, der wird hier ordentlich angefüttert. Ein recht geheimnisvoller Ich-Erzähler – geheimnisvoll in dem Sinne, dass er sich nicht erinnern kann, wie wo und mit wem er eigentlich aufgewachsen ist -, versucht seiner Umgebung zu entrinnen. Er wohnt nämlich in einem unheimlichen Schloss, das so von Bäumen umstanden ist, dass er noch nie Sonne oder Mond gesehen hat. Also steigt er auf den höchsten Punkt des Schlosses, öffnet eine Falltür und … muss mit einer ziemlichen Überraschung fertig werden.

Der Erzählung merkt man schon nach den ersten Sätzen den Lovecraft’schen Stil an und nie verfehlt er seine Wirkung. Surreale Settings, lauernde Schatten, offene Fragen – all das verbindet Lovecraft mit einer Meisterschaft, die auch heute noch menschliche Urängste anspricht und zum Vorschein bringt. Man kann sich also eines unfreiwilligen Schauderns nicht erwehren, auch wenn man die Pointe der Geschichte schneller durchschaut als der Ich-Erzähler. Lovecrafts genialer Einfall, die Geschichte aus der Innenansicht des vermeintlichen Monsters zu erzählen, verwischt die sonst so klaren Grenzen einer Horrorgeschichte und trägt zum Gruselfaktor unbedingt bei.

David Nathan (Johnny Depp, „Spike“, Christian Bale,) als Sprecher ist ebenfalls seit einiger Zeit bei LPL dabei – zu Recht, versteht sind, denn seine Bandbreite weiß immer wieder zu überraschen. Mit viel Einfühlungsvermögen gibt er den Bericht des Außenseiters wieder und schafft Balance zwischen Mitgefühl und Abscheu.

Den Abschluss bildet die grausig-schwüle Slashergeschichte „Summertime“ („Fish are Jumping, and the Cotton is High“, 1996) von S. P. Somtow, die idyllisch genug beginnt: Vater und Sohn verbringen wie jedes Jahr den Sommer damit, durch das amerikanische Hinterland zu fahren und zu fischen. Doch schon bald stellt sich heraus, dass an der ganzen Sache nichts idyllisch ist. Zum einen führen die beiden das Skelett ihrer toten Oma in einem Koffer mit, stauben sie regelmäßig ab und behängen sie mit Wunderbäumen (gegen den Gestank natürlich). Zum anderen handelt es sich bei „fischen“ um einen Euphemismus dafür, Huren zu entführen, sie brutal zu foltern und dann zu töten. Alles im Namen des Herrn, versteht sich. Denn der Serienmörder ist ein religiöser Fanatiker.

Somtow liefert eine durchdachte Geschichte, die zwar große Mengen Blut produziert (und damit die hartgesottenen Fans begeistern dürfte), aber nicht vergisst, den beiden Hauptcharakteren ausreichend psychologischen Hintergrund mitzugeben, um die Geschichte zu tragen. Wenn Somtow also in die völlig zerstörte Psyche des Protagonisten eintaucht, dann ist das abwechselnd absurd, komisch, schockierend und eklig. „Summertime“ bildet einen wunderbaren modernen Gegensatz zu so polierten Erzählungen wie Lovecrafts „Der Außenseiter“ und trägt „Necrophobia“ sowohl thematisch als auch stilistisch ins 21. Jahrhundert.

Torsten Michaelis (als Synchronstimme von Wesley Snipes offensichtlich total unterfordert) liest hier aus der Perspektive des Sohnes des Serienmörders und fängt dessen gestörte Wahrnehmung der Realität grandios ein. Mit kindlicher Naivität findet er es ganz selbstverständlich, die tote Oma im Auto mitzuführen und die knackigen Hinterteile der toten Huren zu essen (um die Leichen zu entsorgen und weil das Fleisch dort am leckersten ist).

Über einen Anspruch wie „die besten Horrorgeschichten der Welt“ wird man immer streiten können. Doch ohne Frage überzeugt die Auswahl der Geschichten, sind sie doch in Thema und Stil jeweils sehr unterschiedlich und bieten somit für jeden Geschmack etwas. Abgerundet wird die Anthologie von hochkarätigen Sprechern, die die 146 Minuten Spielzeit zu einem unheimlichen Vergnügen machen!

http://www.lpl.de