Swann, Leonie – Garou

Die Schafe von Glennkill grasen wieder – dieses Mal auf einer französischen Weide. Denn nach dem Tod ihres Schäfers George sind sie mit ihrer neuen Schäferin Rebecca endlich ins ersehnte Europa gereist, von dem die neugierigen Schafe schon so viel gehört hatten. Am Fuße eines alten Schlosses versuchen sie, sich trotz des bevorstehenden Winters und des zu erwartenden Schnees in Frankreich einzuleben, wo die Menschen so komisch europäisch reden. Doch leider ist die Freude der Schafe über ihr neues Quartier nicht ganz ungetrübt: Auf der nachbarlichen Wiese hausen stinkende Ziegen und wilde Gerüchte über einen Werwolf machen die Runde. Tote Rehe liegen in den Wäldern und als dort auch noch ein Mensch erschossen aufgefunden wird, kommen die Männer mit den merkwürdigen Mützen – Polizisten nämlich -, um den Vorgängen im Wald auf die Spur zu kommen.

Die Schafe rund um die Chef-Ermittlerin Miss Maple entwickeln ihre eigenen Theorien über den sogenannten Garou, vor dem sich alle fürchten. Sie ermitteln auf eigene Faust, gehen dabei auf große Wanderschaft und setzen sich der Gefahr durch den Garou und seine Jäger aus. Denn auch der Garou hat Feinde, wie sich bald herausstellt. Und so fürchten sich die Schafe bald nicht nur vor dem Garou, sondern auch vor dessen Jägern, die offensichtlich einen Menschen auf dem Gewissen haben, der ihnen bei der Jagd in die Quere gekommen ist.

Merkwürdige Dinge gehen vor rund um die Schafswiese. Nur langsam kommt Miss Maple dem Garou und seinen Jägern auf die Spur, denn auch die mysteriösen Karten von Rebeccas Mutter, mit denen sie angeblich sehen kann, helfen den Schafen nicht weiter. Selbst dann nicht, als Mopple sich treuherzig daran macht, die Karten nach und nach zu verspeisen, um sehen zu können …

_Wollige Helden_

Schon im Vorgängerband „Glennkill“ habe ich die Schafherde rund um Miss Maple ins Herz geschlossen. Und auch im vorliegenden Roman „Garou“, den der Verlag etwas voreilig als Schaf-Thriller ausgewiesen hat, zeichnet die junge Autorin Leonie Swann herrlich wollige Charaktere. Jedes Schaf der Herde hat charakteristische Eigenschaften, so kann sich Mopple the Whale beispielsweise alles merken, Miss Maple zeichnet sich durch ihren messerscharfen Verstand aus, das Winterlamm ist immer noch auf der Suche nach seinem Namen und Lane ist das schnellste Schaf der Herde. Jedes Schaf hat seine Eigenarten, die bei den Ermittlungen natürlich eine wichtige Rolle spielen. Besonders liebenswert sind die Missverständnisse, die im täglichen Umgang mit den Schafen auftauchen, denn sie verstehen gerne Worte oder Bedeutungen ein wenig falsch, so glauben sie beispielsweise, der Schäferwagen würde von Ungeziefer wimmeln, als sie hören, dass er verwanzt sei – oder sie beweisen „Wollensstärke“, wenn sie etwas wollen. Und so ist Cloud das „wollensstärkste“ Schaf der Herde, weil sie am wolligsten ist. Diese wolligen Helden sind einfach nur genial gelungen. In der Umschreibung der Schafe beweist Leonie Swann erneut ihr großes Talent, Worte fehl zu deuten und in herrliche Sätze zu verpacken. Ihre Schreibe ist zwar einfach, aber herzerfrischend und mitunter auch recht komisch.

Dieses Mal kommen noch einige Ziegen und ein ungeschorenes Tier, das vermutlich eventuell ein Schaf sein könnte, hinzu. Und auch diese Tiere haben ihre besonderen Charakteristika, doch leider verblassen sie abgesehen von der kleinen schwarzen Ziege Madouc neben den Schafen, da sie eben doch nur eine Nebenrolle spielen. Madouc aber ist immer in der Nähe der Schafe, hilft ihnen bei ihren Ermittlungen und hat oft hilfreiche Tipps auf Lager.

