Lovecraft, H. P. – Der Flüsterer im Dunkeln (Lesung)

_Dagmar Berghoff: ein Gewinn für die Hörbuchszene_

Schauderhafte Kadaver außerirdischer Kreaturen in den Bergen Neuenglands?! Was wollen die Aliens auf der Erde? Die umfassende Korrespondenz zwischen dem Erzähler Wilmarth und Mr. Akeley fesselt den Zuhörer. Man fühlt, wie der Wahnsinn leise hereinkriecht. Der unterschwellige suggestive Horror dieser Erzählung lässt einen stellenweise den Atem anhalten. Spannend ohne Entspannung – bis zum grausigen Höhepunkt. Aber „besser als jeder Horrorfilm“, wie die Verlagsinfo behauptet? Mal sehn.

|Der Autor|

Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) wird allgemein als Vater der modernen Horrorliteratur angesehen. Obwohl er nur etwa 55 Erzählungen schrieb, hat sein zentraler Mythos um die Großen Alten, eine außerirdische Rasse bösartiger Götter, weltweit viele Nachahmer und Fans gefunden, und zwar nicht nur auf Lovecrafts testamentarisch verfügten Wunsch hin.

Aber Lovecrafts Grauen reicht weit über die Vorstellung von Hölle hinaus: Das Universum selbst ist eine Hölle, die den Menschen, dessen Gott schon lange tot ist, zu verschlingen droht. Auch keine Liebe rettet ihn, denn Frauen kommen in Lovecrafts Geschichten praktisch nur in ihrer biologischen Funktion vor, nicht aber als liebespendende Wesen oder gar als Akteure. Daher ist der (männliche) Mensch völlig schutzlos dem Hass der Großen Alten ausgeliefert, die ihre Welt, die sie einst besaßen, wiederhaben wollen. Das versteht Lovecraft unter „kosmischem Grauen“. Die Welt ist kein gemütlicher Ort – und Einsteins Relativitätstheorie hat sie mit in diesen Zustand versetzt: Newtons Gott ist tot, die Evolution eine blinde Macht, und Erde und Sonne nur Staubkörnchen in einem schwarzen Ozean aus Unendlichkeit. Auf Einstein verweist HPL ausdrücklich in seinem Kurzroman „Der Flüsterer im Dunkeln“.

|Die Sprecher|

David Nathan, geboren 1971 in Berlin, gilt laut Verlag als einer der besten Synchronsprecher Deutschlands. Er leiht seine Stimme Darstellern wie Johnny Depp, Christian Bale und Leonardo DiCaprio. In „Der Flüsterer im Dunkeln“ erweckt er die Spannung und den Horror zum Leben.

Torsten Michaelis ist der Synchronsprecher von Wesley Snipes. Durch sein Spektrum an verschiedenen Klangfarben wird er für die unterschiedlichsten Rollen eingesetzt. Er kann auf über 400 synchronisierte Filme zurückblicken.

|Die Sprecherin|

Dagmar Berghoff erlangte große Bekanntheit als die erste „Tagesschau“-Sprecherin Deutschlands. Von 1995 bis zum 31.12.1999 war sie die Chef-Sprecherin der ARD-Nachrichtensendung. Die gelernte Schauspielerin wurde zweimal mit dem „Bambi“ und einmal mit der „Goldenen Kamera“ ausgezeichnet.

|Regie, Produktion & Dramaturgie| übernahm Lars Peter Lueg, seines Zeichens Verlagsleiter von |LPL records|.

|Schnitt, Musik und Tontechnik| lagen in den kompetenten Händen von Andy Matern.

_Handlung_

Man schreibt das Jahr 1927, als große Hochwasser die Flüsse des bergigen US-Bundesstaates Vermont anschwellen lassen. Dabei werden merkwürdige Kadaver angeschwemmt, die vage an Krebse mit Schwingen erinnern. Die Zeitungen sind voll von Spekulationen, doch der Ich-Erzähler Albert Wilmarth, seines Zeichens Uni-Dozent in Arkham, will sich diesen Spinnereien nicht anschließen. Dennoch zählt er gewissenhaft all die einheimischen Legenden sowohl der Kolonisten wie auch der Indianer auf. Demnach haben sich in den unzugänglichen Bergen Außerirdische niedergelassen, um nach Metall zu schürfen, das sie sonst nirgendwo bekommen.

