|Fortsetzung von [Teil 1]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=70 |
_Specials_
Wie in den ersten Aufführungen 2002 und 2003 gibt es immer wieder von Dieter Wedel gedrehte Filmsequenzen auf Großleinwand. Auf die Bühne fahren richtige Autos – ein Jeep und ein Mercedes Cabrio aus Siegfrieds Fuhrpark. Auch ein Pferd – der Schimmel „Sidestep“ aus früheren Inszenierungen – taucht im Stück auf, aber dessen Tod wird durch eine Attrappe dargestellt. Auch drei große Hunde sind mit dabei. Das imposante Eispferd der früheren Jahre wird wieder eingesetzt, 2002 noch aus wirklichem Eis, seit 2003 aber schon aus Plexiglas; es wiegt drei Tonnen und ist vier Meter hoch, 3,5 Meter lang und 1,5 Meter breit. Eingelassene Scheinwerfer geben ihm eine mystische Atmosphäre und aus seinen Nüstern bläst Dampf. Brünhild reitet darauf in den Hofstaat ihres neuen Ehemannes ein. Ein anderes großes Monument ist der Kopf Dankwarts, der ist allerdings aus Styropor. Diese Statue birst auseinander, als Siegfried untermalt von lauten, grollenden Geräuschen an den Burgunderhof kommt. Das geschieht wie bei den Rollcontainern durch Muskelkraft, innen sitzen zwei der fünfzehn Bühnentechniker. Oben auf der Statue liegt Grillkohle, eine Nebelmaschine springt an und die Techniker ziehen an einem Seil. Die Illusion ist perfekt. Nach Siegfrieds Tod brennt ein Tisch und Flammen leuchten im Dunkeln um Siegfried auf. Dies ist ein beeindruckender Trickeffekt, der zustande kommt, indem ein Mitarbeiter unterm Tisch sitzend auf Kommando eine Gasflasche aufdreht.
Auch beeindruckend sind mächtige Rollcontainer, die beim Ablauf die Bühne verändern. Gleich zu Beginn gibt es eine spektakuläre Szene, wenn am Ende der Brautwerbung des finnischen Königs Jukka Thor durch die männermordende Brünhild dieser und seine Begleiter einen grausamen Tod sterben, indem er und seine Mannen in eine sich plötzlich auftuende Gletscherspalte stürzen und auf Nimmerwiedersehen im eiskalten Nebel Islands verschwinden. Diese technische Perfektion geschieht noch durch Manneskraft, denn in den Rollcontainern, die immer wieder auf- oder zugehen, stehen jeweils sechs starke Jungs, die von Stage-Manager Detlef Hahne kommandiert werden. Diese Jungs schieben die jeweils vier Tonnen schweren, auf Schienen und Rollen dahingleitenden, 13 Meter langen Container mit erstaunlicher Präzision in die vorbestimmten Positionen. Auch sonst ist diese Eingangsszene in waberndem Nebelblau für die urzeitliche Szene auf Isenstein und das archaisch anmutende Frauenvolk ein ästhetischer Genuss. Brunhild und ihre Begleiterinnen stehen auf Plaxiglasböden, die von unten angestrahlt werden und die Szene in ein eisiges Licht tauchen.
Detlef Hahne hat zwei Bühnenmonitore zur Verfügung, mit deren Hilfe er das Geschehen auf der Bühne genauestens verfolgen kann, und einen kleineren für die Videoeinspielungen. Er orientiert sich am Textbuch, in das er seine Kommandos notiert hat, wobei er das meiste auswendig kann. Er hat zusätzlich zwei Headsets zur Verfügung, also Kopfhörer und Mikrophone, und ein Mischpult für Lichtsignale.
Eine Ton- und Lichtcrew sorgt im Hintergrund für perfekte Technik. Aus dem 16 Quadratmeter großen Tonstudio hoch oben am Ende der Tribüne wird jeder Lautsprecher verwaltet. Jede Sprechrolle hat eine eigene Taste, jedes Störsignal wird herausgefiltert. Auf Tastendruck werden auch über 400 Lichtquellen, Lampen, Leuchter und Strahler bedient. Gearbeitet wird mit computergesteuerten und programmierten Effektreihen, für den Notfall steht ein manuelles Mischpult bereit. Wichtigstes Werkzeug ist ein hochauflösender Computer. Was hier im Hintergrund gemacht wird, ist sensationell, denn alles ist „wireless“ – also drahtlos und „netzwerkfähig“ und als Technik erst seit kurzem auf dem Markt. Ein Teil der Crew steht auch bereit, um verrutschte Mikrophone wieder in Position zu bringen oder Defekte zu beheben.
Die Bühnentechnik besteht aus etwa 80 Tonnen Stahl, Holz, Licht- und Tontechnik.
Die eingespielten Filmszenen, die viele vor vier Jahren noch als Fremdkörper empfanden, fügen sich nunmehr schlüssig in das Handlungsgeschehen ein und erscheinen durchaus sinnvoll. Sie erscheinen nicht mehr als Lückenfüller, z. B. kann man die eigentliche Hochzeit im Wormser Dom nun originalgetreu von außen stilecht betrachten.
Heftig im Vorfeld der Festspiele wurde eine manchen mit 30.000 Euro zu teuer erscheinende Brücke diskutiert, die dann aber doch billiger wurde als geplant und die Bühne mit dem Heylshofpark verband. Im Vorfeld hatte die CDU diese Brücke kritisiert, sich dann aber doch überzeugen lassen, dass es die einzig praktikable Lösung sei. Aber spätestens bei der Premiere mussten auch alle anderen Kritiker eingestehen, dass diese absolut notwendig war, um möglichst schnell zweieinhalb tausend Menschen in die Pause und zurück bewegen zu können. Für die richtige Festspiel-Atmosphäre war sie unentbehrlich. Erbaut wurde sie durch Spezialisten der Tribünenbaufirma Nüssli (Roth), die auch für die eigentliche Zuschauertribüne zuständig war, deren diesjährige Höhe 13 Meter betrug. Die Firma Nüssli ist im vierten Jahr mit in Worms dabei. Eine solche Anlage wird natürlich auch TÜV-überprüft, aber die Arbeiter haben gute Erfahrungen, denn sie sind auch bei den Olympischen Spielen mit dabei. Die Bühne selbst ist 29 Meter breit, 20 Meter tief und nahe an den Zuschauern, eingebaut waren auch drei Hubpodien. Mit den schon genannten Rollcontainern konnte die Bühne zudem noch unterteilt werden. Da diese auch zusätzliche Türen hatten, konnten dadurch weitere Auftrittsorte genutzt werden. Die Überwachung der Arbeiten unterlag dem technischen Leiter Michael Rütz.
Zum Premierenabend ist das Catering-Equipment mit acht Lastwagen angerückt. 130 Servicekräfte waren im Einsatz und nochmals 40 Köche. Für die 300 Prominenten beim Bürgermeister-Empfang gab es asiatische und andere Leckereien und nach der Premierenvorstellung für die insgesamt 2100 geladene Gäste halben Hummer, verschiedene Wok-Stationen bis hin zu ländlich-edlen Speisen. Das Service-Team mit seinen unzählbaren Hostessen, die auskunftsfreudig jederzeit zur Verfügung stehen, genießt überhaupt einen sehr guten Ruf. Der Catering-Bereich wird seit zwei Jahren vom Personal der Firma „Servcat“ betreut. Für die Schauspieler steht neben vegetarischem Essen Diätkost oder auch mal was Deftiges auf dem Speiseplan. Aber darüber hinaus gibt es auch Kopfschmerztabletten, Tageszeitungen und natürlich tröstende Worte bei zu schwierigen Proben. Im Catering-Bereich trifft sich jährlich über sechs Wochen hinweg ein buntes Völkchen, bestehend aus Technikern, Künstlern, Presse und Organisation. Es stehen insgesamt 25 Container und 20 Zelte um den Dom.
Besonders geschätzt von Aufführungsbesuchern mit etwas mehr Geld wird das VIP-Arrangement. Seit vier Jahren serviert Sternekoch Wolfgang Dubs im historischen Ambiente des Andreasstiftes ein exzellentes Vier-Gänge-Menü mit besten Weinen aus der Region. Danach folgt ein Festspielbesuch mit Plätzen in der ersten Kategorie. Dieses Angebot wird immer beliebter. Seit letztem Jahr wird der komplette Innenhof des Andreasstiftes genutzt, um der stetig steigenden Nachfrage nachkommen zu können. Neu in diesem Jahr ist die Beteiligung der DaimlerChrysler AG, die die Fahrzeuge für den Fahrdienst stellt. Die Gäste werden von zehn exklusiven R-Klasse-Fahrzeugen vom Andreasstift abgeholt und zum Dom chauffiert. Neben VIP-Parkplatz, Hostessenservice und VIP-Lounge in der Pause runden weitere Extras das exklusive Angebot ab. Der Preis für diesen Rundum-Service beträgt 195 Euro.