Natürlich tauchen auch verschiedene Menschen auf, wie zum Beispiel Rebecca, die sich ständig mit ihrer Mutter in die Wolle kriegt, beispielsweise weil diese unachtsam ihre Zigarettenstummel in den Schnee wirft, wo die Schafe sie aufessen könnten (als ob die Schafe so etwas essen würden!) oder weil sie die Dorfbewohner in den Schäferwagen einlädt, um ihnen dort die Karten zu legen (was Rebecca für Humbug hält). Doch die Menschen sind gerade mal schmückendes Beiwerk in diesem Buch. Von den verschiedenen Dorfbewohnern erfahren wir meist nicht viel mehr als den Namen und ihren Beruf. Nur wenige Personen wie der durchgeknallte Zach oder der Häher, der das Schloss im Dorf bewohnt, lernen wir etwas besser kennen. Mich störte das allerdings nicht sonderlich, da die Schafe viel liebenswerter und für die Geschichte ja auch viel bedeutender sind. Doch fällt das Mitraten schwerer, weil wir von den handelnden Personen nicht so viel erfahren.

_Thriller oder nicht? Das ist hier die Frage_

Auf dem Buchcover prangt offensiv die Bezeichnung „Schaf-Thriller“, was mich von Anfang an etwas gewundert hat. Im Nachhinein kann ich auch keinen Thriller erkennen, denn zwar ermitteln die Schafe in einem mysteriösen Mordfall und es fließt auch durchaus einiges Blut, doch einen wirklichen Spannungsbogen konnte ich nicht ausmachen. So ist „Garou“ zwar eine liebenswerte Schaflektüre, allerdings bei Weitem kein Thriller. Das störte mich jedoch nicht weiter, denn mit einem Thriller hatte ich wie gesagt von Anfang an nicht gerechnet. Was mir aber negativ aufgefallen ist, ist die teilweise chaotische Handlung. Denn die Schafe teilen sich bei ihren Ermittlungen häufig auf. So entkommen einige Schafe mit dem großen Auto, mit dem sie auch nach Europa gereist sind, andere stromern durch den Wald oder suchen das Schloss auf, und die restlichen Schafe bevölkern weiterhin die Weide und machen sich dort breit, damit Rebecca nicht bemerkt, dass sich ihre Herde reduziert hat. An den meisten Schauplätzen taucht immer mal wieder die eine oder andere Ziege auf, sodass oftmals ziemliches Chaos herrscht. Manchmal konnte ich den verschiedenen Handlungssträngen nicht so recht folgen, zumal die Schafe ja meist auch ziemlich abstruse Ziele verfolgen. Und da Leonie Swann all diese schafigen Ideen parallel verfolgt, zerfasert dadurch die Handlung sehr stark, sodass man häufig den Überblick verliert. Das mag eventuell beabsichtigt sein, weil ja auch die Schafe nicht immer planvoll vorgehen, aus meiner Sicht störte das aber den Lesefluss erheblich.

_Mäh!_

Unter dem Strich gefiel mir „Garou“ zwar wieder recht gut, weil Leonie Swann ihre wolligen Romanhelden so liebenswürdig präsentiert und mit ihrem ganz eigenen und sympathischen Schreibstil punkten kann. Zwar konnte ich nicht wirklich einen Spannungsbogen ausmachen, doch fehlte dieser mir nicht sonderlich. Wer zu einem Schafkrimi greift, weiß sicherlich vorher, dass er keine packende Spannung oder Gesellschaftskritik à la Mankell erwarten kann. Negativ fällt allerdings die teils chaotische Handlung auf, die das Miträtseln erschwert. So reicht „Garou“ leider nicht an Swanns Erstlingsroman „Glennkill“ heran, macht aber dennoch neugierig auf den hoffentlich bald folgenden dritten Schaf-Krimi.

|Gebundene Ausgabe: 416 Seiten
ISBN-13: 978-3442312245|

_Schafe Bücher beim Buchwurm:_
[Glennkill]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1583

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