Poehl, Henning – Null Bock!

_Brunft in der Arena_

Mit „Null Bock“ präsentiert der |Sphinx|-Verlag unter Regie von Henning Poehl ein weiteres ausgefallenes Spielkonzept, welches mal wieder gekonnt Strategie und Spaß miteinander verknüpft. In diesem Falle handelt es sich beim sinnbildlichen Titel um ein reines Stichspiel, welches zwar einerseits nicht ganz so originell ausgestattet ist wie vergleichbare Produkte aus dem gleichen Haus, dafür aber mindestens genauso gut fürs zwischenzeitliche Lachmuskeltraining sorgt.

Thematisch wird dabei die Hirschbrunft nachempfunden, dies aber natürlich auf recht unkonventionelle Art und Weise. Insgesamt 30 Hirschböcke kämpfen um ebenso viele Hirschkühe und versuchen, einen möglichst großen Harem zu erobern. Hierzu werden sie in die Arena ausgesandt, in der sich ihre Konkurrenten gemeinsam mit den ersehnten Weibsbildern tummeln und bereits kräftig um ihren Anhang rangeln. Doch am Ende kann immer nur einer der Platzhirsch sein – und das ist zum Ende des Spiels derjenige, der mit dem größtem Harem das Spiel gewinnt.

_Spielmaterial_

• 30 Hirschkuhkarten
• 30 Hirschbockkarten

Das Spielmaterial ist mal wieder der eigentliche Clou des Spiels. Henning Poehl hat sich einiges einfallen lassen, um seine Hirsche auch formidabel in Szene zu setzen. So präsentieren sich die Hirschkühe sehr aufreizend in Bikini, Dirndl und Abendkleid, während sich unter den Böcken Skateboardfahrer, Leichtathleten und stolze Ritter verbergen, über die man doch immer wieder schmunzeln muss. Darüber hinaus ist das Spiel dank der einfach strukturierten Karten sehr übersichtlich aufgebaut und bedarf keiner großen weiterführenden Erklärung. Schlicht und effektiv – das scheint auch dieses Mal zu funktionieren.

_Spielaufbau_

„Null Bock“ ist im Prinzip ein sehr leicht verständliches Spiel, das schon halb erklärt ist, sofern man die Begrifflichkeiten verstanden hat und einordnen kann. Das Spiel ist untergliedert in die beiden Schauplätze Abseits und Arena. Ersteres ist die Spielfläche vor jedem einzelnen Spieler, während in der Arena um den Harem gekämpft wird.

Zu Beginn eines jeden Spiels bekommt jeder Spieler (abhängig von der Spielerzahl) jeweils fünf oder sechs Böcke und Kühe ausgehändigt. Anschließend entscheidet er sich für eine Karte, die er nun vor sich ins Abseits legt. Es empfiehlt sich, in diesem Fall einen Bock auszuwählen, weil ein Verlust seiner Zunft dem Gegner später keine Punkte in der Wertung einbringt. Nachdem der Startspieler auf beliebige Weise ermittelt wurde, geht der Kampf um den Harem schließlich los.

Der Spieler, der an der Reihe ist, muss auf jeden Fall eine Karte spielen. Dabei kann er entweder eine Hirschkuh in die Arena jagen oder aber eine Karte ins Abseits legen. Letzteres funktioniert allerdings nur, wenn dort momentan eine Karte des anderen Geschlechts liegt. Lohnenswert ist in dieser Hinsicht, einen Bock auf eine Kuh zu spielen, denn in diesem Fall darf man die Kuh als Stich einbehalten und den Bock im Abseits des Spielers, der zuvor die Kuh beherbergte, zurücklassen. Die Werte der Böcke und Kühe sind dabei unerheblich, so dass unter Umständen auch der ‚Null Bock‘, also einer der Böcke mit dem Wert 0, dort getauscht bzw. abgelegt werden kann. Auch ein umgekehrter Zug ist möglich, allerdings bringt es im Endeffekt keine Punkte, wenn man eine Kuh ins Abseits legt, denn Böcke zählen in der Wertung nicht. Im Bedarfsfall kann aber auch dies ein kluger Zug sein; dann nämlich, wenn man nur noch über Böcke mit relativ niedrigen Werten verfügt oder gar überhaupt keinen mehr in der Hand hält.

Richtig abgeräumt wird aber natürlich erst in der Arena; hier spielen nun auch die Werte der Kühe und Böcke eine Rolle. Als Erstes liegt dort immer eine Kuh aus; nun können die Spieler reihum Kühe mit höheren Werten auf dieser ablegen und so den Wert des ‚Potts‘ immer weiter steigern. Wer indes keinen höheren Wert aufbringen kann, hat noch die Möglichkeit, eine Kuh mit einem Pluszeichen auszuspielen. Dies sind die Damen, die sich für etwas Besseres halten und deshalb immer gespielt werden können. Wenn der Harem schließlich als groß genug empfunden wird, kann man ihn nun mit seinen Böcken einkassieren. Dazu legt man einen Bock, egal mit welchem Wert, auf den Stapel der Hirschkühe in der Arena. Nach dem bekannten Steigerungsprinzip können die übrigen Spieler nun mit wertvolleren Böcken die Auktion erhöhen. Dies geschieht so lange, bis ein Bock über eine ganze Runde am obersten Stapelende bleibt und kein Spieler mehr erhöhen kann. Der Besitzer jenes Bockes bekommt nun den gesamten Harem und legt ihn als Stich vor sich ab.

