A. E. van Vogt/E. Mayne Hull – Im Reich der Vogelmenschen (Utopia Classics 19)

Vogt Hull Vogelmenschen Cover kleinVogelmenschen entführen ein im Pazifik kreuzendes U-Boot in eine weit entfernte Zukunft. Hier führen sie Krieg gegen eine Rasse intelligenter Fischmenschen, den die Vögel zu verlieren drohen. Die Verstärkung aus der Vergangenheit mag sich nicht auf ihre Seite stellen, sondern versucht den Ausgleich und gerät erst recht zwischen die Fronten … Klassische Unterhaltungs-Science Fiction, zelebriert ohne literarischen Anspruch von einem der Großmeister des Genres, mit dem im Final wieder einmal die Pferde (bzw. Außerirdischen) durchgehen.

Das geschieht:

Irgendwo im Pazifik, 1200 Meilen entfernt vom nächsten Hafen, dümpelt in einer mondhellen Nacht das amerikanische U-Boot „Seeschlange“ auf den Wogen, als plötzlich ein geflügelter ‚Mensch‘ auf das Deck niederstößt und eine merkwürdige Apparatur dort befestigt, die sich partout nicht entfernen lässt. In der folgenden Nacht kehrt der ungebetene Gast wieder und tut dasselbe an einer anderen Stelle der ‚Seeschlange‘.

Dieses Mal kann ihn die Besatzung ergreifen, aber es ist zu spät: Ein Energiewirbel versetzt die „Seeschlange“ in eine weit entfernte Zukunft. Der durch die Zeit mitgereiste Vogelmensch ist ein Botschafter, der sich in der Vergangenheit nach Verstärkung umschauen sollte. Die Zukunft ist nämlich nicht nur ein trostloser, sondern auch ein von Krieg heimgesuchter Ort. Aus der Erde wurde ein unwirtlicher Wasserplanet, auf dem in der Luft die Vogelmenschen mit ihren im Meer lebenden Gegnern, den Fischmenschen, ringen und dabei allmählich das Nachsehen haben.

Die tatkräftigen Menschen des 20. Jahrhunderts sollen das Zünglein an der Waage spielen und den Vogelmenschen den Sieg bringen. Die Männer der „Seeschlange“ wollen jedoch nicht in diesen Krieg ziehen. Stattdessen bemühen sie sich um einen Ausgleich zwischen den Gegnern.

Die Situation verkompliziert sich, weil sich die „Seeschlange“ in einer Flotte ebenfalls verschleppter Schiffe aus verschiedenen vergangenen Jahrtausenden wiederfindet, deren Mannschaften einander gar nicht grün sind. Als dann noch ein Raumschiff mit eroberungswütigen Außerirdischen auftaucht, wird es eng für die unfreiwilligen Friedensstifter, zumal auch die Vogelwesen allmählich ungeduldig werden …

Als alles noch einfacher war

Science-Fiction ohne Anspruch außer diesen: den Leser so gut wie möglich zu unterhalten. Mit solcher naiver Unschuld ging dies wohl nur im „Goldenen Zeitalter“ des Genres, das die wenigen Jahre vor und während des II. Weltkriegs umfasst, als die auf billiges, holziges Papier gedruckten „Pulp“-Magazine die Szene beherrschten. Dort schlugen die Mannen der „Seeschlange“ folgerichtig 1944 (in Fortsetzungen) ihre Schlacht gegen geflügelte oder gekiemte Zukunftsmenschen.

Die Geschichte ist so absurd, dass sie eigentlich unterhalten muss. Heute gibt es freilich gewisse Schwierigkeiten. Die Handlung beginnt stimmungsvoll und spannend, lässt aber deutlich nach, als die ferne Zukunft erreicht wird. Die entführten Tatmenschen des 20. Jahrhunderts sollen dort einen Torpedo abfeuern und dürfen danach wieder zurückkehren. Das wollen sie nicht – generell und weil es sich hier um US-Amerikaner handelt, die sich prinzipiell nichts sagen lassen. Stattdessen wird auch im 25. Jahrtausend von einem Fettnäpfchen ins andere getrampelt.

Überhaupt ist dem Autorenduo nichts wirklich Originelles eingefallen für die zukünftige Erde. Das Geschehen spielt sich im Schatten einer schwebenden Insel ab, unter der sich einige See- und Raumschiffe misstrauisch umkreisen. Intrigen werden gesponnen, Piraterie versucht, aber das alles führt letztlich zu Nichts.

Aus Stroh lässt sich kein Gold spinnen

Anders ausgedrückt: Die durchaus faszinierenden Elemente wollen sich nicht zu einem stimmigen Ganzen fügen. Besonders das Finale legt dieses Manko offen: Es ereignet sich, als der Leser einen Moment nicht hinschaut. Anschließend muss er verdattert in einigen Nebenbei-Sätzen nachlesen, dass die ursprünglich so gewaltigen Probleme, die den Einsatz der Zeitreise erforderlich machten, kurz und knapp gelöst wurden.

Es mag freilich sein, dass wir deutschen SF-Freunde es wieder einmal mit einer gekürzten Fassung – schwungfedergestutzten Vogelmenschen also – zu tun haben. 160 Seiten umfassten die „Terra“-Taschenbücher; längere Geschichten wurden ‚bearbeitet‘, d. h. mehr oder weniger kunstvoll gekappt. Das holprige Finale dieses Romans legt diese Vermutung nahe.

4D-Handlung mit Flach-Figuren

Wie man sich denken kann, erfordert eine Geschichte wie die gerade zusammengefasste kein besonders profilstarkes Personal. Hier wird gehandelt, werden markige Reden geschwungen. Eine Besatzung tatendurstiger Seemänner ist da genau richtig. Zwar bemühen sich die Autoren, der Figurenzeichnung durch einige interne Konflikte – der U-Boot-Kommandant ist ein ängstlicher Opportunist, seinem weitsichtigen Stellvertreter sind die Hände durch das militärische Protokoll gebunden – Tiefe zu verleihen. Das wirkt jedoch sehr weit hergeholt.