Auch Menschen, die keine Vorstellung besuchen, können das wunderschöne, illustre Ambiente genießen. Zwar ist für Touristen tagsüber während der Festspielzeit der Park geschlossen, aber ab 18 Uhr ist er offen und es gibt Essen und Trinken zu akzeptablen Preisen. Unter dem Motto „Essen im Park“ ist das Festspielresteraunt geöffnet und offeriert Köstlichkeiten vom Team des Resteraunts „Zum Stolpereck“. Und trotz des durchgehend miesen Wetters lag die Besucherkapazität 150 Prozent über dem Vorjahr.
_Rahmenprogramm_
Die Filmaufführungen der letzten Jahre wie auch das musikalische Open-Air-Programm aufgrund des Musikwettbewerbs vom letzten Jahr fanden nicht mehr statt, wobei viele im Vorfeld damit gerechnet hatten dass die Gruppe _Weena_, welche den glanzvollsten Eindruck hinterließ, nunmehr ihre Rockoper aufführen dürfte. Immerhin spielten sie stattdessen einige Stücke während der Vernissage zur Pop-und-Kitsch-Ausstellung (siehe weiter unten). So bleibt darauf zu hoffen, dass vielleicht im nächsten Jahr die ganze Nibelungen-Oper auch in Worms einmal aufgeführt werden kann. Im gedruckten Rahmenprogramm standen vierundzwanzig Sonderveranstaltungen. Im fünften Jahr ist es zum Ereignis neben dem Ereignis geworden.
_Benefiz-Vorstellung einer kindgerechten Aufführung des Nibelungenstücks_
An einem Sonntagmittag spielte das komplette Ensemble eine Version für Kinder, deren Erlös dem Bau einer Schule in Namibia zugute kommt. Das war eine Premiere – angeregt von Dieter Wedel und Joern Hinkel – in diesem Jahr. Auch hier kostete die Karte nur fünf Euro (wie schon bei der Generalprobe oder auch beim Stück der Nibelungenhorde). Die Vier-Stunden-Version wurde auf 90 Minuten heruntergestrichen und Thilo Keiner, der im Stück schon den finnischen König und den Mundschenk Sindold spielt, trat hier noch zusätzlich als Erzähler auf, der durch die Handlung führt. Er agierte dabei auch im Publikum und stellte direkte Fragen an die zuschauenden Kinder. Gestrichen wurden vor allem die nicht kindgerechten Szenen, wie die Vergewaltigungen der Isländerinnen. Auch zeigte sich Kriemhild (Jasmin Tabatabai) gemäßigt und warf als wütende und betrogene Ehefrau der Brünhild nicht ganz so böse Worte ins Gesicht. Die Schlachtszenen oder wenn der Finnenkönig und seine Mannen auf Island ins Meer stürzen fehlten allerdings nicht. Begeistert feuerten die Kinder mit „Siegfried, Siegfried“-Rufen den Helden an und amüsierten sich sehr, als Gunther unter Gestöhne von Brunhild am Baum hochgezogen wurde. Viel Gelächter gab es auch bei den witzigen Szenendialogen zwischen dem atemlosen Boten und dem Burgwächter Eisermann. Mit Klatschen, Trampeln und Rufen dankten am Ende auch die Kinder den Schauspielern.
_Nibelungenhorde_
Dahinter verbirgt sich ein ehrgeiziges Jugendprojekt für Theaternachwuchs. Die Idee entstand unter anderem durch den Film „Rhythm is it“. Auch dort wurden die schöpferischen Kräfte der jungen Menschen durch Profis aktiviert. Jugendliche sollen ohne besondere Vorbildung animiert werden, Unbekanntes auszuprobieren. Intention des Projektes ist, Interesse an Kultur zu wecken und erlebbar zu machen, indem Parallelen zwischen der eigenen Persönlichkeitsentwicklung und literarischen Figuren gezogen werden – sowie Einblicke in die professionelle Theaterarbeit zu geben. Laut einer Umfrage des ZfKf sind zudem Jugendliche, die sich für Kultur interessieren, toleranter gegenüber fremden Kulturkreisen. Schulen in ihrer traditionellen Form können die Defizite bei der Kulturvermittlung in der Regel nicht alleine ausgleichen. Pädagogischer Ansatz ist, durch professionelle Anleitung Kreativität und Selbstbewusstsein zu fördern sowie persönliche Emotionen und Phantasie einzubringen.
Gesponsert wurde das Ganze von Seiten der Wirtschaft durch Harald Christ, Vorstand der HCI Capital AG, mit einer fünfstelligen Summe. Christ wurde in Gimbsheim geboren und hatte seine Ausbildung bei den Stadtwerken in Worms. Es folgte eine Bilderbuchkarriere. Jüngster Vertriebsdirektor bei BHW, anschließend Direktor der Deutschen Bank in Frankfurt und Berlin, übernahm er die Führung der HCI Capital AG. Noch immer ist er sehr heimatverbunden und sein besonderes Anliegen dabei ist die Förderung von Jugend, Kultur und Bildung. Das Nibelungenprojekt spricht alle drei Bereiche an und passt in seine Strategie. Zudem empfindet er die Nibelungenfestspiele als ein deutschlandweit einzigartiges Kulturereignis. In den nächsten zwei Jahren will er ca. eine Million Euro in verschiedene Projekte der Region investieren, die in eine Stiftung übergehen sollen, damit daraus ein lebenslanges Projekt werden kann. Er legt Wert auf die Feststellung, dass seine Sponsorenschaft aus seinem Privatvermögen finanziert ist.
Das Casting fand im Februar 2006 statt. Jugendliche zwischen 14 und 20 Jahren aus dem gesamten Rhein-Neckar-Raum wurden angesprochen. Aus rund 60 Interessenten suchte Uwe John 43 aus, die kostenlos teilnehmen konnten. Das Projekt wurde von elf zusätzlichen Jugendlichen redaktionell begleitet und später in einem Film, auf Fotos, einer Jugendkurs-Broschüre und einer Website (www.nibelungenhorde.de) dokumentiert. 40 junge Leute (drei waren wohl abgesprungen) erhielten seit dem 26. Juli vier Wochen lang intensive Theaterarbeit, während der der Stoff neu erzählt, die Rollen verteilt und eine passende Musik komponiert wurde. Zur Vorbereitung und zum Kennenlernen trafen sich alle Beteiligten aber schon am 1. April. Mit dabei waren die Teilnehmer der Jugendkurse, das Redaktions-, Dokumentations- und Websiteteam, der Regisseur, die Koordination, die künstlerischen Paten („Allee der Kosmonauten“) sowie der Musiklehrer. Davon stammt auch der zu sehende Trailer des genannten Internet-Links. Gleich mit Beginn der Proben begleitete ein Team des Südwestrundfunks das Projekt und am ersten Tag der Proben gab es schon einen Eindruck in der Sendung „Rheinland Pfalz aktuell“.
Die meisten Jugendlichen hatten sich auf Grund ihres Interesses an der Schauspielerei auf das Projekt eingelassen, aber es gab auch drei (Sissi, Swantje und Jens), die es aufgrund ihrer Mittelalter- und Rollenspielbegeisterung tun. Geprobt wurde acht bis zehn Stunden am Tag an sechs Tagen die Woche. Jeden Samstag wurde mit allen an der Textfassung des Nibelungenstücks gearbeitet. Es ging nicht um das Ergebnis, sondern um die Ausbildung. So sah man das Ergebnis auch eher als Werkschau denn als Theaterstück. Aber die Aufführung im Wormser Festhaus mit einer Länge von eineinhalb Stunden war beeindruckend, gut besucht und wurde mit stehendem Applaus belohnt.
Das Stück, das gar keinen eigenen Namen hat, handelt von Siegfried (Gianmarco Steinhauer aus Worms), dem Helden aus Xanten, der im Grunde das Gleiche erlebt wie auch in der originalen Geschichte. Er trifft Brunhild (Marie-Luise Raumland aus Flörsheim-Dalsheim), besiegt den Drachen, schlichtet den Streit der Nibelungenkönige mit dem Schwert und erhält so den Hort. Er holt, weil ihm Kriemhild dafür versprochen wird, Brunhild an den Wormser Hof – allerdings im Alleingang und rottet dabei die gesamten Isländer aus. Ulrike Schäfer von der Wormser Zeitung betont dabei als großen Unterschied zur Vorlage, dass Siegfrieds Heldentum von Anfang an problematisiert wird, Brunhild liebt ihn zwar, aber er ist ihr zu äußerlich, zu ungar. „Ich weiß, dass du zwar alles zerquetschen kannst, aber wichtiger ist mir deine Seele“. Deshalb rät sie ihm zu lernen, sich weiterzuentwickeln. Siegfried aber gelingt es nicht, aus seinen Erfahrungen Lehren zu ziehen. „Wenn du sie besitzen willst, ohne sie zu lieben, kann es dich dein Leben kosten“, rieten die Isländer dem jugendgerechten Siegfried gleich zu Beginn. In dieser Version wird Siegfried also von Brunhild abgewiesen.
