George O. Smith – Brennende Himmel

Als Wissenschaftler entdecken, dass die Sonne zur Nova entarten wird, bricht weltweit Panik aus. Ein junger Wissenschaftler meint eine Möglichkeit gefunden zu haben, die Apokalypse zu stoppen, doch die misstrauische Regierung, ein feiger Industriemagnat, eine schnippische Geschäftsfrau und aufgehetzter Pöbel drohen die Rettung zu verhindern … – Wie in einem zeitgenössischen B-Movie rollt eine ebenso aktionsreiche und dramatische wie absurde, mit Klischee-Figuren besetzte und gerade deshalb unterhaltsame Schauermär ab: Trivial-Science-Fiction mit beachtlichem Technobabbel-Faktor.

Das geschieht:

Jeff Benson ist zwar für den Bau wissenschaftlicher Präzisionsinstrumente sowie als kluger Forscherkopf bekannt, nagt aber als Idealist trotzdem am Hungertuch, was seine privaten Experimente immer wieder verzögert: Jeff hat festgestellt, dass bei jeder Aktion, die Energie erzeugt, ein Teil davon spurlos verschwindet. Wohin fließt sie? Das möchte Jeff gern herausfinden.

Wie wichtig seine Forschungen sind, bleibt lange verborgen. Stattdessen gerät Jeff in eine Finanzintrige der verfeindeten Finanzmagnaten Charles Horne und Lucilla Roman. Vor allem Lucilla ist misstrauisch; sie lässt ein Raumschiff bauen, dessen Atomantrieb sich der Sonnenkraft bedient. Jeffs Forschungen überschneiden sich mit der Entwicklung des Triebwerks; ein Zufall, an den zumindest Lucilla nicht glauben mag.

Aller Ärger wird nebensächlich, als Sonnenforscher Professor Lasson kundtut, dass die Sonne zu ‚flackern‘ beginnt. Offensichtlich kommt es in ihrem Inneren zu Energie-Turbulenzen, die sie womöglich zur Nova aufblähen. Binnen weniger Minuten wäre das gesamte Sonnensystem vernichtet, die Menschheit ausgelöscht.

Die Medien stürzen sich auf diese Nachricht. Weltweit bricht Panik aus. Die Menschen müssen begreifen, dass eine Flucht unmöglich ist: Niemand entkommt einer Explosion der Sonne! Lucillas Raumschiff-Antrieb soll die Katastrophe ausgelöst haben; eine unsinnige ‚Theorie‘, die vom entfesselten Pöbel aber geglaubt wird. Bald ist Lucilla in Lebensgefahr. Sie flüchtet ausgerechnet in Jeffs Labor, wo dieser gerade erkannt hat, was die Sonne pulsieren lässt. Er hat auch einen Weg gefunden, dies zu stoppen, doch die Zeit wird knapp, und Lucillas Feinde rücken näher …

‚Wissen‘ leicht gemacht

DAS ist mal ein Garn! Es schlägt den B-Movie-Trash der 1950er Jahre beinahe im Alleingang aus dem Feld, indem es die dort zelebrierten Klischees nicht nur zitiert, sondern übereinanderstapelt. Alles, was trivial für Erstaunen und Emotionen sorgen sollte, ist vertreten, wird wiederholt und auf die Spitze/n getrieben. Das Nachsehen haben die Naturgesetze, die indes Kummer gewohnt sind. Außerdem kann sich der Verfasser zugutehalten, dass zur Zeit der Niederschrift die Erforschung der Sonne noch in den Kinderschuhe steckte.

„Brennende Himmel“ ist ein Musterbeispiel dafür, dass „Science“ und „Fiction“ nur sehr bedingt zusammengehören. Obwohl George O. Smith ein ausgebildeter Ingenieur war, bediente er sich seines Fachwissens vor allem, um ‚Wissenschaftlichkeit‘ zu simulieren. Als Autor ist dies sein gutes Recht, auch wenn hier der Verdacht aufkeimt, dass Smith einen angeblichen Bildungsauftrag wenigstens ansatzweise erfüllen möchte. Das Ergebnis ist ein frühes Exempel für „Technobabbel“, der sich nicht selten aufdringlich häuft und trotz mehrfachen Lesens unverständlich bleibt – kein Wunder, denn Smith produziert blühenden Blödsinn im Dienst einer generell haarsträubend logikarmen Story.

