Ulrich von Klimburg – Die Nacht im schwarzen Haus

Klimburg Nacht Cover kleinDas geschieht:

Eitel Glück bestimmt das Leben von Oliver und Dorothy Ferguson. Ein alter Onkel hinterließ dem jungen Arzt Vermögen und Black-Home, das alte Herrenhaus in Wimbleton Tooting bei London. Die Ehe ist harmonisch, der Freundeskreis groß. Gerade halten sich wieder einmal Robert Grimsby, Dorothys Vetter, Alice Philip, eine Jungendfreundin, Charles Morgan, ein Kunsthändler, und Colonel James Hook, ein alter Verehrer der Hausherrin, in Black-Home auf. Trefflich bedient werden sie von Tom, Carol und Betty, den treuen, dummen Dienern.

Damit ist der Kreis der Verdächtigen vollständig, denn leider wurde Dorothy in der Bibliothek erschlagen aufgefunden. Harry P. Carper, Inspektor bei der Mordkommission des berühmten Scotland Yard, steht vor der schwierigen Aufgabe, den Fall zu lösen. Der unkonventionelle Mann verbirgt seine Fähigkeiten hinter einer Maske aus Leutseligkeit und Sarkasmus. Er reizt seine Gesprächspartner und bringt sie dazu, ihm Dinge zu offenbaren, die eher geheim bleiben sollten.

So weiß Carper bald, dass Dorothy vor ihrem Tod reizbar und unruhig gewesen ist, Mr. Morgan ihr gern ein wertvolles Bild abgekauft hätte, Vetter Robert ein Hallodri in ständigen Geldnöten und Alice neidisch auf das Glück der Freundin ist sowie der verliebte Colonel Hook die Gastgeberin am Abend des Mordes überreden wollte, mit ihm durchzubrennen. Er scheint der erste Kandidat für den Mord zu sein, wären da nicht Roberts Zigarettenspitze, die bei der Leiche gefunden, und Alices Fußspur, die im Garten vor der Bibliothek entdeckt wurde.

Viel Stoff zum Nachdenken für Carper und den trauernden Gatten, den der Inspektor flugs zu seinem Watson ernennt und die Ermittlungen begleiten lässt. Der zunächst Geschmeichelte merkt indes bald, dass der schlaue Carper ihn auf diese Weise umso genauer im Auge behalten möchte. Die Ermittlungen treten trotzdem auf der Stelle, bis in seinem Gästezimmer der Colonel erschossen aufgefunden wird. Hat sich hier ein schamvoller Ehebrecher selbst gerichtet – oder der Täter, der mit seiner Mordschuld nicht mehr leben konnte …?

Britischer Krimi – Made in Germany

Ein kleines Kuriosum ist dieser Roman, der britische Landhauskrimi-Gemütlichkeit in jeder Zeile zu atmet und doch durch und durch deutsche Wertarbeit ist. Schon seit jeher lieben die Leser dieses unseres Landes die heile Welt des klassischen Insel-Thrillers, in der Gut und Böse zunächst nicht zu unterscheiden sind. Doch nach spannenden sowie maßvoll aufregenden Ermittlungen wird im großen Finale der männliche oder weibliche Schurke garantiert und scharfsinnig entlarvt, was bei den Lesern die tröstliche Gewissheit hinterlässt, dass sich Verbrechen eben doch nicht bzw. nur in der Realität lohnen.

Originell darf sich die Handlung von „Die Nacht im schwarzen Haus“ ganz sicher nicht nennen. Das sollte und durfte auch gar nicht so sein; Ziel war schließlich die Beschwörung der oben skizzierten Heimeligkeit. Im Landhauskrimi (der folgerichtig auch „cozy“ genannt wird) müssen Handlung und Figurenzeichnung unbedingt gewissen Mustern folgen, weil sich dieser Effekt sonst nicht einstellen würde.

