Safier, David – Happy Family

Endlich Nachschub von David Safier – so dachte ich, als ich „Happy Family“ per Post bekommen habe. Seit „Mieses Karma“ kann ich es kaum erwarten, wenn Safier ein neues Buch auf den Markt bringt, das ich dann wieder im Handumdrehen verschlingen kann. Und so war es auch bei seinem neuesten Werk, das wieder einmal nur zwei Tage angehalten hat, weil ich es – einmal angefangen – nicht mehr aus der Hand legen konnte.

_Wünsch dir was_

Emma Wünschmann besitzt eine kleine Buchhandlung, die mehr schlecht als recht läuft und eigentlich keine Gewinne abwirft. Dennoch hält sie treu an ihrer Angestellten Cheyenne fest, mit der sie sich so gut versteht, die sie aber eigentlich gar nicht bezahlen kann, weil im Laden die Kundschaft ausbleibt und Emma die Arbeit daher auch ganz alleine schaffen würde. Und dabei hatte Emmas Karriere in einem Verlag doch so viel versprechend begonnen – sogar eine aussichtsreiche Stelle im Ausland hatte sie angeboten bekommen, doch dann hatte sie Frank kennen gelernt und war ganz fix schwanger geworden, sodass sie die Stelle an ihre Kollegin Lena abtreten musste. Und genau diese Lena betritt eines Tages Emmas Laden und erzählt ihrer alten Kollegin von all ihren beruflichen Erfolgen. Emma ist grün vor Neid, will ihrer Konkurrentin aber unbedingt vorführen, wie glücklich sie stattdessen mit ihrer Familie ist. Und so geht Familie Wünschmann abends gemeinsam zu einer Lesung mit Stephenie Meyer – alle in Monsterkostümen verkleidet, obwohl die Lesung gar keine Kostümparty ist …

Entsprechend schlecht ist die Stimmung auf dem Nachhauseweg – Tochter Fee in Mumienkostüm schreibt eine SMS nach der anderen und muffelt alle anderen an, Vater Frank, als Frankensteins Monster verkleidet, ist eigentlich viel zu k. o., um sich aufzuregen, da sein Job ihn unglaublich in Anspruch nimmt, und Sohn Max in seinem Werwolfkostüm denkt an seinen Schwarm Jaqueline, die ihn leider gar nicht ernst nimmt und ihn ins Schulklo getaucht hat. Unterwegs platzt Emma der Kragen – hat sie doch ihre Karriere für diese Familie aufgegeben, mit der sie sich nun ständig herumärgert. Sie rast auf den Bürgersteig und fährt dabei fast eine alte Frau um – die Hexe Baba Yaga, die Familie Wünschmann kurzerhand in Monster verwandelt, denn sie möchte Graf Dracula eine Vampirin als Weggefährtin an die Seite geben – und dies ist Emma Wünschmann in ihrem Vampirskostüm.

Auch als echte Monster hat Familie Wünschmann erstmal nichts Besseres zu tun, als zu streiten. Einig sind sie sich nur in einem – sie wollen schleunigst ihre alten Körper zurück. Obwohl: Auch da ist Söhnchen Max sich eigentlich gar nicht so sicher, sieht er als Werwolf doch die Möglichkeit, endlich mal etwas Mut zum Abenteuer zu entwickeln, während er als Menschenjunge bloß ein schlauer und verschüchterter 12-Jähriger ist.

Um ihre alten Körper zurückzuerlangen, verfolgen die Wünschmanns Baba Yaga durch Europa – Ziel der Reise ist Transsilvanien. Als Fortbewegungsmittel dient der alte Hippiebus von Emmas Freundin Cheyenne. Mit dabei ist auch Jaqueline, die zunächst nichts Besseres zu tun hat, als Max weiterhin aufzuziehen und zu demütigen. Unterwegs begegnen die Wünschmanns Graf Dracula, der unbedingt mit Emma anbandeln will, um viele Vampire in die Welt zu setzen. Emma fühlt sich geschmeichelt, zumal Cheyenne abenteuerliche Geschichten über Draculas Bettkünste erzählen kann. Die Reise führt natürlich nicht auf direktem Weg nach Transsilvanien, einen Zwischenstopp legen die Wünschmanns – nicht ganz freiwillig allerdings – in Ägypten ein, wo sie dem wütenden Pharao Imhotep begegnen, der die Wünschmanns zur Strecke bringen will. Und so gilt es, einige Abenteuer zu überstehen – Ziel ist es jedoch, als Familie wieder das gemeinsame Glück zu entdecken, nur dann kann Baba Yagas Fluch überwunden werden …

_Verflucht seid ihr, oh Unglückliche_

In seinem vierten Roman erinnert David Safier sich offensichtlich wieder an alte Zeiten, denn genau wie in seinem fulminanten Debüt werden Menschen in andere Kreaturen verwandelt und müssen ihr Glück (bzw. im ersten Buch war es eben gutes Karma) erlangen, um wieder zum Mensch werden zu können. Aber wie nicht anders zu erwarten war, ist der Weg dorthin alles andere als geradlinig. Und so muss Familie Wünschmann auch hier alle möglichen Abenteuer überstehen, Widersacher ausschalten und vor allem Familienzwistigkeiten ausfechten. Denn das gemeinsame Schicksal schweißt sie nicht etwa näher zusammen, sondern entzweit die Wünschmanns zunächst viel weiter. Alle geben Emma die Schuld für den Fluch, da sie es war, die die alte Hexe beleidigt und damit ihren Zorn auf sich gezogen hat. Emma dagegen verflucht ihre Familie, da sie unglücklich ist mit ihrem Leben und ihrer Familie die Schuld dafür gibt. Frank ist völlig desillusioniert. Seine Arbeit hat ihm bereits die letzte Kraft geraubt und so sieht er hilflos allen Streitereien zu, da er keine Kraft mehr hat, sich zu engagieren und sich mit Emma zu versöhnen.

