Clemens, James – Hinterland (Die Chroniken von Myrillia 2)

Nach den Ereignissen in [„Schattenritter“ 1794 ist Tylar zwar rehabilitiert, das heißt aber nicht, dass er deshalb keinen Ärger mehr hätte! Als Rogger von seinem letzten „Spionagegang“ zurückkehrt, hat er einen Schädelknochen dabei, der offenbar an mehreren Stellen Begehrlichkeiten weckt. Um das Ding untersuchen zu lassen, schickt Tylar Rogger damit nach Tashijan. Er selbst folgt auf seinem Luftschiff, gerät aber in einen Schneesturm, dem er nur knapp entkommt. Schon bald zeigt sich, dass dieser Schneesturm kein natürliches Phänomen ist. Er belagert die Festung! Und als wäre das noch nicht genug, stellt sich heraus, dass die ehemalige Kastellanin Mirra kurz davor steht, ihre finsteren Kreaturen aus der Tiefe der Festung zum Angriff zu führen …

Was die Charaktere angeht, hat sich in „Hinterland“ nicht viel Neues getan. Die Hauptprotagonisten sind lauter alte Bekannte: Rogger, Tylar, Kathryn, Garrod, Argent, Delia …

Neu dazu kommen lediglich Brant, Malhumalbaen und Liannora. Liannora und Malhumalbaen bleiben eher Randerscheinungen. Letzterer ist ein Erdriese, der sich vor allem durch seine Treue zu Brant auszeichnet. Erstere ist ein richtiges Biest, und es ist fast schade, dass sie nur eine Nebenrolle spielt, denn sie besitzt genug Potenzial, um eine Größe unter den Bösewichten zu werden. Aber was nicht ist, kann in diesem Fall ja noch werden. Das Hauptaugenmerk liegt in diesem Band jedoch hauptsächlich auf Brant. Der dunkelhäutige Junge aus dem Dschungel von Saysh Mal ist ein Jäger, erzogen nach einem Ehrenkodex, der auf Fairness und Respekt basiert. Er ist geschickt, zäh und intelligent, aber auch traurig. Denn seine Göttin hat ihn verbannt, und er weiß nicht mal, warum. Alles, was er weiß, ist, dass das irgendwie mit der brennenden Gestalt zu tun haben muss, die ihm einst mit ihrem letzten Atemzug einen schwarzen Stein vor die Füße warf. Ein Stein, der massiv auf den geheimnisvollen Schädel reagiert, den Rogger gefunden hat …

Die Götter, die diesmal auftauchen, sind allerdings andere: Brants Göttin, die Jägerin, ist offenbar während seiner Abwesenheit dem Wahnsinn verfallen, und ein Teil ihres Volkes konnte nur überleben, weil die Göttin Takaminara ihn beschützte. Gott Ulf aus dem Eisland ist derweil damit beschäftigt, Tashijan einzufrieren und bis auf die Grundmauern niederzureißen. Er will das Böse in der Tiefe der Festung ausmerzen. Und er will den Gottesmörder!

Was Mirra eigentlich genau will, erfährt man nicht. Mirra tauchte schon im ersten Band nicht allzu häufig auf, weil sie irgendwann einfach verschwand. Als sie im zweiten Band wieder auftaucht, ist sie eine Hexe. Da der Handlungsstrang, der sich mit der Hexe beschäftigt, aus Sicht von Kathryns Verbündeten erzählt wird und Mirra selbst kein Wort über ihre Absichten und Motive verliert, bleibt diese Frau vorerst ein ungelöstes Rätsel. Und sie ist nicht das einzige: Was ist zum Beispiel mit Wyrherr Bennifren, dessen Leute außerhalb aller Interessen stehen und doch überall ihre Finger mit drin haben?

Letztlich hat der Leser jedoch nicht allzu viel Zeit, um sich mit diesen Fragen herumzuschlagen. Dafür passiert einfach zu viel. Tashijan ist zwischen zwei Bedrohungen geraten wie ein Eisen zwischen Hammer und Amboß. Unter dem extremen Druck raufen sich die zerstrittenen Parteien unter Kathryn und Argent tatsächlich wieder zusammen, um die Festung und die Menschen darin zu retten. Ganz allmählich verschiebt sich der Blickwinkel. Argent, ehrgeizig und bis zu einem gewissen Grad auch skrupellos, scheint doch nicht der eigentliche Feind zu sein. Wenn die Gefährten jetzt vom Verschwörerzirkel sprechen, meinen sie nicht mehr die Partei des flammenden Kreuzes. Wen sie stattdessen meinen, wissen sie allerdings selbst noch nicht. Vorerst sind sie damit beschäftigt, die unmittelbaren Bedrohungen abzuwenden, und damit sind sie wahrhaftig beschäftigt genug!

Clemens hetzt seine Protagonisten wieder mal von einem Kampf in den nächsten. Oder auch vom Regen in die Traufe, wie man es nimmt. Das Erzähltempo nimmt zum Ende hin dramatisch zu und lässt den Leser kaum noch zu Atem kommen. Und als endlich alles ausgestanden ist, kommt der Epilog, um die Erleichterung des Lesers sogleich wieder verpuffen zu lassen. Eine von Clemens‘ Spezialitäten … Auch fließen in diesem Band wieder Ströme von Blut, allerdings nicht mehr so harmlos wie im ersten Teil. Die Geschehnisse in Saysh Mal sind ziemlich starker Tobak! Außerdem ist Mirras Lieblingswaffe ein extrem unangenehmes Gift, und die Machenschaften der Wyr waren bereits im letzten Band ziemlich abstoßend.

Mit anderen Worten: Clemens ist sich in jeder Hinsicht treu geblieben. Der Plot ist ein gutes Stück verzwickter als in |Banned and the Bannished|, der wahre Feind geschickt versteckt hinter einer Wand von Bedrohungen, die zwar aus verschiedenen Richtungen kommen, aber immer mehr auf eine gemeinsame Wurzel hindeuten. Damit hat der Autor auch seiner Handlung einen Gefallen getan, es gibt viel mehr Möglichkeiten für unerwartete Wendungen. Die Geschichte ist gewohnt rasant und fesselnd erzählt. Wer Wert auf Action und Spannung legt, ist hier richtig, und auch Freunden von Rätseln und Geheimnissen wird diesmal einiges geboten. Wer allerdings einen schwachen Magen hat, sollte die Finger von dem Buch lassen!

James Clemens ist gebürtiger Amerikaner, wuchs aber in Kanada auf. Er studierte Veterinärmedizin und eröffnete schließlich eine Praxis in Californien. Von 1998 bis 2003 erschien der Fünfteiler |Banned and the Banished|. Danach gönnte sich der Autor eine Pause, ehe er mit seinen |Chroniken von Myrillia| begann. Leider war auf der neu aufgebauten Homepage des Autors kein Hinweis auf den dritten Band zu finden. Aber allen Ungeduldigen sei gesagt, dass die deutsche Ausgabe von „Hinterland“ vor der englischen erschienen ist.

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