Dass hier ein Ingenieur sich in Astrophysik versucht, unterstreichen die Bilder. Nach Smith ist Energiefluss ein hydraulisches Phänomen. Es kann zu ‚Verstopfungen‘ in (den transdimensionalen) Rohren kommen, die deren Inhalt zurückschlagen und den ‚Speicher‘ – in diesem Fall die Sonne – platzen lassen können. Dieser mehr als schräge Vergleich profitiert wie schon erwähnt davon, dass die Wissenschaft Mitte des 20. Jahrhunderts höchstens raten konnte, was im Inneren unseres Zentralgestirns vor sich geht.

Keineswegs gleichseitiges Gefühls-Dreieck

Junger Mann – schöne Frau – Schurke: Autor George O. Smith setzt auf ein bewährtes Beziehungsdreieck. Jeff Benson ist zwar ein naturwissenschaftliches Genie, aber kein Nerd, sondern ein ‚echter‘ Mann: Er kann mit den Händen arbeiten, ist groß und stattlich und weiß, was eine Frau ist. Somit wartet er nicht nur auf Forschungsergebnisse, sondern auch auf eine Lebensgefährtin, denn Jeff ist Mitte 30 und schon deshalb ehe- und familientauglich.

Das gilt erst recht für Lucille Roman, obwohl sie zehn Jahre jünger (sowie hübsch) ist: Frauen gehören früher unter die Haube! Smith spricht es zwar nicht aus, doch er deutet mehr als deutlich an, dass Lucille das Kind eines Vaters ist, der lieber einen Sohn gehabt hätte. Dass er (notgedrungen und widernatürlich) die Tochter als Nachfolgerin erzog, hat für Neurosen sowie private Frustration gesorgt, die Lucilla nun im Geschäftsleben auslebt. Dort ist sie aufgrund ihrer Rücksichtslosigkeit erfolgreich und gefürchtet, was in den 1950er Jahren als Indiz für Unglück gilt, das durch einen Ehemann behoben werden könnte. Wer in diese Rolle schlüpfen wird, ist wahrlich kein Geheimnis, obwohl Smith anfänglich heftige Antipathien zwischen Lucille und Jeff streut, die durch ebenso grob inszenierte Missverständnisse geschürt werden. Merke: Hinter Zicken verbirgt frau in der Regel uneingestandene Zuneigung!

Charles Horne gibt den hinterlistigen Intriganten, der seine üblen Absichten hinter aufgesetzter Freundlichkeit verbirgt, die nur der redliche Jeff für echt hält, weshalb er ordentlich manipuliert und hereingelegt werden kann. Selbstverständlich begehrt Horne ausgerechnet Lucille, die ihn partout nicht leiden kann und ihn das spüren lässt: Demütigung, Rachsucht und ‚Liebe‘ bilden in solchen Situationen ein eigenes, besonders triviales Dreieck. (Siehe auch Carl Denham – Ann Darrow – King Kong.)

Dramatik statt Glaubwürdigkeit

„Brennende Himmel“ erschien zunächst (= Juli 1949) im „Pulp“-Magazin „Startling Stories“. Dies erklärt nicht nur den Trash-Faktor, sondern auch die Inkonsistenz des Plots, der nicht der üblichen Struktur (Einführung – Problem – Lösungsbemühen – Finale mit drohendem Scheitern) folgt, sondern ein wellenähnliches Auf und Ab mehrfacher Höhepunkte bietet: Die Magazin-Fassung sollte offenbar ursprünglich in vier Fortsetzungen erscheinen. Als Smith die Story 1958 als Buchroman präsentierte, gelang es ihm nicht, ihr die Episodenhaftigkeit auszutreiben.

