Selinker, Mike / Ernest, James – Fiese Verliese

_Im Dungeon ist die Hölle los_

In Blutbadhausen irren einige völlig durchgeknallte, verrückte Zauberer herum und streiten sich darum, wessen Verlies nun das tödlichste ist. Um den eigenen Kerker auf die tatsächliche Mortalität zu prüfen, heuern die Zauberer einige mutige Abenteuer an und locken sie geradewegs in die verschiedenen Verliese. Doch erst wenn sie lebend aus den Gefängnissen ihrer Gegner entronnen sind, können sie den Beweis antreten, dass die feindlichen Verliese bei weitem nicht so finster sind, wie ihre Besitzer es behaupten. Und Ortschaften wie die Eishöhle oder das Ork-Lager lebend zu verlassen, ist mitunter gar nicht mal so einfach …

Mit „Fiese Verliese“ hat sich der |Pegasus|-Verlag ein weiteres Spiel des amerikanischen Spielautors Mike Selinker gesichert, der gemeinschaftlich mit James Ernest die Idee hinter diesem lustigen Brettspiel entwickelt hat. Für die Illustration des Spielmaterials war indes niemand Geringerer als John Kovalic zuständig, der bei Kultspielen wie [„Chez Geek“ 3261 schon den Pinsel schwang. Große Namen für ein erneut merkwürdig witziges und mal wieder ganz anderes Spielsystem – in der jüngeren Vergangenheit hat sich dieses Prinzip bei |Pegasus| bewährt. Warum also nicht auch bei „Fiese Verliese“? Und ja, im Nachhinein stellt sich diese Frage noch einmal. Warum eigentlich nicht hier?

_Spielidee_

In „Fiese Verliese“ übernimmt jeder Spieler die Rolle eines Zauberers und Verlieswächters. Allerdings ist den übrigen Spielern nicht bekannt, über welches Verlies man in einer Partie das Regiment hat, so dass man im Grunde genommen hoffen muss, dass die Konkurrenten möglicht oft das eigene Verlies aufsuchen, dort ihr Leben lassen und einem jedes Mal wieder einen der heiß begehrten Blutpunkte hinterlegen. Natürlich darf man sich die Freude darüber nicht anmerken lassen, schließlich soll ja keiner wissen, welches Verlies man besitzt. Wenn tatsächlich sieben fremde Abenteurer ihren Aufenthalt im eigenen Verlies mit dem Leben bezahlt haben oder aber im Kampf gegen einen eigenen Abenteurer gefallen sind und man gleichzeitig keinen Abenteurer im eigenen Verlies verloren hat (das gibt nämlich Minuspunkte), darf man das Geheimnis lüften, denn wer als Erster sieben Blutpunkte gesammelt hat, darf sich als glücklicher Sieger preisen.

_Spielmaterial_

• 1 Spielplan
• 5 Spielfiguren
• 1 Startspieler-Figur
• 75 Blutpunkte
• 5 Besitzkarten
• Jeweils 32 Verlieskarten in 5 Farben
• 64 Abenteurerkarten

Den Packungsinhalt des Spiels muss man unter zweierlei Aspekten betrachten, einmal die optische Aufarbeitung und dann noch die Qualität der einzelnen Spielmittel. Während sich „Fiese Verliese“ nämlich wieder als ein weiteres illustratorisches Meisterwerk etabliert, gilt es bei Figuren, Blutpunkten und Spielbrett doch einige Mängel hinzunehmen. Bei den Spielfiguren ist zum Beispiel ziemlich ärgerlich, dass ihr Pappkorpus nicht in den Plastikstandfuß passen möchte. Man könnte ihn zwar mit Gewalt hineinschieben, aber das kann ja nicht Sinn und Zweck der Sache sein. Also verzichtet man besser auf den Standfuß, um so die schönen Bilder der Zauberer nicht zu beschädigen. Die als Tropfen geformten Blutpunkte hingegen sind zwar eigentlich aus solidem Karton, knicken aber an ihrer Spitze recht schnell über. Bereits beim Auspacken des Materials waren hier kleine Schäden zu beklagen. Dann das Spielbrett: Dieses ist so unglücklich gefaltet, dass man große Schwierigkeiten hat, es später wieder glatt zu bekommen. Ein Spiel auf zwei Ebenen ist leider die Folge.

