Frankfurt, Harry G. – Bullshit

In dem Buch mit dem sehr prägnanten Titel „Bullshit“ befasst sich der Autor Harry G. Frankfurt, seines Zeichens Professor für Philosophie an der Universität von Princeton, mit dem Phänomen des „Bullshits“. „Bullshit“ meint in diesem Kontext, vereinfacht formuliert, Gerede von äußerst fragwürdiger oder völlig fehlender inhaltlicher Substanz. Um sich dem Begriff des „Bullshits“ zu nähern, zitiert er im Laufe der insgesamt 65 Seiten dieses Büchleins diverse Auszüge aus dem Oxford English Dictionary sowie eine Anekdote über Wittgenstein und auch eine Passage aus dem Werk „Die Lüge“ von Augustinus, um nur die bekanntesten Namen zu nennen.

In zumindest augenscheinlich wissenschaftlicher Weise geht der Autor daran, den „Bullshit“ genauer zu bestimmen. Dies tut er vor allem anhand sprachwissenschaftlicher Überlegungen. Im Zuge dessen grenzt er beispielsweise den „Bullshit“ vom „Humbug“ und der ordinären Lüge ab. Wenngleich es nur etwa eine Stunde dauern dürfte, dieses Buch zu lesen, so erscheint es dennoch überwiegend langatmig. Die wenigen originellen Lichtblicke werden sogleich wieder von jenem Schwadronieren überdeckt, welches sich leider in vielen philosophischen Auseinandersetzungen finden lässt. Dieses Buch als Philosophie zu beschreiben, wäre jedoch wesentlich zu hoch gegriffen. Es erscheint vielmehr als ein Gedankenspiel über ein Thema, dessen Signifikanz für die Philosophie eindeutig in Frage gestellt werden muss. An der Qualifikation und Reputation des Autors ist indes keineswegs zu zweifeln, allerdings muss man sich vor Augen führen, was dieses Buch ist oder vielmehr sein soll. Es ist ein einzelner Gedanke, der sehr weitschweifig ausgeführt wird und dessen Bedeutsamkeit, wie erwähnt, höchst strittig ist. „Bullshit“ ist ein Essay, über das man sich zumindest an einigen wenigen Stellen amüsieren kann, insofern man diese Form des Humors teilt.

„Ist der Bullshitter seinem Wesen nach ein geistloser Banause? Ist sein Produkt in jedem Fall grob und unsauber gearbeitet? Das Wort |shit| verweist natürlich darauf. Exkremente sind niemals in besonderer Weise gestaltet und gearbeitet.“ „Während |heiße Luft| ein von jeglichem Informationsgehalt entleertes Reden darstellt, sind Exkremente Stoffe, denen jeglicher Nährstoffgehalt entzogen worden ist.“

Angesichts solcher Textstellen darf man sich doch fragen, ob es wirklich eines Professors für Philosophie bedarf, um solche Vergleiche anzustellen. Ebenso lässt sich hieran besonders deutlich veranschaulichen, wie gering der Grad an Wissenschaftlichkeit ist, der von Seiten des Autors an den Tag gelegt wird. Dies hat allerdings Methode, wie man annehmen kann. Zunächst möchte ich dem potenziellen Leser dieses Buches eine verschwendete Stunde und die Vergeudung von 8 € ersparen. Das Büchlein hat im Endeffekt nur zwei Kernaussagen, die ich aus besagten Gründen an dieser Stelle zitieren möchte:

1. „Bullshit ist immer dann unvermeidlich, wenn die Umstände Menschen dazu zwingen, über Dinge zu reden, von denen sie nichts verstehen.“
2. „In Wirklichkeit sind wir Menschen schwer zu packende Wesen. Unsere Natur ist notorisch instabiler und weniger eingewurzelt als die Natur anderer Dinge. Und angesichts dieser Tatsache ist Aufrichtigkeit selbst Bullshit.“

Das zweite Zitat stellt übrigens gleichzeitig den Abschluss von „Bullshit“ dar. 65 Seiten Wortklauberei kulminieren also in diesen drei Sätzen, die inhaltlich weder neu noch besonders originell sind. Für einen Leser, der sich noch nie mit Philosophie befasst hat, mag das eine bemerkenswerte Schlussfolgerung des Autors sein, allerdings kann ich nachdrücklich versichern, dass dem, objektiv betrachtet, nicht so ist. Jeder Philosophiestudent im Grundstudium wäre in der Lage, eine solche These aufzustellen. Zudem ist die Frage, ob ein Mensch überhaupt zu gesicherter Kenntnis über sich oder seine Umwelt gelangen kann, grundlegender Bestandteil jeglicher erkenntnistheoretischer Philosophie. Wer sich allerdings für das Thema der Erkenntnis und des Irrens interessiert, dem kann ich als Einstieg nur René Descartes’ „Meditationen“ wärmstens ans Herz legen. Allerdings ist dies nur eines der vielen Bücher zum Thema, die allesamt gehaltvoller und faszinierender sind als „Bullshit“.

Natürlich wird dem Leser des Buches nicht entgehen, dass der Autor sich ein offenkundig triviales Thema gesucht hat und dieses mit großem Aufwand bespricht. Der „Clou“ des Buches soll offensichtlich darin bestehen, dass gesicherte Aussagen durch die instabile Beschaffenheit des eigenen Ichs in äußerstem Maße schwierig erscheinen. Dies bedeutet, wenn man den Gedanken auf die Spitze treibt, dass der Autor seinen Leser am Ende des Buches mit dem Eindruck zurücklässt, die soeben gelesenen 65 Seiten seien in der schlussendlichen Konsequenz ebenfalls „Bullshit“. Und zumindest in diesem Punkt stimme ich eindeutig mit dem Autor überein. Somit scheint der alte Satz „Nomen est omen!“ für das Buch „Bullshit“ durchaus zutreffend zu sein.

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