_Bourne again: Actionthriller par excellence_
Jason Bourne, der Killer ohne Gedächtnis, heißt jetzt David Webb und ist Linguistikprofessor in Virginia. Als er nach einem Anschlag seine besten Freunde Alex Conklin und Mo Panov erschossen vorfindet, findet er sich in einer geschickt aufgestellten Falle wieder: Jemand hat die Polizei gerufen. Während er durch einen Geheimgang entkommen kann, hält ihn nun jedermann für den Mörder. Und noch jemand hat es auf ihn abgesehen, wie er schnell herausfindet: ein Auftragskiller, der sich Chan nennt.
Chan hat Fehlinformationen erhalten und ist überrascht, dass sich dieser Provinzprofessor als solch eine harte Nuss erweist. Als er den Namen „Jason Bourne“ hört, wird ihm einiges klar. Aber wer hat die beiden aufeinander gehetzt und was hat derjenige vor? Könnte es mit dem bevorstehenden Anti-Terrorismusgipfel in Island zu tun haben?
_Die Autoren_
a) Robert Ludlum wurde 1927 in New York City geboren. Nach dem II. Weltkrieg begann er eine Karriere als Schauspieler, die er verfolgte, bis er vierzig wurde, also bis 1967. Er studierte Kunstgeschichte und fing mit dem Schreiben an. 1971 schießt sein erster Thriller „Das Scarlatti-Erbe“, an dem er 18 Monate schrieb, an die Spitze der Bestsellerlisten. Als ähnlich erfolgreich erwiesen sich auch alle weiteren Romane, so etwa „Das Osterman-Wochenende“ (verfilmt), „Die Scorpio-Illusion“ oder „Der Ikarus-Plan“.
Seine Erfahrung als Schauspieler kam ihm zugute: „Man lernt, wie man die Aufmerksamkeit des Publikums behält.“ Seine Bücher wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt und erreichten eine Auflage von mehr als 280 Millionen Exemplaren (Verlagsangabe 2008). Zuletzt wurden die drei legendären Bourne-Thriller mit Matt Damon höchst erfolgreich verfilmt. Ludlum lebte bis zu seinem Tod am 12. März 2001 mit seiner Frau Mary und seinen Kinder in Florida und Connecticut.
Mehrere Autoren schreiben an den Serien, die Ludlum schuf, weiter.
Der BOURNE-Zyklus:
1) Die Bourne-Identität
2) Das Bourne-Imperium
3) Das Bourne-Ultimatum
4) Das Bourne-Vermächtnis (The Bourne Legacy, von Eric Lustbader)
5) The Bourne Betrayal (2007)
6) The Bourne Sanction (2008)
7) The Bourne Deception (2009)
Weitere Reihen: Der Matarese-Bund (zwei Bände); die Covert-One-Reihe (bislang fünf Bände).
Robert Ludlum auf |Buchwurm.info|:
[„Die Paris-Option“ 1068
[„Die Ambler-Warnung“ 3493
b) Eric Van Lustbader, geboren 1946, ist der Autor zahlreicher Fernost-Thriller und Fantasyromane. Er lebt auf Long Island bei New York City und ist mit der SF- und Fantasylektorin Victoria Schochet verheiratet. Sein erster Roman „Sunset Warrior“ (1977) lässt sich als Science-Fiction bezeichnen, doch gleich danach begann Lustbader (das „Van“ in seinem Namen ist ein Vorname, kein holländisches Adelsprädikat!), zur Fantasy umzuschwenken.
1980 begann Lustbader mit großem Erfolg seine Martial-Arts-&-Spionage-Thriller in Fernost anzusiedeln, zunächst mit Nicholas Linnear als Hauptfigur, später mit Detective Lieutenant Lew Croaker: The Ninja; The Miko; White Ninja; The Kaisho usw. Zur China-Maroc-Sequenz gehören: Jian; Shan; Black Heart; French Kiss; Angel Eyes und Black Blade. Manche dieser Geschichten umfassen auch das Auftreten von Zauberkraft, was ihnen einen angemessenen Schuss Mystik beimengt.
