Varesi, Valerio – Lichtspiele. Commissario Soneri geht ins Kino

_Story_

Alles sieht nach einem natürlichen Tod aus, als der leidenschaftliche Cineast Palmieri in sich zusammengesunken auf einem Sitz seines Stammkinos Minerva aufgefunden wird. Doch die Obduktion ergibt, dass dem reichen Geschäftsmann aus dem Hinterhalt Strychnin gespritzt und er das Opfer eines heimtückischen Mordes wurde.

Commissario Soneri nimmt die Spur des oder der vermeintlichen Attentäter auf und dringt in einen Sumpf aus Lügen und Intrigen vor. Palmieri war Mitglied im Club der Cineasten, einer Vereinigung von Hobby-Detektiven, die ihre Vorliebe für ältere Kriminalfilme als Berufung sahen und daher selber fiktive Fälle inszenierten – nun jedoch scheinbar einen mit Todesfolge. Da die offenkundigen Beteiligten sich in eisiges Schweigen hüllen, tappt der Commissario lange Zeit im Dunkeln. Er erfährt von Palmieris Geliebter Lora, die ebenfalls eine Affäre mit seinem Geschäftspartner und Konkurrenten Stork pflegte, blickt tiefer in die Verstrickungen des Clubs, macht Bekanntschaft mit dem Feinschmecker Costamagna, der ständig mit den Cineasten verkehrte, und sieht sich auch mit Pamieris labiler Mutter konfrontiert, die noch dazu von Soneris besserer Hälfte Angela in Rechtssachen verteidigt wird. Alle Wege verlaufen im Sande, bis Soneri sich schließlich darauf einlässt, das seltsame Spielchen des Detektiv-Clubs mitzuspielen.

_Persönlicher Eindruck_

Mit seinem dritten Kriminalroman kehrt Valerio Varesi wieder ein Stück weit zum verzwickten Fall seiner Debüt-Veröffentlichung zurück, die seinerzeit nicht nur von der außerordentlich prickelnden Atmosphäre lebte, sondern auch inhaltlich ein sehr ansprechendes Rätsel aufbot, dessen subtiler Nervenkitzel in der nachfolgenden Publikation „Die Pension in der Via Saffi“ nicht mehr vergleichbar erreicht wurde. Begünstigt wird dies in „Lichtspiele“ vordergründig durch ein ziemlich hohes Erzähltempo, welches sich in einer Reihe sehr rasanter Wendungen darstellt und zudem den Grad der Komplexität steigert, da Soneri in vielen Kapiteln nur so zwischen den Szenarien hin und her flitzt. Dadurch bewirkt das eigentliche Rätsel noch einen viel größeren Reiz auf den Leser, da dieser häufig mit losen Infos zurückgelassen wird und viele Details zunächst nicht näher bearbeitet werden. Dieses probate Mittel nutzt Varesi im Laufe von Soneris Ermittlungen kontinuierlich, um die Spannung anzuheizen, was ihm abgesehen von einigen kleinen Ungereimtheiten in der Mitte des Buches auch fabelhaft gelingt.

Die Geschichte selber ist sowohl auf den Hintergrund als auch auf den Verlauf der Handlung bezogen unheimlich interessant. Varesi kreiert einen Mythos um einen Club leidenschaftlicher Cineasten, denen ihr Hobby spürbar über den Kopf gewachsen ist, und verwandelt auch deren Umfeld in einen nebulösen Charakterhaufen, in dem keine Figur mehr über ihre Rolle preisgibt als zur gegebenen Zeit unbedingt nötig. Gerade hier zeigt der Autor seine wahre Stärke, lässt seine Leser bei dessen gedanklichen Ermittlungen immer wieder gerne ins offene Messer laufen und krempelt den Plot derart um, dass bis zu den letzten Seiten kein konkreter Verdacht innerhalb der Story Bestätigung findet. Oder anders gesagt: Hier entsteht in einem ganz besonderen Ambiente eine Geschichte, die ihren Zweck als Krimi kaum effektiver erfüllen könnte.

Hinzu kommen schließlich die vielen angenehmen Begleiterscheinungen der italienischen Kultur, die einen nicht zu unterschätzenden Anteil an der fesselnden Erzählatmosphäre haben. Da wäre zuallererst das hitzige Beziehungsgeflecht des Commissarios und seiner stets gereizten Angetrauten Angela, die sich wie auch schon in den vorangegangenen Büchern trotz ihrer ständigen Wortduelle und verbaler Verfehlungen prima ergänzen. Zwei typische Italiener, wie man meinen mag, ohne dass Varesi hierbei Formen des Klischees überstrapazieren würde. Dann wäre da die Passion für den kulinarischen Bereich, diesmal zur Schau gestellt in Soneris Besuchen beim Antiquar Costamagna, der stets den passenden Käse zum roten Jahrgangstropfen bereithält. Und schließlich ist natürlich die düster-romantische Atmosphäre zu erwähnen, die der neblige Schauplatz Parma in Varesis neuer Erzählung präsentiert. Auch bei den Rahmenelementen der Handlung ergänzen sich viele Puzzleteile zu einem perfekten Setting, welches schlussendlich die Basis für Varesis bislang wohl besten Roman liefert.

Ungewöhnliche Themen in einem ungewöhnlichen Szenario: „Lichtspiele“ ist ein meisterhafter Kriminalroman, der einerseits ganz in der bisherigen Tradition des Autors steht, aufgrund der komplexen Verstrickungen von Charakteren und Ereignissen jedoch den Anspruch an einen Varesi-Titel noch einmal heraufsetzt. Liebhaber des Autors und südländischer Kriminal-Kost im Allgemeinen werden mit diesem sehr kurzweiligen Schmuckstück bestens bedient!

|Originaltitel: Il cineclub del mistero
Deutsch von Karin Rother
283 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-499-23951-9|
http://www.rowohlt.de

_Mehr von Valerio Varesi auf |Buchwurm.info|:_

[„Der Nebelfluss“ 1587
[„Die Pension in der Via Saffi“ 3001

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