Im April 1928 erhält Wilmarth den ersten Brief von Henry Wentworth Akeley, einem geachteten Privatgelehrten aus uralter angesehener Familie. Er bestätigt, dass diese Berichte und Legenden einen Funken Wahrheit enthielten. In einem zweiten Brief schickt er Dokumente wie etwa Fotos sowie einen schwarzen Stein mit einer unbekannten Inschrift mit. Der Höhepunkt ist jedoch ein Tondokument, das eines der Phänomene wiedergibt, die in jener Gegend am Dark Mountain wahrzunehmen waren: Eine menschliche Stimme und eine summende, nichtmenschliche Stimme preisen ein Wesen namens Shub-Niggurath, die „Schwarze Ziege aus den Wäldern mit den tausend Jungen“.

Wilmarth läuft ein kalter Schauder den Rücken hinunter und ein namenloses Grauen erfasst sein Herz. Soll er den Phänomenen auf den Grund gehen? Der immer ausgedehnter werdende Briefwechsel mit Akeley drängt ihn dazu, sich in größte Lebensgefahr zu begeben. In den Bergen um den Dark Mountain wartet man bereits auf sein Erscheinen, und es wird denn auch durch Akeleys seltsamen letzten Brief ausgelöst.

Akeley äußert sich darin voller Verständnis und keineswegs mehr grauenerfüllt gegenüber den Außerirdischen, verrät sogar einige ihrer Geheimnisse: Sie hätten eine Operationsbasis auf dem Planeten Yuggoth errichtet, der jenseits des Neptun seine Kreisbahn ziehe und von irdischen Astronomen erst in Kürze entdeckt werde (der Pluto). Akeley drängt Wilmarth, schnellstens zu kommen und dabei keinesfalls sämtliche Beweisstücke zu vergessen. Diese würden noch gebraucht. Wilmarth nimmt den Zug und wird am Zielbahnhof von einem schweigsamen jungen Mann abgeholt.

Um Akeleys Haus herrscht zwar eine Grabesstille – keine Spur von Vieh oder Wachhunden – doch der Mann selbst lebt noch, wenn er auch unter einem asthmatischen Fieber leidet und so stark vermummt ist, dass nur sein Gesicht aus dem Halbdunkel hervorschaut, in das das Zimmer getaucht ist.

Mit wachsender Verwunderung lauscht Wilmarth dem halb gesummten Monolog Akeleys, während eine seltsame Vibration sein Gehirn erfüllt. Dann schlägt die Verwunderung in wachsendes Grauen um.

_Bonusmaterial_

|- Muriel E. Eddy: Eine persönliche Erinnerung an Howard Phillips Lovecraft (veröffentlicht 1996) (ca. 27:00 Minuten).|

Es war im heißen August 1923, als die Chronistin Eddy mit ihrem Mann den „Gentleman alter Schule“ Howard Phillips Lovecraft persönlich kennen lernte. Eddy erinnert sich an dunkelbraune Augen und fast schwarzes Haar. Er hatte ein Paket Manuskripte dabei, denn er schrieb – kostenlos – für diverse Amateurmagazine. Die Eddys sind Lyriker, und HPL ist so freundlich, ihnen ein paar Tipps zu geben. Da Mr. Eddy zudem die Horrorstory „The Beloved Dead“ (Die geliebten Toten) schrieb, gerät man bald ins Fachsimpeln. Lovecraft schreibt seit seinem vierzehnten Lebensjahr, und er zeigt ihnen seine Story „The lurking fear“. Dabei erklärt seine Ästhetik: Es komme darauf an, die Vorstellungs- und Einbildungskraft des Lesers anzuregen, aber niemals banale Fakten aufzutischen.

Bei seinem nächsten Besuch brachte er die Geschichte [„Die Ratten im Gemäuer“ 589 mit und las sie selbst vor. Das wurde für Muriel Eddy zu einem unvergesslichen Erlebnis, denn Lovecraft steigerte sich in das Vorlesen hinein, als ob er selbst bei den erzählten Geschehnissen dabei gewesen sei. Da wurde Muriel klar, dass sie es mit einem Genie vom Kaliber eines Edgar Allan Poe zu tun hatte.