Zuletzt erschien bei uns die Kundala-Trilogie: „Der Ring der Drachen“, „Das Tor der Tränen“ und „Der dunkle Orden“. Da diese Fantasy ebenfalls in einem orientalisch anmutenden Fantasyreich angesiedelt ist, kehrt der Autor zu seinen Wurzeln zurück, allerdings viel weiser und trickreicher. Kürzlich hat er noch einmal eine Wendung vollzogen und schreibt nun die Thriller seines verstorbenen Kollegen Robert Ludlum fort, so etwa „Die Bourne-Verschwörung“. Zuletzt erschien 2007 der Mystery-Thriller „Testamentum“ in der Art von Dan Browns „The Da Vinci Code“.
Eric Van Lustbader auf |Buchwurm.info|:
[„Testamentum“ 3967
[„Der Ring der Drachen“ 254
[„Der dunkle Orden“ 1017
[„Der Ninja“ 2542
[„Der Weiße Ninja“ 1042
[„Schwarzes Schwert“ 1041
[„Der Kaisho“ 4041
[„Okami“ 4078
[„Schwarzer Clan“ 4123
[„Drachensee“ 1043
_Hintergrund_
Viele Leser wissen, dass Jason Bourne ein Auftragskiller ohne Gedächtnis ist, ein Mann ohne Zukunft und ohne Vergangenheit. Aber das stimmt nicht ganz. Erstens war Jason Bourne als Auftragsmörder im Auftrag der CIA unterwegs, bis er auf einer Yacht vor Marseille den Terroristen Carlos umlegen sollte. Doch er erhielt einen Schuss in die Brust und stürzte über Bord. Verletzt und beinahe ertrunken, verlor er sein Gedächtnis. Während sein Mentor und Führungsoffizier Alex Conklin ihn suchen ließ, versuchte sich Jason Bourne an sein früheres Leben zu erinnern.
Der Psychiater Mo Panov hat ihm geholfen, sich an seine Jahre in Asien zu erinnern. In den sechziger Jahren muss er wohl im diplomatischen Dienst in Phnom Penh, der Hauptstadt Kambodschas, stationiert gewesen sein. Er hatte eine geliebte Familie: seine Thai-Frau Dao, seine vierjährige Tochter Alyssa und seinen sechsjährigen Sohn Joshua. Bis die Amerikaner eines Tages den Vietnamkrieg auf Kambodscha ausweiteten. Ein Kampfjet beschoss Bournes Familie und tötete alle. Die Armee suchte die Leichen eine Stunde lang. Bis zum heutigen Tag glaubt der von Schuldgefühlen zerrissene Jason Bourne, dass in den drei Särgen, die er beisetzen ließ, auch alle drei Familienmitglieder bestattet seien. Das erweist sich nun als Irrtum …
_Handlung_
Jason Bourne ist mittlerweile nur eine unterdrückte Unterpersönlichkeit des Linguistikprofessors, der sich David Webb nennt und an der Washingtoner Universität von Georgetown lehrt. Doch als drei Junkies einen kambodschanischen Studenten drangsalieren und zusammenschlagen wollen, um sein Geld zu bekommen, übernehmen die Reflexe des Profikillers Webbs Reaktionen und schlagen die Banditen in die Flucht. Der gerettete Student wundert sich, und David hofft, er werde den Vorfall schnell vergessen. David schaut sich jedoch fortan alle Studenten genau an und merkt sich mit seinem eidetischen Gedächtnis alle Gesichter.
Als eine Kugel in den Baum neben ihm einschlägt, übernimmt wieder Jason Bourne die Regie. David bringt sich in Sicherheit, kalkuliert die Schussrichtung und sprintet los, um den Heckenschützen zu erwischen. Er findet lediglich ein offenes Fenster in einem leeren Klassenzimmer vor. Nicht mal eine Patronenhülse! Das muss ein Profi sein. Aber wer hat es auf David abgesehen? Er ruft bei seinem besten Freund Alex Conklin an, doch der antwortet nicht. David ist alarmiert und düst mit seinem Wagen los.
