Isau, Ralf – Mann, der nichts vergessen konnte; Der

Tim Labin ist der Mann, der nichts vergessen kann. Egal was er hört, sieht oder liest, jedes Ereignis wird in seinem Kopf wie auf einer Festplatte abgespeichert und ist jederzeit wieder abrufbar. Nur an eines erinnert sich Tim nicht: an die Nacht, in der seine Eltern ermordet wurden.

Gerade als Tim zum Schachweltmeister wird, ereilt ihn ein merkwürdiger Brief, der ein Zahlenrätsel enthält. Beinahe problemlos kann Tim das Rätsel lösen und entdeckt dabei, dass es sich um eines der drei Blätter der [Beale-Chiffre]http://de.wikipedia.org/wiki/Beale-Chiffre handelt; eines Rätsels, an dem sich Wissenschaftler und Historiker schon seit hundertzwanzig Jahren die Zähne ausbeißen. Kurz darauf nehmen ein Professor der Universität von Cambridge und die Computerspezialistin Jamila Jason zu ihm Kontakt auf und bitten ihn darum, nach England zu kommen und sich dort an die Entzifferung der anderen beiden Beale-Chiffren zu machen – denn Tim ist der einzige Mensch, der dazu in der Lage ist. Und Tim, der keine Herausforderung abschlagen kann, kommt dieser Bitte nach, ohne zu wissen, was ihn erwartet: Geheimnisse, Anschläge auf sein Leben, Intrigen und ein unsichtbarer Gegner, der sein ganz eigenes Spiel spielt …

_Eindrücke:_

Bei „Der Mann, der nichts vergessen konnte“ handelt es sich ganz klar um einen Thriller, der aber in gewisser Weise doch phantastische Züge an sich hat. Zwar gibt es keine wirklich phantastischen Elemente, die diesen Roman zu einem Fantasybuch machen würden, doch die Begabung Tim Labins verleiht dem Roman einen geheimnisvollen, leicht übernatürlichen Touch.

Tim Labin erlitt in der Nacht, als seine Eltern ermordet wurden, einen epileptischen Anfall und war beinahe gestorben. Doch statt zu sterben, wurde er zu einem Savant, einem Menschen, der nichts vergessen kann. Egal ob er irgendetwas liest, sieht oder hört, er kann es nicht mehr vergessen. Er entwickelt schnell eine Vorliebe für Schach, lernt Fremdsprachen innerhalb von einer Woche perfekt und macht innerhalb kürzester Zeit seinen Doktortitel. Doch neben dieser Fähigkeit ist Tim nicht nur einsam, sondern leidet auch an einer Vielzahl verschiedener Phobien – vor allem Angst vor Körperkontakt und Klaustrophobie machen ihm sehr zu schaffen. Dadurch hat Ralf Isau nicht nur einen interessanten Protagonisten geschaffen, der einerseits besondere Fähigkeiten besitzt und andererseits viele Ängste in sich trägt, sondern gleichzeitig auch einen Charakter, der in sich stimmig ist, realistisch und in seiner Eigenart sympathisch wirkt.

Ein weniger interessanter, jedoch nicht minder sympathischer Charakter ist Jamila Jason. Neben Tim ist sie die zweite Hauptperson. Sie wird als überaus gut aussehend beschrieben und gehört zu einer geheimen Spionageagentur, welche sich NSA („Never Say Anything“) nennt. Dort wurde sie nicht nur darin unterwiesen, wie man selbst Lügendetektoren austrickst und wie man sich in andere Computer einhackt, sondern auch in sämtlichen Kampfsportarten. Nun wurde sie von der NSA nach Cambridge geschickt, um dort zusammen mit Tim die Beale-Chiffren zu entziffern. Sie folgt ihrem Chef aufs Wort, doch irgendwann beginnt auch sie an den guten Absichten ihres Bosses zu zweifeln. Jamila wirkt an einigen Stellen des Buches beinahe schon zu perfekt, vor allem neben Tim, was allerdings nicht arg stört.