Die Interpretation der Nibelungenhorde orientiert sich an den mythologischen Vorbildern, ist aber in die Gegenwart transportiert. Es sind Gangs, die das Sagen haben, die Burgunder, die Dragons, die Nibelungen, es geht um Geld, Drogen, Besitz, Macht. Auch die Nibelungen selbst sind nichts anderes als eine Hinterhofgang mit kaputten Autos, koketten Bräuten, einem abgedrehten Giselher und einem Volker, der mit Gitarre und coolen Sprüchen ständig Frauen abschleppt. Dem steht die naturverbundene Brunhild entgegen, für die innere Werte und die Bildung der Seele eine entscheidende Rolle spielen. Kriemhild dagegen ist eine bildhübsche, schmollmündige Diva mit Neigung zu Klunkern und schicken Schuhen. Der Streit der Königinnen dreht sich dann hauptsächlich um Weltanschauungen. Die durch Siegfried komplett vernichteten Isländer kriechen am Ende noch mal als Geister heran. Doch dann fällt auch schon der Schuss und das ist bereits Ende.
Das Stück ist mit sparsamen, aber effektvollen Mitteln in Szene gesetzt. Die Darstellung der Drachengang, die wie ein Riesenleib aus vielen beweglichen, stampfenden und kämpfenden Teilen erscheint, begeistert ebenso wie der Chor der Isländer, der durch präzise Koordination eine starke Wirkung erzielt. Eingeübt wurde diese Drachenchoreografie von Warren Richardson (STOMP), die an einem Wochenende zusammen mit der Choreografie von Siegfrieds Tod einstudiert wurde. Die witzige Charakteristik der Figuren überzeugt genauso wie die Umsetzung der Handlung, der Reichtum der Dialoge, die plausible Übertragung auf die heutigen Verhältnisse.
Initiatorin und Projektkoordinatorin ist Astrid Perl-Haag, Regisseur ist Uwe John, Antje Brandenburg Sprachtrainerin, Jannis Spengler Körpertrainer, Philipp Pöhlert-Brackrock Musikimprovisateur und Warren Richardson Choreograf. Täglich wurde unter der Leitung von Uwe John, dem Regieassistenten von Dieter Wedel, mit den namhaften Trainern gelernt, geprobt und einstudiert in verschiedenen Bereichen wie Improvisation oder Körper- und Sprachtraining. Auch erhielten sie Einblick in die „professionelle“ Theaterarbeit bei den Festspielen, besuchten deren Proben und sahen natürlich auch eine der Aufführungen. Auch mit Moritz Rinke wurde gearbeitet, der von seiner Dramaturgie erzählte. Und unter der Anleitung von Thomas Haaß und Karsten Rischer bekamen sie Fechtunterricht. Eine dieser Fechtstunden wurde von einem Fernsehteam des Südwestrundfunks gefilmt, das sich gerade auf Motivsuche für die Sendereihe „Fahr mal hin“ auf den Spuren der Nibelungen bewegte.
Das Projekt geht weiter. Durch diese Jugendkurse ist ein Anfang für Jugend-Kultur im Rhein-Neckar-Raum gemacht worden, der sich in Kooperation mit Schulen und Jugendorganisationen weiter fortsetzten wird. Als nächstes werden die Songs der „Nibelungenhorde“ mit der bekannten Rockband „Allee der Kosmonauten“ (Mischa Martin aus Kaiserslautern – Gesang – und Jürgen Fürwitt – Schlagzeug – waren von Anfang an schon die künstlerischen Paten und unterstützten die Jugendlichen in ihrer Arbeit) auf CD erscheinen. Die Band bietet deutschsprachige Rock- und Popmusik mit hochrangigem Songwriting. Bekannt wurden sie durch den Song „Du bist nicht allein“. Selbstgestaltete Schweineplastiken mit Signierungen der Schauspieler werden in Zusammenarbeit mit der Sparkasse versteigert, deren Erlös dem Projekt zukommt.
_Ausstellung: Die Nibelungen – Pop und Kitsch_
Während der Festspiele gab es im Historischen Museum Andreasstift eine Ausstellung der besonderen Art mit Nibelungen-Sammlungen seit den 60er Jahren. Private Leihgeber haben die Ausstellungsgegenstände zur Verfügung gestellt. Der größte Teil stammt von Andreas Grünewald aus Weimar, der auch seit 2003 Mitglied der Nibelungenlied-Gesellschaft ist. Grünewald kommt deswegen öfter zu den Sitzungen der Gesellschaft nach Worms, natürlich jedes Jahr zu den Festspielen oder auch wie im April dieses Jahres zur „Höfischen Tafel“ im Andreasstift. Zur Vernissage begrüßte Bürgermeister Georg Büttler; Werner Marx hielt eine Einführung in die Ausstellung und gab eine Definition von Kitsch. Dr. Olaf Mückain vom Nibelungenmuseum sprach die Dankesworte und die Gruppe „Weena“ begleitete musikalisch mit Ausschnitten aus ihrer Nibelungen-Oper. Für die Besucher gab es Sekt und kleine Leckereien. Unter ihnen war auch der ehemalige Kulturdezernent Gunter Heiland. Im Grunde ist diese Ausstellung ganz trivial und zeigt auf, was Comics, Sexfilme und Sammelbilder mit den Nibelungen zu tun haben. Zusätzlich wurde als Ergänzung im Nibelungenmuseum im dortig ehemaligen „Schatzraum“ und jetzigen „Mythen-Labor“ eine Kabinettausstellung mit Kinoaushangbildern und Plakaten der Nibelungenfilme der 60er Jahre („Die Nibelungen“, Teil 1 und 2 von Harald Reinl sowie „Siegfried und das sagenhafte Liebesleben der Nibelungen“ mit Raimund Harmsdorf) gezeigt. Zusätzlich präsentierte das Nibelungenmuseum zur Ausstellung innerhalb des jährlichen Museumsprogramms einen Vortrag mit Daniel Dietrich aus Ludwigshafen, der den Einflüssen der Mythen auf moderne Filmklassiker nachging. Dazu wurden entsprechende Ausschnitte der einschlägigen Filme von George Lucas, John Boorman und Harald Reinl gezeigt. Die Beispiele machten deutlich, dass die lichten Gestalten und diabolischen Figuren von Kultstreifen wie „Star Wars“, „Excalibur“ oder „Der Fluch des Drachen“ ihre Faszinationskraft aus den Archetypen antiker und vor allem mittelalterlichen Sagenquellen beziehen. Im Worms-Verlag ist für acht Euro ein gleichnamiger Katalog zur Ausstellung erschienen. Die Ausstellung „Nibelungen – Pop und Kitsch“ war die erste städtische Nibelungenausstellung zu Kunst (wenn auch Kitsch) seit 25 Jahren. Damals wurde „Das Nibelungenlied in der deutschen Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts“ ausgestellt.
_Heike Makatsch: Liebeslyrik von Bob Dylan und Walter von der Vogelweide_
Zwar trennen die beiden 800 Jahre, aber sie haben viel gemein. Beide sind Außenseiter und Revolutionäre, geben in jungen Jahren ihre Heimat auf, um auf Wanderschaft zu gehen und mit ihren Liedern zu bezaubern und zu entzaubern. Bei beiden stehen die großen Themen Liebe und Gesellschaftskritik im Mittelpunkt. Sie genießen bereits zu Lebzeiten ein großes Publikum, sie singen von den Ärmsten und den Reichsten, Bob Dylan wird als einziger Songtexter sogar für den Literatur-Nobelpreis vorgeschlagen. Und beide misstrauen ihrem eigenen Ruhm. Sie suchen vor allem nach einem: nach Freiheit und Unabhängigkeit vom Staat und von der Liebe. Film- und Fernsehstar Heike Makatsch hatte diese Lesung eigens für die Nibelungen-Festspiele zusammengestellt. Mitgeholfen an der Zusammenstellung hat ihr Joern Hinkel, der Regieassistent von Wedel, der das Projekt auch initiierte. Heike Makatsch hatte er 1999 eher zufällig beim Casting von Dieter Wedels „Affaire Semmeling“ kennen gelernt und seitdem hatten sie vor, etwas zusammen zu machen.
Heike Makatsch hatte 1995 in der Komödie „Männerpension“ von Detlev Buck ihren ersten Kinoauftritt. Dann folgte ein Filmhit nach dem anderen: „Aimée und der Jaguar“, „Nackt“ oder „Bin ich schön“. Im Fernsehen beeindruckte sie vor allem in Wedels Mehrteiler „Die Affaire Semmeling“ und in „Das Wunder von Lengede“. Seit 1999 ist sie auch im Ausland erfolgreich durch „Tatsächlich … Liebe“ neben Hugh Grant, Emma Thompsen und Liam Neeson.
_Ben Becker: Lesung aus „Berlin Alexanderplatz“_
Der Schauspieler Ben Becker las im Spiel- und Festhaus aus dem Roman von Alfred Döblin. Zwar gibt es keinen Bezug vom Roman oder Ben Becker zu den Nibelungenfestspielen, aber das war bislang bei der Auswahl des Rahmenprogramms auch nie entscheidend. Selbst Berliner und zudem bestens vertraut mit dem Roman durch die Inszenierung am Maxim Gorki Theater, für die Hörbuchlesung und Bühnenfassung, war er geradezu prädestiniert, dies in Worms zu tun. Die Leseszenen wurden zurückhaltend und sparsam musikalisch von Jacki Engelken und Ulrik Spies mit Geräuschtupfern untermalt. Drei Stunden las Becker kraftvoll mit tief vibrierender Stimme und dabei die Hauptfigur in authentischem Berliner Dialekt sprechend. Schon zur Pause wurde frenetisch applaudiert, da die meisten dachten, es sei schon Schluss. Am Ende wurde dann entsprechend genauso applaudiert. Anfragen, ob er im nächsten Jahr als Darsteller bei den Nibelungen-Festspielen dabei wäre, verneinte er. Er sei auf die nächsten zwei Jahre ausgebucht.
