Loy, Hannsdieter (Roman-Adaption); Wogh, Michael (Original-Drehbuch) – TATORT: Starkbier

Das 40-jährige Jubiläum der wohl bekanntesten und mitunter beliebtesten deutschen Krimiserien liegt nach gar nicht so lange zurück. Unlängst hat der TATORT den Sprung vom Bildschirm in die literarische Welt geschafft: Seit 2009 erscheinen ausgewählte Fälle beim |Emons|-Verlag als broschierte Taschenausgaben. Als Basis für die Kriminalromane dienen hierbei die Drehbücher bereits ausgestrahlter Folgen. Hannsdieter Loys Roman „Starkbier“ ist neben Martin Schüllers Adaption zu „A g’mahde Wiesn“ nun schon der zweite Fall der Münchener Ermittler Leitmayr/Batic/Menzinger, der in Buchform vorliegt. Das TV-Debüt der von Michael Wogh für den Bayerischen Rundfunk geschriebenen Story liegt indes schon etwas zurück. Es war nämlich bereits im März 1999.

_Zur Story_

Mit dem Starkbieranstich auf dem Münchener Nockherberg beginnt traditionell „die fünfte Jahreszeit“ in der bayerischen Metropole. Während sich Leitmayr und Batic in einem Gewerbegebiet die Hintern platt warten, um einen kroatischen Dealerring samt dessen Häuptling hopszunehmen, welcher unter dringendem Tatverdacht des mehrfachen Mordes steht, vergnügt sich Kollege Carlo Menzinger bei eben jenem Starkbieranstich der traditionsreichen Benedictus-Brauerei. Der ehemalige Streifenpolizist, der vor einiger Zeit zur Kripo wechselte, wo er jetzt den beiden Altkommissaren Leitmayr und Batic zuarbeitet, ist passionierter Biertrinker und -kenner. Zudem ist er privat über den Fußballverein mit Brauerei-Klüngel mehr oder weniger – wie man mundartlich sagt – verspezlt. Was ihm schließlich auch die Einladung zu dieser recht exklusiven Veranstaltung brachte. Ausgerechnet dort kocht das Gerücht auf, dass die Brauerei demnächst verkauft werden soll.

Von feindlicher Übernahme wird gar gemunkelt. Mitinhaber Dr. Meindl ist darüber wohl vorher nicht informiert gewesen und entsprechend aufgebraucht, während sein Vize Eisinger abwiegelt. Der Brauerei steht offiziell auch auf soliden wirtschaftlichen Füssen: Ihr „Ultimator“-Starkbier ist ein Verkaufsrenner. Meindl sucht daraufhin wütend die Brauerei auf und wird tags darauf mitsamt seinem Auto aus der Isar gefischt. Und obwohl der Leichnahm immer noch stark nach Bier riecht, bestehen berechtigte Zweifel, dass es sich hier um einen einfachen Verkehrsunfall handelt. Da ist sich Carlo trotz dicken Schädels morgens am Fundort vollkommen sicher. Da Leitmayr und Batic scheinbar lieber ihren gewalttätigen Kroaten jagen, fühlt er sich bemüßigt fast allein zu ermitteln – schließlich ist er ja so was wie ein Insider und kennt die ganze Bagage. Außerdem kann er seinen beiden Vorbildern endlich beweisen, dass er mehr drauf hat, als nur Stichwortgeber zu sein.

