Nina Blazon – Im Reich des Glasvolks (Woran-Saga 3)

Band 1: [„Im Bann des Fluchträgers“ 2350
Band 2: [„Im Labyrinth der alten Könige“ 2365

Mit „Im Reich des Glasvolks“ beendet Nina Blazon ihre Worantriologie und geht dabei den Weg weiter, den sie bereits mit dem zweiten Band eingeschlagen hat. Auch dieses Mal halten wir keine direkte Fortsetzung in den Händen, sondern ein eigenständiges Buch, das zwar auf die anderen Bücher Bezug nimmt, aber einige Jahre später spielt.

Erneut hat ein Generationenwechsel stattgefunden. Die Hauptperson in diesem Buch ist zum ersten Mal weiblich und die Tochter von Julin und Haliz, die in „Im Labyrinth der alten Könige“ die Protagonisten waren. Jonnvinn, so der Name ihres ältesten Kindes, wird seit geraumer Zeit von Albträumen gequält, in denen wiederholt ihre kleine Schwester Nive, die eine Ausbildung als Glasmacherin im Nachbarland Fiorin macht, stirbt. Sie spürt, dass ihre Schwester in Gefahr ist und an dem Tag, an dem Ravin va Lagar und Amina, Jonns Großeltern, gekrönt werden, reitet sie spontan nach Ganarr. Zusammen mit Karis, dem Pferdeknecht, der unsterblich in Nive verliebt ist, wollen sie die Glasmacherin auftreiben, doch als sie ihre Werkstatt erreichen, erfahren sie, dass die junge Frau vor wenigen Tagen in die Wüste aufgebrochen ist. Sie versucht dort, das legendäre Volk im Glas zu befreien und will dabei auf Kräfte zurückgreifen, die seit Generationen in ihrem Blut schlummern. Dabei tritt sie einen Wüstenkrieg los und bugsiert ihre große Schwester zwischen die Fronten …

„Im Reich des Glasvolks“ beginnt eigentlich sehr spannend. Jonn erwacht schweißgebadet aus ihrem Albtraum und der Leser ahnt, dass hier etwas auf ihn zukommt. Er hofft es jedenfalls, denn schließlich hat Frau Blazon ihn in ihren anderen Büchern, was Spannung und geradlinige Handlungen angeht, sehr verwöhnt. Doch leider wird er dieses Mal enttäuscht. Die Handlung ist dieses Mal übereilt und scheint kein wirkliches Ziel zu haben. Ihr fehlen Hand und Fuß und sie weist einige Unebenheiten auf, die das Wohlbefinden stören. Durch ständige Orts- und Personenwechsel kommt unglaublich viel Unruhe in die Geschichte und es entsteht der Eindruck eines ziemlichen Durcheinanders. Das wundert, weil Blazon sonst immer ein sicheres Händchen für ihre Plots bewiesen hat, doch dieses Mal zittert sie deutlich. Auch die Längen in der Mitte passen so gar nicht zu den ersten beiden Bänden der Woransaga. Besonders auf den ersten, „Im Bann des Fluchträgers“, wird in diesem Buch Bezug genommen. Vor allem am Anfang werden immer wieder Geschichten von Ravins Abenteuer erzählt, so dass manchmal der Eindruck einer Nacherzählung aufkommt und die Eigenständigkeit verloren geht.

Auch die Charaktere bleiben dieses Mal etwas hinter den Erwartungen zurück. Jonn und Karis, die einen Großteil des Buches bestreiten, wirken seltsam oberflächlich und eindimensional. Ihre Persönlichkeit kommt kaum zum Ausdruck und dementsprechend schwer fällt es dem Leser, sich mit ihnen zu identifizieren. Anders sieht es da mit Nive aus. Sie weist immerhin einige klar abtrennbare Wesenszüge auf, doch hinterlassen diese leider einen unauthentischen Eindruck. Ihre Fixierung auf das Glasvolk wirkt sehr unreal, wodurch der Eindruck von Schwarzweiß-Zeichnung bei den Schwestern entsteht.

Der Schreibstil ist dagegen der Gleiche geblieben. Immer noch schafft es Blazon, ein buntes, lebendiges Bild ihrer gut durchdachten Welt zu zeichnen, ohne dabei zu viele Worte zu verschwenden. Das zeigt sich besonders, wenn es darum geht, Spezialitäten ihrer Fantasywelt einzuführen. In den meisten Fällen geschieht dies so gut wie gar nicht. Der Leser erschließt sich die Tiere und Pflanzen durch den Kontext, was in diesem Buch reibungslos verläuft. Während in den ersten beiden Bänden an einigen Stellen die Erklärungen gefehlt haben, werden sie im dritten Woranbuch dadurch gegeben, dass Jonn ebenfalls fremd in Fiorin ist. Leider greift die Autorin aber auch dieses Mal sehr oft zu unkonventionellen Metaphern und Vergleiche, die stellenweise etwas krumm geraten. „In der Morgendämmerung erschien die Wüste schmucklos wie eine Tänzerin, die ihr glänzendes Kleid noch nicht angelegt hatte.“ (Seite 218) ist nur ein Beispiel der dezenten Störfaktoren.

Nachdem ihr Debüt „Im Bann des Fluchträgers“ ihr nicht nur viel Lob, sondern auch den Wolfgang-Hohlbeinpreis eingehandelt hat und der Folgeband „Im Labyrinth der alten Könige“ dem Erstling kaum nachstand, wundert es, dass sich „Im Reich des Glasvolks“ als mittelmäßiges Fantasybuch outet. Die Handlung ist für Blazon’sche Verhältnisse sehr ungeordnet und lässt nicht nur einen straffen Handlungsstrang, sondern auch die Spannung missen. Der Schreibstil überzeugt zwar nach wie vor und präsentiert sich lebendig und farbenfroh wie eh und je, die Personen dagegen sind sehr blass geraten. Ein müder Abschluss für die Woransaga.

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