_Christian Quadflieg: Heinrich Heine_
Heine ist nach wie vor in Deutschland umstritten und wird von vielen als „Nestbeschmutzer“ kritisiert. Aber nach Johann Wolfgang von Goethe ist er sicherlich der größte Lyriker deutscher Sprache, nach Thomas Mann gar „die schönste deutsche Prosa bis Friedrich Nietzsche“. In diesem Jahr las Christian Quadflieg, der letztes Jahr Friedrich Hebbel las, aus Heines Lyrik, vor allem dessen „Deutschland. Ein Wintermärchen“. Die Veranstaltung fand im ganz neu erst eröffneten Lincoln-Theater der Stadt Worms statt und war wie die meisten Veranstaltungen des Rahmenprogramms früh ausverkauft.
_John von Düffel: Das Heroische und das Meer_
Düffel betreut seit 2002 die Nibelungenfestspiele als Dramaturg und las dieses Jahr im Rahmenprogramm Wassertexte von Schwimmern und anderen Heroen des feuchten Elementes aus seinen Bestseller-Romanen „Vom Wasser“ und „Houwelandt“.
_Theaterbegegnungen_
Dieses eintägige Event gehört zum Qualitativsten des jährlichen Rahmenprogramms.
Diesmal fand es nicht mehr wie früher im Herrnsheimer Schloss statt, sondern direkt im Heylshofpark neben der Festspielbühne am Dom. Glücklicherweise in großem Zelt, denn es prasselte den ganzen Tag sintflutartig der Regen, was aber nicht davon abhielt, die Theaterbegegnungen zu besuchen. Das Zelt war gut gefüllt. Es beginnt morgens immer mit Vorträgen, die im zweiten Jahr das Selbstverständnis der Deutschen zum Thema hatte. In diesem Jahr sprach Volker Gallé über „Die Sage vom Ursprung: Selbsthass und seine Folgen“, Wolf-Gerhard Schmidt über „Kelten, Germanen und Skandinavier – deutsche Identität in der Literatur zwischen Aufklärung und Romantik“ und Christian Liedke über „Heine und die Deutschen“. Liedke hatte sogar noch eine fußballweltmeisterliche Deutschlandflagge ans Vortragspult gehängt und lobte das neu entstandene Nationalgefühl. Allerdings war dieser Bezug zur WM-Euphorie eher ironisch gemeint, denn in seinem Beitrag ging es dann auch ausdrücklich um Heines Kritik an jeder Form von Nationalismus.
Danach sang Jasmin Tabatabai Lieder von Helden und großen Lieben. Es gehört zur Tradition der Festspiele, dass Stars und Publikum sich in kleinem Rahmen begegnen und immer wieder tragen die Stars auch zur Programmgestaltung bei. Jasmin Tabatabai saß – wie sie sagte, gerade aus dem Bett gefallen und noch völlig müde von den anstrengenden Aufführungen – mit ihrer Gitarre allein auf der Bühne. Sie ist aber als Musikerin genauso erfolgreich wie als Schauspielerin. Sie war die Sängerin der Frauenband „Even Cowgirls get the Blues“, komponierte fast den ganzen Soundtrack und sang die Songs zu dem Film „Bandits“ (wofür sie 1997 mit über 700.000 verkauften CDs eine goldene Schallplatte bekam) und brachte das viel beachtete Soloalbum „Only Love“ heraus.
Danach fand die Talkrunde „Der Held meiner Träume – der Traum vom Helden“ mit Regisseur Dieter Wedel, dem Literaturkritiker Helmut Karasek (der irgendwie noch bei der ZDF-Sendung zum Brecht-Jubiläum hängen geblieben schien, anstatt schon bei den Nibelungen gelandet zu sein), dem Siegfried-Darsteller Robert Dölle, der Journalistin Heike-Melba Fendel (Cosmopolitan, Marie-Claire, SZ-Magazin), dem Chefredakteur der BUNTEN, Paul Sahner, dem Oberstabsarzt der Bundeswehr Dr. Rico Deterding (er versorgte in Pakistan Erdbebenopfer) und dem Journalisten Rüdiger Suchsland als Moderator statt. Dieser Talk war sehr vergnüglich mitzuerleben, denn die Meinungen gingen weit auseinander. Besonders als Karrasek den verstorbenen Showmaster Rudi Carrell aufgrund dessen Umgangs mit seinem Tod als Helden bezeichnete, kam es zu starken Differenzen. Paul Sahner und Dieter Wedel sahen es wie Karrasek, dass dessen letzter Auftritt bei der Verleihung der Goldenen Kamera ein höchst würdevoller Akt gewesen sei. Dr. Rici Deterling dagegen sah darin kein Heldentum, vor allem da viele „Unbekannte“ auch an dieser Krankheit „unbekannt“ sterben. Und Heike-Melba Fendel befand Karrasek gar als zu „sentimental“ und bezeichnete die Art des Sterbens von Carrell als ein in der Medienlandschaft normales PR-Projekt, um möglichst beispielsweise in die BUNTE zu kommen. Was ein Held ist, kam bei der Debatte trotz vieler angesprochener Möglichkeiten nicht heraus, im Grunde verzettelte sich das Podium dabei immer mehr. Sogar Dieter Wedel selbst kam in die Auswahl, da er es wagte, in einer Titelgeschichte der BUNTEN zu gestehen, dass er mit zwei Frauen lebt. „Das hat uns 100.000 mehr Auflage gebracht“, bemerkte dazu Paul Sahner und forderte ein Denkmal für Wedel in Worms. „Wenn der so alt wird wie Johannes Heesters, habt ihr noch 40 schöne Jahre vor euch“. Nicht nur Männer, auch Frauen wie Sophie Scholl oder Mutter Theresa kamen in die Auswahl. Aber erneut sorgte Karrasek für Unmut, als er Condoleezaa Rice nannte, und dann kamen auch noch Maggie Thatcher und Angela Merkel in die Vorschlagsliste. Obwohl Moderator Rüdiger Suchsland am Ende den Faden verlor, war die Diskussion insgesamt recht fesselnd.
Aufgrund der halbstündigen Überziehung fand die wenige Meter weiter im Heylsschlösschen stattfindende Wiederholung einer letztjährigen Aufführung unter Leitung von Dr. Ellen Bender und Petra Riha von der Nibelungenlied-Gesellschaft mit literarischen Szenen und Erläuterungen zum „Rollenspiel der Geschlechter – Höfische Liebe zur Zeit des Nibelungenliedes“ nicht das erhoffte Publikum. Dies blieb im Zelt und sah noch den Abschluss des Tages mit Stephan Krawcyk, ausgezeichnet mit dem Preis „Das unerschrockene Wort“ der Lutherstädte, der seine Version von Heldentum zu Gehör brachte. Er besang dies in poetischen Liedern, rühmte die Liebe in vielen Facetten und las erheiternde Passagen aus seiner Biografie vor.
Alle Vorträge der Theaterbegegnungen finden sich [hier.]http://www.o-ton.radio-luma.net/php/130806__vortraege__nibelungenfestspiele-worms__2006.php
_Vortragsreihe der Nibelungenlied-Gesellschaft_
Auch diese täglich morgens bei freiem Eintritt stattfindende Vortragsreihe hat Tradition. Die einzelnen Vorträge dieses Jahr waren „Rückfall in die Barbarei – Medea und Kriemhild“ von Erwin Martin, „Elemente nationalsozialistischen Gedankenguts in Werner Jansens Nibelungenroman von 1916“ von Hans Müller, [„Der Zorn der Nibelungen“ 2609 von Irmgard Gephardt, „Motive antiker Sagen im Nibelungenlied“ von Eichfelder, „Nibelungendenkmäler in Worms“ von Gernot Schnellbacher, „Die Nibelungen – Pop und Kitsch (Vortrag zur Ausstellung)“ von Olaf Mückain und „Otto Höfler und Bernhard Kummer – Nibelungenforscher im NS-System“ von Volker Gallé. In der Regel erscheinen sämtliche Vorträge auch Internet unter www.nibelungenlied-gesellschaft.de. Eine Buchpublikation sämtlicher bisheriger Vorträge ist ebenso geplant.