_Eindrücke_

Es fällt schon fast von der ersten Seite an auf, dass der oberbayerische Romanautor Hannsdieter Loy viel mehr auf das Mundartliche setzt, als es Martin Schüller zuvor bei der Adaption zu „A g’mahde Wiesn“ tat. Der hatte den hiesigen Dialekt dort recht zurückhaltend eingesetzt, wobei dieses Phänomen sicherlich auch mit der Zeit der Entstehung der Vorlagen zu tun hat. Die älteren TATORTe – auch im TV – pflegten auf diese Art wesentlich mehr Lokalkolorit, als die Vertreter der neueren Generation, bei denen das inzwischen weitgehend eingesetzte Hochdeutsch die Sache nämlich entsprechend verwässert. Eine Entwicklung, die durchaus schade ist. Diese Gefahr besteht bei „Starkbier“ aber absolut nicht, da wird zünftig g’schwätzt und die Großkopferten abg’watscht. Somit passt auch die (text)sprachliche Atmosphäre höchst adäquat zu diesem – bekanntlich urbayerischen – Thema des Kriminalfalles: Bier und Spezlwirtschaft.

Natürlich macht auch die Tatsache, dass Carlo sich hier erstmals ernsthaft von den beiden Platzhirschen Leitmayr und Batic freischwimmen möchte zusätzlich interessant. Damals war er noch ganz der junge Wilde mit Cowboystiefeln, Hut, langen Haaren und (in den Achtzigern mal irgendwann schick gewesener) Rotzbremse – sprich: A fesch’m Oberlippenbart. Hier ist die Romanfassung deutlich im Nachteil , da die Figur (im TV dargestellt von Michael Fitz) und das Outfit auf dem Bildschirm mit seinen visuellen Möglichkeiten ganz anders wirken. In diesem Fall sogar besser. Das gilt selbstverständlich auch für seine Kollegen nicht viel weniger, wobei diese sich im Laufe der Zeit (rein optisch) nicht so sehr veränderten, wie Carlo.

Das heißt, wenn man die heutigen, selbstverständlich entsprechend gealterten, Gesichter Leitmayrs und Batics (Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec) einmal vor dem geistigen Auge hat, gelingt das Kopfkino auch damit hervorragend, zumal Hannsdieter Loy die recht typische Art der zwei (drei) Kommissare zu ermitteln und auch miteinander – sowie mit Zeugen und Verdächtigen – umzugehen, sehr gut aus der Vorlage extrahierte und in Textform goss. Diese Eigenheiten haben sich übrigens bis dato auch gar nicht gravierend verändert und sind noch heute das Erfolgsrezept der Münchener. Jetzt ist es allerdings längst kein Trio mehr – denn die beiden Platzhirsche ermitteln inzwischen (wieder) ohne den Sympathikus Carlo, welcher die Serie mit der Folge „Der Traum von der Au“ im Jahre 2006 endgültig verließ. Vielleicht auch grade deswegen, weil er – leider – eher selten so im Fokus gestanden wie in dieser recht frühen TATORT-Episode, wo die Figur grade frisch dabei war.

_Fazit_

Die Umsetzung ist gelungen und transportiert den Geist (und die Mundart) des Münchener Ermittlerteams sehr gut in die Romanform. Die Verluste an Lokalkolorit sind dank Hannsdieter Loys erfolgreicher Bemühungen den Dialekt herüberzuretten eher marginal. Wodurch man, zumindest in dieser Richtung, schlecht zu sagen vermag, ob einem die TV-Fassung oder das Buch besser mundet. Kommt vermutlich sehr stark darauf an, ob man der Kopfkino- oder doch eher der visuelle Typ ist. Auf jeden Fall ist der Roman mehr als nur eine simple Abschrift des Drehbuchs oder banale Gedächtnisstütze für vergessliche Couch-Potatoes. Es ist ein spannender, humoriger sowie urbayerischer Kriminalfall, den man sich auch ohne Kenntnis der TV-Vorlage bedenkenlos einverleiben kann. Eine gewisse Affinität zum Dialekt schadet aber definitiv nicht.

|Taschenbuch: 176 Seiten
Begleitbuch zur gleichnamigen ARD-Serie „Tatort“
Nach einem Drehbuch von Michael Wogh
ISBN: 978-3-89705-743-2|
[www.emons-verlag.de]http://www.emons-verlag.de

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[„Blinder Glaube“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5914
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