Bunse, Rolf – Wo ist Dracula? Das außergewöhnliche Wimmelbuch

_Wimmelbuch: Lustiger Zeitvertreib für Entdecker_

Graf Dracula, der Unsterbliche, hat die Nase gestrichen voll vom langweiligen Transsilvanien. Warum immer nur in dunklen Schlössern und feuchten Kellergewölben sein Unwesen treiben (noch dazu in der tiefsten Provinz!), wo es doch noch so viel zu entdecken gibt?

Also nichts wie raus aus den engen vier Sargwänden und mitten hinein ins Menschengewimmel! War der Graf nicht eben noch auf einer Halloween-Party zu finden? Hat er sich etwa auch auf die Filmpremiere eines Vampirstreifens geschmuggelt? Wer genau hinsieht, merkt schnell: egal ob Karneval in Venedig, der Wiener Opernball oder das Metropolitan Museum in New York City – kein Schauplatz der Welt ist vor dem Blutsauger sicher … (abgewandelte Verlagsinfo)

_Der Zeichner_

Der Illustrator Rolf Bunse hat bereits mehrere Wimmelbücher veröffentlicht, darunter „Wo ist der Papst?“.

_Inhalt_

1) |Rummelplatz mit Geisterbahn|

Einleitungslos geht es gleich in die erste Szene, doch der Rummelplatz scheint aus den siebziger Jahren zu stammen: Schiffschaukel, Kettenkarussell, Zuckerwattestand, Wahrsager, Schießbude – all dies scheint heute, im Zeitalter der motorisierten Sensationsmaschinen, völlig antiquiert. Oder vielleicht gerade deshalb um so attraktiver für den Grafen. Insbesondere die Geisterbahn scheint für ihn Attraktionen bereitzuhalten: unheimliche Mönche, blutige Ritter, ein Scharfrichter mit Hackebeil, diverse Monstren. Da kommt Laune auf. Und ordentlich Gruseln. Der Graf indes hat ein Opfer gefunden …

2) |Der Spiegelsaal von Versailles|

Eine enorme Menschenmenge verliert sich zwischen den Spiegelwänden, Marmorstatuen und unter den enormen Kristallüstern. Der Graf ist leicht auszumachen.

3) |Eine Operninszenierung auf der Freilichtbühne einer Burg|

Es ist schwer herauszubekommen, um welches Schaustück es sich hier handelt, aber der Auftritt von degenfechtenden Musketieren gibt einen Hinweis. Sinds die „Meistersinger von Nürnberg“ auf der Burgbühne, so scheint im Vordergrund, der den Orchestergraben wie ein Amphitheater umgibt, eine ganz andere Geschichte dargestellt zu werden. Esel, Schafe, Ziegen treten ebenfalls auf. Mache sich jeder seinen Reim darauf. Der Graf verkneift es sich jedoch zu Singen.

4) |Im Naturhistorischen Museum|

Ein höchst sonderbares Museum: Im Vordergrund ragen furchteinflößende Skelette von Dinosauriern über die Köpfe der zahlreichen Besucher. Doch im angrenzenden Raum sind altägyptische Pharaonenstatuen und Sarkophage ausgestellt – eine Kombination aus Naturkunde- und Kulturgeschichtsmuseum. Rechts oben ist ein Rittergrab samt Statue zu erspähen, rechts unten mehrere Marmorstatuen. Nichts will so recht zueinander passen, wie eine Kreuzung aus Louvre und Senckenberg-Museum. Und Dracula natürlich mittendrin (aber gut versteckt).

5) |Auf dem Opernball|

Mehrere hundert Tanzpaare scheinen auf dem Parkett die Hufe zu schwingen, der Rest schaut von den dreistöckigen Rängen schampusschlürfend zu. Doch nicht alles ist hier Walzer! Mehrere ausgelassene Paare praktizieren den verpönten Rock’n Roll, und es ist nicht nur ein einsames Rebellen-Duo, sondern gleich mehrere. Der Graf hat auch hier ein Opfer gefunden.

6) |Karneval in Venedig|

Der Markusplatz vor dem Dogenplatz erstreckt sich zwischen gondelbesetztem Canale Grande und Säulenlöwen. Sie überblicken die bunt kostümierte Schar der Karneval Feiernden. Ein Festzug mit besonders bunt kostümierten Darstellern, manche auf Stelzen, zieht von rechts nach links, bestaunt und geknipst von modernen Touristen. Der ebenso wie ein Mann des 17. Jahrhunderts aufgetakelte Graf ist hier äußerst schwer auszumachen. Perfekte Tarnung, Euer Durchlaucht!