_“Die Zaubergans“ – eine sinfonische Dichtung für Orchester, Chor und Solisten_
André Eisermann, der bei der Nibelungenaufführung den Burgwächter spielt, las und führte durch den Abend mit der Lucie-Kölsch-Jugendmusikschule und dem Chor des Rudi-Stephan-Gymnasiums (über 100 jugendliche Mitwirkende) unter Einstudierung von Daniel Wolf. Unter der Leitung von Reinhard Volz sind die Solisten Heike Dentzer, Christina Röckelein sowie Danilo Tepser und Martin Risch angetreten. Der Komponist Jakob Vinje hat als literarische Grundlage dafür eine jiddische Erzählung aus dem „Wunderbuch“ des Wormser Synagogendieners Juspa Schammes benutzt. Die 1669 in Amsterdam erstmals gedruckte „Wundergeschichte aus Warmaisa“, dem jüdischen Worms, hat 1905 der jüdische Historiker Samson Rothschild in konzentrierter Form und in deutscher Sprache veröffentlicht. Sie handeln von Verfolgung und Errettung aus Bedrohung und Not, von wundersamen Ereignissen und geheimnisvollen menschlichen Verstrickungen. Es handelt sich um eine jüdische Sage aus dem 14. Jahrhundert, die die Koexistenz von Juden und Christen im mittelalterlichen Worms zum Thema hat. Die Geschichte gibt es auch als Buch in einer neuen Bearbeitung durch die Journalistin Ulrike Schäfer und den Historiker Dr. Fritz Reuter, ergänzt durch weitere Texte sowie einen ausführlichen Kommentar.
Nach der erfolgreichen Zusammenarbeit der Wormser Lucie-Kölsch-Jugendmusikschule und dem Hamburger Komponisten Jakob Vinje bereits bei den Nibelungenfestspielen von 2002 und 2003 erhielt dieser einen Kompositionsauftrag der Stadt Worms, aus dem die „Zaubergans“ entstand. Premiere der Aufführung war bereits im letzten Jahr zu den Festspielen. Der Handlung der Sage hat Vinje eine Reihe von Gedichtvertonungen von Lasker-Schüler, Trakl, Rilke, Brecht u. a. gegenüber gestellt, die eine Art emotionalen Handlungsfaden bilden und die Erzählung musikalisch interpretieren. Eisermann wirkte in diesem Jahr dabei erstmals mit und erzählte mit eindrücklicher Intensität von der Geschichte zur Zeit der Pest, als in Worms die Juden beschuldigt wurden, die Brunnen vergiftet und den Krankheitsausbruch damit ausgelöst zu haben. Im Grunde ist es eine blutrünstige Geschichte, bei der fast alle Juden ausgelöscht und die Überlebenden mit der „Zaubergans“ ausfindig gemacht und dann ebenso getötet werden. Erst ein Pfarrer bereitet dem Treiben ein Ende und beweist den „Gläubigen“, dass auch auf dem Kirchdach eine Gans sitze, was den Mob überzeugen kann, das Morden einzustellen.
_Das Blaue Einhorn – Chansons aus der ganzen Welt_
Die Band „Das Blaue Einhorn“ aus Dresden bot Klezmer, Lieder und Tänze der Juden und Roma, Chansons, Fado, Rembetiko und Tangolieder. Der Name der Gruppe stammt von einem Fabelwesen, von dem der kubanische Sänger Silvio Rodrigues in seinem Lied „Unicornio“ erzählt, das mit seinem Horn Gesänge aus der Nacht einfängt. Seit zwölf Jahren macht die Gruppe Furore in der deutschen Folk- und Weltmusikszene und es gibt nur wenig andere Bands, die so stilsicher und gefühlvoll eine solche Vielzahl an Kulturen mischen, stilistisch und musikalisch aber über die Originale hinausgehen, indem sie etwas durch und durch Eigenes machen, das Ursprüngliche aber trotzdem erfüllen. Eingesetzt werden Gesang, Akkordeon, Trompete, Bauchgeige, Gitarre, Kontrabass, Cello, Bouzouki und Waldzither.
_Estampie-Konzert: Mittelalter trifft auf Moderne_
Erstaunliche Parallelen zwischen der Moderne und dem Mittelalter spiegeln sich in der Musik von Estampie wieder. Ihre Wurzeln liegen in der vielgestaltigen Musik und der komplexen Gedankenwelt des Mittelalters, ihre Inspiration beziehen die Musiker aus allen Bereichen gegenwärtiger musikalischer Ausdrucksformen. Estampie geht Einflüssen aus modernen Stilrichtungen wie Minimal Music, außereuropäischer Musik bis hin zur Popmusik nicht aus dem Weg. Estampie sucht die Begegnung und Überschneidung mit anderen Stilarten, denn dieser Crossover verstärkt die einzigartige Wucht und Schönheit, die in der Musik des Mittelalters liegt. Der Band-Name stammt von einer Tanzform des Mittelalters. Das Wort ist altfranzösisch und kommt vom Ausdruck für „stampfen“. Sie spielten im Wormser Dominikanerkloster.
_Yoshi Oida: „Interrogations“_
„Interrogations“ ist Körpertheater des japanischen Schauspielers Oida, das ohne Kulisse, Dekor und optische Effekte auskommt. Es lebt vom direkten Kontakt zwischen Schauspieler, Musiker, Publikum und dessen Konzentration und Imagination. Im Mittelpunkt der Performance steht die Praxis des Zen. Der Zen-Meister stellt viele Fragen an seine Studenten und auch Yoshi Oida richtet Fragen an das Publikum. Dieses ist eingeladen, Antworten zu finden durch Betrachtung und Wahrnehmung des Spiels von Oida und das Hören der Musik von Dieter Trüstedt.
Yoshi Oida wurde in Japan geboren und studierte dort Philosophie, die Künste des Nó-Theaters und des Kabuki. Er ging 1968 nach Paris und begann seine Karriere an der Seite von Peter Brook. Eigene Regiearbeiten folgten. Als Filmschauspieler arbeitete er mit Peter Greenaway und Joào Mario Grillo zusammen. Seit 1975 unterrichtet Oida in vielen Ländern Europas. Dieter Trünstedt ist promovierter Physiker und Künstler und spielt seit 1984 die Musik zu „Interrogations“ weltweit. Yoshi Oida ist nicht nur Künstler, sondern auch begnadeter Lehrer. Neben der Performance „Interrogations“ veranstaltete er während der Festspielzeit zusätzlich einen einwöchigen Workshop für junge Schauspielschüler, basierend auf den Praktiken der japanischen Kultur und des Nó-Theaters. Didaktisch befasst sich Oida mit der Entwicklung von Stimme und Körper. Im Zentrum stehen die verschiedenen Ausdruckselemente des Selbst und die Beziehungen zwischen den Schauspielern. Ursprünglich im Spiel des japanischen Nó-Theaters ausgebildet, arbeitet er mit der Avantgarde des modernen japanischen Schauspiels zusammen und setzte seine künstlerische Entwicklung in Europa fort. Der Kurs war auf 20 Personen begrenzt, unterrichtet wurde in Englisch.
_Siegfrieds Nibelungenentzündung – Darmstädter Kikeriki-Theater_
Seit drei Jahren ist dieses Blechspektakel mit im Rahmenprogramm, immer binnen weniger Tage ausverkauft und somit ein Dauerbrenner im Kulturprogramm der Festspiele. Dieses Jahr an zwei Tagen im Spiel- und Festhaus. Das Spektakel dreht sich um Siggi, Albi und den smarten Lindwurm und erzählt die Geschichte der Nibelungen, wie sie wirklich war. Vorgetragen in breitestem Hessen-Dialekt, gewürzt mit deftigen Sprüchen und immer wieder verfeinert durch verblüffend schlagfertige Situationskomik.
_“Der letzte Drache“ – Mitmachstück für Kinder_
Hier konnte der ganz kleine Schauspielnachwuchs ab vier Jahren sein Können in der Jugendbücherei unter Beweis stellen. Und über 100 Kinder standen zur Vorführung auch mit ihren Eltern Schlange für das Einpersonenstück zum Mitmachen.
_Verleihung „Buch des Jahres 2005″_
Dieser Preis an rheinland-pfälzische Autoren wurde bereits vor einigen Jahren ins Rahmenprogramm der Festspiele integriert. Der mit 1500 Euro verbundene Preis ging an Gabriele Weingartner für ihren Erzählband „Die Leute aus Brody“ (Verlag Das Wunderhorn). Außerdem erhielt Christa Estenfeld für ihren Erzählband „Buffalo Bills Sattel“ (Edition Artfusion) den vom verdi-Fachbereich Medien, Kunst und Industrie Rheinland-Pfalz-Saar gestifteten Sonderpreis der Jury in Höhe von 500 Euro. Den musikalischen Rahmen der Verleihung gestaltete die Bundespreisträgerin „Jugend musiziert“ Julia Panzer (11 Jahre, Cello) und Friedrich Skrabal (Kontrabass) von der Lucie-Kölsch-Musikschule der Stadt Worms. Der Preis „Buch des Jahres“ wird seit 1989 regelmäßig vergeben und durch Fördermittel des rheinland-pfälzischen Kulturministeriums und des verdi-Fachbereichs unterstützt, die Preisverleihung selbst zudem von der Nibelungenlied-Gesellschaft Worms.
_Sonstiges_
Am 12. Mai war es so weit und das neue Ensemble und das Rahmenprogramm wurden im Weingut Schloss Wachenheim der Öffentlichkeit vorgestellt. Mit Dieter Wedel sind neben Moritz Rinke die Kriemhild-Darstellerin Jasmin Tabatabai und die Darstellerin der neu erfundenen Figur Isolde, Sonja Kirchberger, in die Pfalz gekommen. Die Anekdoten, die sie auf dem Podium erzählten, waren so amüsant wie aufschlussreich. Wedel liebt das Unerwartete, Überraschende. So hat er die zarte, dunkelhaarige, in Teheran geborene Tabatabai nicht für die traditionell dunkle Brünhild verpflichtet, sondern eben für die urdeutsche Kriemhild. Auf sie gekommen war er durch eine Talkshow, in der sie heftig mit einem Maler gestritten hatte.