Vor seiner Eheschließung mit der Schriftstellerin Sonia Haft Greene, die im Frühjahr 1924 stattfand, unterrichtete er die Eddys kaum davon, und dass er von Providence nach New York City zog, kam auch etwas überraschend. Aus seinen Briefen wurden Postkarten, und seltsamerweise kamen diese von allen möglichen Orten. Lief es mit seiner Ehe etwa nicht so gut? (Sonia wurden von HPLs Tanten abgelehnt, die ein strenges Regiment führten.) Nach seiner Scheidung 1929 bringt er aus New York nur die wunderbare Erzählung „Das Grauen von Red Hook“ mit, die er seinen Freunden vorliest. Muriel Eddy hält sie für eine seiner besten Geschichten.

Lovecraft ist als Korrektor, Lektor und sogar als Ghostwriter für Prominente wie Harry Houdini, den Zauberkünstler, tätig. Er geht sehr sparsam mit Papier um, was es für Muriel Eddy, die seine Handschriftmanuskripte abtippte (er fasste weder Schreibmaschine noch Telefon an) schwierig machte, seine Anweisungen zu entziffern. Einmal verlor er sogar am Bahnhof ein getipptes Manuskript für Houdini, aber zum Glück hatte er noch das Original.

Im März 1937 erhielten die Eddys die Nachricht von seinem Tod und besuchten den Trauergottesdienst auf dem Swan Point Friedhof mit seinen anderen Freunden. Ein zweideutiger Wunsch zum Schluss: „Möge der Geist (!) von Howard Phillips Lovecraft, Gentleman, lange leben!“

|- „Soundtrack des Schreckens“ (14:40 Minuten) umfasst zehn Tracks, darunter „Der Cthulhu-Mythos“, „Der Flüsterer im Dunkeln“, „Die Sprechmaschine“, „Von einem anderen Stern“, „Am Gipfel des Dark Mountain“ und „Mr. Akeley’s Sessel“.|

Die meisten dieser Stücke sind nur ein bis zwei Minuten lang und eignen sich dadurch am besten als Intros, Extros und Pausenfüller. Manche sind komplexer, polyphon und mit Stimmen versehen, andere hingegen sehr einfach. Während der Erzählung selbst werden sie nicht als Pausenfüller eingesetzt, daher ist ihre Zusammenfassung auf der Bonus-CD willkommen.

_Mein Eindruck_

Der Übergang von der Horrorstory zur Science-Fiction-Erzählung ist – wie in „Die Farbe aus dem All“ – fließend. Wie schon oben erwähnt, handelt es sich bei den Monstren auf Akeleys Grundstück und in den Bergen ringsum tatsächlich um Außerirdische. Sie haben, so erfährt Wilmarth aus dem letzten merkwürdigen Brief Akeleys, eine Basis auf dem Planeten Pluto errichtet, den sie Yuggoth nennen.

Und sie haben eine Technik entwickelt, um das Gehirn vom restlichen Körper abzutrennen und auf Reisen schicken zu können. Tatsächlich begegnet Wilmarth in Akeleys Haus einem dieser mobilen Gehirne, das mittels dreier Schaltungen zu sprechen, zu sehen und zu riechen in der Lage ist. Akeley offeriert Wilmarth, sein Gehirn auf diese Weise zu mobilisieren und zu unbekannten, immens weit entfernten Welten mitzunehmen. Wilmarth fasst dies als Drohung auf: Will man ihn erst seines Körpers und dann seiner Menschlichkeit berauben? Eine ähnliche Anordnung habe ich auch bei Stanislaw Lem gelesen, allerdings als erkenntnistheoretisches Experiment.

Die Story ist so ungemein geschickt erzählt, dass die Pointe erst ganz am Schluss, im letzten Satz, gesetzt wird, so dass sie den Leser mit voller Wucht trifft. Allerdings ist die Erzählweise nicht kunstvoll genug, um den Leser daran zu hindern, schon frühzeitig die richtigen Schlüsse zu ziehen. Der Schluss kommt also für den gewieften Leser nicht allzu überraschend.