Zusammen versuchen Tim und Jamila die Beale-Chiffren zu entziffern, und als es Tim gelingt, das zweite Blatt zu dechiffrieren, bricht das Chaos aus. Tim und Jamila werden verfolgt und angegriffen und Tim weiß schon bald nicht mehr, wer Freund und wer Feind ist. Auch der Leser kann sich dessen nie sicher sein, denn in „Der Mann, der nichts vergessen konnte“ ist nicht immer alles so, wie es scheint. Zwar weiß der Leser meist mehr als die Charaktere, da man durch den Schreibstil die Absichten der verschiedenen Personen besser kennt, doch oft stellen sich manche Vermutungen später als falsch heraus. An sich bleibt das Buch also die ganze Zeit über spannend. Nur ein Detail war vorhersehbar, was das Ende betrifft und dieses dann in seiner Wirkung ein wenig abgeschwächt hat.

Das Buch ist in verschiedene Phasen eingeteilt, die allesamt dem Schachspiel entlehnt sind – von der Aufstellung bis hin zum Schachmatt. Zuerst wird im Prolog der Leser Zeuge der Nacht, in der Tims Eltern starben. Dann lernen wir Jamila kennen und ihre Arbeit bei der NSA, und erst später beginnt die eigentliche Geschichte, wenn der Leser auch Tim richtig kennen lernt, so wie er heute ist. Bis die Geschichte also richtig anfängt, dauert es eine Weile, was aber der Erzähltiefe zugute kommt. Der Vergleich mit dem Schach passt nicht nur gut zur Handlung, weil Tim der neue Schachweltmeister ist, sondern auch, weil die Geschichte genau wie bei einem Schachspiel verläuft. Tim „spielt“ praktisch gegen einen unsichtbaren Gegner, nur dass es sich bei den Figuren um echte Menschen handelt. Dieses Konzept verleiht dem Buch noch einen besonderen Touch.

Was den Schreibstil angeht, bin ich doch ein wenig hin- und hergerissen. Einerseits hat mir der Schreibstil von Ralf Isau sehr gut gefallen. Es wird häufiger die Perspektive gewechselt, sodass der Leser auch ein bisschen mehr von den Hintergründen und den Plänen der anderen Charaktere erfährt, jedoch nie so viel, dass die Geschichte zu vorhersehbar wird. Gleichzeitig hat Ralf Isau auch einen angenehmen Sprachstil und arbeitet gerne mit Metaphern. Andererseits war das Buch stellenweise nicht ganz flüssig zu lesen, was unter anderem an ständig vorkommenden Ortsnamen oder englischen Fachbegriffen liegt. Das hat teilweise etwas gestört, auch wenn man die meiste Zeit doch recht schnell mit der Lektüre vorankam.

_Fazit:_

Alles in allem ist „Der Mann, der nichts vergessen konnte“ von Ralf Isau ein spannender Thriller, der zwar im Lesefluss das ein oder andere Manko aufweist, aber dennoch mit dem Protagonisten und der Idee an sich punkten kann.

_Der Autor:_

Ralf Isau wurde 1956 in Berlin geboren und arbeitete lange Zeit als Informatiker, bis er das Schreiben für sich entdeckte. Mit seinen Büchern „Der silberne Sinn“ und „Die Dunklen“ wurde Ralf Isau zu einem neuen Stern am Literaturhimmel, insbesondere was Thriller und Spannungsliteratur angeht. Und dabei sind Geschichten von Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten und die letzten Geheimnisse unserer modernen Welt sein Markenzeichen.

Mehr unter http://www.isau.de & http://www.piper-verlag.de

|459 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-492-70141-9|

_Ralf Isau auf |Buchwurm.info|:_

[„Die Dunklen“ 4829
[„Das gespiegelte Herz“ 1807 (Die Chroniken von Mirad 1)
[„Der König im König“ 2399 (Die Chroniken von Mirad 2)
[„Das Wasser von Silmao“ 3014 (Die Chroniken von Mirad 3)
[„Das Jahrhundertkind“ 1357 (Der Kreis der Dämmerung, Teil 1)
[„Der Wahrheitsfinder“ 1502 (Der Kreis der Dämmerung, Teil 2)
[„Der weiße Wanderer“ 1506 (Der Kreis der Dämmerung, Teil 3)
[„Der unsichtbare Freund“ 1535 (Der Kreis der Dämmerung, Teil 4)
[„Die geheime Bibliothek des Thaddäus Tillmann Trutz“ 1095 (Die Legenden von Phantásien)
[„Die Galerie der Lügen“ 4208

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