Rinke war recht überrascht gewesen, aus seinem Stück einen Zweiteiler machen zu sollen, hatte aber schnell die Chancen erkannt, die sich dadurch ihm bieten. „Ich habe dafür Wedel verflucht, jetzt könnte ich ihn küssen“. Um Brünhild – das Stück heißt ja „Siegfrieds Frauen“ – mit aufzuwerten, hat er als Gesprächspartnerin die Isolde dazuerfunden, eine höchst vitale Person, die dem ganzen Burgunderhof, einschließlich Hagen, den Kopf verdreht.
Vertreter der Politik und der Wirtschaft hatten ebenso das Wort und Ben Becker stellte das Rahmenprogramm der Festspiele vor. Das Schlusswort hatte dann Dieter Wedel selbst, und als eigentlicher Hauptstar der ganzen Sache erzählt er auch immer am längsten.
Eine Woche nach der Pressekonferenz auf Schloss Wachenheim füllte sich dann bereits die Gästeliste für die Premiere. Fast alle bekannten Prominenten, die erschienen (siehe den Anfang des Essays) standen da schon fest und den meisten, die im vergangenen Jahr bei der Premiere dabei waren, hat es so gut gefallen, dass sie die diesjährige offenbar nicht verpassen wollten.
Die Repräsentanten des öffentlichen Lebens in Worms konnten schon sehr früh im Juli mit den Nibelungen-Stars plaudern. Jährlich lädt der Oberbürgermeister diese zum Empfang ins Herrnsheimer Schloss ein. Dazu war auch Dieter Wedel mit einer ganzen Riege des Ensembles gekommen. Ganz offensichtlich war das für Jasmin Tabatabai, Valerie Niehaus oder Renate Krößner (die ihre Rolle als Ute kurz darauf wieder von Wedel gekündigt bekam) keineswegs ein „Pflichttermin“. Es gab Wein der Wormser Jungwinzer, die sich zur Gruppe „Vinovation“ zusammengeschlossen haben, außerdem viele Gespräche bis zum späten Abend. Auch Dieter Wedel hatte es nicht eilig und plauderte über seine neue Inszenierung. Solch ein Jahresempfang hat viele Programmpunkte und der Park war bis zum späten Abend bevölkert.
Das komplette Ensemble konnte dann zum ersten Mal komplett „bestaunt“ werden an dem Tag, als die Proben mit einer Leseprobe des kompletten neuen Rinke-Textes begann. Bevor diese begann, lud Dieter Wedel zum nächsten kurzen Pressetermin, ein Zeitpunkt, zu dem sich das Ensemble selber zum ersten Mal sah, aber zum Teil auch herzlich in die Arme fiel. Von der alten Besetzung waren ja nur noch Wolfgang Pregler, André Eisermann und Thilo Keiner übrig geblieben.
Erstmals begann man auch gezielter auf Messen für die Nibelungen-Festspiele zu werben. Eigentlich tritt bislang die Stadt Worms ja nur auf der Touristikmesse in Berlin auf, aber dabei nicht nur Festspiel-bezogen. Nunmehr gab es aber einen Auftritt auf der Nibelungenland-Ausstellung in Viernheim, was für viele dortige Besucher interessant war, die rege die Möglichkeit des Ticketkaufs am Stand nutzten. Dass nun mehr über Messen getan wird, liegt vor allem an den Stadtmarketing-Aktivitäten des neuen Stadtmanagers Stefan Pruschwitz.
Mit all den kurzfristigen Ideen ist es für Wormser vielfältig möglich, irgendwie an den Festspielen direkt beteiligt zu sein. Alles Mögliche, was spontan gebraucht wird, ist in der Wormser Zeitung mit entsprechender Telefonnummer ausgeschrieben. So z. B. das Hundecasting, der Saxophonist und Fanfarenbläser, aber auch ein Holzleiterwagen mit Platz für acht Personen, fahrtauglich für den Einsatz in der Sachsenschlacht, wurden auf diese Weise von der Requisitenabteilung gesucht.
Sogar die Natur unterstützte – abgesehen vom tatsächlichen Wetter während der Aufführungen – mit einem Omen die diesjährigen Festspiele. Ein Zeitungsleser schickte ein entsprechendes Bild vom Wormser Himmel an die WZ, das diese auch abdruckte. Dort sieht man im blauen Abendhimmel exakt das Kreuz des Nibelungen-Logos der Festspiele, gebildet durch zwei Kondensstreifen.
Sehr vergnüglich sind die täglich stattfindenden _öffentlichen Pressegespräche_ mit allen Schauspielern unter Moderation der Wormser Zeitung. Im letzten Jahr hat diese Veranstaltungsidee begonnen und dort kann jeder Interessierte die Schauspieler aus direkter Nähe ohne Kostüm sehen und hören. Im lockeren Gespräch erzählen die Ensemblemitglieder über sich, die Festspiele und ihre beruflichen Erlebnisse und Pläne. Der Eintritt dabei ist frei.
Zwar kam der Innenminister Wolfgang Schäuble aufgrund der versuchten Terroranschläge in London nicht zur Premiere, aber für seine Sicherheit wurde großer Aufwand betrieben. Beamte des Bundeskriminalamts sondierten den Heylshof, den Park und auch das Festivalgelände mit Bühne und Backstage-Bereich. Man achtete genau auf mögliche Verstecke für Angreifer und legte die Plätze fest, wo die Sicherheitskräfte und Bodyguards des Ministers Platz nehmen würden. Kurz vor der Vorstellung zur Premiere wurden noch einmal Polizeibeamte mit Suchhunden eingesetzt, die das Gelände nach Sprengstoff untersuchten.
Auch Angebote zu den Nibelungen, die über das ganze Jahr verteilt sowieso laufen, wurden von Festspiel-Besuchern gerne wieder angenommen. Z. B. unternahm der Wormser Nibelungen-Herold Nachtführungen durch das geheimnisvolle Worms des Mittelalters, und Kriemhilds Zofe Fredegunde unternahm tagsüber inszenierte Gästeführungen im historischen Kostüm. Mehr zum jährlichen Programm der Nibelungen-Thematik findet sich unter www.nibelungenmuseum.de, der freie Eintritt ins Museum ist zu den Festspielen immer über das Veranstaltungsticket gewährleistet.
Bereits im vierten Jahr versteigert die Wormser Hobby-Malerin _Sieglinde Schildknecht_ ihre Bilder, die von den Festspielen inspiriert sind. Signiert sind diese Bilder immer mit den Unterschriften der Schauspieler und der Erlös kommt wie in den Vorjahren dem Wormser Tierheim zu. Erstmals hatte dieses Jahr auch Intendant Dieter Wedel unterschrieben. Die Auktion endete am 29. September 2006, die Abwicklung übernimmt wie in den Vorjahren das Resteraunte „La Forchetta“ der Familie Vallone in der Wollstraße in Worms. Am 4. Oktober übergab der Landtagsabgeorndete Jens Guth (SPD) das Gemälde dann im Vereinsheim des Tierschutzvereins dem Gewinner der Versteigerung.
Außerhalb des „offiziellen“ Rahmenprogramms gab es auch in der Volksbank Worms-Wonnegau noch eine Ausstellung „_Die Kunst und das Lied_“. Ortsansässige Künstler – Horst Rettig, Anna Bludau-Harry, Petra-Marlene Gölz, Gabi Krekel und Anita Reinhard – stellten in deren Foyer ihre Werke aus. Die Werke von Horst Rettig standen zuvor schon im Mainzer Staatstheater. 29 Nibelungen-Bilder gab es in der Volksbank – die von Anfang an zu den Sponsoren der Festspiele gehört – zu bewundern. Zur Eröffnung spielte das Klarinetten-Duo der Jugendmusikschule, Christina und Mareike Hüll.
Wie in den Jahren zuvor, wurde auch ein neues Schmuckstück präsentiert. Bisher konnte man den Nibelungen-Ring, gestaltet durch den Künstler Eichfelder, in Gold und Silber erwerben. In diesem Jahr stellte Annette Kienast-Kistner einen weiteren goldenen Pax-Ring vor, den sie in Anlehnung an das Nibelungen-Denkmal auf dem Torturmplatz nach einem Entwurf von Horst Rettig gefertigt hat.