Über die Vogelmenschen erfährt man wenig, über ihre Gegner sogar noch weniger. Irgendwie erscheint dieser zukünftige Krieg ziemlich sinnlos, was allerdings auf jeden Krieg zutrifft. Typisch Van Vogt ist der temporale Auftrieb unterschiedlicher Zeitreisender aus verschiedenen Epochen. Typisch 1944 ist die Darstellung der Sessa-Clen-Amazonen als instinkt- oder besser triebgesteuerte Chaotinnen, denen ein richtiger Kerl zeigen müsste, wo’s langgeht; kein Wunder, dass die Königin dem U-Boot-Helden Kenlon sogleich einen Heiratsantrag macht …

Van Vogt bearbeitete „Im Reich der Vogelmenschen“ 1966. Im Bemühen, die Geschichte zu ‚aktualisieren‘, machte er aus der Weltkrieg-II-„Seeschlange“ ein Atom-U-Boot im Versuchs-Einsatz, was gar nicht gut in die Handlung passte.

Autoren

„Im Reich der Vogelmenschen“ nimmt in der Geschichte der Science-Fiction eine Nischenstellung ein. Es wurde zwar von einem der bekanntesten Autoren des Genres verfasst, wirkt aber in dessen Gesamtwerk etwas fremd. Kein Wunder, denn A. E. van Vogt hat es nicht allein verfasst. Kann man den Quellen trauen, stammt „Im Reich der Vogelmenschen“ sogar allein aus E. Mayne Hulls Feder. Wobei das „E.“ für „Edna“ steht. Soweit war die Welt noch nicht, dass sie weibliche SF-Autoren mit offenen Armen empfangen hätte. Ein männlich klingendes Pseudonym konnte deshalb nützlich sein. (Man frage „Leigh Brackett“ oder „C. L. Moore“.)

Edna Mayne Hull wurde 1905 in Brandon, Manitoba und damit in Kanada geboren. Sie schrieb zunächst rührselige religiöse Geschichten und Hörspiele, doch ihr Ehrgeiz forderte mehr. So belegte sie einen Schreibkurs, den auch ein anderer hoffnungsvoller Nachwuchsautor besuchte: Alfred Elton van Vogt. Die beide heirateten 1939, kurz bevor van Vogt mit „Black Destroyer“ der Durchbruch gelang. Hull wurde Van Vogts Sekretärin. Ihre eigenen schriftstellerischen Ambitionen wurden von diesem aber durchaus unterstützt. In den 1940er Jahren verfasste Hull eine Reihe von Kurzgeschichten, die in Magazinen wie „Astounding“ oder „Unknown Worlds“ erschienen. Der Roman „Planets for Sale“ basiert auf einigen dieser Stories.

Hulls Werk blieb schmal. Massive gesundheitliche Probleme beeinträchtigten immer wieder ihre schöpferische Kraft. Ihren diversen schweren Krankheiten erlag sie im Januar 1975.

Alfred Elton van Vogt (geb. 1912) gehört zu den größten Autoren der klassischen Science Fiction. Er war der Sohn holländischer Eltern, die eine Farm im Süden der kanadischen Provinz Winnipeg besaßen. „Van“, wie ihn die Freunde nannten, kam schon früh mit der SF in Kontakt. Die Große Depression der 1930er Jahre verschonte die Familie Van Vogt nicht. Alfred musste seine Ausbildung abbrechen und sich als Farmarbeiter, Lastwagenfahrer, Angestellter usw. durchschlagen. Nebenbei versuchte er sich als Autor. Van Vogt schrieb (noch) keine SF, sondern „wahre Geschichten“ und Liebesschnulzen, die indes niemand lesen wollte.

Ab 1938 versuchte sich van Vogt auf dem SF-Magazinmarkt. Anfänglichen Misserfolgen folgte der Durchbruch mit „Black Destroyer“. Nun ging es Schlag auf Schlag: Mit „Slan“ (1940), „The Weapon Makers“ (1943; dt. „Die Waffenschmiede“) oder „The World of A“ (1945; dt. „Die Welt der Null-A“) schrieb er sich in die erste Garde und an die Seite von Robert A. Heinlein, Isaac Asimov oder Arthur C. Clarke. Aus gesundheitlichen Gründen vom Kriegsdienst freigestellt, stieß van Vogt zudem in eine Lücke. 1944 zogen er und seine Ehefrau Edna nach Los Angeles um.

Wenig später ließ sich van Vogt auf das zweifelhafte Experiment „Dianetics“ seines Schriftsteller-Kollegen L. Ron Hubbard ein, der daraus die Hirnwäscher-Sekte der Scientologen formierte. Van Vogt durchschaute den faulen Zauber, aber er vergeudete Zeit, die er lieber in seine Karriere investiert hätte. Als er zur SF zurückkehrte, hatte er den Anschluss verloren. Obwohl van Vogt bis 1987 regelmäßig veröffentlichte, blieb sein Spätwerk tief im Schatten der frühen Jahre. Das Wissen um die Tatsache, dass wenig später die Alzheimer-Krankheit bei ihm festgestellt wurde, wirft ein neues Licht auf diesen Niedergang. Am 26. Januar 2000 starb van Vogt an den Folgen einer Lungenentzündung.

Taschenbuch: 161 Seiten
Originaltitel: The Winged Man („Astounding”, Mai/Juni 1944/New York : Doubleday 1966)
Übersetzung: Jürgen Jasper

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