Eine Sonderregelung besteht jedoch: Wer einen ‚Null Bock‘ hat, darf ihn auf jeden anderen Bock auflegen und diesen damit übertrumpfen. Eigentlich ist der 10er-Bock derjenige mit dem größten Werk; jedoch kann er mit dem ‚Null Bock‘ geschlagen werden. Dies ist auch insofern wichtig, als man am Ende der Partie für jeden ‚Null Bock‘, der sich noch auf der Hand befindet, 15 Minuspunkte gutgeschrieben bekommt. Sollte es indes tatsächlich gelingen, mit jenem ‚Null Bock‘ einen Stich zu landen, wird die gleiche Punktzahl später hinzugerechnet. Die kluge Verwendung des insgesamt dreimal vertretenen ‚Null Bocks‘ kann also spielentscheidend sein.

_Spielende und Wertung_

Das Spiel ist genau dann zu Ende, wenn kein Spieler mehr eine Kuh in die Arena legen kann oder ein Spieler keine Karte mehr auf der Hand hat. Der Spieler, der den letzten Bock ausgespielt hat, bekommt anschließend noch die Hirschkühe aus der Arena. Danach tritt die Wertung in Kraft. Alle Kühe werden mit ihren individuellen Werten addiert und somit der Spieler mit der höchsten Gesamtpunktzahl ermittelt. Eventuell kommen Zusatzpunkte durch besagten ‚Null Bock‘-Stich hinzu. Nun werden die Punkte addiert und die Karten neu gemischt. Endgültig gewonnen hat man nämlich erst mit 150 Punkten. Und so wird weitergespielt, beginnend mit dem Sieger der aktuellen Runde, bis jemand dieses Optimalziel erreicht hat.

_Persönlicher Eindruck_

Nach den ersten Runden dieses Kartenspiels bestanden durchaus gemischte Gefühle, weil man insgeheim doch ein etwas anspruchsvolleres Spiel erwartet hatte. Gerade beim |Sphinx|-Verlag ist man mittlerweile gewohnt, dass die jeweiligen Titel auf einer homogenen Verknüpfung aus thematischem Hintergrund und diesbezüglicher Umsetzung fußen und man sich mit dem Spiel auch sehr gut in die jeweilige vom Spiel vorgegebene Situation hineinversetzen kann. Letzteres ist jedoch bei „Null Bock“ nur bedingt der Fall, weil das Thema eigentlich nur über die witzige Gestaltung der Karten vermittelt wird, es indes aber einer größeren Phantasie bedarf, sich alleine über die grafische Gestaltung in die Phase der Hirschbrunft hineinzudenken. Der Autor benennt zwar die einzelnen Schlagwörter und lässt seine Hirschböcke stilecht in der Arena um ihre Gefolgschaft kämpfen; da es sich dabei aber lediglich um ein simples Stichspiel handelt, wird die Atmosphäre dessen nur bedingt vermittelt.

Andererseits, und damit losgelöst von dieser Verknüpfung, bringt „Null Bock“ von Runde zu Runde mehr Spaß. Es hängt zwar im Verlauf des Spiels sehr viel vom Glück ab – schließlich sind Böcke mit hohen Werten schon die halbe Miete für den Sieg – aber sobald man sich selber einige Taktiken ausgeklügelt hat, wird das Spiel dennoch ein bisschen strategischer, und es kommt in der Tat zum erhofften offenen Schlagabtausch, bei dem letztendlich nicht einzig das Glück, sondern auch das zwingend erforderliche Geschick benötigt wird, um den besten Harem zu angeln. So bedarf es immer wieder einer konzentrierten Entscheidung, ob man nun in die Arena schreitet oder im Abseits herumwildert, denn zum Ende hin können es auch die hier gelandeten kleinen Stiche sein, die in ihrer Summe eine aussichtsreiche Punktzahl garantieren.

Wirklich erquickend ist „Null Bock“ schließlich bei völliger Ausreizung der Spielerzahl; bei 5 bzw. 6 Spielern kommen nämlich alle Karten ins Spiel, und alleine schon durch die Einbeziehung der ganz niedrigen Werte entsteht eine ganz andere Dynamik, bei der ein weiterer Spannungsanstieg garantiert ist. Im direkten Vergleich hat man ganz klar gemerkt, dass diese Variante die mit Abstand günstigere ist, weil einerseits die Interaktion noch viel intensiver ist. Daher wäre „Null Bock“ im Falle einer überlegten Anschaffung auch am besten dann auf den Tisch zu bringen, wenn man einen größeren Spielerkreis anheizen möchte, um im späteren Verlauf des Spieltags auf etwas komplexe Varianten umzusteigen. Empfehlenswert ist das Spiel aber letztendlich allemal, wenn man etwas Nettes zur Eröffnung sucht, denn stimmungsvoll und heiter ist das Spiel ganz klar. Nur die thematische Verknüpfung, die ist meines Erachtens dieses Mal nicht ganz so gut geglückt.

Zu ergattern ist das Spiel für einen relativ kostengünstigen Preis im Shop des Verlags unter http://www.sphinxspiele.de.

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