Es gibt auch einen kleinen Insiderwitz, den ich meinem Leser nicht vorenthalten möchte. Im letzten Drittel erwähnt Akeley einen „Hohepriester Klarkash-ton“. Damit ist kein anderer als Clark Ashton-Smith gemeint, einer der engsten Schriftstellerfreunde von H. P. Lovecraft. Die großen Jungs machten sich ein Späßchen daraus, einander in ihre jeweiligen Geschichten einzubauen, denn Kunst und Leben waren für sie eins.

|Bonusmaterial|

Während die Musik eine nette Zugabe darstellt, so liefert die „Erinnerung an H. P. Lovecraft“ wertvolle Informationen für denjenigen Leser, der noch nichts bis wenig über den Menschen Lovecraft weiß. Der Gentleman scheint zwar ein netter Zeitgenosse gewesen zu sein, aber warum, um Himmels willen, hat er solch schreckliche Geschichten geschrieben? Das erfahren wir leider nicht.

Aufgrund von Muriel Eddys Angaben können wir allenfalls spekulieren, dass Lovecraft meist ein sehr einsamer Mensch war, um dessen Gesundheit es nie zum Besten stand. Er litt unter der Kälte – einmal brach er sogar auf der Straße zusammen, doch Mr. Eddy rettete ihn. Dass HPL Katzen über alles liebte, erklärt deren häufiges Auftauchen in seinen Storys, so etwa in „Die Ratten im Gemäuer“ und natürlich in „Die Katzen von Ulthar“.

Weil der Cthulhu-Mythos, der ihn unsterblich gemacht hat, mit keinem Wort erwähnt wird, erhalten wir ein Bild von ihm, das ihn uns als sympathischen Anachronismus belächeln lässt: den romantischen Lovecraft, der mit dem Kurzroman „Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath“ den Höhepunkt seiner ersten Schaffensphase erreichte (auch davon kein Wort). Lovecraft lehnte die Technik der Moderne ab: keine Schreibmaschine, kein Telefon, kein Auto wollte er benutzen (höchstens im Notfall). Dass seine Außerirdischen solche Teufelsdinger benutzen – wie etwa die Sprechmaschine in „Flüsterer im Dunkeln“ – passt genau ins Bild: Es charakterisiert sie als böse und menschenfeindlich.

|Zur Übersetzung|

Der erste deutsche Übersetzer Lovecrafts war H. C. Artmann in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Doch sie ist heute obsolet. Ein Vergleich mit Andreas Diesels Übersetzung etwa von „Cthulhus Ruf“ zeigt, dass Artmanns Fassung unvollständig, altertümelnd (absichtlich?) und stellenweise sogar verfälschend ist. Für moderne Leser, die ohne Vorbereitung darauf stoßen, ist sie stellenweise wohl unverständlich.

Zum Glück liegen mit Festas und Diesels Fassungen mittlerweile praktisch alle Lovecraft-Erzählungen in lesbarer, moderner Diktion vor. So kann es gelingen, dass die unzähligen Adjektive wie unheilvoll, grausig, finster, düster, modrig usw. usf. nicht völlig veraltet daherkommen, sondern halbwegs modern. Nun stellt sich dem Leser zumindest kein Sprachproblem mehr entgegen. Der Inhalt ist natürlich etwas anderes.

|Die Sprecher|

David Nathan: Er spricht den Ich-Erzähler Albert Wilmarth. Wie so oft gelingt es Nathan auch diesmal, die Bedeutungshöhepunkte des Textes mit großem Gespür herauszuarbeiten. Wo also Action angesagt ist und Autorität, da spricht er flüssig und laut. Doch wo es um eine höchst zwielichtige Versammlung der Außerirdischen und ihrer Schergen geht, sinkt sein Vortrag fast zu einem Flüstern ab, so dass die Anspannung im Leser unwillkürlich steigt. Hier ist offensichtlich Verbotenes zu vernehmen, das nicht für Wilmarths, d. h. unsere Ohren bestimmt ist, und tatsächlich fallen die Namen diverser Großer Alter wie Nyarlathotep und Azathotep. (Warum diese Namen an sich bereits „blasphemisch“, also gotteslästerlich sein sollen, wird nicht ohne Weiteres klar. Dazu muss man wohl schon ein streng gläubiger Christenmensch sein. Jedenfalls klingt das Wort „blasphemisch“ schon ziemlich horrormäßig.)

Torsten Michaelis: Er spricht den titelgebenden Flüsterer, also Mr. Henry Akeley. Oder doch nicht? Das ist eben die Pointe der Story, und die darf nicht verraten werden. Jedenfalls jagte mir seine krächzende Sprechweise Schauder über den Rücken. Akeley hält einen ellenlangen Vortrag über die Geschenke der Außerirdischen, die sie nicht nur Akeley gemacht haben, sondern auch Wilmarth anbieten. Aber nach dem antiken Motto „Timeo Danaos et dona ferentes“ (Ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen) ist Wilmarth das Angebot nicht ganz geheuer, und wie ihm seine finale Entdeckung enthüllt, liegt er damit ganz richtig.