Schon die Tatsache, dass Conklins Haustür unverschlossen ist, versetzt ihn in Alarmbereitschaft. Im Arbeitszimmer liegen Alex Conklin und Mo Panov tot, als wären sie hingerichtet worden. Ein Schock. Auf einem Notizblock findet David die Initialen NX20, ohne damit etwas anfangen zu können. Da hört er auch schon die Sirenen der Polizeiwagen herannahen. Er schnappt sich Conklins Handy und läuft in die Geheimgänge, die das Haus mit einem abgelegenen Hubschrauberlandeplatz verbinden. So kann er in den Wald entkommen und den Sicherheitskordon, den die Polizei sofort errichtet, durchbrechen.
Aber wer hat ihn in diese Falle gelotst? Denn nun müssen Polizei, Kripo und CIA annehmen, dass er selbst, David, der Mörder ist, zumal er auch noch seinen Fingerabdruck an einem Whiskyglas hinterlassen hat. Aber der Geruch des Whiskys hat eine Erinnerung bruchstückhaft wachgerufen: ein opulentes Hotelzimmer in Paris, und ein Mann, der aus den Schatten tritt – er scheint guter Freund Conklins zu sein. Aber wer er sein mag, will David nicht einfallen. Er hat bestimmt der Agency (CIA) zu tun.
Ein Angriff wirft David zu Boden. Sofort übernehmen seine Killerreflexe die Regie. Der Kampf Mann gegen Mann ist brutal und gnadenlos. Ist das der Kerl, der ihn an der Uni beschossen hat? David geht davon aus. Ein harter Handkartenschlag treibt den Angreifer in die Flucht, vorerst jedenfalls. Aber warum hat er ihn nicht gleich erschossen? Fortan bewegt sich David wieder wie im vietnamesischen Dschungel: vorsichtig, mit dem Wind und schnell. Er weiß auch schon, wo er seinen Verfolger stellen kann. In den Höhlen am Waldrand kommt es erneut zu einem Zweikampf, den David wiederum gewinnt. Doch statt dass sich der Angreifer im Lianennetz, das David zuvor ausgelegt hat, fängt, zerschneidet er es einfach.
Die letzte von Conklin angerufene Nummer auf dem Handy ist die eines guten Schneiders in Alexandria, einer Vorstadt von Washington, D.C. Doch der Weg dorthin ist weit und gepflastert mit Straßensperren, wie David bald herausfindet. Er schickt seiner Frau Marie das Notfallsignal per SMS: DIAMANT. Sie bestätigt mit der Antwortparole: SANDUHR. Das bedeutet, dass sie sofort ihre Kinder Jamie und Alison aus der Schule holt und in ein sicheres Versteck fährt. Um sie zu beschützen, ist Jason Bourne ab sofort wieder im Einsatz.
|Unterdessen in Budapest.|
Die tschetschenischen Freiheitskämpfer Hassan Arsenow, seine Geliebte Sina und zwei Männer treffen im Budapester Hauptquartier der Hilfsorganisation Humanistas ein. Dort empfängt sie Stepan Spalko herzlich. Sie begrüßen ihn als „Scheich“, als heiligen Mann, und als ihren spirituellen Führer. In einem geheimen Ritual schwören sich alle Treue im Namen der heiligen Sache, der sich alle verschrieben haben: dem Kampf gegen Amerika und den ungläubigen Westen.
Spalko teilt ihnen erfreut mit, dass er kurz davor steht, das Gerät für den Einsatz in Reykjavík fertigzuhaben. In der isländischen Hauptstadt soll der Antiterrorismusgipfel stattfinden, an dem der amerikanische und der russische Präsident sowie vier Führer arabischer Staaten teilnehmen. Welch ein Signal für den Rest der Welt, wenn diese Potentaten stürben! Die Welt würde vor den Tschetschenen erzittern, nicht wahr! NX20 werden sie schon in wenigen Tagen zum Einsatz bringen, versichert ihnen Stepan Spalko mit einem Grinsen.