7) |Horrorfilmpremiere in Hollywood|

Sehr witzig: Hier treten gleich ein halbes Dutzend Draculas auf! Während die Schauspieler des DRACULA-Films den Roten Teppich entlangposieren, um von der versammelten Presse abgelichtet zu werden, betrachten Dracula-Plakate und ein Dracula-Darsteller das von Touristen bestaunte Defilee, das sich dem säulenbewehrten Eingang des Ritz Carlton nähert – vermutlich in Cannes, wo die Filmfestspiele stattfinden. Der richtige Graf – wo mag er sich versteckt haben, unter so vielen falschen …?

8) |Halloweenfeier im Schlossgarten|

Der Höhepunkt des Bandes und sicherlich eines der schwierigsten Suchbilder. Vor der Freitreppe des Schlosses erstreckt sich eine Grünfläche, auf der eine bunt kostümierte Menschenmenge zwischen Blutbrunnen und Orchesterpodium umherquirlt. Allerlei Horrorgestalten aus mindestens 20 verschiedenen Filmen, versuchen den Sterblichen einen Schrecken einzujagen: Knochenmänner, Mumien, Werwölfe, Totenkopfpiraten und viel Gelichter mehr. Leider auch der eine oder andere Vampir in Dracula-Verkleidung. Doch es kann nur einen Wahren geben! Wo ist er?

_Mein Eindruck_

Wozu ist so ein Wimmelbuch überhaupt gut, fragte ich mich vor dem Betrachten dieser acht Bilder. Schließlich sieht man ja bloß herumwimmelnde Figuren, nicht wahr? Aber bis man endlich das Gesuchte gefunden hat, vergeht doch einige Zeit, und bis dahin hat man vielfach Gelegenheit, anderes zu entdecken.

Es sind einfache Entdeckerfreuden, die es hier zu ernten gilt. Und natürlich ist die Freude am größten, wenn man diese Figuren und Dinge noch gar nicht kennengelernt hat. Dann sind sie alle neu und somit eine Überraschung. Der Betrachter müsste dann in unseren TV-gesättigten Breiten aber noch ziemlich jung sein, würde man meinen. Es gibt aber immer wieder Haushalte und vor allem Mütter, die völlig aufs Fernsehen verzichten, aus allen möglichen Gründen. Beispielsweise um ihre Kids vor Bildern der Gewalt und Verrohung zu schützen.

|Steckbrief unnötig|

Vielleicht fragt sich der eine oder andere nun, wie es gelingen soll, einen Mann zu finden, der sich unter Doppelgänger, Schauspieler und Geisterbahnfiguren zu mischen pflegt. Nichts leichter als das! Der Graf, übrigens ein sympathischer Bursche, ist stets mit einem roten Jabot angetan, dessen helle Farbe sich – in der Regel – leicht ausmachen lässt. Und hin und wieder hält er sich neben einer blonden Schönheit auf, der er gerade den Hof macht (warum wohl?). Wenn nur nicht seine Doppelgänger wären, hätte der Sucher leichtes Spiel.

_Unterm Strich_

Das Wimmelbuch lehrt den kleinen wie den großen Betrachter, das Einzelne im Vielen, das Besondere im allgemeinen Meer der Figuren zu suchen und auf dieser Forschungsreise viele Entdeckungen zu machen. So wird der Betrachter zum Navigator der Masse, zum Sucher der Besonderheit.

Diese Besonderheit ist nicht bloß der steckbrieflich gesuchte Graf, sondern auch all jene vertrauten oder unvertrauten Figuren, die sich auf der Geisterbahn, im Filmgeschäft (wo ist da der Unterschied?), auf der Halloweenparty sowie im Museum usw. dem Auge präsentieren. Gestört hat mich lediglich, dass der Graf meist allzu leicht zu finden ist. Das war beim Papst doch wesentlich schwieriger. Außerdem gab es allerlei Merkwürdigkeiten zu bestaunen, so etwa im Museum. Und warum findet sich im Gegensatz zu den Vorsatzseiten keine einzige Fledermaus weit und breit.

|Hardcover: 24 Seiten
ISBN-13: 978-3570139424|
[www.randomhouse.de/cbjugendbuch]http://www.randomhouse.de/cbjugendbuch/index.jsp

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