Dagmar Berghoff: Mit ihrer samtweichen, melodiösen und relativ tiefen Stimme eignet sich Berghoff als Sprecherin von Texten, die besonders mit menschlichen Schicksalen zu tun haben. Daher wirkt es auch keineswegs peinlich, wenn sich Muriel Eddy am Schluss zu ein wenig Pathos aufschwingt und der Besuch des Trauergottesdienstes zu einer Manifestation der Ehrerbietung gegenüber einem literarischen „Genie“, wie sie HPL nennt, wird. Ich könnte mir daher Berghoff nicht als Interpretin eines knallharten Sexualmord-Thrillers vorstellen (wahrscheinlich bekäme ich Mitleid mit dem Killer). Iris Böhm erledigt diesen Job bereits auf eindrucksvolle Weise.

Berghoff bemüht sich redlich, die zahlreichen englischsprachigen Bezeichnungen und Namen des Textes korrekt auszusprechen, und in 99,99 % aller Fälle gelingt ihr dies auch. Allerdings nicht im Falle von „The lurking fear“. Dieser Storytitel kommt zweimal vor, und beide Male spricht sie das Wort „lurking“ nicht korrekt aus. Das U spricht sie wie ein A aus statt wie ein offenes Ö. Auch langjährige Profis lernen eben nicht aus.

_Unterm Strich_

Die Erzählung ist einer der Höhepunkte im Zyklus um den „Cthulhu-Mythos“, auch wenn sie meiner Ansicht nach schwächer ist als etwa [„Schatten über Innsmouth“. 424 Das liegt zum Teil daran, dass Wilmarth nicht vorbelastet, sondern im Gegenteil geradezu ein Saubermann ist. So bleibt die Grenzlinie zwischen uns (Wilmarth & Co.) und Denen (Aliens & Handlanger) durchweg aufrechterhalten, wohingegen sie in „Schatten über Innsmouth“ komplett zusammenbricht, was doch einen beträchtlich größeren Horroreffekt auf den Leser ausübt.

Während „Innsmouth“ den Alien IN UNS aufspürt, zeigt uns Akeley den Alien da DRAUSSEN. Dort draußen, das ist Yuggoth alias Pluto, wo die Aliens ihren Stützpunkt errichtet haben, quasi einen Umsteigebahnhof für reisende Gehirne, aber auch Umschlagplatz für auf Erden abgebautes Eisenerz. Deshalb ist der Science-Fiction-Aspekt in dieser Erzählung viel gewichtiger als in den anderen Cthulhu-Storys. Wie bei den mobilen Hirnen (vgl. St. Lem) nimmt auch die Idee einer Alien-Operationsbasis viele spätere Space-Operas vorweg.

Wie kam HPL auf solche visionären Einfälle? Aus der „Erinnerung an HPL“ erfahren wir es nicht, aber diese Reminiszenz ist dennoch von einem gewissen Reiz. Neulinge im Lovecraft-Universum lernen den Autor solcher Horrorschocker wie „Die Ratten im Gemäuer“ als einen netten „Gentleman alter Schule“ kennen, der nur ein wenig verschroben auftritt, aber ansonsten ein sehr umgänglicher und zuvorkommender Zeitgenosse war, der, nach Muriel Eddys Worten, keinen Neid kannte, sondern allen Freunden auf selbstlose Weise half.

Die drei Sprecher erweisen sich als kompetente Ausführende in diesem ausgezeichnet und professionell produzierten Hörbuch. Berghoff, Nathan und Michaelis decken drei verschiedene Aspekte aller Texte ab (s. o.) und ergänzen sich somit in optimaler Weise. Berghoff als Sprecherin im Hörbuchbereich zu gewinnen, ist nicht nur ein Geniestreich, sondern eine echte Bereicherung der Szene.

|Originaltitel: The Whisperer in the Dark, 1931; Howard Phillips Lovecraft: A Reminiscence“, 1996, Necronomicon Press, USA
Aus dem US-Englischen übersetzt von Andreas Diesel und Frank Festa
243 Minuten auf 4 CDs|