_Mein Eindruck_
So sieht also die moderne Terrorismusszene aus. Unter dem Deckmäntelchen einer humanitären Hilfsorganisation gelangen Terroristen in alle Ecken und Enden der Welt, werden Freunde von Regierungen, breiten ihre Logistik überall aus. Und natürlich gibt es Spendengelder, besonders von reichen Leuten, die ihr Gewissen plagt. Stepan Spalko, der Protagonist dieser neuen Terrorismusstruktur, hat an alles gedacht und lange vorausgeplant. Er hat Regierungen in seine Hand gebracht und fanatische Freiheitskämpfer angeworben, Waffen verschoben und ihnen bereitgestellt. In seiner Budapester Zentrale hat er sogar seine eigene kleine Folterkammer, falls mal sein männlicher Charme nicht zur Überredung ausreichen sollte.
Leute, die ihm nicht genehm sind oder die sich als Widersacher erwiesen haben, wie Alex Conklin, lässt er durch seinen Auftragskiller Chan beseitigen. Chan ist eiskalt und erledigt auch mal tschetschenische Rebellenführer, die Spalko nicht willfährig genug sind. Hassan Arsenow wird auf diese Weise der Kopf der Rebellen und macht gerne bei Spalkos riskantestem Kommandounternehmen mit: in Reykjavík, wo die Sicherheitsmaßnahmen massiv sein werden.
Doch Spalko wäre nicht zugleich Menschenrechtler und Terrorist, wenn er nicht auch die Rebellen aufs Kreuz legen würde. Sein halbiertes Gesicht deutet seine Falschheit bereits sinnfällig an. Die eine Hälfte ist Kunsthaut, die eine verbrannte Gesichtshälfte bedeckt. Nur die andere ist menschlich geblieben – um die Trottel, die bei ihm Hilfe suchen, zu täuschen. Trottel wie Hassan Arsenow, der einfach zu viel Angst vor dem Tod hat.
Spalko umgarnt Hassans Geliebte Sina, die prompt darauf hereinfällt und sich seinem Versprechen einer gloriosen Zukunft mit Leib – und was für ein hübscher Leib! – und Seele verschreibt. Aber wird Spalko letzten Endes, wenn es darauf ankommt, seine Versprechen halten und sie mit auf seinen Lebensweg nehmen? Man darf es wohl bezweifeln. Doch diesem Gedanken verwehrt sich Sina, denn schließlich kann ein Scheich und Geliebter sie doch nicht verraten, oder?
Dieser Roman dreht sich um die Welt des modernen Terrorismus wie auch um dessen hohle und falsche Versprechungen, die nichts als Tod und Leid über Täter und Opfer bringen. Die neue Weltordnung, die Leute wie Spalko versprechen, erweist sich auch für die Terroristen selbst nur als Illusion, als Schattenspiel. Es beweist, dass die Strippenzieher keine Ideale mehr haben, sondern ihre Helfer verraten und verkaufen, solange sie selbst fein raus sind. Dass der Einsatz des NX20, eine biologischen Kampfstoffs, auch Spalko zu einem erfolgreichen Erpresser machen wird, dürfte wohl klar sein. Wer solchen Terror verbreiten kann, braucht sich um Gefolgschaft und „Spendengelder“ kaum Sorgen zu machen.
|Jason Bourne|
Nur Topleute wie Jason Bourne können Typen wie Spalko stoppen. Zunächst sieht der Roman wie die übliche Schnitzeljagd mit Hindernislauf aus. David Webb alias Jason Bourne, wie ihn die CIA nennt, bekommt hier und da vereinzelte Hinweise, die ihn zur nächsten Anlaufstation führen, wo ein weiterer Hinweis wartet. Und so weiter. Um das altbekannte Spiel etwas schwieriger zu gestalten, wird er von der CIA für vogelfrei erklärt und somit ein weltweit Gejagter. Er soll ein psychopathischer Serienkiller sein. Selbst die Sicherheitsberaterin des US-Präsidenten fordert seinen Kopf und treibt den CIA-Direktor mit ihren Vorwürfen der Inkompetenz zur Weißglut. Er nennt sie fortan nur noch „Hexenweib“. (Sie hat auffällige Ähnlichkeit mit der aktuellen Außenministerin der USA …)
Doch Bourne war selbst mal bei der Agency und kennt alle ihre Tricks und Macken. So gelingt es ihm immer wieder, dem Netz zu entschlüpfen, allerdings nicht ohne jede Menge Action. Das ist eines der Standardmerkmale der Bourne-Thriller. Beim Lesen kam ich auf den ersten 200 Seiten kaum einmal zum Verschnaufen. Die Actionszenen selbst sind anschaulich, für Kampfsportler nachvollziehbar und haben stets plausible Folgen. Bourne ist ja kein Superman und holt sich durchaus mal gebrochene Rippen und jede Menge Prellungen und Narben. Zu guter Letzt fällt er auch noch dem Folterknecht Stepan Spalko in die Hände. Ihm bleibt eben nichts erspart.