David Safier greift mal wieder in seine Trickkiste der besten Kuriositäten, er spielt mit einer Absonderlichkeit nach der anderen, lässt schier unglaubliche Dinge geschehen und erwärmt damit wieder einmal das Herz seiner Leser. Praktisch auf jeder Seite zaubert er einem ein Lächeln ins Gesicht, da man so sehr mit dieser chaotischen Familie mitfühlt und über die erlebten Geschichten lacht. Safier hat ein unglaubliches Geschick zum Formulieren und versteht es grandios, ganz nebenbei die witzigsten Episoden zu präsentieren. Nie ist sein Wortwitz aufdringlich, ganz im Gegenteil, fast hat man das Gefühl, man könnte seine Witze verpassen, wenn man nicht aufmerksam genug liest, da die lustigsten Dinge wirklich im „Vorbeigehen“ passieren. In diesem Buch spielt er vor allem mit Jaquelines beschränktem Verstand und Max‘ Schläue, denn Jaqueline versteht praktisch alles falsch, da sie keine Ahnung von irgendwas hat, aber der kleine Max denkt dafür so verquer und so deutlich seinem Alter voraus, dass man einfach nur über den kleinen Mann lachen muss.

In puncto Wortwitz steht das vorliegende Buch dem „Miesen Karma“ kaum in etwas nach, aber irgendwie ist Safiers Erstlingswerk immer wieder die Messlatte für alle anderen seiner Bücher, da er einfach gleich mit einem fast schon perfekten Buch bekannt geworden ist. „Happy Family“ schrammt aber aus meiner Sicht nur ganz knapp an Safiers Debüt vorbei, denn dieses Mal hat er mich wieder einmal von der ersten bis zur allerletzten (viel zu schnell kommenden) Seite blendend unterhalten.

_Schräge Charaktere_

Im Mittelpunkt steht die Familie Wünschmann – allen voran die frustrierte Emma, die mit sich und ihrem Leben unzufrieden ist, aber allen beweisen möchte, dass sie in ihrer Familie ihr Lebensglück gefunden hat. Doch ihre Kinder bringen ihr keine Liebe entgegen, mit Tochter Fee zofft sie sich am laufenden Band und Söhnchen Max macht seine Probleme mit sich alleine aus, da er der Meinung ist, dass seine Schwester der Liebling seiner Mutter ist und sie ihn eigentlich gar nicht mag. Familienvater Frank ist so mit seinem Job beschäftigt und von ihm eingenommen, dass er für seine Familie und deren Probleme weder Zeit noch Geduld aufbringen kann, und so wirkt er völlig phlegmatisch. Emma mit all ihrem Unglück gefiel mir extrem gut, zumal man sie streckenweise doch gut verstehen kann. Tochter Fee steckt mitten in der Pubertät und möchte ihren großen Schwarm für sich gewinnen, erfährt dank ihrer neuen Hypnosefähigkeiten allerdings, dass dieser gar nicht auf sie steht und nur mit ihr gespielt hat. Das deprimiert sie weiter, zumal sie gar nicht weiß, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Das sind die typischen Probleme eines Teenagers – bei Safier natürlich ein wenig überzeichnet, aber doch so authentisch, dass Fee dem Leser echt leidtun kann. Aber auch Max sammelt einen Sympathiepunkt nach dem anderen. Er ist der Intelligenzbolzen der Familie und muss daher in der Schule einiges einstecken. Keiner versteht ihn, da er in ganz anderen Sphären denkt als alle anderen. Und selbst als Werwolf ist er doch nur ein ängstliches Hündchen – einfach zu goldig!

Einzig Frank hat mir nicht gefallen. Als Frankensteins Monster ist sein IQ dermaßen geschrumpft, dass er sich nur noch grunzend artikulieren kann und aufmalen muss, was er seiner Familie mitteilen möchte. Seine Probleme in Job und Familie bleiben daher ziemlich diffus, da er sich nicht mitteilen kann und man ihn deswegen nicht versteht.

Glorreich dagegen ist Cheyenne, die schon alles Mögliche erlebt hat und vor allem gerne von ihren sexuellen Eskapaden in allen Details berichtet – herrlich komisch!

_Eine schrecklich nette Familie_

„Happy Family“ ist ein echtes Feel-Good-Buch. Mit jeder Zeile muntert Safier einen auf, bringt einen zum Lachen und unterhält einen blendend. Das Buch ist herrlich komisch geschrieben, sprüht vor Wortwitz und überzeugt – bis auf eine winzige Ausnahme – auch in der Charakterzeichnung. Die Familie Wünschmann ist so herrlich komisch und doch auch völlig normal, dass man ihre Probleme nur zu gut nachfühlen kann, aber doch auch ständig wieder darüber lachen muss, weil David Safier es schafft, die Probleme so überspitzt darzustellen. Zwar reicht das vorliegende Buch nicht ganz an Safiers Erstling heran, dennoch kann ich das Buch auch all denen nur ans Herz legen, die bislang von David Safier nichts gelesen haben. Das Buch unterhält auf hervorragende Weise, sodass ich schon jetzt wieder Safiers nächstem Werk entgegenfiebere.

|Hardcover, 320 Seiten
ISBN-13: 978-3463406183|
[www.rowohlt.de]http://www.rowohlt.de

_David Safier auf |Buchwurm.info|:_
[„Mieses Karma“ 3575
[„Jesus liebt mich“ 5337
[„Mieses Karma“ (Hörspiel) 5126
[„Plötzlich Shakespeare“ 6231
[„Hapy Family“ (Hörbuch) 7375

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