_Vorbereitungen_

Zu Beginn des Spiels werden die Verlieskarten auf ihre jeweiligen Felder abgelegt und noch einmal gründlich gemischt. Gleiches geschieht mit den Abenteurern. Anschließend zieht man die obersten fünf Abenteurerkarten und legt sie nach ihrem Wert sortiert auf die Stadtfelder. Die Karte mit dem geringsten Wert wird dabei auf das Feld mit dem niedrigsten Goldpreis gelegt, usw. Als Letztes erhält jeder Spieler eine Besitzkarte, auf der angezeigt ist, über welches Verlies er in dieser Partie verfügen wird. Diese Karte nimmt man verdeckt auf die Hand. Sollte man mit weniger als fünf Spielern spielen, gehen die verbleibenden Besitzkarten auf das ‚Notariat‘-Feld. Schließlich wird die Startspieler-Figur an den blutrünstigsten aller Beteiligten vergeben, der danach das Spiel eröffnet.

_Spielablauf_

Jede Spielrunde besteht aus insgesamt fünf Spielphasen, in denen die Zauberer neue Abenteurer anheuern, mit ihnen ein Team aus maximal drei Mitgliedern bilden, sie ins Abenteuer entsenden, mit ihnen ein Verlies erkunden und gegebenenfalls Gold und Gegenstände von dort einsammeln. Jede Spielphase wird dabei von allen Spielern gespielt und dann Schritt für Schritt eine neue Phase gestartet. Eine komplette Spielrunde ist wie folgt aufgebaut:

|1.) Neue Abenteurer anheuern|

Am Anfang dieser Phase werden fünf Abenteurer vom Nachziehstapel auf die einzelnen Stadtfelder verteilt, und zwar so, dass der Abenteurer mit dem niedrigsten Rangwert auf das Stadtfeld mit dem niedrigsten Preis gelegt wird, etc. Beginnend mit dem Startspieler zieht nun jeder eine dieser Karten und bezahlt den angegebenen Preis in Goldstücken. Im direkten Anschluss wird das leer gewordene Feld wieder mit einer neuen Abenteurerkarte aufgefüllt und eventuell auch die Reihenfolge verändert. Solange man noch nicht im Besitz eines kompletten Abenteurerteams mit drei Karten ist, muss man in dieser Phase einen Abenteurer anheuern. In der ersten Spielrunde hat man als Starthilfe ein einmaliges Kapital von 40 Goldmünzen, welches man auch nur in dieser Runde ausspielen darf. Im nächsten Zug wird nur noch mit eventuell erwirtschafteten Goldwerten bezahlt bzw. auf die kostenlose Karte auf dem billigsten Stadtfeld zurückgegriffen.

|2.) Abenteurer aussenden|

In dieser Phase schicken alle Spieler ihre Abenteurer in eines der Verliese, um es später zu erkunden. Dazu stellt nun jeder Spieler seine Spielfigur auf ein beliebiges Verlies, wobei er natürlich beachten muss, welches davon am günstigsten ist, das heißt, in welchem Verlies die Wahrscheinlichkeit am geringsten ist, dass die Abenteurergruppe sterben oder dezimiert wird.

|3.) Kampf|

Es besteht die Möglichkeit, dass zwei Abenteurergruppen in ein Verlies drängen; in diesem Fall wird in einer Schlacht entschieden, welche Abenteurergruppe nun dort verweilen darf. Pro Verlies ist immer nur eine Gruppe erlaubt. Die betroffenen Spieler legen nun in einer vorab bestimmten Reihenfolge ihre Abenteurerkarten verdeckt ab und decken sie anschließend eine nach der anderen auf. Karte für Karte wird nun eine Schlacht ausgetragen, die jeweils der Spieler mit dem höchsten Rang seines Abenteurers gewinnt. Die anderen Spieler verlieren ihre Karten dabei entweder an den gewinnenden Mitspieler (sofern die Farbe der Karte gleich ist, dann darf der Sieger der Schlacht ihn in seine Abenteurergruppe aufnehmen) oder sofort an den Friedhof. Die Unterlegenen müssen zudem einen Blutpunkt an den Sieger der Schlacht entrichten. Dieser Kampf wird nun für alle der maximal drei Abenteurer ausgespielt. Wer die meisten Siege errungen hat, darf auf dem Verliesfeld stehen bleiben. Bei einem Unentschieden gewinnt derjenige, der den Abenteurer mit dem höchsten Rang in die Schlacht geschickt hat.

|4.) Erkunden|

In der Erkundungsphase müssen die Abenteurer nun die Verliese auf ihre tatsächliche Bedrohung überprüfen. Hierzu ziehen sie die oberste Karte des Verliesstapels, in dem sich ihre Figur gerade befindet. Sollte dabei ein Buchstabe gezogen werden, wird er mit den Buchstabenwerten auf den Karten der Abenteurer verglichen. Sobald Übereinstimmungen auftreten, muss der Spieler seinen Abenteurer dem Verlies opfern, ihn anschließend auf den Friedhof legen und zu guter Letzt auch noch einen Blutpunkt auf dieses Verlies legen. Zieht er indes einen Gegenstand, darf er diesen vorerst auf die Hand nehmen und muss nun weitere Karten ziehen, bis er auf einen Buchstaben stößt. Wenn er nun den Aufenthalt im Verlies mit mindestens einem Abenteurer überlebt, darf er die Gegenstände und auch die Buchstabenkarte behalten. Damit sind entweder spezielle Fähigkeiten oder einfach nur ein bestimmter Goldwert verbunden.

