Boyle, T.C. – Frauen, Die

In „Die Frauen“ erzählt T.C. Boyle die Geschichte des amerikanischen Architekten Frank Llloyd Wright, der als einer der größten seines Landes gilt . Allerdings geht es, wie man schon am Titel sieht, weniger um sein Schaffen, sondern um seine Frauengeschichten, die in den eher prüden Zwanziger- und Dreißigerjahren für den einen oder anderen Skandal gesorgt haben.

Boyle betrachtet drei der Frauen in seinem Leben genauer. Mamah ist seine erste Geliebte nach der langen Ehe mit seiner ersten Frau Kitty. Ihre Familien sind befreundet, was dazu führt, dass Frank und Mamah sich aufgrund ihrer Zuneigung von den anderen isolieren, da ihr Zusammenleben nicht akzeptiert wird. Für Mamah ist das jedenfalls kein Problem. Die begeisterte Feministin übersetzt nämlich gerade die Werke von Ellen Key, die die wahre Liebe aus Sicht der Frauen predigt. Das wiederum soll sie später das Leben kosten …

Nach dem Tod von Mamah liest Miriam in Paris in der Zeitung von Wrights Schicksal. Sie fühlt sich von seinem Leid angezogen und beginnt einen kurzen, aber ertragreichen Briefwechsel mit ihm. Wenig später nimmt sie den Platz an seiner Seite ein und macht sich auf Taliesin, seinem Anwesen in Wisconsin, breit. Doch ihre hysterischen Anfälle und Boshaftigkeit sowie ihre Drogensucht zerstören die Ehe. Als schließlich die Tänzerin Olgivanna, eine stille, aber schöne Frau, in Wrights Leben tritt, versucht Miriam als gehörnte Ehefrau alles in ihrer Macht stehende, um den beiden das Zusammenleben zu erschweren.

Boyle widmet jeder Frau einen Teil des Buches und allen Teilen geht eine Einleitung voraus, in der Tadashi, ein ehemaliger Schüler, Einsichten in das Leben auf Taliesin gibt. Taliesin diente Frank Llloyd Wright nicht nur als Wohnort, sondern auch als Arbeitsstätte, weshalb er dort stets eine Schar Schüler um sich gescharrt hatte. Aus Tadashis Sicht erfährt man, wie der Alltag dort war, bevor sich die Geschichte wieder auf die Frauen konzentriert.

Ein Buch von Boyle sollte man nicht unbedingt deshalb lesen, weil man eine spannende, geradlinige und konsistente Handlung erwartet. Die Bücher des Autors bestechen normalerweise dadurch, dass sie ohne viel Aufhebens eine Geschichte zum Leben erwecken. Dies geschieht auch in „Die Frauen“. Boyle erzählt so detailliert und gleichzeitig so unbemüht vom Leben Frank Lloyd Wrights, dass die Personen und die damalige Gesellschaft vor dem Auge des Lesers zum Leben erwachen.

Die Leichtfüßigkeit seiner Sprache und die Beiläufigkeit, mit der er historische Gegebenheiten einflechtet, heben ihn dabei über viele andere historische Romane. Das Augenmerk liegt sowieso mehr auf dem Romanhaften, auf der Beschreibung der Personen, dem Spiel mit Wörtern. Dies gelingt dem Autor erneut überzeugend. Er balanciert bei seinen Figuren stets auf dem schmalen Grat zwischen Klischee und Authentizität. Er zeichnet sie auf der einen Seite sehr vielschichtig und lebendig, überspitzt auf der anderen Seite aber auch einige ihrer Charakterzüge. Miriam beispielsweise ist keine sympathische Persönlichkeit dank ihrer Drogen- und Eifersucht. Beides benutzt Boyle immer wieder als Aufhänger, was der Geschichte eine gewisse humorvolle Note gibt.

Während Miriam, Mamah und Olgivanna in ihrem Teil jeweils als Erzählperspektive dienen, betrachtet Boyle Frank hauptsächlich durch die Augen anderer. Neben seinen Frauen äußert sich auch Tadashi in seinen einleitenden Bemerkungen über den Mann, den er vor allem wegen seiner Architekturleistungen bewundert. Der Autor präsentiert dem Leser also vier verschiedene Sichtweisen auf seinen Protagonisten, was ein gewisses Mitdenken beim Leser voraussetzt, auch wenn sich zwischen den Meinungen der einzelnen Personen Parallelen ergeben.

Geschrieben ist die Geschichte in etwa so abwechslungsreich wie die Charaktere. Diverse Fußnoten ergänzen das Geschriebene, fügen Hintergrundinformationen hinzu oder enthalten persönliche Äußerungen Tadashis. Der Schreibstil selbst hat ein hohes Niveau. Boyle verwendet einen großen Wortschatz, den er für kreative Wortbilder benutzt. Er wirkt dabei nie bemüht witzig, sondern setzt vielmehr kleine, amüsante Glanzpunkte in der sowieso sehr detailliert erzählten Geschichte.

Letztendlich ist „Die Frauen“ ein typischer Boyle-Roman, was keineswegs abwertend gemeint ist. Eine interessante Geschichte in einem gut dargestellten historischen Kontext, vielschichtige Charaktere und der gewohnt gekonnte Schreibstil sprechen für dieses Buch. Wie gewohnt auf hohem Niveau!

|Taschenbuch: 556 Seiten
Originaltitel: |The Women|
Deutsch von Kathrin Razum und Dirk van Gunsteren
ISBN-13: 978-3423139274|
http://www.dtv.de

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