|Beistand|
Der Autor Lustbader hat Ludlums Vorlage genommen und gleich mal das Schachbrett neu geordnet. Alex Conklin macht einen unvermittelten Abgang, dafür bekommt eine neue wichtige Figur einen Auftritt: Chan. Doch Chan, der Killer aus Kambodscha, ist keine zweidimensionale Chiffre wie so viele Actionfiguren, sondern muss zu seiner eigenen Verblüffung feststellen, dass er ein Seelenleben hat, das einfach nicht stillschweigen will. Und das liegt offensichtlich an Jason Bourne.
Immer wieder hat Chan den Albtraum, in dem er in einem Fluss versinkt. Zu seinem Entsetzen sieht er, wie eine Leiche ihn am Fuß gepackt hat und in die Tiefe zieht. Einige Albträume später hört er eine Stimme, die „Li-li!“ ruft, und er stellt verblüfft fest, dass es seine eigene Stimme ist. Woher kommt dieser Name, und wer ist das Mädchen, das ihn hinabzieht? Die Antwort erhält er zu seinem Erstaunen von keinem anderen als Jason Bourne.
Mehrmals hat Chan Gelegenheit, Bourne umzubringen, so etwa in Paris auf dem Frachtflughafen. Doch er tut es nicht, und das wundert ihn selbst am meisten. Denn Bourne hat ihn in einem Park in Washington gefragt, wer er selbst sei. Und Chan konnte es ihm nicht sagen. Zunehmend gelangt Chan zu der Überzeugung, der angeblich tote Sohn Joshua von Jason Bourne zu sein. Aber davon will Bourne natürlich nichts wissen, denn seine Schuldgefühle bezüglich Joshuas Tod sind viel zu groß. Sie würden ihn gleich außer Gefecht setzen und unfähig machen, gegen seine Gegner zu kämpfen.
Chan seinerseits empfindet eine unbändige Wut auf seinen Vater – vermeintlich oder tatsächlich, das muss sich noch erweisen -, denn er glaubt, Jason Bourne habe ihn seinerzeit im Stich gelassen. Chan hatte danach unglaubliches Leid zu erdulden, schloss sich den Roten Khmer an und wurde zum professionellen Killer. Auch wurde er mehrmals verraten, nicht zuletzt von einem weißen Missionar, der ihm das Lesen und Schreiben anhand der Bibel beibrachte. Chan vergleicht sich mit Jona, der aus dem Bauch des Wal auftauchte. Vielleicht ist er aber auch der Weiße Wal Moby Dick, der seinen Jäger Ahab vernichten will.
|Bekehrung|
Mich hat der Werdegang Chans zunehmend beeindruckt, denn solche psychologischen Veränderungen einer Hauptfigur findet man in Actionthrillern nur sehr selten. Zugleich muss sich auch Jason Bourne verändern, um einen solch gefährlichen Mitspieler an seiner Seite zu dulden. Jason alias David Webb wird selbst böse verraten und kann nur mit Chans Hilfe die Katastrophe in Reykjavík abwenden.