Ein Spieler bleibt so lange im Verlies, bis er eine der bedrohlichen Buchstabenkarten überlebt hat. Danach kann er entscheiden, ob er weitere Karten aufdeckt und so auch mögliches neues Gold oder sogar einen der raren Gegenstände einsammelt und dabei auch das Leben seiner Abenteurer riskiert, oder ob er lieber auf Nummer Sicher geht und aus dem Verlies lebend flieht. Nur wer lebend aus dem Verlies flieht, behält auch die dort eingesammelten Gegenstände und Goldstücke. Der nächste Spieler ist auch erst dann am Zuge, wenn entweder eine Abenteurergruppe den Aufenthalt im Verlies nicht überlebt oder ebenjene erfolgreich das Verlies verlassen hat.

|5.) Einsammeln|

Falls man mit mindestens einem überlebenden Abenteurer wieder aus dem Verlies flüchten kann, erhält man in der „Einsammeln“-Phase nun die Früchte der Mühe, sprich alle Karten, die im Verlies ausgespielt wurden. Später kann man sie dann als Gold oder Gegenstand wieder einsetzen. Als Letztes übergibt man nun die Startspieler-Figur an den Mitspieler zur Linken. Die nächste Runde beginnt.

_Spielende_

Sobald ein Spieler nun sieben Blutpunkte seiner Gegner im eigenen Verlies ausliegen hat, meldet er sich lautstark zu Wort. Wem dies nämlich als Erstem gelingt, der hat „Fiese Verliese“ gewonnen.

_Meine Meinung_

Ich bin mir nicht sicher, was ich nun von diesem Spiel halten soll. Die Idee an sich ist ganz nett, die Illustrationen von Meister Kovalic tragen ebenfalls dazu bei, dass man mit guter Laune in die Partie geht, doch irgendwie will der Aufbau nicht so recht überzeugen. Richtig spannend ist „Fiese Verliese“ nämlich erst, wenn man tatsächlich mit vier oder fünf Spielern antritt, weil der Mechanismus des Spiels mit weniger Beteiligten nicht so recht in die Gänge kommt. Bei zwei Spielern zum Beispiel ist gar nicht mal gewährleistet, dass überhaupt jemand sieben Blutpunkte seines Gegners erhält. Selbst die Option, über das Notariat sein Verlies zu wechseln, ist in diesem Falle keine wirklich überzeugende Idee, weil man somit sofort herausbekommt, über welches Verlies der Gegner verfügt, und dem steckt man dann sicherlich nicht freizügig sein Blut in den Rachen.

Davon abgesehen hängt bei „Fiese Verliese“ auch vieles vom Glück ab. Man wird zwar ständig versuchen, seine Blutpunkte gleichmäßig zu verteilen und damit keinen einzelnen Spieler zu begünstigen, doch realistisch betrachtet führt der einzige Weg zum Sieg über den Kampf, und wenn man nur ein bisschen Pech bei der Auswahl der Abenteurerkarten hat und somit leichter einem Konkurrenten unterliegt, hat man schon alle Chancen vertan, um den Sieg mitzuspielen. Und wenn man es von dieser Warte betrachtet, hat man selber eigentlich nur geringen Einfluss darauf, welchen Verlauf die Partie nimmt.

Für nette Unterhaltung zwischendurch ist „Fiese Verliese“ allerdings schon geeignet. Das Spiel ist leicht zu verstehen und eine Partie im Grunde genommen auch recht schnell bewältigt. Und irgendwie ist ja auch das optische Drumherum ganz witzig und sicher die große Stärke des Spiels. Doch der Aufbau ist in manchen Punkten nicht ganz ausgeprägt, das Material zudem von Mängeln gezeichnet, so dass der optimale Spielspaß, den die vielen geistreich dargestellten Figuren schon beim Öffnen der Schachtel suggerieren, sich nur bedingt einstellen will. Deshalb kann ich mir zwar immer noch vorstellen, das Spiel hin und wieder noch mal auf den Tisch zu bringen, doch alleine schon wegen manch ähnlicher, spieltechnisch jedoch überzeugenderer Alternative wird dies im direkten Vergleich eher selten der Fall sein. Große Namen und ein merkwürdiges, witziges Spielsystem? Tja, bei „Fiese Verliese“ ist diese Rechnung leider nur bedingt aufgegangen.

http://www.pegasus.de

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