Dies verstärkt den Eindruck kunterbunter Beliebigkeit, denn die Handlungsstränge wollen sich nicht zu einer stringenten Geschichte schürzen. Breiten Raum gibt Smith fiesen Finanz-Intrigen auf Dagobert-Duck-Niveau. Dann wird ein Raumschiff gebaut, das meist nur um die Erde fliegt, was wahrscheinlich klug ist, da es aus Aluminium (!) gebaut wurde, weshalb u. a. wütendes Landvolk seine Haut mit Gewehrkugeln durchlöchern kann. (Allerliebst die Reparatur: Wie ein kaputter Fahrradschlauch wird das Raumschiff in einen Bergsee getunkt; hochblubbernde Luftblasen markieren, wo geflickt werden muss.)

Angesichts der Apokalypse mutieren normalerweise brave Bürger wie auf Knopfdruck zum kopflosen, mordlüsternen Mob, der dümmsten Demagogen hinterherrennt und in Schach gehalten werden muss. Dabei greifen ‚die Guten‘ problemlos zu Maschinengewehren und Granaten oder grillen panischen Pöbel auf elektrisch geladenen Schutzzäunen: Szenen, die in dieser naiven Selbstverständlichkeit und Drastik heute wohl nicht mehr durchrutschen würden.

Eine Lanze für den Blödsinn

Warum sollte man einen solchen Unfug lesen? Die Antwort liegt in einer Unterhaltungsverständnis begründet, die schon damals in der Freude am Trivialen wurzelte. Bei dieser Lektüre muss man nicht denken, sondern nur lesen und sich dabei unterhalten fühlen. Die Zeit fügte dem einen Trash-Faktor bei, der erst später als solcher geboren wurde: Überlegen ‚darf‘ man sich nun über ein Garn amüsieren, dass nicht nur ‚wissenschaftlich‘, sondern überhaupt ins Abseits geraten ist. Die Figurenzeichnungen sorgen inzwischen für Heiterkeit (oder – im „#MeToo“-Zeitalter – für Zorn), wobei auch das Männerbild ausrangiert wurde.

In Deutschland erschien „Brennende Himmel“ zwar als Heftroman, der jedoch knapp 100 eng bedruckte Seiten zählte, sodass sich die Kürzungen in Grenzen halten dürften. Die Übersetzung ist altmodisch, aber solide. Für Kopfschütteln sorgt primär das deutsche Cover, das womöglich der Verlags-Hausmeister ‚gezeichnet‘ hat. Falls man die Kundschaft auf diese Weise vom Romankauf abhalten wollte, hat man ins Schwarze getroffen!

Autor

George Oliver Smith wurde am 9. April 1911 in Chicago, US-Staat Illinois, geboren. Er studierte 1929/30 an der „University of Chicago“ Elektrotechnik. Anschließend arbeitete Smith als Radiotechniker und -ingenieur. 1944/45 gehörte er als technischer Autor einem Team an, das für das „National Defense Research Council“ Handbücher für Sonargeräte schrieb. Nach Kriegsende kehrte Smith in seinen Beruf zurück und war bis 1974 als Ingenieur tätig.

Als Science-Fiction-Autor war Smith seit 1942 präsent. Eine erste Kurzgeschichte („QRM – Interplanetary“, dt. „QRM“/„Interplanetare Störungen“) erschien im Magazin „Astounding“. Dies war die erste einer ganzen Serie von Storys, die sich um eine Raum- und Funkrelais-Station rankten, die der Venus auf ihrer Umlaufbahn ‚folgte‘, sodass Erde, Venus und Sonne ein gleichseitiges Dreieck bilden. Smith spielte abenteuerlich (und sehr science-lastig) Zwischenfälle durch, die auf einer solchen Station auftreten könnten, und bemühte sich um möglichst überraschende Lösungen. Weniger wichtig war ihm die Figurenzeichnung, was aber seine Leser nicht störte; die „Venus-Equilateral“-Serie war sehr beliebt und wurde immer wieder aufgelegt.

Das sonstige Werk blieb schmal, zumal Smith ab 1960 kaum mehr schrieb. Am 27. Mai 1981 ist George O. Smith in Rumson (New Jersey) gestorben. Er wurde nur 70 Jahre alt; schon 1958 hatte er einen schweren Herzinfarkt erlitten.

Heftroman: 96 Seiten
Fire in the Heavens (New York : Avalon Books 1958)
Übersetzung: Ingrid Mewitz

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