Zugleich bietet der Autor mit der Bekehrung des Terroristenhelfers Chan eine positive Alternative zu den Destruktionsmissionen des Terroristen. Aus psychologischer Sicht ist dies sehr spannend zu verfolgen, wie ich finde. Und es kommt im Finale zu bewegenden Szenen. Nicht jeder Autor würde sich dies trauen. Aber im Rahmen eines Ludlum-Romans ist vielleicht vieles möglich, das in anderen Thrillern nicht umsetzbar wäre. Einige solche Elemente hat Lustbader bereits in dem Dan-Brown-Imitat „Testamentum“ gezeigt. Insgesamt sind mir aber seine Fernost-Thriller um Nicholas Linnear immer noch lieber, besonders „Ninja“ und „Miko“.
|Die Übersetzung|
Wulf Bergner ist schon seit Jahrzehnten als Übersetzer für |Heyne| tätig. Das belegen seine unzähligen Übersetzungen aus der frühen Science-Fiction-Reihe, die 1964 startete. Eines der überzeugendsten Merkmale von Bergners Stil sind die umgangssprachlich üblichen Zusammenziehungen wie etwa „wär’s“ und „hätte er’s“. Sie sorgen für einen weitaus weniger steifen Sprachduktus der Dialoge. Diese wirken dadurch natürlicher, realitätsnaher, denn so sprechen Menschen wirklich.
Druckfehler fand ich kaum welche, so etwa „wie“ statt „wir“ und dergleichen. Das lässt auf eine positive Entwicklung in den Verlagen schließen. Vielleicht werden ja sogar wieder Korrektoren eingesetzt!
_Unterm Strich_
Ich habe die 700 Seiten dieses Thrillers in nur drei Tagen verschlungen. Der Einstieg ist einfach, wenn man mal eine der Bourne-Verfilmungen gesehen hat. (Es gibt ja auch eine mit Richard Chamberlain.) Die Action geht sofort im Prolog los und lässt dann bis zum Schluss nicht mehr nach. Der Leser kann sich zurücklehnen und das Adrenalin spüren und genießen.
Die gewohnte Bourne-Action ist eine Schnitzeljagd mit Hindernisrennen. Der Held hat ein schweres Handicap in seinem fehlenden bzw. bruchstückhaften Gedächtnis, was er aber mit formidablem Körpereinsatz und Grips wettmacht. Die Bösewichte sind Terroristen, ihm auf den Fersen ist aber auch die CIA.
Doch diesmal kommen zwei neue Elemente hinzu: In der CIA beginnt der Vize an Bournes Schuld zu zweifeln und kann sogar seinen verbohrten alten Boss davon überzeugen (allerdings erst nach ungefähr 600 Seiten). Die Agency ist also im Unterschied zu den Darstellungen in den Filmen nicht durchgehend schlecht.
Und Jason Bourne findet in Chan einen unverhofften Helfer. Was als Drohung aus der Vergangenheit beginnt, führt zu einer Wandlung sowohl in Bourne als auch Chan und bringt beide in einem gemeinsamen Einsatz zusammen. Doch Chans Weg zur Anerkennung Bournes als seinen Vaters ist noch weit. Immerhin ist er in der Lage, in einer sterbenden Terroristin eine verwandte Seele zu erkennen. Das ist für seine eigene Entwicklung sehr wichtig, denn wer will schon für immer ein einsamer Killer sein?
Gleichzeitig präsentiert der Autor mit Chans Bekehrung eine positive Alternative zum Terrorismus. Allerdings funktioniert sie nur ganz individuell. Aber sie ist besser als das, was Hassan, Sina und all die anderen von Stepan Spalkos „Jüngern“ erleben müssen: Dass die Welt, die sie herbeibomben wollen, nur eine Illusion voller Verrat ist.
Am sympathischsten finde ich an Bourne, dass er fast nie eine Schusswaffe einsetzt. Das hat er mit Lustbaders anderem Helden Nicholas Linnear gemeinsam, der ebenfalls auf Hände und Füße als Waffen setzt. Und wenn er mal schießt, dann nur mit einer Keramikpistole, die von den Metalldetektoren der Flughafenkontrollen nicht erfasst wird. Clever boy!
Fazit: ein Volltreffer.
|Originaltitel: The Bourne Legacy, 2004
703 Seiten (ohne Anhang)
Aus dem US-Englischen von Wulf Bergner
ISBN-13: 978-3-453-43241-3|
http://www.heyne.de