Da _Dieter Wedel_ als Workaholic seinen Ruf hat, verwunderte es nicht, dass er während der 14-tägigen Festspielzeit in den „Freiräumen“ regelmäßig stundenlang im alten Bäderhaus in Pfeddersheim mit Filmeditorin Patricia Rommel seinen neuen Fernsehfilm schnitt. Diese und ihr Assistent hatten bereits im Vorfeld einen „Rohschnitt“ erarbeitet. Alle gedrehten Einstellungen sind im Comupter in Ordner einsortiert und die Cutterin (wie dieser Beruf früher hieß) bietet Wedel „Takes“ (also Einstellungen) an, die Wedel überprüft und verändert. Gedreht wurde dieser eineinhalbstündige Film „_Mein alter Fritz_“ vom 30. März bis 6. Mai und er kommt im Januar 2007 ins ZDF. „Es ist der Versuch, einen heiteren Film zu machen über Probleme im Krankenhaus, über den Tod und was danach kommt“ (Wedel). Es spielt wie gewohnt ein Staraufgebot. Im Mittelpunkt steht Chefarzt Harry Seidel, gespielt von Ulrich Tukor, seine Gattin Lydia mimt Veronica Ferres. Außerdem mit dabei sind Maximilian Brückner, Otto Schenk, Uwe Bohm und Anna Hausburg. Und etliche aus Wedels Nibelungen-Ensemble der bisherigen Festspieljahre: Robert Dölle, Wolfgang Pregler, Valerie Niehaus, Wiebke Puls, Dominique Voland (Wedels Lebensgefährtin, die in diesem Jahr mit in Worms agierte) und sein Regie-Assistent Joern Hinkel.
Seit September letzten Jahres unterhalten die Nibelungen-Festspiele sogar zwei _Ausbildungsplätze_, deren Inhalt es ist, kulturelle Veranstaltungen zu organisieren und zum Erfolg zu bringen. Seit einem Jahr gehören dadurch Katharina Fehlinger und Lina Kolling zum Festspielteam. Bisher waren sie in den Abteilungen Marketing, Pressearbeit, Sponsoring und Buchhaltung tätig und nun war die 21-jährige Katharina Fehlinger für den reibungslosen Ablauf der Premiere mitverantwortlich und die 23-jährige Lina Kolling betreute im Betriebsbüro das künstlerische Team mit Rat und Tat. Der berufliche Begriff ihrer Ausbildungen ist „Veranstaltungskauffrau“.
Wie immer zu den Festspielen tagte unter Leitung des Vorsitzenden Peter Weck das _Kuratorium der Nibelungenfestspiele_ im Heylshof. Etwa die Hälfte der Mitglieder war anwesend. Neben den Wormsern Gernot Fischer (Ex-Oberbürgermeister) und Gunter Heiland (Ex-Kulturdezernent) waren Jürgen Kriwitz (freier Produktionsberater aus Hamburg) und Intendant Dieter Wedel dabei, Eggert Voscherau (stellvertretender Vorstandsvorsitzender der BASF) und Kultusminister Jürgen Zöllner hatten Stellvertreter entsandt. Zentrales Thema war die Suche nach potenten Sponsoren. Weitere Firmen, deren Spitzenvertreter man ansprechen werde, wurden genannt. Ziel des Oberbürgermeisters Michael Kissel ist es natürlich, den städtischen Zuschuss, der nach 800.000 Euro im letzten Jahr dieses Jahr nur noch 600.000 Euro betrug, noch weiter zu verringern. Der Gesamtzuschussbedarf liegt bei 2,3 Millionen Euro und muss über Landeszuschüsse und Sponsorengelder gedeckt werden. Bislang sieht es so aus, dass das diesjährige Gesamtbudget von 4,7 Millionen Euro eingehalten werden konnte. Dies kann aber erst nach endgültiger Abrechnung feststehen.
In der letzten Festspielwoche besuchten dann auch Vertreter der rheinland-pfälzischen Landesregierung die Aufführung, um sich doch einmal ein Bild zu machen. MdL Manfreid Geis (Vorsitzender Kulturpolitischer Ausschuss des Landtags), Staatssekretär Dr. Joachim Hoffmann-Göttig (Kultusministerium RLP) und Staatssekretär Roger Lewentz (Innenministerium RLP) waren begeistert von dem, was ihnen geboten wurde. Natürlich kam auch nach der Premiere öfters noch ganz andere Prominenz zu den Aufführungen, die sehr oft namentlich auch in den lokalen Zeitungen genannt wurde, was allerdings den Rahmen dieses Essay überziehen würde.
Auf den Straßen begegneten einem ständig auswärtige Festspielbesucher, die nach besonderen „_Nibelungen-Mitbringsel_n“ fragen; diese gibt es natürlich zur Genüge. Beispielsweise seit vielen Jahren als „Nibelungenschatz“ – ein köstliches Mandelgebäck in festen Schatztruhen – vom Konditor Theo Schmerker, Inhaber des Café Schmerker in der Wilhelm-Leuschner-Straße.
Aber fündig wird man zur Festspielzeit auch alleine, wenn man durch die Innenstadt läuft. Die Ladenbesitzer nutzen natürlich den Werbeeffekt und tragen im Gegenzug auch mit ihren Schaufenster-Gestaltungen zur Nibelungen-PR bei. Dieses Jahr waren gleich in mehreren Schaufenstern in der Innenstadt die Originalkostüme der Nibelungen aus der Theaterproduktion von Karin Beier ausgestellt. Im Erdgeschoss im Haus zur Münze war das prunkvolle Gewand von König Etzel mit der meterlangen bunten Schleife zu sehen. Bei Optik Meurer hing der Umhang von Wiebke Puls alias Brunhild, ergänzt mit vielen Fotos der Inszenierung. Die ganze Schaufensterfront des Kaufhofs war von den Nibelungen belegt und wurde nach einem Umzug auch in der Ludwigshafener Filiale des Kaufhofs präsentiert. Manuela Liebig von den Nibelungen-Festspielen betreut diese Aktionen und stellt auf Anfrage auch im nächsten Jahr Interessenten Dekorationsmaterial plus Poster und Flyer zur Verfügung.
Sonja Kirchberger, die Wurstbrötchen liebt und zu deren Kauf regelmäßig in die Metzgerei „Hasch“ mitsamt Kind, Ehemann und Hund kam, hat, weil ihr diese so gut schmeckten, an die Eingangstür ein dickes Herz gemalt und mit Autogramm hinterlassen.
Das Wormser Sportstudio Black & White sponsert die Festspiele, indem es den Schauspielern kostenlose Trainingseinheiten spendiert, was von einigen der Schauspieler auch genutzt wird, um ihre Muskeln und vor allem Kondition aufzubauen.
Was wohl niemanden wundert, ist die Tatsache, dass alle Wormser Hotels nur lobend über die Festspiele sprechen, denn alle Unterkünfte sind natürlich voll belegt.
Ilka Ivanova Becker war bei den Festspielen als Dolmetscherin für den bulgarischen Schauspieler Itzhak Fintzi, der den Etzel spielte, tätig. Sie übersetzte ihm alle Regieanweisungen und umgekehrt seine Worte für die Schauspielerkollegen, außerdem war sie Sprachlehrerin für Maria Schrader, die in ihrer Rolle als Kriemhild ebenfalls bulgarisch sprechen musste. Eine weitere Aufgabe betraf die kyrillischen Texte der Etzel-Rolle. Die versierte Dolmetscherin und Diplom-Philologin, die im Stadtteil Heppenheim lebt, wurde nun zum Dr. phil. promoviert. Für ihre Doktorarbeit erhielt sie den Jürgen-Frietzenschaft-Promotionspreis des Vereins zur Förderung des Instituts für Deutsch als Fremdsprachenphilologie der Uni Heidelberg.
_Erwähnenswertes im Rückblick auf die Probenzeit_:
Die Proben dauerten täglich zehn bis zwölf Stunden und auch an Samstagen und Sonntagen von mittags ca. 15 Uhr und gingen bis zwei, drei Uhr in den Morgen (was für Anwohner natürlich eine Herausforderung an Belästigung darstellt). Das umfasste sowohl die Schauspieler wie auch die Statisten und diejenigen, die im Hintergrund arbeiten (Technik etc.). Ganz skurril war es, dass es ab der Premiere nur noch regnete und richtig kalt war, denn die ganze Probenzeit hindurch gab es eine etwa zweimonatige unerträgliche Hitze. Zwar wurde erst ab dem 8. August zur ersten offiziellen Hauptprobe in voller Montur gespielt, aber bis dahin war es auch in den Probekostümen von der Hitze her eine richtige Herausforderung. Mit am heißesten waren die Drehtermine für den Einspielfilm, in dem es um die abgewiesenen Brautwerber Kriemhilds ging. Das war bei großer Hitze ein schweißtreibender Dreh in schwerem Brokat und Rüstungen. Doch man klagte nicht über die Hitze. Aber sobald mal 15 Minuten Pause angesagt waren bei den täglichen Proben, stürmten alle Akteure ins Cateringzelt auf dem Platz der Partnerschaft, um ihre durstigen Kehlen zu kühlen. So haben in diesem Jahr die Schauspieler zwei sehr gegensätzliche Extreme durchlebt.
Eines der ungewöhnlichsten Probeereignisse waren sicherlich die Einübung der finnischen Nationalhymne und die finnischen Lektionen für die Komparserie. Neu in Rinkes Nibelungen-Interpretation war ja auch, dass finnische Bewerber bei Brunhild auf Island erscheinen. Bei ihrem Eintreffen wurde von den Komparsen die finnische Nationalhymne angestimmt. Da Finnisch auch nicht gerade zu den gängigen Sprachen gehört, wurde eine Sprachlehrerin engagiert, die alle anleitete, wie z. B. Brünhild als Königin anzusprechen ist: „kunigatterareni“. Die Betonung liegt auf der ersten Silbe und die beiden „t“s werden nicht gesprochen. Richtig schwieriges Training war das.