1955 erzielten die Werke von Edgar Wallace und Agatha Christie die größten Verkaufserfolge im Nachkriegsdeutschland. Da lag der Gedanke nahe, auf deren Spuren zu wandeln. Mrs. Christie wird hier sogar ausdrücklich als Vorbild genannt, da sich Herr von Klimburg schamlos eines klassisch gewordenen Kniffs dieser Autorin bedient, um der damals womöglich tatsächlich überraschten Leserschaft einen Täter zu präsentieren, mit dem wirklich niemand gerechnet hatte. Wer es ist, sei hier selbstverständlich verschwiegen – vielleicht möchte sich jemand noch gern hinters Licht führen lassen!

Gut kopiert statt schlecht ausgedacht

Ulrich von Klimburg ging kein Risiko ein. Er übertrug die Regeln des Cozys nicht auf deutsche Verhältnisse, sondern blieb in England. Erstaunlicherweise funktioniert das famos; der Landhauskrimi ist – das lernen wir daraus – ein simpel gestricktes und vor allem künstliches Genre, das sich beliebig nachschöpfen lässt.

Natürlich dürfen wir vom Ergebnis keinerlei literarischen ‚Wert‘, d. h. gesellschaftskritische Tiefe erwarten. Auch als Rätselkrimi hält sich die Geschichte höchstens wacker. „Die Nacht im schwarzen Haus“ ist ein Genre-Pastiche. Es profitiert davon, dass es als solches heute kaum mehr zu erkennen ist. Viele Jahrzehnte trennen uns von den ‚Originalen‘, und die heutzutage im angelsächsischen Sprachraum weiterhin zahlreich entstehenden Landhauskrimis sind allesamt selbst Kopien.

Nichtsdestotrotz übertrifft von Klimburg manches Vorbild sogar. Kein Edgar Wallace-Werk kann beispielsweise in Wort und Plot mit ihm mithalten. Altmodisch aber gefällig liest sich „Die Nacht …“ deshalb, ist niemals langweilig und kann leicht mit (allzu) vielen Häkelkrimis mithalten, die den Buchmarkt überschwemmen.

Figuren auf Schienen

Ein guter Polizist muss mindestens eine Macke haben, um dem Leser interessant zu werden. Das ist eine uralte Regel, die Verfasser von Klimburg treulich beherzigt. Inspektor Carper ist feist und wirkt harmlos, hat es aber faustdick hinter und allerhand zwischen den Ohren. Seine allesamt verdächtigen Gesprächspartner sind ihm nicht wirklich gewachsen. Kein Wunder, denn sie repräsentieren nur Stereotypen des englischen Krimis: den vom Pflichtbewusstsein beherrschten Soldaten, den leichtfertigen Lebemann, die verbitterte Jungfer, den nur scheinbar ehrenwerten Geschäftsmann.

Dazu kommen treuherzig-dumpfbirnige Bedienstete, die immer für einen Scherz auf ihre Kosten gut sind und ansonsten das beruhigende Gefühl vermitteln, dass es auf dieser Welt in Ordnung geht, wenn sich die Reichen = Tüchtigen den Arsch hinterhertragen lassen. Auf diese Weise funktionierten noch lange die Krimis im zeitgenössischen Kino und Fernsehen.

Folgerichtig dürfte „Die Nacht …“ auch heute noch sein Publikum finden. Problematisch ist vor allem ein Stil, der den Zeitgeist förmlich atmet. Anders als eine Übersetzung kann dieser nicht ‚modernisiert‘ werden, ohne in die Romansubstanz selbst einzugreifen. Zudem gibt es mehr als genug alte und neue Rätselkrimis, die eine Wiederauflage eher verdienen als dieses Werk eines weder grundlos noch zu Unrecht vergessenen Verfassers.

Autor

Ulrich von Klimburg wurde 1922 in Wien geboren. Als Soldat verschlug es ihn u. a. in die ostpreußischen Masuren. Nach dem II. Weltkrieg studiert von Klimburg Geschichte. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich als Journalist und Autor. Von Klimburg schrieb Historienromane und Krimis. Ansonsten konnte dieser Rezensent nichts über ihn in Erfahrung bringen.

Taschenbuch: 188 Seiten
www.randomhouse.de/goldmann

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