Pyta, Wolfram – Hindenburg: Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler

Die vorliegende Monographie von Wolfram Pyta über das Leben und Wirken Paul von Hindenburgs (genauer: Paul Ludwig Hans Anton von Beneckendorff und von Hindenburg, 1847-1934) wartet – wie schon die Seitenzahl, welche deutlich die 1000er Marke überschreitet, erahnen lässt – mit einem ausgesprochenem Detailreichtum auf. Das Bild des Mannes, der gleich mehrere bedeutende Zeitabschnitte der deutschen Geschichte miterlebte und teilweise mitgestaltete, erlangt durch die vorliegende präzise und pointierte Biographie eine besondere Schärfe. Hindenburg, der nur ein Jahr vor den europäischen Revolutionen von 1848 geboren wurde, wuchs in einer preußischen Gutsbesitzer- und Offiziersfamilie auf, begann schließlich im preußischen Militär seine erste Karriere, welche ihm später zur Eintrittskarte für die politische Bühne der Weimarer Republik gereichen sollte. Bemerkenswert ist, dass Pytas Buch mit dem Beginn eben dieser militärischen Karriere, welche Hindenburg schließlich zum Generalfeldmarschall und Chef des Generalstabes machen sollte, seine Betrachtung beginnt. Im Folgenden schildert Pyta nicht nur den Aufstieg Hindenburgs innerhalb der Militärhierarchie, sondern zugleich seine Entwicklung zu einem „politischen Herrscher“ und Machtmenschen.

Während sich die erste Hälfte des Buches vor allem auf Hindenburgs Zeit beim Militär konzentriert, steht die zweite Hälfte unter dem Stern der Reichspräsidentschaft. Dies umfasst einerseits natürlich den Weg Hindenburgs zum Reichspräsidenten, der durch die Unterstützung des bürgerlich-rechten Lagers in sein Amt kommt und während seiner Regierungszeit zum Ersatzmonarchen avanciert. Diese oft gewählte Formulierung charakterisiert natürlich den hohen Gehalt an politischer und werterepräsentativer Strahlkraft, welche Hindenburg schon früh aufzubauen und zu pflegen verstand. Eben diese Strahlkraft setzte er in seiner langen politischen Karriere gleich mehrfach ein, um einerseits seinen egomanischen Geltungsdrang zu befriedigen und andererseits alte Weggefährten oder Personen, die schlichtweg seinen persönlichen Zielen im Weg standen, aus dem Weg zu räumen. Dies gilt ebenso für Ludendorff wie auch für Groener, Brüning, Papen und Schleicher.

Man kann es Prestige, Nimbus oder schlichtweg Charisma nennen, wie es auch Pyta vorzieht, man kommt jedoch in keiner Sichtweise umhin, dieser historischen Figur ein Attribut zuzuordnen, das eine gewisse Größe zum Ausdruck bringt, auch wenn es vor allem Hindenburg selbst war, der dieses Image seiner selbst aufbaute und verteidigte. Pytas Buch zeichnet ein deutliches Bild Hindenburgs als zielbewussten und hintertriebenen Utilitaristen mit eiskaltem politischem Kalkül. In diesem Buch werden Hindenburgs Taten nicht durch den vermeintlichen Einfluss von Beraterkreisen, Interessenverbänden oder Demenzkrankheiten entschärft oder gar entschuldigt, sondern vielmehr versucht Pyta deutlich, die aktive Verantwortlichkeit Hindenburgs zu betonen.

In der Gesamtschau handelt es sich bei dem vorliegenden Buch um eine faszinierende und detailreiche Auseinandersetzung mit dem Charakter, der Herrschaftsausübung und dem Mythos Hindenburgs. Das Buch richtet sich dabei vor allem an ein Fachpublikum und dürfte daher für einen Laien ohne tiefer reichende Vorkenntnisse des Themenbereichs nur bedingt gewinnbringend sein. Um Hindenburg und seine Biografie vollständig verstehen zu können, muss man eben auch die deutsche und europäische Geschichte zwischen den 1860ern und 1945 kennen und hinreichend verstehen.

|Gebundenes Buch, 1120 Seiten
100 Schwarzweiß-Abbildungen|
http://www.siedler-verlag.de

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