Die ersten Besucher, die bei Proben anwesend sein durften, waren zwölf Jungreporter, die im Rahmen der Ferienspiele der Stadt am Projekt „Mit der WZ auf Reportagetour“ teilnahmen. Sie durften auf die Bühne, in die Waffenkammer und ins Atelier der Bühnenbildnerin. Was sie recherchierten, fotografierten und schrieben, war auf einer Sonderseite der WZ zu lesen, die sie selbst erstellten.
Auf der ersten Medienprobe gab es dann eine Überraschung. Regie-Assistent Joern Hinkel spielte die Königsmutter Ute. Hintergrund war, dass die dafür verpflichtete Renate Krößner von Wedel gekündigt war, da er sie beim Umsetzen der Szenen für zu langsam empfand. Krößner ist dem Kinopublikum durch „Liebling Kreuzberg“ oder „Helden wie wir“ bekannt. Bis man dann Ute Zehlen als Ersatz fand, wurde eine ganze Zeit ohne eine weibliche Ute geprobt. Zur Medienprobe reisten zahlreiche Fernsehteams, Hörfunkreporter und schreibende Journalisten an. Vorgeführt wurden dafür zwei Szenen: die Ankunft Siegfrieds am Burgunderhof und die von Rinke neu geschriebene Szene der Ankunft der Burgunder in Brunhilds eisiger Welt. Anschließend ließen sich alle Schauspieler interviewen. Und wer wie ich regelmäßig die Probenberichte in den Zeitungen verfolgte, entdeckte auf einigen Bildern Fotos mit Szenenbeschreibungen, die in der Endfassung dann doch wieder gestrichen waren.
_Ausblick_
Der zweite Teil wird „Die letzten Tage von Burgund“ heißen und mit dem Eheleben Gunthers und Brünhilds beginnen. Das Stück setzt noch ein wenig vorm Ende des ersten Teils an, so dass auch Siegfried noch einmal seinen Auftritt haben kann. Er war ja am Ende des ersten Teils bereits ermordet worden. Im zweiten Teil kommen Siegfried und Kriemhilde noch mal am Wormser Hof zu Besuch, die einstigen Themen kochen wieder hoch und das Drama beginnt. Es ist im Grunde ein eigenständiges neues Stück, das man auch sehen kann, ohne den ersten Teil gesehen zu haben. Mehr zum Inhalt auch oben unter „Besetzung“, dort unter „Moritz Rinke“.
Dieser zweite Teil wird wieder auf der Nordseite des Domes stattfinden. Ohne Dom sind die Festspiele im Grunde undenkbar, aber es ist jedes Jahr erneut ein harter Kampf, denn das Gotteshaus wird jährlich in seinem eigentlichen Zweck sehr stark beeinträchtigt. Mit Beginn des Bühnenaufbaus war dieses Jahr wieder das Südportal – der eigentliche Haupteingang des Doms – nicht mehr zugänglich und die Besucher mussten über den normalerweise ungenutzten Eingang Nordportal in den Dom gelangen. Auch der Domplatz selbst am Südportal ist mit Bauzäunen sehr früh komplett abgesperrt. Um die Finanzen etwas zu verteilen (der Aufbau der Technik und der Bühne ist das Teuerste), soll in Zukunft die Festspielzeit länger als zwei Wochen gehen. 2008 wird wahrscheinlich drei Wochen gespielt, erneut auf der Südseite des Doms, und dabei der erste und der zweite Teil abwechselnd zur Aufführung gebracht werden. Der Wunsch Rinkes, in einer langen Aufführung beide Teile hintereinander zu spielen, wird bislang von Dieter Wedel abgelehnt, da er das für eine zu große Zumutung für die Zuschauer wie auch für die Einwohner einstuft. Und 2009 wird es wieder ein ganz neues Stück geben, wo der Schreiber bereits von Regieassistent Joern Hinkel und Dramaturg John von Düffel gesucht wird. Ob Dieter Wedel seinen Fünfjahres-Vertrag, der 2008 ausläuft, überhaupt verlängert, ist von diesem bislang nicht zu erfahren.
Alle diese Pläne – wo und wie lange – müssen allerdings erst noch vom Stadtrat und vom Aufsichtsrat entschieden werden, wobei derzeit aufgrund der Wettererfahrungen darüber nachgedacht wird, ob man nicht die Aufführungen bereits im Juli anstatt wie bislang im August durchführen sollte.
Auch für Veranstaltungen des Rahmenprogramms empfiehlt sich eine frühzeitige Kartenreservierung. Auch in diesem Jahr zeigte sich, dass fast alle Veranstaltungen sehr bald ausverkauft waren.
Seit letztem Jahr im Gespräch ist auch die Aufführung eines Nibelungen-Musicals von Dieter Wedel, das der Wormser Schauspieler Eisermann sehr unterstützt. Auch setzt sich Eisermann, der aus einer Schausteller-Familie stammt, für einen Nibelungen-Freizeitpark in Worms ein. Vermischt in diesem Projekt sind Schauspielerei und Schaustellerei. Ein prächtiges Spektakel mit Drachen, Schätzen, Waffen, Wildwasserfahrten und Achterbahnen – was die Nibelungen von ganz anderer Seite her nochmals in ganz Deutschland bekannt und berühmt machen würde. Zwei mögliche Sponsoren und der Oscar-gekrönte Filmausstatter Rolf Zehetbauer hätten schon Interesse gezeigt, sagte Eisermann in einem Interview mit der dpa. Denkbar sei das Projekt in den nächsten fünf bis sieben Jahren. Von Seiten der Stadt gibt es in beiden Fällen noch kein grünes Licht, denn beides erfordert hohes finanzielles Risiko, und gerade was den Freizeitpark angeht, braucht es einen sicheren privaten Initiator – einen solchen würde die Stadt natürlich auch unterstützen. Aus städtischen Mitteln zu finanzieren sind beide Vorschläge nicht.
Was funkende Ideen angeht, wäre man eigentlich gut beraten, die in Worms ansässige Journalistin Ulrike Schäfer zu befragen. Denn sie kennt sich als Mitglied der Nibelungenlied-Gesellschaft bestens aus und bot als Chefredakteurin des „Wormser Wochenblatts“ auch schon einige Themen an. Sie schlug vor, der frustrierten Brünhild doch mal eine Affaire mit Hagen anzudichten, um ihn für ihre Rachezwecke einzuspannen, denn er bringt ja auch schon alle Qualitäten, die sie sucht, mit. Auch einen One-Night-Stand zwischen Giselher und Brunhild fände sie gut, dann aber möglichst mit Andre Eisermann als Liebhaber. Einen schwulen Siegfried hatten zwar schon Petra Riha und Heike Feldmann aus Worms in einer Szene herausgearbeitet, aber für ausbaufähig hält sie auch dieses Thema durchaus noch. Im Stil der Zeit könnte auch Siegfrieds Mord ein einfacher Motorradunfall sein. Hagen könnte ja irgendwie ’ne Schraube lockern und bei Nierstein oder Nackenheim ist es dann so weit. Aber sie persönlich würde auch gerne in Worms mal „Die lustigen Nibelungen“ von Oskar Straus sehen.
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_Veranstalter_ des kompletten Events sind die
Nibelungen-Festspiele GmbH, Bahnhofstr. 4, 67547 Worms
_Intendant_ Dieter Wedel
_Aufsichtsratsvorsitzender_ Micheal Kissel
_Geschäftsführer_ Ulrich Mieland, Thomas Schiwek
_Künstlerischer Betriebsdirektor_ James McDowell
_Aufsichtsrat_ Ernst-Günter Brinkmann, Theodor Cronewitz, Petra Graen, Alfred Haag, Hans-Werner Kloster, Heidi Lammeyer, Kurt Lauer, Astrid Perl-Haag, Hans-Joachim Rühl, Ilse Seiler, Elke Stauch
_Kuratorium_ Prof. Hark Bohm, OB a.D. Gernot Fischer, Gunter Heiland, Prof. Dr. Hellmuth Karasek, Jürgen Kriwitz, Karl Kardinal Lehmann, Dr. Elke Leonhard, Prof. Dr. Jan-Dirk Müller, Dr. Friedhelm Plogmann, Karlheinz Röthemeier, Prof. Armin Sandig, Markus Schächter, Bundesministerin Dr. Annette Schavan, Eggert Voscherau, Prof. Peter Weck, Prof. Dr. Jürgen Zöllner
_Rahmenkulturprogramm_ Petra Simon, Volker Gallé, Joern Hinkel
_Pressesprecherin_ Simone Schofer
_Umsetzung gestalterische PR_ Thorsten Oparaugo
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_Interessante Zusatzlinks:_
Weitere Artikel und Berichte unter http://www.wormser-zeitung.de/wasnlos/nibelungenfestspiele
http://www.nibelungenmuseum.de
http://www.nibelungenfestspiele.de
http://www.nibelungenlied-gesellschaft.de
Verweisen möchte ich auch auf den Festspielbericht von 2005 unter http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=50.
|Grundlage des Berichtes bildeten die Auswertung der Berichterstattungen in der lokalen Presse sowie die eigene Teilnahme am Geschehen.|