Henrike Heiland – Zum Töten nah (Verdeckte Ermittlungen 2)

Band 1: „Späte Rache

Das Ermittlerduo aus Rostock, bestehend aus Hauptkommissar Erik Kemper und der Kriminalpsychologin Anne Wahlberg, scheint sich bewährt zu haben, denn mit „Zum Töten nah“ haben die beiden ihren zweiten Fall zu lösen.

Dieses Mal geht es um die Leiche eines farbigen Nachwuchsspielers des |Hansa Rostock|, die verbrannt im Hafen entdeckt wird. Zur gleichen Zeit will ein Zeuge den BMW des Kripobeamten Kai Hauser dort gesehen haben, und Kai, der an diesem Abend sehr betrunken war, kann sich nicht erinnern und hat kein hieb- und stichfestes Alibi. Zudem findet sich in der Nähe der Leiche das Handy eines stadtbekannten Kleindealers, der zuletzt von Kai Hauser angerufen wurde.

Alle Indizien zeigen auf Hauser, doch Anne Wahlberg, zu deren besonderen Fähigkeiten es gehört, immer sicher zu wissen, ob jemand die Wahrheit sagt, ist von seiner Unschuld überzeugt. Auch die Kollegen wollen nicht glauben, dass Hauser ein Mörder ist. Doch die Ermittlungen nehmen keine gute Wendung, denn plötzlich steht ein junges Mädchen im Mittelpunkt: Lilith, die Tochter des Kriminaloberrats Roland Behrens, dem Vorgesetzten von Kemper.

Als ein junger, aufstrebender Schauspieler ermordet wird, stellt sich heraus, dass Lilith sich vorher mit ihm getroffen hat …

Mein Eindruck

Man sagt, dass das zweite Buch eines Schriftstellers immer das schwierigste ist. Bei Heilands Reihe mit Kemper und Wahlberg trifft das nicht zu, denn es lässt sich eine Steigerung erkennen. Während der Vorgänger „Späte Rache“ vor allem durch Durchschnittlichkeit glänzte, beginnt „Zum Töten nahe“ deutlich vielversprechender.

Ein Mord geschieht und es scheint, als ob ein Zeuge den Täter gleich mitlieferte. Es handelt sich dabei um ein Mitglied der Kripo, und dadurch, dass die Umstände der Mordnacht aufgrund einer volltrunkenen Party sehr nebulös sind, beginnt der Leser zu rätseln, ob das Vertrauen, das die Kripo Rostock in ihren Kollegen Kai Hauser steckt, gerechtfertigt ist. Ist seine Weste vielleicht gar nicht so weiß? Hat er an diesem Abend Dinge getan, von denen er am nächsten Tag nichts mehr weiß? Und was hat Lilith damit zu tun? Sagt sie die Wahrheit oder bringt sie sich durch ihre Lügen in absichtlich in die Bredouille, um ein schlechtes Licht auf ihre Familie zu werfen?

Das Buch stellt gleich zu Anfang eine Menge Fragen, die mit der Zeit beantwortet werden müssen. Das gelingt zum großen Teil sehr gut und spannend. Die Ermittler kommen stückweise voran und Anne Wahlberg hilft immer wieder mit ihrer intuitiven Art weiter. Der Fall wird mit der Zeit komplizierter, allerdings im positiven Sinne, denn dadurch wird das Buch interessanter. Immer mehr Verdächtige, mehr Leichen, mehr mögliche Motive, und es ist der Autorin hoch anzurechnen, dass man es beinahe bis zum Ende schafft, den Überblick zu behalten.

Aber am Ende hakt es dann doch etwas. Die vielversprechenden Anfänge fransen aus und verfangen sich schließlich in einem Wust von Geständnissen und an den Haaren herbeigezogenen Motiven.

Doch der Kriminalfall ist nicht der einzige Erzählstrang im Buch. Nach wie vor kommen Kemper und Wahlberg nicht so gut miteinander aus, doch ihre Beziehung wird besser. Sie kommen sich näher – manchmal vielleicht auch zu nah, als Anne von ihrer Flamme verfolgt und beinahe vergewaltigt wird.

Viel Platz nimmt die Familie Behrens ein. Die Fassade der perfekten Familie, an die Roland Behrens so lange geglaubt hat, bröckelt allmählich zusammen, als Noemi, die Zwillingsschwester von Lilith, versucht, ihre Schwester umzubringen, und in der Psychiatrie landet. Die Kokainsucht einiger Familienmitglieder zeigt, dass hier nicht alles so ist, wie es sein sollte.

Der langsame Verfall einer Oberschichtfamilie – das Thema ist sicherlich nicht neu, aber vor allem im Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen sehr gut umgesetzt. Er fügt sich nahtlos in die Geschichte ein, da Lilith in den Kriminalfall verwickelt ist und der Dreck innerhalb der Familie dadurch erst an die Oberfläche befördert wird.

Da der Fokus der Geschichte sehr stark auf der Familie Behrens ruht, rücken die Charaktere natürlich ins Rampenlicht. Glücklicherweise leistet Heiland sich hierbei keine Schnitzer. Alle Personen in dem Buch wirken authentisch, auch wenn ihnen teilweise ein Hauch echte Persönlichkeit abgeht. Richtige Originale fehlen der Geschichte, so dass sie bei der Besetzung wieder ein wenig in der Durchschnittlichkeit versinkt.

Ähnliches gibt es über den Schreibstil zu berichten. Heiland beschreibt ordentlich, was passiert, aber sie verpackt das Geschehen nicht in einem individuellen Schreibstil, sondern in banaler Schriftsprache. Das ist schade, denn dadurch büßt das Buch Charme ein.

Heiland hat sich verbessert, jedenfalls was die Handlung ihres Kriminalromans angeht. Dieses Mal hat die Story wesentlich mehr Pfeffer und mehr Spannung, denn viele Verwicklungen sorgen für eine große Anzahl von Verdächtigen. Der Leser kann miträtseln, auch wenn sich gegen Ende alles ein wenig zu sehr verläuft. Die Protagonisten und der Schreibstil können da leider nicht mithalten. Nach wie vor wirken sie durchschnittlich. „Zum Töten nah“ langweilt zwar nicht, begeistert aber auch nicht völlig.

Taschenbuch: 366 Seiten.
ISBN-13: 9783404156290

www.luebbe.de

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